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f^arbavli College l.ilirars
FROM THE FUND OF
CHARLES MINOT
ClMS of 1888
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DIE (ESTERREICHISCHEN
iLPEIL^SDER
UND
IHRE FORSTE.
GESCHILDERT
VON
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JOSEPH WESSELY,
K. K. MINiSTERULCONCIPlSTEN FÜR UNDEiiCULTlU , DIRECTOff DKR MlHRlSCH-
SCHLESISCllEN FORS'l'^»Clil;LE.
Bei
WUMIEILM BlAUM'iIJILILIgm,
k. k. Buchhändler des Hofes und der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, sind
erschienen :
Oesterreichische
VIERTELJAHRESSCHRIFT
für
FORSTWESEN.
i'itiem
t?,
Herausgegeben von
unter der Redaction des
li. Qrabner,
emeritiriem Professor der Forsikande an der k. k. Porstschule sn HariabniDn , fbrstl. Liechteiisteioiscben
Hofralhes, Hitgrliedes mehrerer wisseaschafUichea Vereine.
Jahrgang 1861 und 1852 oder I. und 11. Band in je 4 Heften.
Preis des Jahrganges fl. 3 C H.
INHALT:
1. Banil, II. Banil.
Die österreichisch steierische Hochgebirgs-
Forstwirthschafl gegenüber den Forde-
rungen der Jetztzeit.
Einiges über den Eichenkäfer.
Wie weit reicht die Wichtigkeit der Walder.
lieber Beforsterung der Körperschafts Wal-
dungen.
Ergebnisse der zur Erforschung der besten
Fälliingszeit und Behandlung des Holzes
angestellten Versuche.
Zur Frage der Waldordnung.
Forstvereins- A ngelegenhei ten .
Erste Versammlung ungarischer Forstwirthe
zu Gran am 30. Juni 1851.
Beiträge zu der Abhandlung: »Wie weit
reicht die Wichtigkeit der Wälder ¥'
Die obersteirischen Torflager.
Ein Raupenfrass im Theimwalde in Nieder-
österreich.
Bericht über die Verhandlungen der forst-
lichen Section der 14. Versammlung deut-
scher Land- und Forstwirthe zu ^>&lzburg
im September 1851.
Forstverein in Karnthen
Vorschlag zur Gründung eines österreichi-
schen Reichs-Forst vereine».
Das Waldarbeiter - Behandlungs - System bei
der k.k. steicrraärkischösterr. Eisenwerk-
direclion zu Eisenerz
Die Forstservituten-Ablösung in Tirol
(leber praktischen Waldbau -Unterricht.
Mimsfrrieiie Mitthethingen. LiterttrUche Be-
richte, Notizen.
Zui Beantwortung der Frage : »Wie können
im hohen Gebirge grosse, weitausgedehnte
Culturflächen . welche dem Weidbelriebc
fortwährend geöffnet bleiben müssen , am
sichersten aufgeforstet werden?'^
Geber Eichenrindengewinnung.
Ceber die Dichte der Wälder in den wälschen
Alpen.
Forst Vereins- Angelegenheiten.
Waldservituten und ihre Ablösung.
Denkschrift über die Bereisung der Torf-
moore zu Aussee, dann Hammerau, Uaaspel-
moos bei Nannhofen, Schleissbeim und
Fichtlberg in Baiern 1851.
Die Gesetze des Holzzuwachses und deren
Anwendung zur Construction der Ei-trag»-
tafelu.
Die Forstabtheilung der Ausstellung land-
schaflüeher Gegenstände in Wien am 7.
und 8. Mai 185«.
Die Entlastung des forstwirthschafllichen
Grund und Bodens.
Ministerielle Mittheilungen.
Forstvereinsangelegenheiten.
Literarische Berichte.
Notizen.
f^arbart CoUese l.i&rars
PROM THB FUND OP
CHARLES MINOT
ClMS of 1888
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DIE (ESTERREICIIISCHEN
4LPEIiL^liDEß
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IHRE FORSTE.
GESCHILDERT
VON
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JOSEPH WESSELY,
K. K. MINISTERUL-CÜNCIPISTEN FÜR LANDEiiCtrTüK . DillECTOff DhR MlHRlSCH-
SCHLESISCHEN FORS^I'SCIILLE.
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WIEN, 1853
WILHELM lUlAüJllLLKK,
K. K. ilOFBUCim \NnLFR.
Vorzttglichste Fnndgraben,
waldi» Ich die OiidcrB vm Bue dleios WeriLes eitMunM häU ttd die Edalstetne»
wekh» «s BdunückeB.
Vor Allein darf ich hier wohl die Erfahrungen und Beobachtaogen
nennen» welche ich selbst wahrend zwölfjähriger Forstdienste in drei Al-
penländern und bei mehrfacher sorgfaltiger Bereisung aller übrigen Hoch«
gebirgslande gesammelt habe.
Drackwerke.
Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie, zusammenge-
stellt yon der k. k. Direkzion der administ Statistik.
Hain, Handbuch der Statistik des österr. Kaiserstaales, 1S5S.
Gebrüder Schlagintweit: Untersuchungen über die fisische Geografie
der Alpen, 1850«
Cotta, Geologische Briefe ans den Alpen.
Sc hon w, Tableau du climat de Tllalie, 1889.
Jahrbücher der k. k. geologischen Reichsanstalt.
Steub, Drei Sommer in Tirol, 1846.
Summarien des k. k. Steuerkatasters.
Linden, Die Grundsteuerverfassung der österr. Monarchie, 18M.
Hlubeck, Die Landwirthschaft Steiermarks, 18 W«
Salzburg, dargestellt zur Feier der XIV. Versammlung deutscher Land-
und Forstwirthe, 1851«
Zeitschriften der Laudwirthschaftsgesellschaften vonKärn-
then, von Steiermark, von Tirol, von Krain.
Hittlieilaiigeii folgender freande:
V. Angelis Gustav, k* k. Forstmeister in Tirol, Baumgartner
Franz, k. k. .Waldmeister in Steiermark, Benno, Hochwürdigster Abt
zu Admont in Steiermark, Breimann Karl, k. k. Forstmeister in Salz-
burgs Bürgermeisteramt der Hauptstadt Klagenfurt, Dezenti Leo*
pold, k. k. Rechnungsofßzial in Krain, Graf v. Fries Moriz, Gutsbe«
sitzer in Niederösterreich, Fritsch Karl, Adjunkt des k. k* meteorologi*
sehen Zentralinstitntes» Fuchs Johann^ k. k. Waldmeister in Steier-
mark, Fax Karl, k. k. Waldmeister in Steiermark, Ginther Johann,
k. k. Förster in Oberösterreich, Dr» Gintel Julius Wilhelm, k« k.
Telegrafendirektor in Wien, Grossbauer Franz, k.^k. Professor in
Niederösterreich, Ritter v. Guttenberg Anton, k. k. Forstrath in Steier-
mark, Gatterer Anton, k« k* Oberförster in Kärnthen, Hilber Au-
gust, k. k. Oberförster in Salzburg, Hopfgartner Johann, k. k,
Forstrath in Steiermark, Kar gl Josef, k. k. General-Forstinspekzions-
Adjunkt im Venezianischen, Dr. Knolz Josef, k. k. Protomedicus in
Niederösterreich, Kossmatsch Markus, k* k. Oberlendhutmann in Krain,
Kofi er Alois, k. k. Hammerverwalter in Steiermark,' Kamptner
Kaspar, k« k. Forstmeister in Kärnthen, Mai er Rudolf, k. k« Ober-
förster in Unterösterreich , Meguscher Franz, k. k. Oberwaldmeister in
Tirol, Mastalka Eduard, k. k. Forstgeometer in Steiermark, Par-
tisch, Forstmeister in Oberösterreich, v. Periboni Andreas, k.k.
Forstmeister in Tirol, Ritter v« Panz Eduard, Gutsbesitzer und Eisen-
werksdirektor in Tirol, Prot tu er J., k. k. Bergrath in Kärnthen, Resl-
huber August, Hochwürdiger Direktor der Sternwarte in Kremsmün-
ster, Rizzi Antonio, Güterdirektor im Venezianischen, Reinprecht
Johann, k. k. Forstmeister in Unterösterreich, Sauter Franz, k. k.
Forstrath in Tirol, Staudinger Johann, Gewerke in Niederösterreich,
Schneider F., Güterdirektorin Oberösterreich, Strohal Rudolf, k*k.
Ministferialkonzipist io Wien , Swoboda Leopold, k. k. Waldmeister
in Steiermark, Thomann Ferdinand, k. k. Waldmeister in (Steier-
mark, Vertous Mathias, Hochw. Pfarrer in Krain, Werner Gu-
stav, k« k. Forstinspektor im Venezianischen, Edler v. Wun d erb al-
dinger, k. k« Forstrath in Oberösterreich.
Für die Bereitwilligkeit, mit welcher mir diese Herren den reichen
Schatz ihres Wissens eröffneten, um mich in den Stand zu setzen, dieses
Werk in der gegenwärtigen Weise auszubauen, sage ich denselben hier
freudig meinen wärmsten Dank.
G,
Allgemeines Cfepr&ge der Alpen
rrundversehieden von allen andern Ländern des grossen Kaiserreiches
sind die Alpen.
Unersetzlich ffir die eigenen Bewohner, behalten sie auch f&r den
Fremdling ihr ewiges , hohes Interesse. Wer auch nur einmal die male-
rische Anmuth dieser Thalgelände, die erhabene Einsamkeit und Wild-
heit dieser Gebirgskolosse genossen hat» dem bleiben die Eindrücke mi-
verwischt f&rs gansEe Leiten.
Die Alpen haben nichts gemein mit der Unsicherheit der Appeninen,
sie sind nicht unwirthlich» wie die Pirenäen, nicht einförmige wie die
Karpathen» noch nackt und kahl wie die Cevennen.
Bis zur Linie des ewigen Schnees in frisches Grün und dunkle Wal-
dung gehüllt, und mit Dörrern und Hütten überstreut, bilden die Alpen
unter strahlenden Eisfeldern und flatternden Wasserfällen das eigentlichste
Prachtstück des grossen Kaiserreiches, den ungeheuren Garten, in wel-
chem Liebliches und Grauenvolles aller europäischen Himmelsstriche ne-
beneinander wohnt. — Drunten Italiens wollüstiger Hauch zwischen Wein-
bergen ^ Zipressen und Feigengebüsch; droben der starre Winter von
Grönland , aber . auch dieser noch mit Blumen umkränzt , wo die Massen
des ewigen Eises Geviel'tmeilen einnehmen und dem Kaiserreiche zahllose
Ströme hinabsenden; dazwischen alle Stufen mitteleuropäischer Naturbil-
dung und Menschenwerkes.
In der kurzen Tagreise vom südlichen Alpensaume bis auf die ewig
beschneiten Hochgipfel durchschreitet der Wanderer alle Regionen, alle
klimatischen Erscheinungen und Lebensformen Europas. Ganz anders ist
in jeder der einzelnen Höhenzonen die Temperatur der Luft und des
Wassers; in anderer Gestalt schlagen sich die Dünste nieder, und auf
andere Weise vrirken Winde und Sonne; nach eigenthümlichen Gesetzen
bewegt sich auf jeder Höhenstufe das Alpengewässer, und die Jahres-
zeiten sind völlig verschieden in ihrer Dauer wie In ihren Gaben. Jede
dieser Zonen stellt, wie in der phisikalischen, so auch in der organischen
Schöpfung einen anderen Schauplatz dar , und Überall ist auch der Mensch
ein anderer , weil andere Natureinflüsse auf ihn wirken.
Aber nicht bloss die unbeschreibliche Pracht dieser grossartigen
Natur ist es, welche den Alpen so hohen Reiz verleiht, als vielmehr
auch das ganz eigene Wesen der Menschen, welche ihre abgeschiedenen
Hochthäler bewohnen.
Diese alterthümlichen Einrichtungen, Gebräuche und Trachten in-
Mitten netter Sitten ; diese hochachtbaren Ueberbleibsel ungebeugter Kraft,
Einfachheit und Biederkeit inmitten moderner Schwäche und Verkehrtheit;
1*
dieses einfachste Naturleben mit seinen geringen Bedürfnissen inmitten
der Ueppigkeit und masslosen Ansprüche des verfeinerten Lebens; diese
ehrwürdigen Reste ruhigen selbstbewussten Freisinnes und tiefer Gottes-
lurcht inmitten von Unglauben und politischem Schwindel, all diese Tu-
genden und Eigenheiten ihrer Bewohner sind es nicht minder, welche
uns unwiderstehlich nach den Alpen ziehen.
Was sind aber die Eigenthümlichkeiten der Alpenvölker zuletat An-
deres, als eben der erhabene Stempel, welchen die gewaltige Natur der
Hochberge ihren kraftigen Söhnen aufdrückt?!
Inbegriff der OstreichisclieB Älpei.
Mag nun der Ausdruck Alpen von Alm (Sennweide) oder von Alb
(keltisch: weisse Berge) herrühren, so begreift man unter denselben jetzt
die zwischen der lombardisch- venezianischen Ebene, dem ungarisch-kroa-
tischen Flachlande, und der österreichisch-bairischen Donauebene gelege-
nen Bergländer.
Einmal beschränkt man diesen Ausdruck auf die blossen Hochge-
birge (deren höchste Gipfel über die Grenze des Baumwuchses hinaus-
reichen), und ein andermal dehnt man ihn auch auf jene Länderstriche
aus, in welche die Hochberge noch ihre letzten Ausläufer hinabsenden»
Auch ich werde den Ausdruck in beiden Weisen gebrauchen; im
ersteren Falle jedoch immer „Alpen im engeren Sinne" sagen, es wäre
denn, dass der verhandelte Gegenstand ohnehin keinen Zweifel aufkom-
men liesse, wo ich von den Hochbergen spreche.
Die Alpen im engeren Sinne begreifen:
Die Ki*ouläiider Tirol und Kärnthen ganz; Obersteiermark; Salz-
burg mit Ausschluss des Thalgaues, das diesseits der Donau gelegene
Hochgebirge Unter- und Oberöstreichs, Oberkrain, den oberen Theil des
Kronlandes Görz und die Hochberge der italienischen Kronländer Vene-
zien und Lombardie.
Zu den Alpenländem im weiteren Sinne zähle ich:
Die Kronländer Tirol, Kärnthen, Steiermark, Krain, Salzburg und
Görz ganz; von Unteröstreich den ganzen Theil diesseits der Donau,
von Oberöstreich die ehemaligen Kreise Traun und Hausruck, von Vene-
zien und der Lombardie den ganzen bis an die eigentliche Ebene reichen-
den Landstrich»
3
Üatertheiliuig der Alpei.
t)i« Göogfafen haben die östreichischen Alpen eingetheilt wie
folgt
Jene Ketten» welche aus Graubündten quer durch Tirol bis Salz-
burg streichen» heissen siebis zur Dreiherrenspitze die „rhätischen Alpen,"
jenen sfidlichen Ast» welcher anfanffs an der Grenze der Lombardie mit
der Schweiz und später mit Tirol hinabstreicht» und sich in die Lom-
bardie verzweigt» nennen sie die ^lombardischen Alpen". Mit diesem Aste
hangt an der Etsch jener zusammen» welcher von San-Pellegrino an der
venezianisch-tiroler Grenze von Nordost nach Sudwest herunterstreicht»
und von ihnen die y,trienter Alpen" genannt wird. Jenen Ast» welcher
von der Nordseite der rhätischen Alpen nach Nordosten durch Nordtirol
und Vorarlberg bis Baiern und Wurtemberg streicht» haben sie „tiroler
Alpen" getauft.
Die Fortsetzung der rhätischen Alpen durch Salzburg und Obersteier-
mark gegen Ungarn» nennen die Geografen vom Dreiherrnspitz an „nori-*
sehe Alpen".
Die Grebirge » welche sich von San-Pellegrino » anfangs an der türoler-
venezianischen, und später an der kärnthner-görzerischen Grenze ostsüdöst-
lich lunziehen^ benennen sie bis zum Terglu Mkarnische Alpen".
. Die südöstliche » bis Kroazien streichende Fortsetzung dieser Ketten
pflegen auf den Landkarten als j'ulische Alpen" bezeichnet zu werden.
Diese Eintheilung mag für die Geografie sehr gut sein» für die Zwe«
cke der Bodenkultur jedoch taugt sie oicht. Für diese sind nur die vegeta-
tiven Standoruverhältnisse brauchbare Eintheiluogsgründe» vor Allem der
entscheidendste aller Faktoren : das Klima » und dann die Bodenkrume.
Die klimatischen Verhältnisse der verschiedenen Alpentheile prägen
deren ganze Natur verschieden aus und regeln durch diese auch Bevölke-
rung und Volkswirthschaft
Ich theile sonach die Alpen nach der Richtung ihrer allgemeinen Ver«
fliehung ab » wie folgt :
Hauptstock» mit keiner hervorragenden Verflächimg. Er ist der
Mittelpunkt des Ganzen » seine Gebirge sind die mächtigsten » sind durchaus
Hochberge. Zum Hauptstocke zähle ich Nordtfarol mit dem Pusterthale, die
vier Hoohgaue Salzb^gs» ObersteiermariL und den ehemaligen villacher
Kreis Kämthens.
Westlicher Abfall oder Vorarlberg.
Nordabfall Unter- und Oberösterreich diessseits der Donau mit
Ausnahme des ehemaUgen Innkreises» dann das salzburgische Thalgau.
SüdabialU Sfidtirol ohne Pusterthal» Lombardie und Venezien bis
zur grossen italienischen Ebene» dann Görz.
Östliche Verflächung, begreifend Untersteiermark, den ehema-
ligen klagenfurter Kreis Kämthens» und Krain.
Der Abfall naeh den angegebenen vier Hauptrichtungen hat zwar nicht
immer im Einzelnen» wohl aber im grossen Durchschnitte so statt» und wird
auch durch den Abfluss der Ströme ziemlicli scharf bezeichnet.
Die Zwechthlismgkeit dieser Eintheilung wird später völlig klar werden.
Alpennatur.
OberflSchenform der Älpenländer.
Die Alpen sind nichts weniger, als eine reg^elmässige Zentralkette,
ein lückenloser ununterbrochener Hauptgebirgsfirst, der seine Arme und
Nebenketten nach beiden Seiten aussendet; sie sind vielmehr eine Verbin-
dung von mannigfachen Gebirgsstöcken und Ketten, sozusagen von 6e-
birgsindividuen, deren jedes für sich seine Arme erstreckt, seine Griieder
gruppirt; seine Thäler und Gewässer niederschickt
Nur nach ihrem geologischen Baue und gegenüber dem umliegenden
Flachlande bilden sie ein ungetrenntes Ganzes mit gemeinschaftlichen Tipen*
Ihre Axe geht dann fast ganz gerade vom Orteies, dem höchsten Berge des
Kaiserreiches, bis in die ungarische Ebene nach Pressburg in der Richtung
von WSW nach OSO. Wo sie im Westen aus der Schweiz treten, sind
sie am höchsten — der Orteies hat dort 1S,S(K> Fuss MeereshÖhe — nach
Osten zu werden sie immer niederer, von den letzten Hochglpfeln in Unter-
österreich enceicht nur mehr der Schneeberg 6000 Fuss.
Längs der Mitte der ganzen Alpenkette läuft ein gewaltiger Zug kri-
stallinischer, sowohl schiefriger als massiger Gesteine. Zu beiden Seiten
lehnen sich an diese Axe zunächst Grauwackenbildungen, und dann die
mächtige Kalksteinformation , welche die Geognosten als Alpenkalk bezeich-
nen. Am Fusse der Kalkketten treten allenthalben Molassebildungen (meist
Sandsteine) hervor.
Die Alpen in engerem Sinne sind durchaus Hochberge von erhabenem
Gepräge. Die einzelnen Ketten steigen auf 3000—10,000, die Ilorhgipfel auf
8000—12,500, die Pässe auf 3000— 9000 Fuss Seehöhe, sind also hier 3*-5
Mal so hoch, als in den Flachländern. Den Ausdruck von Gvrösse verdanken
sie aber weniger dieser bedeutenden Seehöhe, als vielmehr der sehr be-
trächtlichen Erhebung ihrer Gipfel und Jöcher über die dazwischenliegen-
den Thalsohlen ; eine Erhebung, welche gewöhnlich nicht unter 3000—6000
Fuss, also S-*5Mal mehr betragt, als in den niederen Gebirgen anderer Länder.
Da diese Hochberge aus festem der Verwitterung weniger unterKe«*
genden Gesteine bestehen, so geht allenthalben der Fels und oft in den
grössten Massen zu Tage^ wess wegen ihre Umrisse und ivtirzugfitih die
Gipfel und Gräten meistens scharf und eckig sind and steil, häufig sogar in
prallen Wänden abfallen*
Dieser Rücken und Gipfetbildung entsprechen ebeitfso enge steilab-
schttssige Schluchten, starkiaUende Thäler, Abstürze, Wasserfalle und
Schutthalden.
Die Alpen uberctejg^n in Masse den O&rtel/ in welchem der Wald
noch die Gehänge zu, überUeiden veroiag; ganze Kämme erheben sich
Aber das gewfiimliche pflanzliche Leben binaaf in die Region des ewigen
Winters ; ja ihre gewalligsten Häupter ragen tief hinein in die Werk-
st&tte der Wolken* Daher auch die unabsehbaren baumlosen Triften, die
nacklen Mauwn und Zinnen, £e weilen GUelscfaer und Firnermeere, die in
Wolken verhüUlen oder in strahlendem Schnee erg^änteaden Gipfel.
In den scharfen und abenteuerlichen Umrissen, in den pflauzenlosen
Felsmassen, Wänden und Schluchten, in den Abstürzen , Wasserfällen
Schuttmuhren und Eismeeren, in den wolibeiiverhfiUten oder schneeerglän-
ztaiden Hochgipfein liegt das Erhabene ; in dem Kolossalen dieser Pracht-
werke des Herrn, gegen welche auch die angestauntesten Bauwerke der
Menschen zu unscheinbaren Punkten zusammenschrumpfen, liegt die Maje-
stät der Alpen.
5
Thalbildnng.
Die mannigfachen Gebirgsstdcke, ans denen die Alpen bestehen, wer-
den geschiedai durch dieHauptthäler^in welchen zugleich die grössten
Bergstrdme ihre Wässer den Ebenen zuwälzen. Man heisst diese Thäler
auch Längenthäler, weil sie nach der Länge der Gebirgsstöcke hinstreichen
und wirklich ungemein lang sind. Mehrere, wie das Inn-, das Drau-, das
Mur«, das Save- das Etschthal durchziehen die Hälfte der Alpen, das Salza-,
das Eisack, das Rienz-, das Piave-, das Addathal und hundert andere wenig-
stens ganze Kronländer oder Kronlandskreise«
Diese Hauptthäler streichen nach allen Richtungen; im Allgemeinen
jedoch immer nach jener Linie, in welcher sich die Gebirgsstöcke senken,
die ihnen ihre Wässer zusenden.
Jeder Gebirgsstock hat eine höchste^ durch aufeinanderfolgende grös-
sere Berge bezeichnete Erbebungslinie, von welcher aus seine Arme sich
gewöhnlich in zwei entgegengesetzten Richtungen hinauserstrecken. —
Die meist paralellen Einsenkungeu zwischen diesen Armen sind die Seiten-
thäler erster Ordnung, sie munden sammt ihren Bächen in die Hauptthäler
aus. Man heisst sie öfter auch Querthäler; weil sie mehr oder weniger
senkrecht stehen sowohl auf die Hauptthäler als auch auf den Zug der
Bergstöcke.
Die Arme der einzelnen Bergstöcke schicken insbesondere gegen das
Hauptthal zu wieder ihre Zweige hinaus; zwischen denen sich dann die
Seiten thäler zweiter Ordnung einsenken.
Und so kann man in dem vieliacii g^ippten und gdfarchten Körper der Al-
pen auch noch Sdlenthaler djrittar> vierierundnoch höherer Ordnung verfolgen.
Die Einsenkungeu der holierett Ordnung sind jedoch seilen eigentliche
Thäler, sondern vielarahr Schrluchten {okmt Sohlen.)
9
Die Alpeoüiaier bestehen aus eioer Reihe von weiten Becken,
welclie durch längere stark fallende Thaleugen (Klammoii) oder durch
steilere Senkungen verbunden sind. Am oberen Ende der Thäler gestalten
sich diese Becken zu Mulden > \velche in den höchsten Bergstöcken den
Gletschern und Firmeeren zur Lagerst&tte dienen (Kare). Die ikiittlere
Neigung der Thaler wird Um so grösser, je mehr man sich dem oberen
Ende derselben nihert; jedoch ist das Geiäll der Becken stets weit geringer
als jenes der sie verbindenden Thalengen. -^ Beim ZusammenslK^sse sweier
Thaler liegt sehr oft die Sohle des kleineren höher, was insbesondere bei
den Seitenthalern zweiter Ordnung scharf hervortritt.
Die Heuplthaler haben gewöhnlich die breitesten Sohlen und bilden die
weitesten Becken^ sie haben auch den geringsten Fall und liegen am tiefsten.
Ihren Ursprung nehmen sie selten auf dem hohen Joche^ sondern gewöhn-
lich auf tiefen und breiten Einsattelungen. — Die Hauptthäler sind iber-
haupt als die tiefsten Einsenkungen rings um die Gebirgsstöcke zu be-
trachten.
Die Schluchten haben eigentlich gar keine Sohle, sie' fallen am starke
steu ab und in ihrem oberen Theile noch steiler als die Berghange selber,
als deren Furchen man sie fQglicli betrachten kann.
Am deutlichsten sind di^ eben bezeichneten Thalformen in den Urfels-
gebirgen ausgesprochen; weniger deutlich in den KalkbergeA« welch letz»
lere sich durch eine grosse 2#aiil von Schluchten gatiz besonders her-
vorheben.
Im Allgemeinen fallen die gegen Süden gerichteten Thaler am stark*
steu ab.
Tafel des gewöhnlichen Falles der Alpenthäler.
BqkMsolIe fttf Jede
find« LingeHklafler
Ebenen am Rande der Alpen O.uu-O.u O.o»~-0.2o
Alpenthäler.
Vorderer Theil der Ha up thäler O-ow— O.4 0.oa7-0.st
Längster Theil der Hauptthäler und \orderster
Theil einiger Seiteuthäler O.a — 0.» O.4 — Le
Hinterer Theil der Hauptthäler und die längste
Strecke der Seitenthäler 1 — * . l.s —2.7 .
Hinterster Theil der Hauptthäler und oberer Theil
der Seitenthäler 8—4 t.7 —0.0
Hinterster Theil der Seitenthäler 4—19 5—15
Schluchten • 1« ~ 60 15 -1«0
Sehr hezeichtiiMid steigen die Sohlen vieler Alpenthaler van den Rän-
dern des jetzigen tief eingeschnilteneii Strombettes treppenartig zur Haupt«
ebene des Thaies Unauf; und jedem Staffel entspricht eine eigene Allavions-
Schicht Die in verschiedenen von einander . sdir entfernten Zeitpunkten
erfoln^teii Anschwemmangen rfihren fast immer vou den uiiunterbrocheiien
GeBleinszerstoruDgen lier^ deren Erzeugnisse zeitweise durch die Wasser
ans den Seitenthalern herausgetragen werden.
6
Bergform im Ällgemeineii.
Die Gebirgsstöcke » aus welchen die Alpen bestehen^ sind durch die
Haupttfaäler getrennt und nur durch tiefe Sättel mitsammen verbunden.
lo jedem dieser Stdcke lassen sich gewöhnlich zwei Hauptabdachun-
gen unterscheiden, an deren Zusammenstosse sich eine Reihe grösserer
Berge hinzieht, welche zusammen mit den sie verbindenden Einsattlungen
die höchste Erhebungslinie , das »»Joch** bilden. — Die beiden Abdachungen
bestehen in der Regel wieder aus Bergzfigen , welche sammt den dazwi«
schenliegenden Seitenthalern (Querthalern) mehr oder weniger rechtwinklig
auf die Hauptrichtung des Joches stehen. Und auch diese Seitenbergzfige
senden, insbesondere gegen ihr unteres Ende zu, wieder andere Zweige aus.
Eine ganz regelmässige Anordnung der Bergzfige und Thiler kommt
indessen nur seltener vor,
Ueberall aber, wo der Zug des Gebirgsstockes von Osten nach We-
sten geht, ist der Abfall nach Söden ungemein jäh, während die Senkung
nach Norden nur allmählich statt hat« Es wiederholt sich so im Einzelnen
das Gesetz , welches auch für die Alpen als Ganzes gilt ; ebenso , wie die
östreichisch-bairische Ebene am Nordrande der Alpen bedeutend höher liegt
als die südliche lombardisch -venezianische, ebenso liegen auch die Hanpt-
thäler der Einzelgruppen im Süden tiefer als im Norden, und die Ketten und
Hänge fallen steiler dahin ab.
Die Seitenzweige der einzelnen Gebirgsstöcke bestehen aus paralellen
HöhenzügeB , welche nach Aussen zu sich immer mehr senken. Bald sind
sie breiter^ von beiden Seiten sich näherrückend, und bilden so die Thal-
engen, bald sind sie schmäler, und lassen Raum für die grossen Mulden
und Thalbecken. In den hintersten Theilen werden sie stets schmäler; es
breiten sich zwischen ihnen dann die weiten Firumulden aus, jene bezeich-
nenden Enden aller Hochalpenthäler. Dort treten sie auch mehr als einfache
Kämme auf, während sie weiter nach Aussen , wo sie an Breite so bedeu-
tend zunehmen, durch zahlreiche Seitenthäler zweiter und dritter Ordnung
unterbrochen werden.
Wie die Seitenzwtige der Gebirgsstöcke von Aussen nach Innen an
Höhe zunehmen, ebenso steigen auch die trennenden Thäler hinan; ja noch
etwas rascher; indem ihr Abstand von der mittleren Kammhöhe gegen das
Ende der Thäler geringer . wird. — ^ Die höchsten Seitenthäler finden wir
fast immer da, wo auch die Erhebung der Bergmassen die grösste ist.
UehtHrhaupt liegt in dem Verhältnisse zwischen den mittleren Höhen
der Thäler^ der Pässe, Kämme und Gipfel ein bestimmtes Gesetz^ welches
10
rücksichtlich der Hochber^e in folgenden Zahlen seinen Ausdruck fin«
den mag.
SMMke fai fiwM Tm
MiUelhöhe des ganzen Alpenlandes • • — MOO ].|
Thäler 1000— 4500 «700 1
Pässe • • 3000— 9000 5800 t.»
Kämme 3000—10000 6050 «.,«
Höchste Gipfel 6000-lSOOO 9000 3.,
Höchster Gipfel (Orteies) — 1«500 4.7
Die Berge der Alpen sind nichts weniger als vereinzelte Kegel, sie
bilden vielmehr Theile der eben beschriebenen Kämme, über deren mittlere
Höhe sie sich jedoch mehr oder weniger bedeutend erheben. Nur am Aus-
gange eines Thaies treten die Berge selbstständiger auC
Wie in den Thälern, so ist auch an den Abhängen der Berge die Nei-
gung durchaus nicht gleichmässig.
Die mittlere Neigung ist am bedeutendsten in der Nälie des Gipfels,
Später folgen gewöhnlich kleine flachere Absätze , welche die Steilheit der
Hänge unterbrechen, und den Bergen eine ungeheure Breite geben. Oft
mündet der Absatz in eine mehr oder weniger senkrechte Wand. Dieses
StafleUormige der Abhänge macht, dass die Berge vom Thale aus gesehen
sich sehr verkürzen.
Diese Oberflächenform macht die Hochberge, gegenüber dem niede-
ren Geburge, besonders ausdrucksvoll. Ihr näheres Gepräge ist jedoch
wesentlich verschieden nach der Felsformation, aus welcher sie bestehen.
Urfelsberge.
Die aus dem Piemontesischen und dem Kanton Wallis eintretenden,
durch die Mitte der östreicbischen Alpenländer in einer Breite von IS— 16
Meilen ziehenden »Uralpen^ bestreu aus Granit, Gneus und Glimmer-
schiefer, mit Lagern von Thonschiefer und Urkalk. Man heisst sie die-
ser Felsartea wegen mit Recht Uralpen; denn sie sind so alt, wie die
Erde selbst, und haben längst bestanden, ehe in späteren Jahrtausenden
sich die anderen Felsgebilde an ihre Seiten lagerten. -~ Sie bilden im
Allgemeinen die höchsten Gebirgsstöcke. — Sie erheben sich anfangs
sammt ihren Seitenthälern und später wenigstens in sehr breiten Massen;
ihre Erhebung ist vorzugsweise massig; daher auch langgestreckte,
weniger steile, nur selten von Wänden unterbrochene Hänge, breite Rfl-
cken und Absätze, runde Kuppen, sanfter fallende breitere Thäler« —
Dieser Erhebungsform und ihrer geringeren WiederstandsfähigkeiC gegen
die Verwitterung weg^n, sind die Umrisse weniger scharf und prallig, es
treten die Felsen viel weniger zu Tage, als bei den Kalkbergen und die
Oberflächen sind fast allenthalben mit Pflanzenwuchs überzogen, die Wäl-
11
der wenig zerrissen, theilweise in langem ananterbrochenen Zusammen-
hange. — Dieser Erhebongsform wegen beherbergen die Uralpen bei
Weitem die ausgedehntesten Gletscher und Ferner.
Die Hange der Urfelsberge wechseln in ihrem Falle awischen M
und Kf^, gewöhnlich jedoch zwischen 15 und dO^, nur selten fallen sie in
förmlichen Winden ab. Ihre mittlere Neigung betr> nahezu W^, ist
daher nur wenig geringer, als jene der Kalkberge. Dass die Urfelsberge
demungeachtet viel weniger schroff erscheinen, liegt in dem Abgange der
Wände und in der bedeutenderen Erhebung der Seitenthäler, welche nicht
selten bis auf 5000 Fuss Seehöhe und darüber ansteigen, — Bezeichnend
sind auch die Absätze weniger zahlreich und weniger flach, unterbrechen
daher viel minder auffallend den regehnässigen Abfall der Hange. — - Die
Gipfel der Urfelsberge sind meistens spitz.
Die granitischen Formen gehören zu den massenhaftesten und soli"
desten, und dennoch entwickebi sie dabei sehr viel Anmuth und Mannig-
faltigkeit Die Cranitberge sind selten einfach, meist aus vielen einzelnen
Kuppen zusammengesetzt, die überall sich zu isoliren streben. Ihre
Spitzen und Abhänge sind oft von Felsen geziert, die meist wie aus
übereiaandergelegten Polstern ruinenartig aufgebaut erscheinen, und rings
um sie her ist ein Meer von woHsackformigen Felsblöcken ausgestreut. —
Diese echt granitischen, blockbedeckten, felsengekrönten Bergkuppen sfaid
jedoch hier nicht so zahlreich wie in Böhmen.
Die äussere Form des schieferigen Urfelses wechselt wesentlich
nach der Stellung der Schieferang. — Wo diese nahezu wagerecht ist>
sind die Berge und ihre Bücken breit, wo aber die Schieferung aufrecht
steht:, iida ragen die zackigan Felsspitzen schroff zum Himmel empor,
ausser dem Dolomite liefert kaum ein anderes Gestein so scharfe »Fels-
nadeln" twid »Hörner"«
8
Kalkberge.
Nördlich und südlich lagern sich an die Uralpen in gleichem Zuge
von Westen nach Osten die Kalkalpen ; nördlich in einer mittleren Breite
von 5, südlich in eine Querausdehnung von 5 — 11 Meilen.
Die Kalkalpen sind eine ungeheure Buine« ein wildes Gewirre von
Berg und Felsketten, Nadeln, Zinken, Mauern, Schlünden und Thälern,
aus deren Bichtungen und Gestalten die wahre Beschaffenheit der ursprüng-
lichen Anordnung oft kaum mehr erkannt werden kann.
In der Erhebung der Kalkalpen herrscht überwiegend die Gipfeibil-
dung vor^ daher die Steilhdt ihrer Hänge, die prallen Wände, die hoch
emporragenden Gipfel, die schmalen oft schneidigen Gräten, die tiefeinge-
schnittenen Sättel, die vielen Abstürze und Wasserlälle,
It
Diese Erhebung^sform and die später noch erläuterte eigeiitliumliche
Verwitterung der Kalkgesteine ist der Grund, warum kier der Fels al*
lenthalben zu Tage geht, sie ist der Grund der zahllosen pflanzenlosen
(Kellen, der durch unzählige Schluchten gefurchten Hänge , der ausgedehn-
ten Schutthalden, des vielfach zerrissenen und oft sehr spärlichen WsMt
Standes, kurz der hervorragenden Wildheit dieser Gebirge.
Diese Erhebungsform , bei welcher zwar eine grosse Anzahl von
Gipfel , aber nur wenig ausgedehntere G^birgsmassen die Schneegrenze
übersteigen, ist der vorzüglichste Grund, warum hier einerseits zwar die
Vegetationsgrenze tiefer herabgedrückt wird , als es bei 'nässiger Er-
hebung der Fall wäre, warum aber auch anderseits sich in der Eisre-
gion nur wenig bedeutendere Schneemassen und Gletscher anhäufen.
Die Neigung der Hänge (ausschliesslich der V^ände) wechselt ge-
wöhnlich zwischen 17 und 45<>. Im Mittel beträgt sie auf den vorsprin-
genden Riegeln SS und auf den flachen Seiten 33^; sie mag also im gros-
sen Durchschnitte etwa 85^ sein. —Die Neigung ist daher nur unbedeutend
grösser als bei den Urfelsbergen. Das viel Schroffere des Kalkgebirges
liegt auch wirklich nicht in den bewachsenen Thc^len der Hänge, als viel-
mehr in der Anzahl und Mächtigkeit der Wände, welche deren Verlauf
unterbrechen. — Auch trägt Manches die tiefere Lage der Seitenthäler dazu
bei, weichein den Kalkbergen selten über 4000 — 4500 Fuss fainansteigen.
In den Kalkbergen sind auch die den Hang unterbrechenden Absätze
insbesondere ober den jähen Wänden viel flacher und breiter; vne denn
überhaupt der Abfell sich hier viel ausgeprägter staffelfSrroig zeigt.
Häufig sind auch die obersten Theile der Kalkberge buckelartig
(plateaußrmig) verflacht und fallen dann plötzlich in jähen Wänden «ab.
Die Gipfel sind auch seltener spitz, weit häufiger zinken- und kammfftrmig.
Bezeichnend für die Kalkberge sind auch die Zerklüftungen und Höhlen.
Aufs Grossartigste tritt die Höhlenbildung in Krain hervor. Unzählige Bä-
che, ja ganze Flüsse stürzen dort plötzlich in die Tiefe, und kommen erst
stundenweit wieder aus dem Bauche der Erde hervor. In meilenlangen
Irrgängen winden sich die Höhlen fort, hier sich fast verschliessend,
dort sieh wieder erweiternd zu thurmhohen Grotten, ausgestattet mit
Tropfsteinbildungen, welche an Abentheuerlichkeit der Form unsere kühn-
sten Fantasiegebilde übertreffen.
Durch grosse Unfruchtbarkeit der gerundeten oft von blendend weis-
sen Felsen umgürteten Höhen unterscheidet sich die im Süden vorkom-
mende Kreide von gewöhnlichem Alpenkalke.
Die Felsen, Blöcke und der Schutt des Kalkes sind eckig und
letzterer hat besonders bei der Kreide fast schneidige Kanten. — Keine
Felsart liefert so viel Schutt, als der Kalk 5 wesswegen denn die Holz-
scbidie vorzugsweise in den Kalkalpen üblich sind , und vor Allem im Krei-
degebirge vortreffliche Dienste leisten, wo die zahlreichen Hornsteiii-v
knoUen die Schärfe des Schuttes noch vermehren.
18
Dolomitberge.
Die Wildheit» das Schroffe und Zerrissene der Kalkalpen mit AR dem,
was sich daran knüpft, erreicht ihren Gipfel im dolomitischen Gebirge«
welches am AUeraasgepragtesten dort hervortritt, wo Südtirol mit dem Ve-
nezianischen zusammenstösst
Dort steigt der vollendete Dolomit in geisterhaft weissen zahllosen
und farchtbaren Wänden , Nadeln und Zinken mehrere tausend Fnss hoch
aus den tiefgrünen Wtldma«|sen in die Wolken hinauf. — Oft möchte man
diese wunderbaren Massen mit riesenhaften Wasserfällen vergleichen, die
plötzlich in undurchsichtiges Eis erstarrt, mit ihren ungeheuren Zapfen auf
den Kopf gestellt wurden. Nirgends bricht ein Spalt anderer Richtung das
Senkrechte dieser Linien , und einzelne dieser merkwürdigsten aller Berg-
kolosse erheben sich lothrecht bis hoch in die Region des ewigen Schnees.
Die übermässige Schroffheit der Dolomitberge liegt nicht in einem stär-
keren Fall des bewachsenen Theiles ihrer Hänge, denn diese fallen auch
nicht steiler ab, als in den gewöhnlichen Kalkbergen; sondern vielmehr in
dem grossen Vorwiegen und der ungeheuren Mächtigkeit der Wände.
Das Dolomitgebirge dürfte das Allerschuttreichste sein. So schwer der
eckige und schneidige Dolomitschutt in krümmliche Erde verwittert, so
leicht zerfällt er nach seinen eigenthümlichen Absonderuugsflächen in Grus
und Sand.
10
Granwake und Trappberge.
Durch den Kalk und insbesondere durch den Dolomit der südlichen
Alpen brechen stellenweise Porfir, Basalt und andere Trappgesteine, und
an den Rändern der Uralpen Grauwakengebilde hervor. Sie liefern
Bergformen , welche mit jenen der Uralpen ziemlich zusammenfallen» -^
Ihre Ausdehnung ist jedoch nicht bedeutend genug , um das Gepräge der
Ur- oder der Kalkalpen im grossen Ganzen zu ändern.
Die Gr'auwakengebilde bestehen nicht aus einem, sondern aus mehre-
ren Gesteinen, welche vielfach mit einander wechseln und dadurch auch
die Bergformen ändern. Die herrschenden sind Thonschiefer und feinkör-
nige Grauwake. Sie bilden plumpe breite Berge oder wellenf5rmige Hoch-
bnckel, durchschnitteil von sehr gewundenen Thälern. Wo Felsen aus den
Hingen hervortreten, bestehen sie aus zackigen oder spiessigen Kämmen,
an deren Gestalt man die Lage der Schieferung schon von ferne erkennen
kann. Der Schutt dieser Gebilde ist klein, schieferig, und bei den talkigen
Abänderungen bröckelig und erdi^. Kein Gebirge ist so reich an Erdaus-
rissen, BergabMtzungen und den von diesen in den Thälern gebildeten Allu-
vialkegeln, als die talkige Grauwake.
Die Berg^e de« Porfirs sind einfacher als jene dea Granites« Seine
Felsen sind eckig und kantig, er sondert sich fast säulenförmig ab, und
bricht in eckigen Steinschutt zusammen.
Der Basalt neigt sich auch in den Alpen der kegelförmigen Bergbiidung
zu 9 seine Felsen und Ablösungen sind auch hier säulig, tafelförmig oder
schalig.
11
Saidstein- imd Terzübrberge.
Am Fusse der Hochberge treten sehr häußg Sandsteine hervor, oder
es lagern sich andere Sandsteine oder Tertiärgebilde an. Im Norden , Osten
und Süden bilden diese Gesteine den grösseren Theil der Vorberge und auch
zwischen den Hocbbergen lagern sie sich ein.
Diese Felsarten bilden blosses Gehugel oder niedere Berge, wie sie
überall vorkommen. Sie haben gewöhnlich sanfte Formen, runde weiche
Konturen, und ermangeln der Felsen so wie der Wände; diess Alles,
weil sie aus den Trümmern der anstehenden Hochberge entstanden sind,
oder weil sie sehr leicht der Verwitterung unterliegen.
Die Neigung der Hänge schwankt auf den vorspringenden Riegeln
zwischen 8 und 15, und auf den Rachen Seiten zwischen 10 und t5 Gra-
den, sie mag im Mittel bei den ersteren 12, und bei den letzteren 18,
und im Durchschnitte des ganzen Gebirges 17 Grade betragen. — Diess
ist die Neigung der Hänge im Ganzen; stellenweise schwankt sie jedoch
zwischen 3 und 15, und zwischen 10 und SO^.
Diese Neigungen gelten für die eigentlichen Berge, jenes letzte Ge-
hugel jedoch, welches sich unmittelbar in die Ebene verliert, ist bedeu-
tend flächer, seine Riegel fiallen im Mittel um blosse 10, seine Seiten um
blosse 15» und das ganze Hügelwerk um etwa 13^ ab.
Auf die öfter vorkommende Nagelfluhe passt jedoch diese Beschrei-
bung nicht. Sie kommt in ihren Formen ziemlich dem gewöhnlichen Al-
penkalke nahe, nur sind ihre Berge runder und ihre Felsen plumper.
12
Klima der Älpei.
Clachländer. von massigem Umfange haben ein bestimintes RBma.
Nicht so die Alpen, hier ist die Wirkui^ der Meteore in jeder Höhep-
Bone eine völlig verschiedene « eine ganz andere nach der Hauptverflä-
chung der Gebirgszüge, ja selbst auf den vier /Seiten ein und desselben
Berges ist sie sehr ungleich.
Es gibt also kein allgemeines Alpenklima» wenn man nicht eben de«
ungeheuren örtlichen Wechsel mit diesem Namen belegen wollte.
15
Einen einzigen Idimalischen Faktor haben die Hocbberge so ziemlich
gemein^ d» i. «ehr starke wässerige Niederschlage.
13
LnftwErme.
Ich rede hier nnr von der Wärme jener auf dem Boden aufliegenden
Lufkschichte , in welcher die Vegetation und der Mensch sich bewegen;
denn nur diese ist für die Bodenkultur von erster Bedeutung i und nur in
dieser sind zureichende Beobachtungen angestellt worden.
Riesengross sind die Warmeunterschiede, welchen wir in den Alpen
begegnen. Ihnen gegenüber treten jene der übrigen Meteore tief in den
Hintergrund. Die gewaltigen Verschiedenheiten der Wärmeverhältnisse
sind es vor Allem» warum wir in der geringen Erstreckung eines einzi-
gen Gebirgsabfalies fast alle Zonen Europas durchschreiten, warum wir
auf dem Gipfel eines Berges, an dessen Fuss wir vor der sengenden
Hitze in Weinlauben und Feigengebüsch flüchten^ warum wir auf dem
Gipfel des nämlichen Berges ewigen Winter und völligen Pflanzentod
finden.
Von sehr geringem Einflüsse ist hierbei der Unterschied in der
Polhöhe.
Der Alles überwiegende Faktor ist die Erhebung des Standortes
über die Meereshöhe. Die Seehöhe ist wirklich so entscheidend, dass
gleichsam nüt ihr allein schon das Klima jedes Ortes ^ dessen Vegetation
ja selbst dessen Thierleben und das Wirken gegeben sind , welches der
Mensch dort zu entfalten vermag.
Von ungleich geringerem aber immer noch erheblichem Einflüsse
sind dann noch die Massenhaftigkeit des Standortes, die Neigung und
Farbe seiner Oberfläche, seine Lage gegen die Weltgegend und gegen
die Winde ^ so wie einige andere untergeordnetere Umstände.
16
14. üebersichtstafel der Lnftwärme anf allen meteorologischen Sta-
Zahl
der
Beob-
ach-
tuags-
jähre
Beobaehiiiiissort
n • n » t e
Name
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35
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4
1
1
1
1
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MQncheD • • •
Beoediktbeuern*
Aüdecha • • •
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lagrils . - .
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Heilig^enblut • •
Haller Salzber«^
Vent . . . •
S. Gotthard
8 S. Biarla •• Wmo«? Jock«
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1 Pavilioil >• UBtcimtglttociMr
JohaMiliahflUe •» ^m Pasime
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Radaberg: • • • .
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bei Kla- ] II. Stazlon
g^enfurt ( Ili. Stazlon
ZOrlch
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Trleat. . . . . .
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18.0
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ümm der SsterrdcbisGlien Alpen und ihrer nSehsten Umgebung
II
Jahreszeiten
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18
15
Hehrang der LnftwSnne mit der fallenden PolhOhe.
Weil die ostreichischen Alpen mehr ak drei geografische Breitegrade
einnehmen « so ist deren Luftvvarme bei sonst ganz gleichen Verhältnissen
schon nach der Polhöhe verschieden, mid steigt von Norden nach Sflden.
Die Mehrung beträgt für den Breitegrad im Jahresmittel:
Wlm«ffnde
Auf der Nordseite • • • O.s
In der Mitte 0.«
In den südlichen Th eilen * O.y
Mittel 0.«
16
Allgemeines Aber die LnftwSnne bei versebiedener HeeresbObe.
Die Luft selbst zwingt den durchgehenden Sonnenstrahlen nach Mass-
gabe ihrer Dichtigkeit einen Theil ihrer Wärme ab. Und da sie mit der
steigenden Seehöhe immer dünner virird, so muss schon darum auch ihre
Wärme sich vermindern.
Aber eine weit mächtigere Wärmequelle für die auf den Boden auf-
liegende Luftschicht — und um diese handelt es sich hier — sind die Berge
selber^ ebenso durch ihre Oberfläche^ wie durch ihre Massen.
Ungleich stärker, als die Luft erwärmt sich durch die Besonnung die
Oberfläche der Berge ; das blosse Befühlen mit der Hand kann uns oft davon
überzeugen. Ein grosser Theil der eingesogenen Wärme tritt alsbald in
die Atmosfäre über. Da nun die beschienene Fläche nach Oben zu immer
kleiner wird, so vermindert sich auch die Wärmeabgabe.
In welcher Weise die Berge als blosse Massen auf die Erwärmung
der Luft wirken, ist vieUeicht noch nicht genug ins Klare gestellt; die
Wirkung selbst aber ist eine unzweifelhafte Thatsache. Weil nun auch die
Massen der Gebirge mit ihrer Erhebung immer geringer werden^ so ist das
der dritte gewichtige Grund, warum die Luftwärme mit der steigenden See-
höhe immer tiefer fäUt
Die grössere nächtliche Wärmeausstrahlung (wegen der grösseren
Dünne und Durchsichtigkeit der Luft, und wegen der grösseren Heiterkeit
des Himmels) drückt; die Temperatur der Höhen.
Die Verdichtung der Wolken zu Regen und Schnee hingegen ist wie-
der eine nicht unbedeutende Wärmequelle für sie, denn sie macht sehr viel
Wärme freu
Die folgenden Tafeln zeigen einerseits die hauptsächlichsten Mo-
mente der Luftwärme, wie sie in den österreichischen Hochbergen im
19
Durchschnitte wirklich sind, und anderseits das thatsSchliche Gesets der
Warmeabnahme nach der Meereshöhe.
Ich habe diese Tafeln grossentheils aus den Beobachtungen abgeleitet,
deren vorzüglichste Ergebnisse in der Tafel ii verzeichnet sind. Sie dürf-
ten die Stelle ganz genauer Isothermentafeln immerhin solange vertreten
können, bis zahbreichere und wohlineinandergreifende meteorologische Be-
obachtungen uns in die angenehme Lage bringen werden, das Unvoll-
ständige und Beilauflge derselben durch völlig Ausgebautes und Genaues
zu ersetzen.
Obwohl bei diesen Tafehi von allen bloss örtlichen Wärmeverschie-
denheiten völlig abgesehen wurde , so musste ich doch natürlich jene mit
aufnehmen, welche sich auf ganzen Landstrichen geltend machen; es wa-
ren das vorzüglich die Erhebungsform der Gebirge , die Farbe des Felses,
die Lage der Grebirgssenkung gegen die Sonne und gegen die Winde.
Zum besseren Verständnisse der Tafeln und der darauflfolgenden Er-
klärungen will ich nur noch Folgendes andeuten.
Die Wärmeabnahme nach der Seehöhe ist in Gebirgen von massiger
Erhebungsform (Urfelsbergen) geringer, als in jener von gipfeliger Er-
hebung (Kalkbergen).
Berge von dunklem Gesteine (Urfels, Grauwacken, Trapp- und
Sandsteingebilde) sind wärmer als jene, welche aus lichten Felsarten
(Kalk) bestehen , denn die Sonne erwärmt sie weit stärker.
Der Südabfall der Alpen ist wärmer wie der Nordabfall, denn er-
stens ist eine grössere Fläche seiner Bergzüge der Sonne zugekehrt, und
zweitens ist dort die Beschattung durch die vorstehenden Berge weit ge-
ringer, weil diese weniger hoch sind.
Die wärmsten Winde sind in diesen Breiten die südlichen. Hierauf
folgen die westlichen. — Die östlichen Winde sind kühl und am kältesten
die Nordwinde. — Jenachdem nun ein Gebirgsstrich den kalten oder war-
men Winden mehr oder weniger verschlossen oder geöflfnet ist, ändern
sich auch seine Wärmeverhältnisse.
17
Hohe fBr einen Grad Jahreslnftwllrme.
Die Höhe, um welche man durchschnittlich in den Hochbergen steigen
muss, um eine um einen Grad geringere mittlere Jahresiuftwärme zu fin-
den, erhellt für die Regionen der Pflanzenkultur aus folgender Tafel
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OsUbfall • •
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500—1300
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630
500
700
500-670
500-600
410-650
340—760
510—800
600
580
600
450
580
500-600
500-540
520—570
240—600
480-830
530
520
530
470
560
400-1450
620 340—800
560
240-830
520
555 \
Die örtliche Schwankung dieser Höhe ist in der Tiefe darum am
^rössten , weil sich hier die untergeordneten Einflüsse am meisten geltend
machen.
lieber der Sennereiregion, d. i. auf den vereinzelten Hochgipfeln rei-
chen schon einige hundert Fuss hin, um die Luilwarme um einen Grad
herabzudrücken.
18
H&he für einen Grad Honatwänne.
Nach anderen Gesetzen jedoch gestalten sich die Monatisolhermen. Sie
sind unter sich nichts weniger, als gleich weit entfernt, sondern im Winter
viel weiter auseinander und im Sommer um eben so viel näher beisammen.
Die Ursache tritt bei näherer Betrachtung der Tafel dieses Absatzes allso-
gleicb hervor; die Winterkälte nemlichi wächst mit der Hdhe beiweitem nicht
in jenem Masse , in welchem die Sommerwärme sich vermindert
In den Hochbergen mag durchschnittlich die Höhe, um welche man
steigen muss, um eine um einen Grad geringere Monatstemperatur anzu-
trefTen, betragen, wie folgt.
Januar •
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Winter •
690
Februar •
März . •
620
580
Frühling •
Sommer •
530
450
April • •
Mai ' .
540
470
Herbst •
580
Juni • •
460
Juli . .
450
August
September
October •
450
490
620
Jahr • .
560
November«
640
December •
730
19
Jährliche Wärmeschwankimg.
Im langjährigen Durchschnitte ist in den Alpen altentlialben der Juli
der heisseste und der Jänner der kälteste Monat, obwohl in einzelnen Jahren
die Extreme auch häufig in die Nachbarmonate fallen.
Temperatirsiiiteridiiodo la den Hochborgea iwlschea dem helssestea and UltesteaTage,
dem heiMesten and kUtestea Monate, so wie iwischea Sommer and Winter.
Im der SeehUie v«n
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9000 — 3000
3000 — 4000
4000 — 5000
5000 — 6000
6000 — 7000
7000 -~ 8000
8000 - 9000
9000 — 10000
10000 — 11000
11000 - ISOOO
67
63
61
57
54
58
50
48
46
45
44
43
48
4t
40
40
88
81
80
80
19
18
18
17
16
15
13
19
18
18
17
17
17
16
15
14
13
18
Durch die geringeren Temperaturunterschiede zwischen Winter und
Sommer unterscheiden sich auch die Hochpunkte der Alpen sehr wesent-
lich von den Polarländern. Selbst im polaren Amerika, wo die Sommer
jenen der Hochregionen in den Alpen so ziemlich gleichkommen, sind die
Winter hingegen viel strenger. Gewaltig ist jedoch der Unterschied im
Vergleich mit den östlichen Polarländern; Jakuzk, welches ich im Fol-
genden den höchsten Gipfeln der östreichischen Alpen Cvon 12000—13000
Fnss) gegenüberstelle, mit welchem es gleiche mittlere Jahreswärme ^ hat,
mag hief&r ein Beispiel sein.
\
Höchate Alpengipfel
von
Jakusk
N.Br.eS»!'
laooo^iaooo Fuflg
W.L.v.6.iyM^
Januar • — 17.e
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Februar • — 17.o
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März . — 16..
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April- • — 11.»
Mai . . ^ a.
- 8.,
Juni • • — 6.9
14..
Juli • • — 6.8
«0..
August • — 6.1
September — 6.9
October • — 9.4
14..
6.,
- 8..
November — 12.8
-30..
December — 13.8
-37.,
Gr«..taiWfr™e +
Kälte —
5
S9
+ 30
— 58
Mittlere Jahrestemperatur.
— lO.g
Ein ähnlicher, wenn gleich bei Weitem weniger greller Unterschied
hat statt zwischen dem Wärmegange der tieferen Alpenregionen und den
nördlicher gelegenen Ländern gleicher mittlerer Jahreswärme.
Alpen in etwa Moskau Alpen in Tabor
4600 Fuss NB. 55—45^ etwa 2500^ in Böhmen
Seehöhe Höhe NB. 49» 24'
Winter • • •
-4.,
- 10..
- l.r
-«.,
Frühüng • • •
U
6.,
7.,
7.,
Sommer •
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16.8
16.,
16..
Herbst • • •
3.,
1..
7..
7.,
Kältester Monat •
- 5.,
- 10..
- 3.0
- 4..
Wärmster Monat
1«.,
17..
17.»
l&o
Mittlere Jahreswärme
7.,
Es unterscheiden sich die Alpen daher wirklich von allen Ländern glei-
cher mittlerer Jahreswärme durch geringere Extreme sowohl der Sommer-
wärme als auch der Winterkälte ; nur die meerumgürteten Nordländer ma-
chen hievon eine Ausnahme, weil die See dort nicht minder die Extreme zu
mildern pflegt
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20
TSgliche WErmeschwaBkniig.
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1840
1290
1930
1380
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Bexember • • •
37
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6.»
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Februar
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Mars- • •
7.t
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10-3
4.9
April • • •
8*6
10.«
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10.«
6-8
Bfai • • •
0.0
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Juni • • •
Juli • • •
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HoYember •
4.«
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Winter • • •
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5.7
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6.«
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11.5
6-9
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Seebohe
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Heiltgenblnt .
Johanniflhtttte
Von Eode Ao|^.
bis Anr Septb.
Mittel
ans 26 Ta^^en
14.0
11.9
11.5
Es bestätigt sich auch in den Alpen das für Europa aufgestellte Ge-
setz, nach welchem die täglichen Wärmeschwankungen mit der Polhöhe
geringer werden. Nach annähernden Berechnungen dürfte diese Minderung
in den Alpen etwa 1.6^ für jeden Grad Polhöhe betragen.
Obige Tafel zeigt ganz klar, dass diese Schwankungen aber noch ra-
scher mit der Seehöhe fallen (vielleicht auf je 1000 Fuss um 0.^^)*
Im Hauptstocke der Alpen mag die Schwankung in der für die Vege-
tation am meisten entscheidenden Jahreszeit, d. i. im Sommer, beiläufig in
folgenden Ziffern ausgedrückt sein.
Hauptthäler • .
Obere Getreidegrenze
Obere Fichtengrenze
Höchste Bergspitzen
11
8
5-6
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Oertliche Einflüsse auf die Luftw&ime.
Wegen des günstigen Einflusses der Massenhaftigkeit des Erdkör-
pers ist die Mitte einer Hochebene unter sonst gleichen Umstanden wär-
mer, als ihr Rand.
Aus gleichem Grunde steigen die Isothermen im Innern der Hoch-
berge höher» als auf den vorspringenden Bergzfigen, und sie fallen am
Tiefsten auf Hochbergen, welche im Hügellande oder im niederen Gebirge
ganz vereinzelt dastehen*
Derselben Ursache wegen gehen die Isothermen auf massigen Ber-
gen höher, als auf gipfeligen.
Die Temperaturextreme sind am allergrössten in den engen Thälern
und am kleinsten auf den Abhängen ; weite Thäler nähern sich den Hoch-
ebenen und ihre Wärmeschwankung liegt etwa in der Mitte. Die bezüg-
lichen Unterschiede sind sehr bedeutend und haben einen grossen Einfluss
auf die Vegetazion. — Ais Beispiel mögen die Stazionen 1 und H auf dem
Abhänge des Berges Obir, gegenüber der Thalstazion Klagenfurt dienen.
~ Darum behaupten auch die Holzer im Allgemeinen mit Recht, dass
der Winter oben in ihren Holzschlägen (auf den Hängen) wärmer sei,
wie tiefer unten in ihren Dörfern (in engen Thälern). Darum baut der
Aelpler seine Wohnstätte viel lieber auf die Absätze der Berghänge , als
in die (engen) Seitenthäler , darum gedeihen die Rebe^ die G«treide-
arten und viele der mehr wärmefordernden Feldgewächse wid Holzarten
noch recht gut auf den Hängen, während sie im (engen) Thale unten das
Fortkommen versagen.
Auf Gipfellagen haben im Vergleiche mit engen Thälern kleinere Tem-
peratursextreme, obwohl ihre mittlere Wärme geringer ist
Die Abhänge sind um so wärmer , als sie der Besonnupg günstiger
gelegen sind. Daher auf den Bergen der grosse Unterschied zwischen
Schatten- und Sonnenseite. Die Luft verdankt auf den Letzteren ihre hö-
here Temperatur hauptsächlich der grösseren Erwärmung des Bodens.
Auch der Winde wegen gestalten sich die Wärmeverhällnisse der
Hänge nach der Lage gegen die Weltgegend mehr oder weniger günstig;
die verschiedene Lage schützt sie gegen die Einen Winde, und gibt sie
preis den Anderen. Und bekanntlich nehmen ja die Winde von Nordost
bis Südwest an Wärme zu.
Die Temperatur der allen Winden zugängigen Hochebene als Mittel
angenommen, schreiten die Temperaturen der Hänge von der kältesten zur
wärmsten in folgender Reihe fort
/ Nordostseite
«.. , I Nordseite
Unter dem Mittel j q^^^.^^
( Nordwesiseite
Sudostoeite
Westseite •
Ueber dem Mittel ^ güdseite
Südwestseite
Diess g^ilt von freien Abhängen. Etwas Anderes ist es im Innern der
Hochberge, indem dort die Richtung der Winde durch jene der Thalzuge
wesentlich geändert wird«
Gletscher und Ferner drücken wesentlich die Temperaturen der Um-
gebung herab« denn sie erkälten die aufliegende Luftschichte und diese
durch ihr Herabsinken die tieferliegende Umgebung.
Ausgedehnte Wälder ermässigen die Extreme der Temperatur, drü«
cken diese aber im Ganzen etwas herab; Sümpfe und Wässer mindern die
Wärme einer Gegend, ohne die Winterkälte wesentlich zu massigen.
Auch die grossere oder geringere Menge des Regens, der Luflfeuchte»
der Nebel, die grössere oder geringere Bewölkung des Himmels ändern
nicht ganz unbedeutend die örtlichen Wärmeverhältnisse.
Wirklich nehmen so viele Umstände Einfluss auf die Temperaturver«
hältnisse, und die Grösse dieser Einflüsse ist so verschieden, dass sich der
Wärmegang eines bestimmten Ortes nie wird aus blossen meteorologischen
Sätzen genau jLonstruiren" lassen.
ErdwSrme.
Das Gebirg hat als Masse eine eigene selbstständige, sich zu allen
Tages- und Jahreszeiten gleichbleibende Wärme. Sie vermindert sich mit
der steigenden Meereshöhe und folgt überhaupt ganz ähnlichen Gesetzen
wie die Luftwärme.
In der Unmöglichkeit, die innere Wärme der Berge an vielen Stellen
unmittelbar zu messen , hat man zu deren Beurtheilung die Temperatur der
Quellen benützt; denn diese nehmen die Wärme des Erdkörpers an, durch
welchen sie fliessen und ändern sie bei ihrem Ausflusse gar nicht oder nur
unbeträchtlich.
Nach den bisherigen Wärmemessungen der Quellen , die freilich bei
Weitem nicht zahlreich genug sind, um daraus die Isogeothermen der
Alpen allenthalben genau ableiten zu können , lassen sich die folgenden zwei
Tafeln aufstellen, welche die innere Erdwärme der Alpen anschaulich
machen.
HftheiUiileii glelohor Erdiribrme In den dstreicUsdiOB Alpen.
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Ein höchst merkwürdig^es Erg^ebniss liefert die Gegeneinanderstellung
von Luft- und Erdwarme*
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Ob zwar die hier zu Grunde liegeoden Dateu nicht« weniger als haar-
scharf sind, so wurden sie doch genüg^end genau erhoben, um zu zeigen:
1, dass die Erdwärme in der Tiefe so ziemlich mit ^er mittleren Jahres-
luftwärme zusammeniällt;
2« dass solches jedoch durchaus nicht üb^r die Hauptlhäier hinaus der
Fall sei ; dass im Gegentheile in den oberen Regionen die Erdwärme
jene der Luft um so beträchtlicher fibertriffl, als Wir uns höher
erhellen ;
3. dass die Wärmeunterschiede in dem mächtigen Urfelshauptstocke der
Alpen jene der minder hohen und gipfeligeu Kalkalpen wesentlich
übersteigen«
Diese Thatsachen werfen plötzlich ein klares Licht über den im Ab-
schnitte 16 hervorgehobenen Einfluss der Gebirgsmassen auf die Luft-
wärme; sie zeigen^ dass dieser Einfluss grösstentheils in deren eigenen
selbstständigeu Wärme liegt, von welcher sie in den drei Jahreszeiten , in
denen die Luft kälter ist als die Bergmassen, einen guten Theil an die
Atmosfäre abgeben.
Diese Wärmeabgabe steht in genauem Verhältnisse zur Masse der
Berge. In der Thahregion ist die Masse des Erdkdrpers und mit ihr die
Wärmeabgabe so gross , dass dadurch die mittlere Luftwärme auf die bei-
läufig gleiche Höhe gebracht wird; je höher aber die Berge sich erheben,
desto geringer wird auch ihre Masse, und die in stets fallender Menge abge-
gebene Wärme reicht dann immer weniger zur Ausgleichung der Tempe-
ratursunterschiede zu*
Auch andere wichtige Erscheinungen werden jetzt klar*
In der Tiefe erwacht die Vegetazion zum neuen Leben gewöhnlich
erst längere Zeit nach dem Abgange des Schnees ; denn die steigende Luft-
wärme schmilzt diesen bei sdner verhältnissmässig geringen Mächtigkeit
schon hinweg, bevor noch die innere Erdwärme die Krume aufthauen
konnte. — Anders ist es in den mit einer viel mächtigeren Schneeschicht
bedeckten Höhen. Hier birauchen Luftwärme und Sonne in der Regel so
lange zu dessen endlicher Aufzehrung, dass die Erdwärme Zeit gewinnt,
von innen heraus auf die Krume zu wirken, sie aufzuthaueu und die Vegeta-
zion schon wachzurufen, bevor noch die letzte Sefaneelage verschwunden ist.
Die Thatsache der bereits unter der Schneedecke sich regenden Ve-
getazion ist jedem Aelpler bekannt, gar oft sieht er Buchenforste im Laube
stehen /deren Boden noch mit Schnee belegt ist, auf jeder Alm sieht er,
wie die letzten Schneereste durch ihr Wegschmelzen die schon fertigen
Knospen und Blatttriebe der ersten Alpenblumen entblössen.
Gänzlich verschieden von der Erdwarme, d. i. von der selbststandigen
Temperatur der Bergmassen, gestaltet sich die Wärme des Bodens, d. i*
der Krume.
Diese unterliegt vor Allem den Einflüssen von Sonne und Luftwärme
und geht mit der letzteren einen ähnlichen Gang. Tief gehen aber diese
Einflüsse nicht Die Wlirmeschwankung der Tagestemperatur verschwindet
bereits bei 3 — 4 Fuss Bodentiefe, und jene des Jahres bei 30 — 75 Fnss; sie
vermögen also Nichts über die selbstständige Temperatur des ganzen Ge-
birgskörpers.
Von grosser Bedeutung sind sie jedoch für die Vegetazion, sei es,
weil die Krumentemperatur unmittelbar auf die Pflanzen wirkt, sei es, weil
sie die aufliegende Luftschicht erwärmt
An gänzlich trüben Tagen und bei dauerndem Regen nimmt die oberste
Lage der Bodenkrume ganz die Temperatur der Luft an.
An heitern Tagen jedoch erwärmt sie sich durch die Besonnung mehr
oder weniger, und es steigt dann ihre Temperatur hoch über jene der Luft
Die gemeine Erfahrung und eigens darüber angestellte Untersuchungen
haben in dieser Beziehung für die Alpen das Folgende ans Licht gestellt
I. Bei gleich starker Besonnung und unter sonst gleichen Umständen er-
wärmen sich die Erdkrume und die sie bedeckenden Gegenstände um-
so stärker, als sie dunkler an Farbe sind. Schon das der Sonne aus-
gesetzte Thermometer gibt hierüber Andeutungen ; es steigt gegenüber
eines im Schatten aufgehängten bei völlig reinem Himmel um 6 Grade,
und falls seine Kugel geschwärzt wäre, selbst um 21— S4i Grade höher.
— Nun sind zwar die Pflanzen, welche die Krume decken, im Allge-
meinen dieselben, wie in den angrenzenden Flachländern; aber die
Krume selbst ist etwas anders.
Die Böden der Alpen sind insbesondere in den Höhen entschieden
humusreicher, und daher dunkler von Farbe. Der Ackerboden wird
ungleich stärker gedüngt, und die oberste Lage der Wies-, Weide-
und Waldböden besteht viel allgemeiner in tiefschwarzem Humus;
die Erwärmung der eigentlichen Krume ist daher auch eine entschie-
den grössere.
Ausserordentlich wechselt in den Alpen die Erwärmung der am
Tage liegenden Felsen und Steine, der Schutt- und Grussflächen;
denn hier sind sie weisser Dolomit, gleicli daneben wieder schwarzer
Porfir oder Basalt, dort lichtgrauer Kalk und anderswo schwarz-
grauer Schiefer oder braungrauer Granit Wie gewaltig anders sich
diese verschiedenfarbigen Gesteine in der Sonne erwärmen, davon
weiss jeder Hirt zu erzählen. Am schönsten tritt dieser Gegensatz
auf jenen Bergen hervor, wo der Porfir mit dem Dolomit zusammen
stösst« Der Dolomitfels fühlt sich auch in der Sonne kühl an, ist also
81
weniger warm , als das Blut (38^), der braunschwarze Porfir dagegen
ist völtig heiss anzufühlen; noch tief in die Nacht hinein, nachdem sie
schon mehrere .Stunden einen Theil der am Tage eingesogenen Wärme
durch Ausstrahlung verloren haben , noch tief in die Nacht hinein sind
die Porflrbidcke wärmer, als das Blut; wer sich je auf einen solchen
hinsetzte um auszuruhen, hat seine Wärme sicherlich durch die Klei*
der durchgefühlt — Fällt dort an einem sonnigen Tage plötzlich ein
Gewitterregen» so fangen die Porfirbldcke an zu rauchen, während
die Dolomitfelsen nie das Regenwasser in solcher Masse verdampfen,
dass es Nebel bilden könnte.
Die Grösse der Erwärmung der Krume und des Gesteins unter all
den verschiedenen Verhältnissen ist noch i^ näher untersucht worden;
Temperaturen jedoch von 90— 65<^ in den unteren', und von 80~4rt^ in
den höchsten Regionen habe ich selbst erhoben«
S. Die Erwärmung ist um so grösser, als die Erdoberfläche, um welche
es sich gerade handelt, auf die Einfallsrichtung der Sonnenstrahlen
mehr senkrecht steht. — Dieserwegen erwärmen sich auch die Kru-
men der Bergabhänge immer stärker, als jene der Ebenen und Thäler,
und weil in den Alpen der bei weitem grösste Theil der Erdoberfläche
aus Abhängen besteht, so ist die Bodenerwärmung hier im grossen
Durchschnitte erheblich grösser, als in den an ebenen Stellen viel
reicheren Flachländern.
3» Dass nasse und feste Böden sich weit weniger erwärmen, als tro-
ckene und lockere, haben die Alpen mit dem Flachlande gemein.
4. Wohl aber begünstigt die wesentlich grössere Heiterkeit des Himmels
(geringere Bewölkung und grössere Durchsichtigkeit der Luil) gar
sehr die Erwärmung des Bodens der höheren Alpenregionen.
5. Da die grössere Erwärmung des Bodens ein Werk der Besonnung ist,
so ist sie in sehr hohem Grade verschieden , je nach der Lage des Ab-
hanges gegen die Sonne ; denn von dieser hängt nicht nur der Ein-
fallswinkel der Sonnenstrahlen, sondern auch die Zeit ab, während
welcher der Boden der Besonnung ausgesetzt bleibt — Daher die un-
gleich grössere Bodenwärme der sonnseitigen Hänge , gegenüber den
schattenseitigen.
6. Dass die Erwärmung des Bodens sehr geändert wird durch den darauf
vorkommenden Pflanzenwuchs, haben die Alpen völlig gemein ^nit den
Flachländern. Eine; viel grössere Zahl von vegetazionslosen Stellen
jedoch haben sie bevor; die unzähligen Felsen,. Steinblöcke, Schutt-
halden, trockenen Wassergerinne , Lawinenbahnen und Erdausrisse;
sie haben bevor einen sehr häufig weniger dichten Pflanzenwuchs , der
allentlialben die nackte Krume, das blosse Gestein hervorblicken
lässt. — AU diese zahllosen grossen oder kleinen pflanzenlosen Stellen
erwärmen sich nun ungleich stärker als die bewachsenen, und machen
die durchschnittliche Bodenwärme der schneefreien Jahreszeit erheb-
lich grösser, wie in den Flachländern.
f
Der höheren Erwärmmig folget dann g^leich nach dem Hinabsinken der
Sonne die Abkühlung auf dem Fuase. Nicht bloss, dass die Erde während
der Nacht sog^leich ihren Ueberschuss an Wärme insolange an die Luft ab-
§^ibt, bis sie mit dieser auf rölUg gleiche Temperatur g^ekommen ist, son-
dern sie strahlt in heiteren Nächten noch einen weiteren Theil derselben
derart ans , dass sie um mehrere Grad kälter wird als diese.
Dieselben Umstände , welche die Erwärmung^ der Erde beg^flnstig^en,
befördern auch ihre Ausstrahlung*, wesswegen denn die Gegensätze zwi-
schen Tag- und Nacht - Bodentemperatur in den Alpen auf das Maximum
steigen.
Es ist auf den dortigen Höhen nichts Seltenes , in den Sommermona-
ten Krumen, welche sich am Tage bis auf 90^40^ erhitzt hatten, bei An-
bruch des Tages an der Oberfläche gefroren zu flnden.
Die durchschnittlich- höhere Erdwärme der Alpen kommt zuletzt nur
wenig vermindert wieder der Luft zu Guten, ein weiterer Grund, warum
bei massiger Erhebung die Luftwärme der höheren Regionen grösser ist,
als bei gipfeligem Gebirge.
Aber auch abgesehen vom gfinstigeii Einflüsse auf die Temperatur
der Luft, wirkt die höhere Erd- und Bodenwärme an und für sich entschie-
den vortheilhaft auf den Pflanzenwuchs , ihr verdankt man vielenorts das
namhaft höhere Steigen der Pflanzenverbreitungsgrenzen (gegenüber von
Orten, welche bei gleicher Luftwärme eine geringere Erdwärme haben).
25
Lvftfenchte der meteorologischen Stationen der Alpen nnd ihrer
nächsten Umgebung.
Der Dunstdruck bezieht sich auf die Quecksilbersäule und ist in Linien
angegeben.
IHmfltdmeli nacli der Sediftlie.
Polhöhe 470
Von den letzteren Tagen des Augusts bis gegen Ende September.
Seeh5he Danstdruck
FuA« Linien
Gratz .... ISSO 5.4
Admont • • • 1790 4.3
Peissenberg • • 3100 a^
Sagris .... 36t0 3.»
Mehrere i 8660-- 9S00 U^
Berggipfel \ 10500— ISSOO I.70
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26
(rang der Liftfenchte in den Alpenregionen.
Dunstdrock, ausgedrückt in wiener Lioien Quecksilber- Barometerh5her.
Sittigungsprozente: Prozente der Danstmenge von vSlIig gesiittigter Luft.
Duastmenge: w. Grane Dunst in einem wiener Knbikfusse Lufl.
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Alpen
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Die bisherigfen Beobachtaiigen , 00 unvollstlndigf sie auch aind , haben
doch Folg^endea ans Licht gestellt:
1. Die absolute Dunstmenge, und noch mehr der Sättigungsgrad der
Luft sind in den gleichhohen Alpenthalern grösser , als in den angren-
as
zetiden Flachländern. Der grössere Sättigungsgrad (die grössere
relative Luftfeuchte) wird auch schon durch die geraeine Erfalirung
bewiesen, nach welcher alle Feuchtigkeit anziehenden Gegenstände
des gewöhnlichen Gebrauches, z. B. Salz, mergelige Steinplatten,
Taback, Heu, Wäsche und Kleider in den Alpenthälern viel häufiger
greifbar feucht werden; nach welcher der Abendthau bei einer viel
geringeren Abkühlung eintritt, als im Flachlande.
t. Die Luftfeuchte wird mit der steigenden Seehöhe geringer. — Ruck-
sichtlich der relativen Feuchtigkeit ist das auch schon für die Region
der Menschenwohnungen aus alltäglichen Erfahrungen bekannt, die
den so eben erwähnten ziemlich gleich kommen.
8. In der Höhe zwischen 8000 — ItOOO Füssen jedoch d. i. in der Region
der Wolkenbildung ist der Sättigungsgrad der Luft, im Sommer we*
nigstens, bedeutend gröBaer als in den tieferen Regionen, oder was das-
selbe ist, die Luft steht dem Thaupunkte, der Ausscheidung des Was-
serdunstes, viel näher.
k. Die absolute Dunstmenge vermindert sich aber gleichmässig bis in die
höchsten Höhen hinauf
5. Die absolute Dunstinenge steigt. nach der geografischen Breite von Nor-.
den nach Sfiden.
27
Thau und Reif.
Die Häufigkeit des Thaues steigt in den Alpen mit der Höhe der Re«-
gionen. Denn weil dort die Luftwärme gewöhnlich gleich nach Sonnenun-
tergang dem Thaupunkte bereits sehr nahe steht, so ruft schon eine ganz
geringe Ausstrahlung die Thaubildung hervor. Sind dann die Nächte auch
nur theilweise heiter, so schlägt sich fort und fort Thau nieder.
Aber die Masse des Thaues nimmt durchschnittlich mit der Höhe ab,
indem ja auch die absolute Luftfeuchtigkeit geringer wird.
Am stärksten ist ier Thau in den Thälern, und auch hier wieder auf-
fallend grösser au den Bächen und Seen, auf nassen und sumpfigen Stellen
und in den schmalen Seitenthälern. Die Thaubildung erfolgt hier so reich-
lich, dass sich selbst im Hochsommer vorzügUch aber im Spätsommer und
im Herbste alsbald nach Sonnenuntergang eine förmliche Nebeldecke über
die Gegend lagert, welche häufig erst wieder durch die nächste Morgen-
sonne zur Aufsaugung gebracht wird. Derlei Thäler sind dann von den Ber-
gen wie weite Seen anzuschauen.
Diese Gattung Thau wird im Herbste öfter zu einem Nebel von sol-
cher Mächtigkeit, dass ihn selbst die Mittagssonne des nächsten Tages
nicht mehr aufzuzehren vermag. (Das sumpfige Oberennsthal, die nassen
Seilenthaler der salzburgischen -oberen Salzach.)
Vergleichungsweise ist jedoch unter sonst gleichen Umständen die
Thaubildung in den weiten Thälern bei weitem stärker, als in den engen
3*
?
^
Schluchten, offenbar weil in erateren die Ausstrahlung; ungehiniLert (nach
allen Seiten,) und mit ihr auch eine stärkere .^Abkuhluni^ statthat
Auf den Abhangen ist die Thaubildung; nie stark genug, um Nebel zu
erzeugen; offenbar, weil die Ausstrahlung nicht nach allen Seiten (also
nicht in vollem Umfange) erfolgen kann, und weil die Luftfeuchte hier ge-
ringer ist»
Durchschnittlich ist der Thauniederschlag um so ausgiebiger, als
man mehr nach Süden kommt; zweifelsohne, weil dann die Wärme und mit
ihr der Wassergehalt der Luft immer grösser werden.
Daher ist in den südlichsten Bergen der Thau selbst an der obersten
Getreidegrenze noch so stark, dass mehr ebene, wasserarme Grasflachen
die oberwahnte Erscheinung der Thaunebel im höchsten Sommer so zahl-
reich darbiethen, wie im Norden nur die tiefgelegenen wasserreichen Thä-
1er zur Zeit des Spätsommers oder des Herbstes (Alm im venezianischen ,
Gansiglio auf einem 3000^ hohen Plateau der letzten Berge).
Leider sind die Erscheinungen des Thanes hei weitem noch nicht zahl-
reich oder genau genug bemessen worden, um die obigen Thatsachen mit
Ziffern belegen zu können. In Graz jedoch hat man die jahrliche Thaumen-
ge in einer zehnjährigen Periode mit O-os*— O-i» im Mittel mit 0-,, Zollen'
oder mit 0*4 Prozente des atmosferischen Gresammtniederscbfaiges erhoben.
Der in den Alpen entschieden ausgiebigere Thau ist von vortrefflicher
Wirkung auf den Pflanzenwuchs und insonderheit auf den Wald. Er er-
frischt die Vegetazion und regt sie zu neuer Lebensthätigkeit gerade dann
an, wann sie (nach heissen Sommertagen wo auch der Thau am reichlich-
sten fällt) am meisten erschöpft wurde.
Ohne Zweifel ist der vorzügliche Waldwucbs und insbesondere das
gute (Gedeihen mehrerer ausschliesslicher Alpengewächse (der Lerche s. B.)
nicht ohne Zusammenhang mit den reichlichen Thaufällen.
Hervorragend wohlthätig wirkt der Thau im Südabfalle der Alpen.
Hier ist der Hochsommer zugleich die trockenste Jahreszeit; wochenlang
fallt kein Regen, und streift denn doch endlich ein Gewitterregen vorbei,
so nimmt ihm die Steilheit der Hänge jede nachhaltige Wirkung* Da lie-
fert nun der ungemein ausgiebige Thau so glücklichen Ersatz, dass man
auch in den trockensten Sommern [nur wenig von eigentlicher Dürre zu er«
zählen weiss. Der Thau ersetzt hier auf quellenlosen Hochalmen sogar die
Tränke mit solchem Frfolge, dass er selbst Rindern zur nothdürftigen Er-
quickung genügt
Man kann füglich behaupten, dass ohne dem reichen Thau die gesamm-
te Vegetazion des Südhanges eine andere ungleich ärmere wäre«
Auch die Reife nehmen zu mit der Erhebung der Bergmassen.
In den Vorbergen sind die Reife noch häufig bis Ende April , in man-
chen Jahren jedoch erscheinen sie auch noch im Mai ; über den 16. dieses
Monates hinaus sind sie jedoch noch nie beobachtet worden. Sie kehren wie^
der Ende September, sind aber auch schon Anfangs dieses Monates vorge-
kommen«
37
An der oberAten Getreide^renze haben Reire selbst noch bis halbem
Juni statt, und an der Stranchgrenze durchs g^anse Jahr«
Ob zwar die Reife in den Alpen bis zur Baumgrenze hinauf den For-
sten nacbtheilig werden , sei es durch Ertödtung der eben ausgeschlagenen
Triebe (selbst bei der Lerche und Fichte) , sei es durch Vernichtung der
Blüthen und Vereitlung der Samenjahre , so hat man doch noch nirgends
bemerkt, dass sie, ausser an den obersten Regionsgrenzen, dem Holz-
wuchse seine durchschnittliche Ueppigkeit genommen hätten.
Die häufige Vereitlung der Samenjahre in den höheren Regionen
kömmt aber i^irklich grosseutheils auf Rechnung der Fröste.
Während die Fichte in den tiefen Hauptthäleru alle 3 — 4 Jahre reich-
lichen Samen trägt, thut sie das an der Buchenwaldgrenze nur alle 8 Jahre
und an ihrer eigenen Waldgrenze gar nur alle 11 Jahre* Die Buche und
Tanne tragen zwar auch in den Tief lagen nur etwa alle 5^ und die Lerche in
den Hochiagen häufiger Samen, als die Fichte; aufiallend aber ist bei
sämmtlichen Holzarten die grosse Seltenheit der Samenjahre an den oberen
Verbreitungsgrenzen, welche Erscheinung dieSelbstverjfingung der dortigen
Schläge ausserordentlich erschwert und verzögert.
Verderblich wirken endlich auch die Reife oder vielmehr das mit star:^
ken Reifen, verbundene Gefrieren des Bodens durch das Ausziehen der klei-
nen Holzpflanzen aus unverrasten Böden, also auf das mühsame Erzeugniss
der Saatschulen und der künstlichen Holzsaaten. Die Fröste werden hier
nidit selten vernichtend, insbesondere auf den Südseiten^ weil hier der Bo-
den (in Folge der Besonnung) mehrfach aufthaut, um wieder zu gefrieren,
sich das Ausziehen also rasch wiederholt ; während auf den Schattenseiten
das Anfthauen im Frühjahre erst spät statthat, und im Herbste nach dem
ersten Froste nur selten wiederkehrt.
Das Ausziehen ist sicherlich ein Hauptfibelstand bei den Hochgebirgs-
saaten , so wie auf den hochliegenden Saatschulen , weil die kleinen Pflan-
zen demselben öfter auch noch nach 2 — 3 Jahren ^um Opfer fallen.
Leider sind noch wenig genaue Beobachtungen über die Reife ge-
macht worden. Von Kremsmünster Cam Fusse des Nordfalles der Alpen) je-
doch liegen 49 jährige Beobachtungen vor» nach welchen in jener Gegend
die Zahl der Reife durchschnittlich sich ergiebt wie folgt
Winter O-s
Frühling 5-4
Sommer O-oe
Herbst 5-«
In Graz ergab sich im Laufe von 81 Jahren
Grenzen Mittel
Der letzte Reif am 30. März — Sl. Mai S5. Apr.
Der erste Reif am 17« Sept. — SO. Nov. 14* Oktober.
Entschieden nachtheiliger zeigen sich die Reife für die Feldwirth-
schafl; sie vereiteln an den oberen Regionsgrenzen nicht nur häufig die
I
Obst- und Weinernte, sondern auch den Ertrags des Gretreidebaiies, ja aelbat
der Erdäpfel, und drücken die Kultur dieser (Gewächse überhaupt tiefer her-
ab , oder maclien sie höchst unsicher und unausg^iebig.
Man hilft sich zwar z. B. in Salzburg und Tirol durch das Räuchern —
es ist aber das eine mühsame Arbeit, die oft fehlschläg't — in Nordtirol,
wenn Spätfröste den keimenden Mais vernichtet haben, durch die Nach-
28. Nebel-
leMtagt dtr BtttörslogUcliMi Staiiaasa
Zahl der
Beobach-
tongs-
Jahre.
Stasloa
Jai.
Pebr.
liii
April
lii
Jiii
Mi
Aig.
%.
OK.
NtT.
Dcf.
46
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6
4
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Prajf . . .
Braon . . .
Wien . .
KremsmOnster
Salzbur«^ . •
Admont . .
Kiairenfort .
Laibach . .
11
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12
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5
10
3
3
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11
2
1
19
3
3
22
7
10
19
11
18
19
11
20
15
10
18
17
lieber den Thaunebel habe ich schon im Abschnitte über den Thau ge-
sprochen. Der Höhennebel ist am Bedeutendsten auf jenen obersten Berg-
theilen , welche in die Region der Wolken hineinreichen — und daher von
diesen bestrichen werden; denn die Wolken sind ja im Grunde nichts an-
ders als NebeK Vom Oktober bis Februar geht der Höhennebel bis tief in
die Waldregion herab; in den übrigen Frühjahrs- und Herbstmonaten
steht er gewönlich schon über der Grenze des geschlossenen Buchenwal-
39
saat; bei kursen Sommern jedoch kann die zweite Saat daim nicht mehr zur
völligen Reife gelangen.
Sehr verkürzend wirken die Frühreife auch auf die Weidezeit der Al-
men ; denn sobald sie einigemal eingetreten sind , steht der Graswuchs völ-
lig stille , und das Vieh muss abgetrieben werden^ wodurch nicht selten 9 ^
4 Wochen Weidezeit verloren gehen.
Verhlltiiisse.
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des, und im Sommer kommt er ausser bei Gewittern nicht viel unter die obe-
re Grenze des geschlossenen Fichtenforstes herunter.
Von den Stazionen dieser Tafel ist das inmitten der Ennsmoore ge-
legene Admont ein Beispiel des Nebelreichthuitis sehr nasser Thäler.
Die Duftnebel reichen in den Alpen selten über die Grenze des ge-
schlossenen Buchenwaldes hinauf.
40
29
Wolken.
Die Hochberge der Alpen ragen tief hinein in die Werkstatte der
Wolken.
In die Regenwolke reichen auch schon die niedersten Gipfel. Bei lang-
dauerndem Regenwetter liegt der düstere Nimbus fast auf den Thäiern auf ,
die grössere Masse des Gegirges ist von ihm eingehüllt, die höheren Gipfel
aber ragen über ihn hinaus. Während in der Tiefe der Regen kein Ende
nehmen will, erglänzen nicht selten die Höhen von strahlendem Sonnen-
scheine, und verwundert schaut man hinab auf die unabsehbaren Wolken-
massen, welche gleich einem wogenden Meere die weiten Thäler ausfüllen
und sie in ihre Fluthen baden.
Die Haufen- und die Schichtwolken bestreichen im Winter, im Frühjahre
und im Herbste , kurz zur Zeit , als die Wolken tiefer gehen , noch alle
mittleren Gipfel, im Sommer jedoch treffen sie nur mehr die höchsten Berge.
— Aber selbst die erhabensten Gipfel erreichen zu keiner Zeit die Region
der Federwolken.
Die Hochberge der Alpen befördern auch sichtlich die Wolkenbildung,
Durch Erkaltung wärmerer Luflmassen , welche entweder gerade auf sie
treffen , oder Ton Unten aufsteigen , durch die Mischung der Luftmassen mit-
tels ihrer bewaldeten, oder felsenzerrissenen Kämme und Gipfel verdichten
sie Dünste zur Wolke (Nebel), welche ohne der Berge sicherlich aufgelöst
geblieben wären. Offenbar wird hier die Wolkenbildung durch den Um-
stand wesentlich erleichtert, dass, wie die Tafel des Abschnittes 26 zeigte
die Lnftfeuchte in jenen Höhen dem Thaupunkte viel näher steht.
Aber auch auf lösend wirken die Berge auf die Wolkenmassen. Auf den
Hochgipfeln werden überhaupt am schönsten jene ununterbrochenen Verän-
derungen der Wolkengebilde klar, welche unten gewöhnlich jeder Beob-
achtung entschwinden; auf den Hochgipfeln erst begreift man, dass die Wol-
ke nichts Fertiges ist, dass sie nur besteht, indem sie entsteht und wieder
vergeht.
Bezeichnend für die Hochberge der Alpen sind jene Haufenwolken,
welche an den höchsten Gipfeln scheinbar unbeweglich verweilen. — Nach
schönen, heiteren Nächten, verdichten die durch Strahlung sehr erkalteten
Spitzen den Wasserdampf der Luft, sobald mit der steigenden Sonne der
aufsteigende Luftstrom hinreichend lebhaft geworden ist, oder wenn dün-
stebeladene Luftschichten wagrecht vom Winde an ihnen vorübergetrieben
werden. Die kleineren Wolkenhaufen werden dann durch den Luftstrom
vom Gipfel weggeführt und lösen sich auf, während andere sich wieder
bilden, und so der Wolke den Schein der Unbeweglichkeit verleihen.
kl
Diese Wolken senken sich Abends; wie denn überhaupt alle Wolken
durch die Nacht hindurch viel tiefer liegen, und Morgens wieder auf-
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Die hSufige und reichliche Wolkenbildung , ganas abgesehen, dass sie
den Regenfall herbeiführt, wirkt an und für sich auf die Vegetasion des
von den Wolken bestrichenen Höhengürtels» indem sie ihr einerseits viel
Feuchtigkeit abgibt und anderseits die Verdunstung der Pflansen ermässigt;
sie trägt mit bei, dass in den Alpen nie eine eigentliche Darre eintritt.
Die Wolken haben schon manchen Wanderer in grosse Verlegenheit
und Gefahr gebracht , manchem kühnen Bergsteiger sogar das Leben ab-
gefordert Nur die allergenaueste Ortskenntniss vermag vor Verinrung su
bewahren , wenn Alles in dichten Nebel gehüllt ist, und wie wäre es mög-
lich, die unscheinbaren und vielverzweigten Steige der selten betretenen
Höhen immer genau zu kennen ?
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30 Tafel des wiUserigei NiedeneUages
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36.8 Tolmezzo
Wien 36.1 S. Bernhard
38.8 Tolmezzo
TS.» Tolmezzo
tiß Tolmezzo
32
N&heres ttber den RegenfalL
Obige Tafeln zeigen, dass die Alpen zu den Lindern der reichsten
Niederschläge Europa's gehören^ und dass sie in dieser Beziehung ihres
Gleichen nur wieder in andern Berglindern finden.
In den Alpen in engerem Sinne , d. i. in den Hochbergen , ist der
Niederschlag fast doppelt so gross, wie in den Flachlandern der Umge-
bung. In den Vorbergen der Alpen steht die Regenmenge etwa in der
Mitte, und von der Ebene aufwärts steigt überhaupt die Höhe des Nie-
derschlages mit der Erhebung der Bergmassen.
Zweifelsohne bewirken eben die Bergmassen die grösseren Nieder-
schlage, weit weniger durch Abkühlung der dunstgeschwangerten Lüfte
als vielmehr dadurch, dass ihre hohen Kamme mechanisch die Mischung
der Luftmassen befördern.
In den Hochbergen des Westabfalles ist die Regenmenge fast so
gross, wie im Hauptstocke der Alpen, offenbar, weil die Berge dort den
regenbringenden westlichen Winden gerade entgegenstehen und daher
destomehr Dünste zu fallen vermögen.
Aus ahnlichem Grunde ist der Niederschlag im Südabfalle ungleich
grösser, als auf allen anderen Seiten, ja übertrifft sogar sehr bedeutend
den Regenfall des Häuptstockes der Alpen. Thatsachlich fallt in den
Hochbergen des Südhanges 3— 6mal so viel Regen , als auf der ungari-
schen Ebeiie, in Prag oder Wien und um die Hälfte mehr, als im übrigen
Hochgebirge. Die Erklärung liegt sehr nahe. — Vom mittelländischen
und adriatischen Meere her streichen über die lombardisch- venezianische
Ebene die sehr nassen Südwestwinde. Die Ebene vermag nur einen ver-
haltnissmassig geringeren Theil ihres Wassers zu fallen, sie gelangen
daher noch mit einem sehr grossen Feuchtigkeitsgehalte an die Berge,
welche sich ihnen mauei'ahnlich entgegenstellend, die Mischung der Luft-
schichten, und mithin die reichlichste Fallung des Wassers um so aus-
giebiger bewirken, als sie höher emporsteigen.
«7
Au8 ^ans gleiciiein Graude ist im Südabfalle der Niederschlag; am
Rande des süddatlich siebenden jullacben Gebirges (Tolmezzo, Udiue,
Görz, TrieaO am allergrösaten , und um die Halbacbeid grösser^ ala im
Westen des SQdabfalles* Die steigende Regenmenge gegen die julischen
Bergreihen su, lisst sich verfolgen in den Bergen wie in der Ebene» von
den meerbespfilten Städten Triest uud Piraiio bis in den grossen Hochge-
birgskessel von Tolmezzo hinauf, in welchem zuweilen in einer Woche
eben so viel Wasser vom Himmel stfirzt, als auf den ungarischen Haiden
im Laufe eines ganzen Jahres.
Im Nord- und Ostabfalle ist der Niederschlag ungleich geringer , als
in den anderen Abfallen^ offenbar, weil die Verflachung hier den regenbrin-
genden Winden abgekehrt ist.
Die Starke des wässerigen Niederschlages der Alpen liegt viel weni-
ger in einer grösseren Anzahl von Regentagen — denn diese ist iiticht sehr
verschieden von jener der umliegenden Flachländer — als vielmehr in der
ungleich grösseren Dichtigkeit des Regens oder Schnees«
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In den umgebenden Flachländern 0.^ O.sa l-s
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} Hochberge • O.ss O.38 3.»
Diese Mittel sind vielleicht nicht vollkommen genau , aber treffen nahe
genug , um zu zeigen , dass die Niederschläge der Hochberge um mehr als
die Hälfte dichter sind, wie jene der umgebenden Flachländer.
Im Hauptstocke und im Nordabfalle der Alpen herrschen (gleichwie iti
den nördlich grenzenden Flachländern) die Sommerregen weit fiberwiegend
vor; die Zalil der Regentage ist nur etwa um ein Drittel grösser^ wie jene
der übrigen Jahreszeiten ; die Höhe des Niederschlages jedoch (der grösse-
ren Dichtigkeit der Sommerregen wegen) ist doppelt so gross.
In minderem Grade herrschen die Sommerregen im Westhange der
Alpen vor.
Noch weniger in der östlichen Verflächungsgruppe , woselbst sie be-
reits mit den Herbstregen die erste Rolle theilen.
Im Sfidfalle der Alpen gewinnen die Herbstregbn -sowohl in ihrer Häu-
figkeit und Dauer, als auch in ihrer Dichte umsomehr das Uebergewicht
über die Sommerregen, als die Berge sich tiefer gegen die italienische Ebene
hinabsenken. Der eigentliche Regenmonat ist dort der November; durch
10—16 Tage giesst es dann öfter ohne Unterbrechung fort
Eine genugende Zahl von Beobachtungen hat herausgestellt, dass in
den Hochbergen die Regenmenge bis auf etwa 6000 Fuss Seehöhe, d. i. bis
48
t
8ur Baumgrenze, kaum abnimmt, dasa sie von dort aua zwar ackneli klei-
ner wird, daaa jedoch auch auf den höchsten Spilzen noch erhebliche Nie-
derachläge statthaben.
Erstere Thataache widerspricht keinesweg^s der vieirach g^emaehten
Erfahrung;^ dass der Regen um* so ausg^iebig^er wird, als er einen grösseren
Raum durchßlit; denn offenbar ist die verhiltnissmassig; g^rossere Regen-
dichte der Höhen dem Umstände zuzuschreiben, dass die Berge, sei es
durch ihre Masse, sei es durch ihre Walder, ursprünglich schon eine be-
deutendere Fällung erwirken, weil sie selbst in cfie Wolken hineinragen,
oder ihnen doch nahe kommen.
Auffallend ist in den Hochbergen auch die übergrosse Dichtigkeit der
Platzregen und Wolkenbrüche , thatsächlich ist der grösste Regenfall hier
doppelt, ja dreifach so gross, wie in den Flachländern, und bei einem in
den Hochalpen niedergehenden Wotkenbruche stirzt an einem halben oder
ganzen Tage dieselbe Wassermasse nieder, welche in dm nnliegenden
L4indstrichen kaum im Laufe eines Vierteljahres zu fallen pflegt.
l)iese eigenthfimlichen Regenverhältnisse der Alpen sind von entschie-
denem Einflüsse auf die Bodenkultur und insbesondere auf die Forste und
deren Betrieb.
Grossentheils vermöge der viel zahlreicheren und ausgiebigeren Som-
merregen, kennt man in den Hochbergen keine eigentliche Dürre, imGe-
gentheile sichern verhältnissmässig trockene Jahre dem Landmanne gewöhn-
lich die besten Ernten , was insbesondere im nördlichen Theile der Alpen
der Fall ist.
Das Ueberwiegen der Herbstregen im Südabfalle schadet der Feld-
wirthschaft in der Regel gar nicht , denn die Hauptregen treten erst im No-
vember, also zu einer Zeit ein, in welcher sämmtliche Felderzeugnisse
schon eingebracht sind*
Vermög der viel grösseren Dichtigkeit wirken insbesondere die Som-
mer-, und im SudabfaHe die Herbstregen viel starker, sowohl auf die Ab-
schwemmung der Erdkrume, als auch auf das jähe Anschwellen der Bäche
und Ströme.
Schon auf den Berghängen des Flachlandes schlemnrt jeder stärkere
Regen die obersten feinen Erdtheile von jenen Stellen hinweg , welche we-
der durch Rasen, noch durch Bewaldung hiegegen geschützt sind, nur bei
ungewöhnlichen Platzregen oder Wolkenbrnchen jedoch wird die Ab-
schwemmung bedeutend, oder geht über den feineren Sand hinaus.
In den Hochbergen ist diese Wirkung des Regens doppelt so gross,
ausser den feinen Erdtheilen werden Sand und Gruss in Masse abge-
schwemmt, ja besonders starke Regen bringen sogar den Schutt in Be-
wegung.
Die Regen verwüsten daher alle ungeschAtzten Bodenstellen ungleich
mehr, fuhren den Bächen und Strömen ungleich grössere und gröbere Erd-
nnd Schnttmassen zu, und vermehren dadurch ausserordentlich deren na-
gende und zerstörende Kraft.
49
Sehr deutlich zeigt sich die gewaltig^e Aiischwemmungfskraft der Hoch-
g^ebirgsregen an den auf den Hängen gelegenen Aeckern. Starke Platz-
regen reissen ganze Stücke davon weg, mögen sie immerhin mit Feld-
fruchten bewachsen seinj und alljährlich füllen die gewöhnlichen Regen
einen am untern Rande absichtlich errichteten mehrere Fuss breiten Gra-
ben» dessen Inhalt man im nachfolgenden Frühjahre mit grossem Aufwände
wieder aushebt und am oberen Rande aufschüttet.
Nicht minder fällt sie bei Waldsaaten auf. Steile Platten , auf wel-
chen im Frühjahre feine krümmliche Erde an die Oberfläche gebracht
wurde» sind im darauffolgenden Herbste mit mehr oder weniger grobem
Sande bedeckt Sämmtliche feine Erde haben die Sommerregen hinweg-
gespült und nur Sand und Gruss blieben als zu schwer zurück.
Von besonderer Wichtigkeit wird unter diesen Umstanden der Wald
auf all jenen zahlreichen Hängen, welche keine ununterbrochene Grasnarbe
zu bilden vermögen, sei es wegen zu grosser Steilheit, sei es wegen
Mangel hinlänglicher Erdkrume; denn er allein vermag dort den Boden
vor völliger Abschwemmung, vor völliger Verödung zu schützen.
Höchst merkwürdig ist der Verlauf der Verödung von rücksichtslos kahl
geschlagenen Wäldern, deren Wiederaufforstung vernachlässigt wird. Kaum
ist der Boden blossgelegt, so beginnen die Wässer ihr Spiel mit Abschwemmen
ondEinreissen^ und zur Verzehr ung der^obersten Humuslage hilft eine vorüber-
gehende Grasvegetazion mit. So wird von allen steilen Stellen die ganze Krume
nach und nach bis auf den nackten Fels abgespült, und Erde und Vegetazion ver-
bleiben nur auf jenen kleinen Absätzen und Vertiefungen,welche den Ablall allent-
halben unterbrechen. Einen ganz gleichen Gang nimmt die Verödung auf jenen
steilen Hängen , deren Untergrund Gebirgsschutt ist (weil sie ursprünglich
reine Schutthalden waren). Die Verödung wird dann wesentlich beför-
dert durch die Aufarbeitung und Abbringung des geschlagenen Holzes,
wobei der Boden vielfach aufgerissen und gelockert wird, noch mehr aber
durch die nachfolgende Viehweide , indem der Fuss ^ besonders des schwe-
ren Viehes, die Erde Cbei nassem Wetter) hinuntertritt und damit die Ab-
schwemmung vielfach begünstigt und die Rasenbildung wesentlich beirrt
Allerdings wird der Verödung häufig durch die Bildung einer Rasen-
decke Einhalt gethan; jedoch ist ein grosser Theil der Hänge viel zu steil
und hat ursprünglich schon viel zu wenig Krume (Kalk-Fels und Schutt-
böden) , als dass sich ohne künstliche Nachhilfe je eine zusammenhängende
Grasnarbe bilden könnte.
Ohne Zweifel sind auf diese Art die steilen Hänge , mit welchen die
Hochberge im Süden der Alpen plötzlich zum Mittelgebirge abfallen, zu
jenen erschreckenden Wüsten (Karsten) geworden , welche jedem Reisen-
den so unliebsam in die Augen fallen; ohne Zweifel sind darum die südli-
chen Hänge im unteren Theile der Alpen üast immer unfruchtbarer und
als Wald viel schlechter hestockt, wie die anderen Bergseiten. Drei Um-
stände sind es, welche in dieser Beziehung den Südhang in grossen Nacb-
theil stellen. Erstens dessen gewöhnliche ungleich grössere Steilheit^
4
50
welche sich durch die glänzen Alpen verfolgen lässt; zweitens dessen Lage
zu den Regen-(8üdwest0 winden, vermög welchen der Regen um so mehr
unmittelbar an den Boden angeschlagen wird, als die dort sehr geringe
BeStockung hiegegen nur wenig Schutz gewährt, und drittens endlich der
in dieser Alpengruppe ungleich stärkere Regenfall. So grosse, fast un-
mittelbar und unverändert an den Boden geschlagene Wassermassen müs-
sen auf so ungewöhnlich steilen Hängen unfehlbar die Krume verzehren,
es wäre denn, dass durch zweckmässige Kulturmassregeln entgegen gear-
beitet würde.
Im nördlichen Theile der Alpen beobachten wir eine ähnliche Ent-
nervung der Krume auf den , den dortigen Regen-(Nordwest- und West-)
winden frei entgegenstehenden Westhängen. Hier jedoch konnte der Re-
genfall die Verwüstung nirgends so weit treiben, denn erstens ist er
selbst um die Hälfte weniger stark und zweitens sind die Westhänge im
Durchschnitte weniger steil.
Der Wald hat einen nicht minder entschiedenen Einflnss auf die An-
schwellung der Bäche und Ströme. In den Forsten verdunstet ein be-
trächtlicher Theil Regen gleich nach seinem Auffallen auf die Kronen , er
gelangt daher gar nicht auf den Boden. Der übrige Theil wird in grosser
Masse vom Boden aufgesogen, da ja bekanntlich die Humus- und Moosdecke
des Waldgrundes eine überraschende Aufsaugungskraft besitzen. Von dem
aufgesaugten Wasser wird eine nicht i^nerhebliche Menge durch die Bäume
der Verdunstung zugeführt, denn der Wald verdünstet ja um die Hälfte
mehr ^ als eine gleichgrosse Wasserfläche. — Auf den bewaldeten Hängen
kommt daher bei gewöhnlichen Regen nur ein sehr massiger Theil des ge-
fallenen Wassers zum Abflüsse in die Gerinne und bei aussergewöhnlich
starken Güssen vermindert der Wald wenigstens die abschiessende Was-*
sermasse und die Plötzlichkeit des Anschwellens der Ströme.
Ganz anders ist es bei entwaldeten Hängen. Hier stürzen die Regen
in unverminderter Menge auf einen Boden nieder, der nur sehr wenig da-
von aufzunehmen vermag; sie schiessen also in den Gerinnen inner-
halb weniger Viertelstunden zu ungeheuren Wassermassen zusammen,
welche die gewöhnlichen Ufef übertluthend, unter furchtbaren Zerstörungen
sich in die Ebene hinunterwälzen.
Nicht, dass die Bewaldung alle Hochwässer verhindern könnte, aber
sie vermindert ihre Zahl, wie ihre Grösse und Wuth', und nimmt, ihnen
nicht minder ihre verderbliche Plötzlichkeit.
Zahllose Erfahrungen liegen vor, dass früher völlig unschädliche Bä-
che durch die Entwaldung der Thäler, aus welchen sie kamen, in verhee-
rende Wildbäche verwandelt worden sind , und weltbekannt ist es , dass
die Häufigkeit die Höhe und die Zerstörungen der die lombardisch-venezia-
nische Ebene durchschneidenden Wildströme genau in dem' Masse ihre frü-
heren Grenzen überschritten haben , als die Entwaldung iti den Hochthälern
überhand nahm , aus welchen sie ihre Wässer beziehen.
61
Diese ungemein dichten Regenf&lle werden nur zu oft auch die Veran-
lassung zu den furchtbarsten Erdfäilen und Bergstürzen , worüber ich mich
in dem betrefienden Absätze näher verbreiten werde.
33
Yerdnnstnng.
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Diese Tafel zeigt klar^ dass die Wasserhalt-Fähigkeit der Alpenluft
mit der Meereshöhe zu allen Zeiten, und besonders stark im Sommer
abnimmt.
Würde also die Verdunstung von der absoluten Dunstmenge abhin-
gen, welche ein Kubikfuss Luft gasförmig aufzunehmen vermag, so
müsste die Verdunstung nach obenzu immer geringer werden.
Es ist jedoch eine erwiesene Thatsache, dass gerade das Gregenlheil
statthat« — Diess liegt in der Luftströmung. — Im Abschnitte über die
Winde wird gezeigt werden, dass die Dauer und die Stärke der Luft-
strömungen, oder was dasselbe ist: der Luftwechsel mit der Meereshöhe
wächst; es werden also neue, weniger gesättigte Luftmassen über die
verdunstenden Oberflächen immer rascher vorüber geführt, je höher diese
gelegen sind.
Zwei weitere Umstände begünstigen dann noch die Raschheit der
Verdunstung. Die grössere Heiterkeit der Höhen lässt hier die Sonne
nachdrücklicher auch in dieser Richtung whrken; und nicht minder beför-
dert auch der geringere Luftdruck die Verdunstung^ denn bekanntlich
4 *
wird diese durch den veränderten Druck der Atmosfire g^anz nach dem-
selben MasBtabe beschleunigt, wie das Sieden des Wassers.
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Welche Wirkung^ die kräftigere Sonne der Höhen aaf die Verdun-'
stiing haben mag, lässt sicli schon aus deren gewaltiger Wirkung unter
dem minder heiteren Himmel des nördlichen Alpenfusses ermessen, wo-
selbst sie die Verdunstung , gegenüber dem gebrochenen Lichte (im Schat-
ten), um das S'/gfache steigert.
Auch die mächtige Wirkung der Luftströmung ist einigermassen be-
kannt; in Tubingen hat man genau erhoben, dass bei windigem Wetter
die Verdunstung doppelt so stark sei, wie bei Windstille. Erwägt man
dann, um wie viel mächtiger die Luftströmungen der Höhen sind, wie oft
sie hier zu förmlichem Sturm werden, so kann man sich wohl das sehr
rasche Wachsen der Verdunstung erklären.
Auf den Kämmen und Jöchern ist sie wirklich so stark , dass Was..
serfäden, welche z. B. aus dem Firn- und Gletschereise über eine höhere
Wand hinabfliessen , bevor sie noch an deren Fuss gelangen können, völ-
lig aufgezehrt werden»
Bei weniger bewegter Luft wird die Verdunstung in dem Höhen-
streif zwischen der Thal- und der Wolkenregion sicherlich auch gefördert
durch den geringeren Sättigungsgrad der dortigen Atmosfäre.
Nach dreijährigen. Beobachtungen beträgt die jährliche Verdunstung
der Wasserfläche in Tegernsee, im Schatten 15 Zoll Höhe flüssiges
Wasser.
lieber den Feuchtigkeitsgrad der in den Alpen herrschenden Winde
und seine Wirkung auf die Verdunstung liegen noch keine Erhebungen
vor. — Höchst wahrscheinlich aber sind diese Verhältnisse hier ähnliche,
wie in den nördlichen Grenzländern.
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Der Nordostwiod i9t auch in den Alpen der trockenste und befördert
am allermeiaten die Verdupstung'.
Die Sfid-, Südwest- und Westwinde sind im Allgemeinen die feuchte-
sten und halten die Verdunstung am stärksten Kuruck. — Nur im Winter
fordert der Südwest^ ungeachtet seiner Feuchte^ die Verdunstung, und zwar
darum, weil er dann gewöhnlich Thauwetter bringt«
Die grosse Verdunstung des Sommers bei Nordwest liegt nicht in der
Trockenheit, sond^ii in der starken Strömung dieses Windes, welcher
sehr häufig in Sturm ausartet
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berge ) Baumgrenze (5000—6000) 67
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4«
10
27
—
—
—
—
35
Näheres Aber den SchneefalL
Die Zahl und Ausg^iebigkeit der Schneefalle nimmt mit der Seehöhe
rasch zu.
Unter SOOO Fuss Meereshöhe ist im Sommer noch nie, und selbst
bei JMMM-^000 Fuss nur sehr selten ein Schneefall vorgekommen.
An der oberen Grenze des Getreidebaues, d.i. bei 4000—5000 Fuss,
ist bereits kein Monat mehr schneefrei, und häuGg werden dort die Fel-
der vor dem Schnitte mehrere Tage lang von Schnee niedergedruckt.
Bei durchschnittlich 7000 Fuss, d. i. von der oberen Grenze der
Sennwirthschaft, haben gewöhnlich allmonatlich starke Schneefälle statt.
Nur in besonders günstigen Jahren sind dort Juli oder August völlig
schneefrei.
In den Höhenregionen von 9000 Fuss aufwärts, nehmen die Schnee-
lage rasch zu, und gewinnen in jedem Monate mehr die Oberhand über
die Regen» ohne sie je ganz zu verdrängen.
56
Auf den höchsten Gipfeln und Kämmen hewirken vorfihergehende
Wolken und Nebel ein leises Niederschauern von feinkörnigem Schnee
selbst an heiteren Tagen.
Bemerkenswerth sind die Schneefalle, welche sich im Frühjahre oft
plötzlich beim Wehen de« Sirocco (warmer Südwestwind) ergeben« Sie
sind am heftigsten im Südabfalle der Alpen, erstrecken sich jedoch, frei-
lich immer mehr abnehmend, über die ganaen Hochalpen, bis nach Vor-
arlberg, ins Unterinnthal und ins Salzburgische hinauf. Der Schnee geht
dabei gewöhnlich bis in die bewohnten Thäler herab» und verzögert den
Eintritt der Vegetazionszeit.
In den Tiefthälern ist die winterliche Schneedecke 1— S Fuss stark,
sie steigt dann mit der Meereshöhe« und beträgt an der Baumgrenze
5-— 7 Fuss.
36
Schneedecke.
Obwohl der Winterschnee schon in der untersten Alpenregion be-
deutend stärker ist, wie im Flachlande, so sind seine Wirkungen auf die
Vegetazion und auf den Forstbetrieb doch nicht wesentlich verschieden.
Anders ist es in den Höhen.
Auf allen geneigten Hängen bewegt sich die starke Schneedecke
nach abwärts; es ist das freilich eine so langsame Bewegung» dass sie
der gewöhnlichen Beobachtung ganz entgeht, aber demungeachtet hat sie
statt, und zwar mit verbal tnissmässig sehr grosser Gewalt Diese Bewe-
gung — eine Art Fliessen, welches ich später noch erläutern werde —
ist auf stark geneigten und glatten Abdachungen für St Stunden mit S— 4
Linien beobachtet worden.
Dieser Schneeschub ist von grossem Einflüsse auf die Vegetazion. Er
drückt die jungen Holzpflanzen , deren Schäfte noch nicht stark genug sind,
um demselben völlig zu widerstehen, entweder ganz zu Boden, oder neigt
sie wenigstens. Auf steilen Abdachungen wird in schneereichen Wintern
selbst 5~7fussiges Jungholz noch völlig niedergedrückt — Gar manche
Jungpflanzen werden dadurch zu Grunde gerichtet, viele beschädigt, und
alle mehr oder weniger im Wüchse beirrt — Dieses Schneeflusses wegen
wächst auch auf den Hängen kein einziger Stamm vom Wurzelknolen aus
völlig gerade in die Höhe , und auf sehr steilen Abdachungen wird der un-
terste Schafltheil völlig sichelförmig.
Wegen dieses Schubes erscheint auch das dürre Gras der Hänge,
gleich nach Abgang des Schnees, wie niedergebiegelt, und es hält wesant-
lich dessen Wiederwuchs zurück ; Beweis an dem , dass auf den ebenen
Stellen die Blüthen- und Blatttriebe sich noch etwas unter dem Schnee
entwickeln, während auf den Hängen die Grasvegetazion erst längere Zeit
nach dessen Abgang erwacht.
S7
Diese Gattung Schneedrack beschädiget sogar oft die Bauwerke und
ist der Grund, warum sich auf den Hängen der Hochberge kein Scheit-
bolaxain erhalten kann warum jeder Zaum schief gedruckt wird.
Die Mächtigkeit der Schneedecke ist übrigens im Allgemeinen vor«
theilhaft far die Vegetation« denn sie verhindert das starke Gefrieren des
Bodens (weil der Schnee bekanntlich ein sehr schlechter Wärmeleiter ist),
und begünstigt sein frühjährliches Anfthauen. Bei gans ungewöhnlicher
Starke wird sie jedoch auch nachtheilig, denn sie verkürst dann den Vege«
tazionszeitraum.
Die hohe Schneedecke der höheren Regionen zwingt den Forstwirth
zur Sommeriällung; denn wollte er hier die Hölzer im Winter fällen und
aufarbeiten, so müsste nicht nur der Fuss der Stämme, sondern gewöhn-
lich auch die Arbeitsstellen vorerst ausgeschaufelt werden, was uner-
schwingliche Kosten verursachen würde. Die Sommerfällung ist daher in
den Hochgebirgsforsten nothwendig. Demungeachtet gibt es Winter — ja
in den südlichen Alpentheilen sind sie nichts weniger, als selten — in wel-
chen so wenig Schnee fällt, daas die Schlagarbeiten ohne Anstand stattha*
ben könnten.
Von grossöm^Nutzen ist der starke Winterschnee der Hochberge f&r
die Ausbringung des Holzes. Er sichert eine langdauernde vortrefdiche
Schlittbahn, auf welcher Hölzer und Kohlen mit geringem Kraftaufwande
abgezogen werden können; er gestattet das Abtreiben der Klötze über steile
Wiesen , ohne wesentliche Beschädigung derselben ; er ermöglicht endlich den
Holztransport über die unwegsamen Jochsättel, Hochebenen und Berg-
staffel , auf welchen die Anlage von SommoFwegen (der Blöcke und Felsen
wegen) mit unerschwinglichen Kosten verbunden wäre. Der ungeheure
Winterschnee macht hier auch die unwegsamsten Stellen eben, und der
Schnee selbst gibt dann das Materiale ab zur Herrichtung der Strasse.
Das was man im deutschen Flachlande Schneedruck nennt (Anhäu-
fung des Schnees auf den Kronen der Nadelbäume und die bezüglichen
Brüche), kommt in den Hochbergen nur öfter in der Thalregion vor,
denn höher oben fallt der Schnee fast immer nur trocken.
Im Südhange der Alpen bringt jedoch gegen das Frühjahr zu der
Sirocco öfter nassen Schnee und daher auch Schneeanhang mit seinen
Nachtheilen.
Die Schlittbahn spielt in den Hochbergen eine grosse Rolle. Unge-
heure Mengen Heu, Holz, Streugras und Kohlen werden auf ihr in die
Thäler befördert, aus Höhen ^ von denen wegen Mangel an Fahrwegen
ohne derselben oft gar keine Ausbringung statthaben könnte« — Selbst
für die Ausfuhr des Düngers ist sie von Bedeutung; die grössten Trans-
porte bleiben jedoch immer das Heu der unermesslichen Hochwiesen , und
das Holz. — Das Hochwiesenheu wird zu dieseni Behufe bei der Ernte
entweder in dort erbaute Stadel eingetragen, oder im Freien um eine
Stange herum in Tristen au%e6chichtet In heiteren Winternächten nun
machen sich die rüstigen Männer möglichst in zahlreicher Gesellschaft,
58
lange schon vor Sonnenaufgang anf die Beine und wandern mit ihren
leichten Schlitten auf den Schultern denen Hochwiesen zu. Nach kurzer
Rast nehmen sie ihre Ladung (etwa eine halbe Klafter, d. i. 3 — 5 Ztnr
Heu) auf und beginnen ihre zwar anstrengende aber sehr lustige Thal-
fahrt. Auf den wenigen ebenen Absätzen oder Ansteigungen des Weges
müssen sie freilich mit Verwendung oft ihrer ganzen Kraft ziehen; im
Uebrigen jedoch haben sie den Schlitten nur zu lenken und auf sehr steilen,
stark gewundenen Stellen zurückzuhalten. Zu diesem Behufe fassen sie
ihn bei seinen Hörnern oder bei den aufgebogenen Enden der beiden
seitlichen Deichselstangen; stemmen sich mit ihrem ganzen Körper an
die Ladung, strecken die Beine nach vorne und leiten die Fahrt durch
wechselweises Einsetzen ihrer Fusseisen (oder mit eisernen Spitzen ver-
sehenen Absätzen der Holzschuhe) in die Eisbahn. — Geschickte Männer
— und in dieser Beziehung zeichnen sich besonders die Welschtiroler
aus — fiediren auf diese Weise, den Schlitten der ganzen Wirkung sei-
ner Schwere überlassend, mit Blitzesschnelle auch gerade über die steil-
sten Hänge herunter, auf gewundener Bahn müssen sie jedoch fort und
fort zurückhalten^ um den Schlitten lenken zu können. — Im Thale, wo
dann ununterbrochen gezogen werden muss, erwarten sie gewöhnlich ihre
Weibsleute, oder ein Esel, ein Pferd oder selbst eine Kuh als Vorspann.
— Man bricht oft gleich nach Mitternacht auf, denn die ganze Reise muss
(zwischen 9—11 Uhr) beendet sein, bevor noch der Schnee weich wird.
Da dieses Abschütten harte Eisbahn voraussetzt, so wählt man gegen
das Frühjahr auch immer nur mondhelle Nächte.
Das Holzziehen wird ganz auf ähnliche Weise vollfährt. Kurzhölzer
(Feuerholz) ladet man gänzlich auf längere Schlitten; bei längeren Höl-
zern (Klötzen) jedoch , legt man nur deren Kopf auf eigens gehaute (8 — 4'
lange) kurze Schlittchen und lässt die Enden schleifen. Da jedoch die
mit Langholz beladenen Schlitten sich nicht so leicht lenken lassen, so
muss die Bahn für sie regelmässiger und auf der Seite des Hanges (mit
Hölzern, Steinen oder festem Schnee) hoch aufgerändert sein.
Wo man bei grossen Holztransporten eigene Ziehwege anlegt^
trachtet man, sie sowohl im Gefälle (1—8^^ auf die Klafter), als auch in
ihrer Richtung so regelmässig herzustellen, dass der Schüttler wenig
mehr zu thun hat, als den Schlitten gleich Anfangs und von den Ruhe-
plätzen weg in Bewegung zu bringen, über die Kehren hinüberzulenken,
und ihn dann leer zurückzuziehen. Auf diese Weise gelingt es auch,
selbst Holzladungen von 10 — SO Ztr recht gut zu gewältigen.
Das ebenbehandelte Schlittziehen durch Menschenkraft geht nur bei
Thalfahrten. — Berg- oder Ebenfahrten werden mit Zugthieren bewerk-
stelligt.
Selbst auf den gewöhnlichen Landwegen ist die Schlittbahn von
grossem Nutzen ; denn der Schnee macht auch jene Wege sehr gut fahrbar,
auf welchen — weil sie schlecht unterhalten werden — in der übrigen Zeit
des Jahres nie volle Ladung gegeben werden könnte. Auch vermindert
50
die Schlittfahrl sehr den Einrieb der Kohlen. Der grdsste Vortheil erwachst
jedoch den forstlichen Wintertransporten aus dem Umstände, dass cor
Schneezeit die Zug'krafte weg^en Stillstandes der Feldarbeiten gewohnlich
sehr wohlfeil su haben sind. In den Hochbergen ist öfter fast der ganze
Transport der Forstprodukte auf die Schlittbahn berechnet.
37
Schneelawinen.
Auch im niedersten Gebirge haben wir Schneelawinen, jedoch sind sie
so klein und so unschädlich, dass Niemand sie beachtet
Selbst unsere Städte sind nicht ohne Lawinen, denn was ist der Schnee,
der zu Zeiten von unseren Hausdächern rutscht und auch schon öfter einen
Vorabergehenden niedergeschlagen hat, zuletzt Anderes, als eine unrechte
Lawine?
Die Grossartigkeit jedoch , mit welcher die Lawinen in den Hochber-
gen auftreten, und vor Allem die Verwüstungen, durch welche sie ihre
Vl^ege bezeichnen, hat von jeher die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich
gezogen, und den Ausdruck „Lawinen" vorzugsweise nur den Schneeab-
rutschungen des Hochgebirges zugewendet.
Vier Bedingungen sind es, welche an und für sich, gewöhnlich aber
durch ihr Zusammenwirken die Lawinen zuwegebringen: eine gewisse
Steilheit und Glätte des Bodens, ein gewisser (durch seine Höhe beding-
ter) Druck und eine gewisse Beweglichkeit des Schnees.
Auf der Ebene kann der Schnee nie abrutschen, und wäre er selbst in
seine beweglichsteTorm , d* u völlig zu Wasser übergegangen.
Auf der senkrechten Wand kann sich kein Schnee halten und hätte er
auch seine festeste Form, d. i. jene des Eises angenommen.
Wo die Bergabhänge mit Bäumen oder hohen Sträuchern bewachsen
sind , kann der Schnee ebenso wenig abrutschen , als die darunterliegende
durch das Wurzelwerk dieser Holzgewächse befestigte Erdkrume.
Auf jenem Hange, wo Schnee von einem gewissen Zusammenhange
noch ganz sicher liegen bleibt, wird er zum Rutschen gebracht, sobald
diese Festigkeit, dieser Zusammenhang aufgehoben, oder vermindert werden^
nach demselben Gesetze, nach welchem das völlig flüssige Wasser oder
die minder beweglichen Erbsen auf jener schiefen Ebene längst abfahren ,
auf welcher sich das festere Erdreich noch sehr gut zu halten vermöchte.
Dort, wo ein fusshoher Schnee noch unbeweglich liegen bleibt, wird
ein drei Fuss hoher, also auch dreimal so schwerer allsogleich abfahren,
ganz nach demselben] Gesetze, nach welchem auf einer steilen Bergstrasse
ein Wagen, der unbeladen sich nicht vom Flecke gerührt hätte, sich von
selbst in Bewegung setzt , sobald er schwer beladen wird.
Es gibt in der Hauptsache nur zwei Gattungen von Schneelawinen:
Rntschlawinen und Sturzlawinen. Der Name dürfte den Unterschied klar
genug bezeichnen.
Die Ratflchlawinen (wenige bezeichnend auch Grundlawinen genannt),
fahren natürlich auf den eigentlichen Hingen ab; es ist aber ein grosser
wenn auch gewöhnKcher Irrthum, wenn man bei ihnen vom Rollen oder vom
Wilzen spricht, denn sie rollen und wälzen sich nicht, sondern bewegen
sich immer nur rutschend. — Bloss kleine Bruchtheile , welche der Haupt-
schneemasse vorauseilen, kommen öfter ins Rollen.
Die Rutschlawinen entstehen sehr häufige wenn in wenig Tagen
grosse Schneemassen fallen; denn zu dieser Zeit kann das grosse Gewicht
der hohen Schneeschicht noch in vollem Masse wirken, weil der Schnee
noch völlig locker und also auch sehr beweglich ist Später verliert er die-
se Beweglichkeit, sowohl durch das Zusammensitzen , als auch durch das
Zusammenfrieren.
Das Zusammensitzen des Schnees (durch das eigene Gewicht) beginnt
gleich nach seinem Falle, und geht mit der steigenden Schneehöhe um so
rascher vor sich, als der Schnee weicher (nässer) ist.
Es hat in den tieferen Regionen am schnellsten statt, weil hier der
Schnee weniger trocken und in der Regel viel reichlicher fallt.
Das Zusammenfrieren lässt auch nicht lange auf sich warten, denn
wenn auch der Schnee nicht schon nass gefallen wäre , so schmilzt doch
schon die nach jedem starken Schneefalle mit besonderer Reinheit hervor-
tretende Sonne dessen oberste Lage, und das in die Tiefe sinkende
Schmelzwasser bewirkt dann alsbald das Gefrieren. Oefter thut auch ein
nachfolgender Regen diesen Dienst.
Das Zusammenfrieren ist daher auch am schnellsten und am stärksten
im sAdlichen Theile der Alpen, in den tieferen Lagen und auf den Sonnenseiten.
Hier hat es durch den ganzen Winter statt, während es im Norden,
auf den Schattenseiten und insbesondere auf den Höhen gewöhnlich erst
gegen Ende Winters eintritt.
Dieses Zusammenfrieren erzeugt eine mehr oder weniger starke Kru-
ste, auf welcher man über den Schnee wie über einen Marmorboden hin-
weggeht, oder wenigstens mit Schneereifen nicht mehr einsinkt.
Aller dieser Gründe wegen ist die Zeit anhaltender starker Schnee-
fälle auch eine jener Perioden, in welcher die Rutschlawinen am liebsten
abzugehen pflegen.
Nun treten aber diese Schneefalle zu allen Zeiten des Winters ein ;
es gehen also auch die durch die Lockerheit des Schnees hervorgerufenen
Lawinen zu allen Zeiten ab.
Nur bemerkt man sie Anfangs Winters etwas häufiger, weil zu die-
ser Zeit durchschnittlich auch die stärksten Schneefalle statthaben.
Aber ebenso häufig und manchenorts viel häufiger entstehen die
Rutschlawinen, wenn der schon längst gefallene Schnee plötzlich aufge-
weicht und daher auch sehr beweglich wird.
Die gewöhnlichste Veranlassung hiezu ist die rfickkehrende Früh-
lingswärme verbunden mit der kräftigeren Wirkung der bereits höher
und länger am Himmel stehenden Sonne«
81
Dm einsinkende Schmekwasser friert ^^nn den unteren Schnee
nicht mehr snsamnien, sondern löst ihn vielmehr auf.
Daher ist auch die wärmere und besonders die sonnig'eZeit des her-
annahenden Frühlings der zweite Moment» in welchem die Rutschlawinen
g'ewönüch abzugehen pflegen , daher sind auch . die so verursachten Ab-
rutschungen am zahlreichsten auf den Sonnenseiten.
Aber auch plötzliche warme Winde, und insbesondere der südiche
Sirocco bewirken öfter die Auflösung des Schnees und mithin den Laviri-
nenfall; und sie wirken meistens viel kraftiger, als die blosse regelm&ssige
Frühlingswärme oder der gewöhnliche stärkere Sonnenschein.
Da jedoch der Sirocco nur gegen das Frühjahr zu noch warm genug
in die Hochberge gelangt, so gehen die von ihm hervorgerufenen Lawi-
nen zum öftesten auch nur wieder Ende Winters ab.
Manchmal erweichen auch starke Regen den Schnee bis zum Ab-
rutschen; weil aber derlei Regen Mitte Winters nur äusserst selten ein-
treten, und Anfangs Winters gewöhnlich nicht genug Schnee vorfinden,
so veranlassen auch sie den Lawinenfall gewöhnlich um das Frühjahr herum.
Da ein gewisser Druck eine Grundbedingung für die Entstehung
einer Scbneeabrutschung ist, so gehen die Lavrinen um so häufiger und
ausgiebiger ab, als die lockere oder weiche Schneelage stärker ist
Darum sind auch die Alpen und insbesondere deren südliche Abfall
die wahre Heimath der Lawinen; denn hier ist jader wässerige (im Win-
ter als Schnee fallende) Niederschlag, am allerstärksten. Die mittlere
Schneehöhe beträgt hier 3 — 8 Fuss, also doppelt so viel als im Flach-
lande. — Das Mittelgebirge der österreichischen FlachKnder hat sehr häu-
fig ebenso steile, ebenso glatte Hänge, und dennoch keine oder nur we-
nig bedeutende Lawinen; ganz einfach darum, weil dort die Schneedecke
nicht so hoch wird.
Darum sind auch die Lawinenfalie unter sonst gleichen Umständen
bis zur Baumgrenze hinauf am häufigsten und stärksten, und werden dar-
über hinaus immer schwächer, einzig nur darum, weil in der ersteren Re-
gion auch am meisten Schnee fällt.
Darum gehen endlich in schneearmen Jahren oder dann , wenn der
Schnee nach und nach wegschmilzt, viel weniger Lawinen ab.
Die von der Lawine bedingte Glätte des Bodens ist in den Alpen viel-
fach vorhanden. Denn der Mangel grösserer Ebenen, und flacherer Vor-
berge zwingt hier die Landwirthe auch die steilen Hänge noch als Acker
oder wenigstens als Grasland zu benützen, wie wir denn auch wirklich
zahlreiche Aecker von 30 — 35. und Wiesen von 35 — 45^ Neigung finden.
Dann bleibt auch noch die ganze Sennereiregion, deren Hänge, weil
sie hoch ober der Verbreitungsgrenze des Waldes liegen, für immer glatt
bleiben müssen, sie mögen auch noch so steil sein*
Sogar ein Theii des Waldstandes versagt in den Alpen seinen un-
schätzbaren Dienst gegen die Lawinen. Ich meine hier die Legf&hre. —
Diese legt sich, wie schon ihr Name si^t, unter der Wucht des ersten
Schnees su Boden nnd lä^st daher die neuen Schneelasten anstandslos über
sich abfahren.
Das eben ist der zweite Hauptgründe warum im gleichsteilen Mit-
telgebirge nur selten Lawinen abgehen« weil hier alle starkgeneigten Häinge
fast überall mit Wald bewachsen sind.
' Oefter stellt der Schnee selbst erst eine glatte Lawinenbahn her»
wenn er in Folge der Besonnung eine harte Kruste bildet, oder diese gar
vom Duftnebel geglättet wird.
Eine zwar sehr seltene aber desto verderbenbringendere Veranlassung
zum Abgange der Lawinen sind die Erdbeben; wo nur immer die Schnee-
massen sich loszulösen vermögen, fahren sie dann sicherlich im ganzen
Lande gleichzeitig gen Thal.
Bei der Lawine gilt in vollstem Masse das Sprichwort: ,,Ein kleiner
Anfang, ein grosses Ende/' — Nicht nur vermehrt sich die Schnelligkeit
und mithin auch die Kraft des ins Rutschen gebrachten Schnees nach den
bekannten Gesetzen des Falles, sondern auch ihre Masse vergrössert sich
fortwährend« indem sie all den Schnee mit sich reisst, welchen sie auf ih-
rem Wege begegnet.
Daher vermögen auch jene Umstände, welche das Entstehen von La-
winen zu verhindern geeignet sind^ sehr oft eine schon in Bewegung ge-
setzte nicht mehr aufzuhalten.
Flachere Absätze im Berghange massigen zwar immer die Gewalt
des Falles, vermögen aber sehr oft die Lawine nicht zum Stehen zu
bringen.
Wälder halten zwar häufig Abrutschungen von gewöhnlicher Stärke
auf, aber nur zu oft vermögen sie denen von aussergewönlicher Kraft nicht
zu wiederstehen ; sie werden dann abgescheert, ausgerissen und gebrochen
wie Getreidehalme und vermehren durch ihre Masse nur die unwidersteh-
liche Wucht der weiterfahrenden Lawine.
Die Rutschlawinen gehen zwar auch auf den Seiten der Hänge, ja
manchmal selbst auf deren Riegeln ab , am häufigsten jedoch und so ziem-
lich alljährlich in den Furchen und in den Schluchten- — Die Erklärung
liegt sehr nahe ; erstens sind diese — wenigstens an ihrem Beginne am steil-
sten, zweitens haben sie viel geringere Abhänge , und drittens sind siever-
hältnissmässig am meisten glatt
Da die Lawinen so ziemlich den Gesetzen des Falles den Flüssigkei-
ten folgen , so nehmen sie auf Grund der Oberflächenbildung des Geburges
ihren Lauf zumeist in die Schluchten.
Diess ist ein grosses Glück far die Hochberge, denn sonst wären die
wenigsten Bauernhöfe , ja selbst viele Wälder nicht vor Zerstörung ge-
sichert.
Da die Oberflächenform des Gebirges in der Hauptsache immer die
nemliche bleibt, und auch der Schneefall sich nur wenig ändert, so haben
die Lawinen in der Regel ihre bestimmten Stellen, wo sie losgehen, und
einen bestimmten Weg, den sie nehmen.
es
Auch das ist ein Segen för die Aelpler , denn sonst wfissten sie nicht,
wo ihre Häuser hinhauen, noch wo ihre Strassen anlegen. So aber können
sie vielen Nachtheilen vorbeugen , und richten sich in jedem Herbste schon
gegen die Lawinen vor, sieben z. B. an den Lawinenzligen die Zaunste-
cken aus und fuhren dort die alUälligen Heutristen weg.
Leider jedoch bewirken aussergewöhnlicbe Umstände , dass Lawinen
aach an Stellen abgehen, wo sie gewöhnlich nicht zu fallen pflegen, und
dann freilich nehmen sie nicht nur Wälder, mit sich fort, sondern reissen
auch Wohn- und Wirthschaftsgebäude ein und begraben Menschen und
ihre Hausthiere unter ihren Massen.
Man rechnet, dass in Tirol z. B. auf diese Weise von den 100.000
Landhäusern jährlich 12 — 15 von den Lawinen zerstört, und dabei 80—- 90
Menschen und mehrere hundert Stücke Vieh das Leben einbussen.
Es ist nicht ohne scheinbaren Grund getadelt worden, dass Mancher,
dessen Haus eben, von der Lawine fortgerissen wurde, das neue wieder
auf den nemlichen Platz hinbaute, ungeachtet der eben erlebte Lawinen-
sturz ja klar bewies, dass diese Stelle nicht lawinensicher seL
Aber ich glaube, man hätte hier viel mehr Ursache zum Bedauern,
als zum Verdammen. Der Bauer kann im Hochgebirge gewöhnlich nur
dann sein Gut bebauen, wenn er in dessen Bereich wohnt Nun ist aber
die Lage vieler dieser Güter derart, dass eigentlich keine Stelle ganz
sicher vor Lawinen ist Um also sein Haus völlig sicherzustellen, müsste
der Bauer das Grundstück seiner Väter verlassen. Das nun thut er um
so weniger, als er oft kein anderes zu kaufen bekäme, und als er denn
doch die Hoffiiung nährt, die Lawine werde das nächstemal einen andern
Weg nehmen, oder ihm wenigstens nicht das Leben abfordern.
Und das Bewusstsein der Gefahr , welches dem Flachländer vielleicht
das Leben verkümmern würde, drückt wenig den Aelpler, der sozusagen
auf allen Schritten von Gefahr umgeben ist, dessen Eigenthum und Leben
mehr wie jedes Anderen in Gottes gewaltiger Hand liegt
Sehr häufig ist auch der unvorsichtige Abtrieb von Wäldern an frü-
her gar nicht vorgekommenen Lawinen Schuld; sei es, weil er solche
dort entstehen lässt, wo sie früher nie losgingen, sei es, weil er den
Damm beseitigte, welcher die immer schon Losgegangenen aufhielt, sei
es endlich, dass er bloss den Zug der Abrutschungen änderte.
Dort, wo die Lawinen gewöhnlich abzugehen pflegen, vermag sich
gar kein Wald anzusiedeln; dort jedoch, wo sie nur häufig ziehen, kom-
men immer noch Sträucher, gewöhnlich Bergahorne, Erlen, Krummholz,
Weiden, Vogelbeer, selbst Buchen fort, denn entweder legen sie sich
vor der Lawine nieder, oder schlagen, wenn sie abgerissen und gebrochen
werden, wenigstens wieder reichlich aus Stock und Wurzel aus.
Dieses Gesträuch wuchert hier sogar wider Erwarten zahlreich,
weil eben die Lawinen fortwährend Gesäme herahtragen. Auf diese Weise
ist offenbar die Legf^^hre (wenigstens auf den Hängen) bis in die Tbäler
heruntergekommen.
IM
Nor dort , wo die Lawinen selten niedergehen , vermag der Hochwald
fortzukommen^ ja es gelänge sehr oft, und ist schon gelungen, durch des-
sen Ansucht künftige Lawinen fiir immer zu verhindern*
Eben entstandene Rutschlawinen sind in der Regel unschwer au&u-
halten , denn sie sind noch klein von Masse und wenig schnell in ihrer Be-
wegung. — Auf den Hängen genügen hiezu sehr oft deren flache Absätze,
emporstehende Felsen oder einzelne Waldstreifen , in den Schluchten die
Felsblöcke, die auf ihrem Grunde liegen, oder deren Staffel.
Ist aber eine Lawine schon aber eine längere Strecke abgefahren,
dann vermögen diese Hindernisse nur selten mehr sie zum Stehen zu brin-
gen; sie hemmen und brechen zwar ihre Geschwindigkeit, vermehren aber
manchmal sogar noch deren Gewalt durch das neue Materiale , welches sie
ihr liefern.
So fahren denn die meisten schon längere Zeit in Bewegung gewese-
nen Rutschlawinen bis in die Thäler hinab.
Die Masse der Lawine übersteigt in der Regel sehr bedeutend das ge-
rade Verhältniss zur Dicke der Schneedecke und zur Länge des zurückge-
legten Weges , denn erstens wird ihre Bahn an und fiir sich immer breiter
zweitens reisst die Lawine ausser dem Schnee auch alles Uebrige mit , was
sie auf ihrem Wege findet, und drittens bringt sie durch die Erschütterung
der Luft und des Bodens auch nebenliegende Schneemassen in Bewegung,
die sie im Vorüberfahren gar nicht unmittelbar berührt hätte.
Die Massen , mit welchen auf diese Weise Lawinen in die Thäler ge-
langen , welche bei ihrem Losgehen vielleicht nur in einigen Klaftern locke-
ren Schnees bestanden , sind daher oft so ungeheuer , dass sie auch bei der
nur massigen Greschwindigkeit von 10 — 15 Füssen einen ungeheuren Druck
aasüben ; in Folge dessen kein von Menschenhänden errichtetes Bollwerk
ihnen zu vriderstehen vermag, in Folge dessen! sie 50 — iOO Klafter breite
Thäler quer überfahren, ja in schmäleren Thälern sogar noch 10—50 Klafter
hoch auf den entgegengesetzten Hang hinaufsteigen.
Die Geschwindigkeit der Lawinen wechselt örtlich und im Ganzen
ausserordentlich. Auf langen, glatten und gleichmässig fallenden Hängen und
Schluchten , wie sie im Urfelsgebirge oft vorkommen , ist sie natürlich am
gröasten. Unter entgegengesetzten Verhältnissen beträgt sie manchmal sogar
nur einige Fuss.
Daher ist es auch achtsamen Leuten oft gar nicht schwer, denselben
zu entkommen.
Am Meisten wird das Entkommen durch das dumpfe Getöse erleich-
tert , durch welches sich die abfahrenden Rutschlawinen oft schon viel frü-
her verkünden, als sie dem Auge sichtbar werden« Freilich gehört dann
viele Geisfesgegenwart und durch Erfahrung gesdbärde Beurlheilungsgabe
dazu, um für die Flucht den richtigen Zielpunkt zu wählen, und gar Man-
cher schon, der dort, wo er eben stand, ganz sicher gewesen wäre, ist in
seiner Angst der Lawine gerade in den Rachen geflohen.
65
Durch den Druck verdichtet eich der anfafig^e lockere Lawinenechnee
unmer mehr, und wird in Kurzem sofeat, daas der meuschiiche Fusa nur
wenig mehr einmnkt.
So kommt ea auch, daaa Gegenatinde und aelbat Gehäude, Menschen
«nd Thiere, weiche zufällig auf die OherAäche von Lawinen gelangten
manchmal ganz unversehrt mit ihr in das Thal gefahren sind. Ja es ist
achon einigemal vorgekommen, dass Menschen von langsam gehenden La-
winen, auf denen sie standen, sich wegiliichten konnten.
Die Art, mit welcher die Lawine auf die Gregenstände wirkt, welche
sieh ihr entgegenaetzen , ist natürlich ausserordentlich verschieden; je nach
der Festigkeit und Form dieser Gegenstände, je nach dem Zuge, der
Schnelligkeit und Stärke der Lawine, so wie der Art der mitgefahrten
firemdartigen Massen , und insbesondere, je nachdem sie die Gegenstände
mehr oder weniger überschüttet.
Es sind bereits Fälle vorgekommen , wo Lawinen ganze Häuser blos
von ihrer Grundfeste geschoben, im Uebrigen aber unversehrt in die Tiefe
getragen haben ; anderemale fiUlteii sie alle leeren Räume der Gebäude aus,
oder zertrümmerten sie gänzlich.
Häufig bleiben aber in ihrem Inneren einzelne leere Räume , von den
Brachstücken der Gegenstände herrührend, welche si^ auf ihrem Wege
zerstörten. — Diese Räume haben nicht selten schon den Menschen und
Thieren, welche sich zulällig unter jenen Bruchstücken befanden, das Le-
ben gerettet
Am gelährliehsten sind diese Rutschlawinen zur Nachtzeit, denn an
den ruhig schlafenden Bewohnern der bedrohten Häuser geht dann das
ihnen gleich einem Warnrufe voraneilende dumpfe | Dröhnen unbenutzt
verloren.
Die gar viele Gräuel bedeckende Nacht ist auch die Zeit, in welcher
die Lawinen die meisten Menschenopfer fordern.
Von den unter ihren Massen begrabenen Menschen und Thieren wer-
den zwar viele gerettet, für die Mehrzahl jedoch kommt die Nächstenhilfe
zu spät
Manche werden achon von den Trümmern ihres Obdachs erschlagen.
Andere von der Wucht der Schneemassen erdrückt, und wieder Andere
werden nur darum nicht mehr gerettet » weil man beim Ausgraben zu spät
an sie gelangt
Das Ausgraben der Verunglückten ist auch walirlich eine äusserst un-
sichere Sache, denn wonach soll man Ort und Richtung des Rettungsstel-
lens bestimmen , der , soll er nicht seinen Zweck verfehlen , auf dem kürze-
sten Wege zu den Hilfsbedüriligen führen muss. Hiezu gesellt sich noch
der verhängmssvolle Umstand, dass der Lawinenschnee ein sehr schlechter
Leiter des Schalles ist
Hohe Bewunderung verdient die edle Aufopferung, mit welcher in der-
lei Unglücksfällen die Bevölkerung der ganzen Umgegend zusammeueilt, um
auch das Uebermenschliche für die Rettung der Verunglückten zu wagen.
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Die Sturxlawinen entstehen ober den hohen Felswänden. Anf den fla-
chen Absätzen^ welche über denselben liefen, häuft sich der Schnee in
grossen Massen , öfter sogar überhängend an. Sei es durch unmittelbare»
Fall> sei es durch das Zusammenfahren von den umliegenden Winden und
Hängen y sei es endlich, weil aurückprallende Winde dort den mitgefihrten
Schnee liegen lassen. Aber würde er auch nur senkrecht hinansteigen > so
muss er endlich in Bewegung kommen, da er sich in trockenem aber locke-
rem Zustande über K-^dO^ hinaus, und wenn er weich wird, auch bei ge«
ringeren Neigungen nicht mehr zu halten vermag,
Ist nun einmal durch das Abstürzen der Randtheile Bewegung in jene
Schneemassen gebracht, so folgen gewöhnlich auch deren hintere Thelle.
Viel öfter ist die Sturzlawine jedoch nichts Anderes , als die Fortsetzung
einer Rutschlawine; denn da die Hänge d^r Hoehberge sehr häuflg durch
Wände unterbrochen werden, so gerathen die 'anfangs rutschenden Schnee«
massen ins Stürzen , sobald sie an die Wand kommen.
Und umgekehrt verwandeln sich die Sturzlawinen wieder in Rutschla«
winen , sobald sie an der Wand herunter auf den unterliegenden Hang ge-
rathen ; es wäre denn, dass sie auf einem sehr flachen Absätze oder in einer
Mulde stillestehen würden.
Die Sturzlawinen sind vorzugsweise nur dem Kalkgebirge ^gen, w^
nur dieses zahlreiche Wände hat, am alleriiäufigsten sind sie in den Bergen
des ausgeprägten Dolomites, da dessen Hänge^ grossentheils aus blossen
Wänden bestehen.
Der über die Wände stürzende Schnee wird durch die Felsenriffe, auf
welche er allenthalben stösst, theilweise in Staub zerstiebt, anderntheils
Msen sich die anfangs dichten Massen gegen Unten zu darum a«f , weil sie
viel schneller stürzen, als die nachrückenden Massen oben abrutschen, 4^^^^
wegen heisst man diese Lawinen auch öfter Staublawinen.
Bei gleicher Masse sind die Sturzlawinen aus sehr naheliegenden Grrfin»
den weit zerstörender, als die Rutschlawinen.
Auf die ungeheure Wucht , mit welcher grössere Lawinen über h5«
here Wände stürzen^ kann man aus dem Umstände schliessen, dass die
blosse Luftbewegung ^ welche sie verursachen, schon die stärksten Bäume,
ja ganze Bestände niedenreisst, Hütten gleich Kartenhlosern zusammen-
wirft und leichtere Gegenstände mehrere hundert Klaftern weit fortführt.
Bei langsamgehenden Rutschlawinen ist die Lufterschütterung von
keiner Bedeutung, und selbst bei den schnellsten derselben auch nicht annä-
hernd so gross, wie hier.
Die ursprünglichen Stnrzlawinen sind um so gefahrlicher, als sie sich
durch kein vorangehendes Getöse ankündigen.
Die Wuth der Sturzlawinen trifit ganz vorzüglich die Wälder, nmr
selten die Menschenwohnungen, weil unter den Wänden nicht leicht Jemand
seine Hütte aufschlägt
Es ist ganz klar, dass die Schneemassen sich allenthalben in einem
Zustande befinden können , in welchem jedes Atom von bewegender Kraft
angenblicklich ihr Losgehen hewirkeii kann; wenigatens haben die mei-
sten wirklich abgegangenen Lawinen sich in einem solchen Zustande
befondea.
Es ist daher nicht minder klar, dass selbst die geringate Lufler-
schfitterung» blosses lautes Sprechen, der Fall eines Steines , eine Lawine
hervorrufen kann; woraus nun wieder die Vorsicht folgt, die zu lawinen-
gefUirüchen Zeiten eu beobachten ist
Es gibt in den Hochbergen viele Thäler, welche ganz besonders die
Lawinen begünstigen, entweder durch ihre zahlreichen Wände (im aus-
geprigteii Dolomite) oder durch die wenig unterbrochene Steilheit uud
Glitte ieat beiderseitigen Hänge (Urfelsgebirge). Das Spiel der Lawinen
ist dort bei besonders reichlichem Schneeialle oder, bei plötzlichem Thau«
wettar wirklich erschütternd. Von allen Seiten erdrdhnen ihre Donner;
kaum hat das Auge die Eine aufgefunden, so verkündet neues Getöse von
vorne und von hinten eine Zweite , Dritte und Vierte. Sehr häufig ist es
die Lufterschütterung der Ersten, welche die Anderen in Bewegung setzt.
Auf einer Wegstunde quer über das Thalgehänge kann man nicht selten
10 starke und doppell so viel kleine Lawinen zählen. Häufig geschieht
es, dass, während man vor einer abgehenden Lawine zurückweicht, eine
rückwärts abschiessende den Weg auf der änderen Seite versperrt.
So sind z. B. im venezianisclien Hochgebirge auf dem Wege zwi«
sehen Agordo und Peron zwei Maulthierkarawanen durch volle zwei Tage
vüih'g abgesperrt worden. Zum Glücke hatte die eine Mais und die andere
Wein geladen, so dass wenigstens für den Hunger und insbesondere fiUr
den Durst der Mauithiertreiber gesorgt war, welcher bekanntlich sehr
stark zu sein pflegt
Die durch die Lawinen in die Thäler gelangenden Schneemassen
grenzen zuweilen ans Unglaubliche; schmale Thäler sperren sie mit5--20
lUafter hohen Dämmen völlig ab, und stauen die rückwärtigen Bäche in-
solange zu förmlichen Seen auf., bis sich das Wasser endlich eine Bahn
durchgelressen hat Oefler bildet der Durchgang ein Grewölbe, so dass
man auf der Lawine wie auf einer Bogenbrücke den Strom überschreiten
kann. Die Strassenverbindung pflegt man dann durch blosse Einschnitte
herzustellen; ja öfter sind die Schneemassen so mächtig, dass man lieber
förmliche Stollen eintreibt.
So gewaltige Schneemassen schmelzen in den tirfen Thälern erst im
Juni, in den Hochthälern erst im August gänzlich weg; ja in ungünstigen
Lagen und Jahren dauern nicht unbedeutende Reste aucli noch in einen
nächsten Sommer hinüber.
Merkwürdig anzuschauen ist der Rücklass von derlei Lawinenrissen,
besonders wenn sie ganze Waldstreifen mitgefuhrt haben^ Die Fantasie
veirmag sich kein Bild zu entwerfen von der imposanten Verwirrung, in
welcher dort die vielfach gebrochenen und zersplitterten Baumstämme mit
Felsblöcken, Schutt und Rasen verkreuzt sind.
«8
Die Aufarbeitongf von derlei Holzmassen ist dreimal so schwierigf und
kostspielig, als jene im regelmässigen Holzschlage.
Oft kommen aber auch sonst noch bemerkenswerthe Reste zu Tage.
So fand man im tiroler Canalithale , auf dem Grunde einer Lawine , welche
erst im zweiten Sommer vollends wegschmolz, eine Gemse mit ihren Kitze,
deren Fleisch noch völlig geniessbar war.
Die Zerstörungen der Lawinen sind schon im Früheren angedeutet
Worden.
Für den Waldstand sind sie besonders uachtheilig, zahlreiche Streifen
gehen als gewöhnliche Lawinenbahnen f&r den Holzwuchs ganz verloren^
andere bleiben für ewig schlechtes Buschholz. Unzählige Stamme und Hör*
ste, ja selbst ganze Bestände werden oft lange vor ihrer Hauarbeit durch
sie ganz zusammengebrochen. Nicht selten entstehen dadurch neue Lawj»
nenbabnen , die dann äusserst schwer wieder aufzuforsten sind.
Aber selbst der Waldboden wird gar häufig völUg verdorben ; denn,
geht die Lawine zu einer Zeit ab , in welcher der Boden nicht fest gefroren
ist, so reisst sie die Baumstämme saromt ihren Stöcken und Wurzeln aus
dem Boden, und leitet dessen Abscbwemmung durch die Sommer- und
Herbstregen ein.
Der ganze Forstbetrieb muss öfter nach den Lawinen gemodelt wer-
den. Viele Bestände würden weit vortheilhafter im Kahlhiebe gehauen
werden, der Lawinen wegen darf man sie bloss plenterweise abtreiben;
andere würde man lieber in jüngstem Betriebsalter holzen, der Lawine we-
wegen muss man sie alt werden lassen ; in Gegenden hohen Holzwerthes
würde man gerne die Nutzholzstämme tief herauskesseln , der Lawinen we-
gen muss man stattdem klafterhohe Stöcke zurückfassen.
Und in die sogenannten speziellen Nutzungspläne, wo ja solche in den
östreichischen Alpen angefertigt werden, machen die Lawinen die gewal-
tigsten Risse. Sie fragen nicht, welche Bestände durch den Wirthschafts-
plan zur Fällung bestimmt wurden, sondern reissen herunter gegen alle
Regel , gegen allen Plan. In sehr schneereichen Jahren deckt oder über-
steigt das Lawinenholz nicht selten das nachhaltige {ährliche Hiebsquantum.
Fragt man nach Bollwerken gegen die verderblichen Lawinen, diese
furchtbare Geissei der Alpen , so kommt man zuletzt immer wieder auf den
Wald zurück.
Gegen kleine Lawinen , welche gegen die Häuser ihren Zug nehmen,
haben sich zwar auch dreiseitige Sporne aus festem Mauerwerk (Lawinen,
brecher) öfter schon bewährt. Mit einer ihrer Kanten gegen die Lawine
gerichtet , theilen sie diese und lenken sie ab.
Aber gegen grosse Lawinen ist jeder von Menschen errichtete Damm
entweder viel zu schwach , oder viel zu kostspielig.
Die Wälder hingegen sind ein vielfach bewährter, allgemein anwend-
barer und ganz kostenloser Damm, ein Bauwerk, das sich ohne viel Zu-
hilfe , sozusagen von selbst erhält.
Wo nur halbwegfs wohlbeatockter Wald steht , kann die LaMrine gw
nicht lo«^ehen^ und ein nur mittelmässig; herangewachsenes Gehdiz hält jede
noch nicht nbermässig^ angewachsene Rutschlawine auf.
Die Aelpler würdigten auch die unbezahlbaren Dienste^ welche ihnen
die Wälder in dieser Beziehung leisten , in vollem Masse.
An lawinengeliäirlichen Orten erhalten sie ober jedem Gebäude mit
eifersüchtigster Sorgfalt einen Schutzwald« der gebannt ist gegen jeden
freventlichen Eingriff. Eine fast heiUge Scheu hält selbst den kecken Holz-
dieb vom Bannwalde fern , wesswegen diese Schutzwälder in der Regel die
schönsten und bestbestockten der ganzen Gegend sind; Haine, deren
schauerliches Dunkel allsogleich verkündet, dass dem Sitvan hier ein Altar
aufgeschlagen wurde.
Schwierig ist jedoch die Anzucht des Waldes an SteUen, wo die La-
winen häitfig abzugehen pflegen. Es bleibt dort nicht leicht was Anderes
übrig, als den Häng wie gegen die Erdabsitzungen staffeiförmig herzu*
richten, oder sich durch Pfehlreihen zu helfen, in denen je zwei und' zwei
Pfähle sich kreutzen (und sich somit gegenseitig unterstützen). Zum Schu-
tze der Strassen baut man die Schirmdächer, auf welchen die Lawinen
hinübergehen , ohne die Strasse zu gefährden. Besonders schön kann man
diese ausgeführt sehen auf der berühmten Mililärstrasse über das worm«
ser Joch.
Wo Schirmdächer zu kostspielig sind, bleibt nichts Anderes übrig,
als die Lawinenbahn ober und unter der Strasse möglichst von allen Hin«
dernissen zu befreien, damit die Lawine wenigstens schnell, sicher und
ohne vielem Rücklass über die Strasse wegfährt«
38
Die Fernstemlawine vom Jahre 1814.
CNordtirol).
Im Januar 1844 fiel in Nordtirol ungewöhnlich viel und trockener
Schilde , daher auch überall starke I^awinen abgingen«
Schon am S8. Januar fuhr um 5V« Uhr Früh eine der ungeheuersten
vom hohen Fernsteine durch das steile schluchteuartige Thal, vor dem gleich-
namigen Weiler vorbei, bis ins Hauptthal hinab.
Durch den Weiler führt quer am Bergabhange die Hauptstrasse und
übersetzt die erwähnte Schlucht mittels einer schönen steinernen Bogen-
brücke, welche 85 Fuss über das Gerinne erhaben ist.
Die abgefahrenen Schneemassen , welche bis hoch hinauf die Schlucht
erfüllten , überdeckten diese Brücke noch um 60 Fuss, keine Spur von der
Strasse übrig lassend; die Lawine hatte also dort eine Dicke von
tn Fuss.
Sie überdeckte auch 54 Schuh hoch die Mühle und das Häuschen
des 73[jährigen Johann Sterzinger , während er noch im Bette lag.
and überflcküttete Schoppeu und Stall eine« Wirthe« samint dem darinste-
henden Vieh.
Den übermensdilichen Anstrengungen der alsbald in Menge herbei*
geeilten Nassreither gelang es» imierhaib 35 Stunden durch den Schnee
einen Stollen bis zum Hause des Greises sn treiben. Sie fanden ihn uaver*
letzt und bei riistigeni Leben. Es war aber höchste Zeit, denn eben hatte
der Gerettete Feuer angemacht, um sich Etwas zu kochen; ohne Zweifel
würden ihn Rauch und Kohlendampf bald erstickt haben. Zum glücklichen
Erfolge der Nachgrabungen trug das Meiste der Strasseneinräuroer Alois
Messner von Nassereith bei , nicht allein durch seine UnermüdlichkeiC in der
Arbeit, sondern vorzüglich durch den Scharfsinn, mit welchem er seine
Ortskenntniss zu benutzen wusste; er allein wusste mit voller Sicherheit
die Stelle des Hauschens und die Richtung genau anzugeben, nach welcher
der Stollen zu treiben war. Andere , welche die Gegend sonst sehr genau
kannten, fehlten weit in ihren Angaben, so sehr hatten die ungeheuren
Schneemassen die ganze Umgegend verändert Das Häuschen war fast
ganz unbeschädigt geblieben.
Man suchte auch das verschüttete Vieh auszugraben, aberies gelang
nicht, weil man die Richtung verfehlte, nur kamen zum Erstaunen Aller
nach vollen acht Tagen ein paar Hennen lebendig und gackelnd ans Ta-
geslicht
Alles fürchtete, dass der ungeheure Druck dieser gewaltigen Schnee-
massen die steinerne Brücke zerstören werde, aber sie widerstand; nach
einigen Tagen hatte man sie sammt der Strasse ausgeschaufelt
39
Schneesturm und Schneedlnen.
Wegen der mit der Meereshöhe steigenden Kälte wird der Schnee
im tiefen Winter immer trockener und pulveriger, je höher man in den
Hochbergen emporsteigt.
Wie ich später noch zeigen werde, wächst mit der Höhe auch, die
Stärke und die Häufigkeit der Luftströmung, sie artet auf den Jöchern und
Hochebenen sehr häufig zum förmlichen Sturm aus, während im Thale die
Atmosfäre kaum bewegt wird.
Der Sturm hebt den pulverigen Schnee, fuhrt ihn auf lange Strecken
mit sich fort und lässt ihn erst dort wieder fallen, wo seine Richtung oder
seine Kraft plötzlich abgelenkt oder gebrochen werden. Starke Stürme he-
ben den Schnee auch bis 60 Fuss Höhe und in solcher Masse , dass die Luft
bis auf 6—10 Fuss Höhe« wie bei dichtem Nebel undurchsichtig wird , und
dass er gegen den Boden zu förmlich zu fliessen scheint.
Solche Schneestürme wehen nun den Schnee von einzelnen SteUeti
gänzlich weg, und tragen ihn an anderen wieder oft hanshoch an, wodurch
' ähnlich wie beim Meereaflugsande mächtige Dünen entstehen.
n
Id den Forsten beaobränken sich die Schneestürme und Dünen auf die
vereinzelten Blossen und Lichtungen.
Wahrtich fiirchtbar wüthen die Scbneestürme auf den Jöchem und
Hochebenen , denn hier sind Luftbewef ung und Schneemenge am stärksten,
and ietstere auch am trockensten.
Die Schneestürme haben dort schon unsählige Mensdienleben geko-
stet AUes verschwört sich gegen den Wanderer, den Zufall oder Verwe'
genheit su solchen Zeiten auf die Jöcher hinaufliihren« Der festgetretene
Fusssteig ist langst verweht; wüsste man auch seinen Zug, so nützte er
doch nichts^ weil er bereits mit neuem Schnee hoch überdeckt ist. Das
Waten in diesen pulverigen aufgewühlten Massen (in welchen Schneereifen
nutzlos sind), und insbesondere das Durchbrechen der Dünen ist so anstren-
gend und zeitraubend, dass man auf Strecken von einigen hundert Klaftern
leicht eine Stunde verbringt , in wenigen Viertelstunden reibt es die Kräfte
auch starker Mäniier gänzlich auf; der Sturm ^ welcher den Schnee mit
einer solchen Kraft ins Gesicht peitscht» dass man sich wie von Nadelsti-
chen betroffen wähnt, betäubt völlig die Sinne; das gänzlich verän-
derte Bild der Qegend und der Btangol aller Aussicht lässt uns nur zu oft
auch den Weg verfehlen, oder füllt das Gemüth in dieser Beziehung we-
mgstens mit den bangsten Zweifeln.
Allerdings pflegen die Aelpler den Winterweg der Hochjöcher dieser-
wegen mit Stangen zu bezeichnen; sie errichten in der Mitte längerer
Jochstrecken auch ein Häuschen und legen einiges Holz hinein, damit der
Unglückliche, der dem Schneesturme zu unterliegen in Gefahr ist« sich
hinein flüchten' und am Feuer neue Kräfte sammeln kann ; aber nur zu oft
Irifit man selbst diese Stangen und das rettende Häuschen verweht
Umsonst steht dann mancher erschöpfte Wanderer einen Augenblick
stille und sucht mit einem Schluck Branntwein neue Kräfte einzuschlürfen.
£r watet noch eine Strecke fort, aber die Anstrengung wird endlich zu
gross, eine ungeheure Mattigkeit senkt sich wie Blei in seine Gebeine,
alle seine Sinne erschlaffen, es zwingt, ihn unwiderstehlich wie zum Schlafe
nieder, wirklich setzt er sich, um nur einen Augenblick zu nippen, aber er
schläflt ein — um nie wieder zu erwachen.
Wenigstens ist es ein sehr ruhiger sanfter Tod; diess können wir
Alle bezeugen, die wir sehr nahe daran waren, ihn zu erleiden, es bezeugt
es der Ausdruck von zufriedenem Glücke in den erstarrten Gesichtern Der-
jenigen, welche wirklich unterlegen sind.
Fast grauseiihaft sind Jene anzuschauen, welche einen tüchtigen
Schneesturm glücklich überstanden haben ; das vorstehende Kopf- und das
Barthaar, ein Theil der Kleidung und besonders die Beine sind völlig ver-
eist, selbst das Gesicht. ist auf der Windseite öfter mit einer dünnen Eis-
lage überzogen; die Gesichtszüge sind so fratzenhaft verzerrt, dass man
im Spiegel vor seinem eigenen Antlitz erschrickt; die Muskeln sind der-
massen erstarrt, dass man kaum zu lalleiv vermag. Wer in diesem Zustande
1
n
unvorsichtig'erweise in ein gfeheitztes Zimmer tritt, traget Jahre dauernde
Frostbeulen als Lehrgeld davon.
In der Regel wartet der Aelpler^ der im Winter ein Hochjoch zu
überschreiten hat, beim warmen Ofen im Thale unten, bis der etwaige
Schneesturm vorüber ist. Um das zu erheben^ braucht er nur eine An«
höhe zu besteigen, von der aus man den Jochpass sehen kann. Wenn
dort oben der Schneesturm wüthet, so ist das Joch wie mit Nebel
oder Wolken überlagert. — In jedem Falle thnt man gut, den Ue-
bergang nur in Gesellschaft zu wagen, denn dann kann man wenigstens
mit dem über Alles beschwerlichen Vorauswaten abwechsein, und C^selU
Schaft stählt ja die Kräfte gegen jede Gefahr. — Ein Schluck Branntwmn
oder edlen Rhum hat sich dabei von jeher vortrefflich bewährt; wenn der
letzte Rest von Kraft sinken will, so bringt er neues Leben in alle Adern ;
nur dauert diese künstliche Aufregung nicht lange, daher denn dieses Spe«
zifikum klüglich als letzte Zuflucht bewahrt sein will.
In den Zeiten, in welchen die Alpen noch nicht mit den beutigen
Fahrstrassen durchschnitten waren, wo also der ganze Verkehr der V51-
ker seinen Zug in ziemlich gerader Richtung über die Sättel der Hoch-
jöcher nahm , hatte man in den östreichischen Alpen Hospize mit ähnlichen
Einrichtungen, wie jenes berühmte auf dem S. Bernhard in der Schweitz.
— Die Mauern dieser gastlichen Stätten bestehen zwar heute noch, aber
sie sind in Ruinen zerfallen, oder zu Kneipen herabgesunken. — Pane-
veggio, S. Pellegrino und S. Martino in Tirol gehören in die letztere
Klasse. So tief sie aber unter dem stehen , was sie einst waren , so be-
grüsst man sie nach überstandenem Schneesturme doch ebenso herzlich,
wie einst der bepanzerte Kreuzfahrer das gastliche Hospizium, oder wie
heute noch der Araber die liebliche Oase seiner schrecklichen Wüste.
Nur die Nordostwinde werden gewöhnlich zu Schneestürmen, denn
sie sind die trockensten und unter den trockenen die häufigsten. — Aus
diesem Grunde sind auch die Schneestürme zahlreicher in der südöstlichen
Verflächung der Alpen, und wachsen an Häufigkeit und Kraft gegen Sü-
den zu, woselbst in Unterkrain, und am südlichen Rande von Mitterkrain
die gewaltige Bora diese Rolle übernimmt. Hier lässt der Schneesturm
zwar an Wuth nicht das Geringste zu wünschen übrig, und er arbeitet
in der Karstgegend auch bis in die Tiefe herab, demungeachtet macht
ihn die (wegen des minder hohen Gebirges) geringere Menge des Schnees
im Aligemeinen minder furchtbar.
Die Schneedünen fallen ausserordentlich lästig. Sie verwehen die
Häuser, vor Allem aber die Strassen; wochenlang bleibt dann alle Ver-
bindung unterbrochen, oder man muss unverhältnissmässige Arbeitskräfte
zur Ausschaufelung verwenden. Mit der letzteren wartet man - ausser
auf den Reichsstrassen — bis der Sturm vorüber ist, indem während
des Sturmes die Arbeit einer Stunde wieder in den nächsten fünf Minuten
vernichtet werden würde. — Alle diese Verwehungen treffen den Holz-
fS
traiisport tm so schwerer, als man zu s^nen Gunsten nicht die Gemeinden
zum Ansschaufeln aufbieten kann.
In dem an Schneedünen sehr reichen Mittelkrain, wo zudem nodi
die Höfe fast überall vereinzelt liegten, macht der Landmann, insolange
noch kein neuer Steige g^etreten ist, seine GSng^e mit der hölzernen Schnee-
schaufel auf der Schulter, damit er sich mit ihr vorerst die Bahn durch
die Dünen brechen oder sich selber ans einer sehr starken herausschaa-
feln kann, in die er etwa eing^esunken wSüre.
Zur Verwahrung gegen die Verwebung^en sucht man die Strassen
möglichst über h*eie Stellen zu ziehen und erhöht sie über den umliegeo-
den Boden.
Reichsstrassen schüzt man auch durch Bretterwände. Derlei ,,8chnee-
schirme'' kaim man z. B. auf dem Brenner sehen.
40
Fimmeere und Gletscher.
Die Schneegrenze liegt in den östreichischen Alpen zwischen 8000
und 8600 Fuss Seehöhe.
Von dieser Linie aufwärts vermag selbst die Sommerwärme den
Schnee nicht völlig wegzuschmelzen, sie löst nur mehr dessen oberste
Lage auf, das Schmelzwasser sinkt dann in die tiefere Schicht und verwan-
delt sie in körnigen Schnee.
Etwas Aehnliches geht in jedem Frühling auch in den tieferen Regio-
nen vor, da jedoch das Thauwetter dort sehr bald dem Schnee ein Ende
macht, so beachtet man es wenig.
Ober der Scheelinie bildet sich Jahraus Jahrein eine neue Lage Fir-
nerschnee; dieser wächst daher zu einer sehr bedeutenden Höhe an» der
zunehmende Drucke insbesondere aber das fort und fort von Oben in die
Tiefe sinkende Schmelzwasser verdichtet immer mehr die untersten Fir-
nerlagen und wandelt sie endlich in völliges Eis d. i« in Gletscher um ; aber
auch nur dann, wenn das niedersinkende Schmelzwasser nicht etwa in den
Boden versinken oder irgendwie ablaufen kann.
Wm Ähnliches kommt auch öfter auf den mehr ebenen Stellen unserer
Tieflagen vor, wenn der Boden vor dem Eintritte der winterlichen Schnee-
falle hart friert , denn dann können die beim Thauwetter niedersinkenden
Schmelzwässer nicht mehr in den Boden* sinken, und verwandeln die unter-
ste Schneelage in jenes l^is , welches unsere Getreide-Saaten manchmal zu
verderben pflegt.
Well der frische Schnee auf den steilen AbflUlen abrutscht und von
den Gipfeln, Graten und Riegeln vom Sturme entflihrt wird , so bildet sich
der Fh'n gewönlich nur in den Mulden, auf den sehr breiten Rücken und
auf den Hochebenen. — In den Mulden insbesondere findet er das weiteste
und dankbarste Feld; denn bekanntlich sind die meisten Hochgipfel ^ we^
nigBlen» im Vrblsgehirge , von sehr weiten und flachen Mulden umgebeui
welche den Anfang der sich niederaenkenden Thaler bilden; nnd hier ward
nicht nur kein Schnee forig^ewebt» sondern er rutscht noch von den steilen
fl&ndern herein und wurd durch jene Massen vermehrt^ welche die Sturme
von den Gripfeln und Graten entfuhren.
Die g^rosse Ausdehnung vieler Firuer berechtigt vollkomniien zu dem
gebranchlichen Ausdruck ,,Firnmeer/'
Zwar stehen die Firnmeere der östreichischen Hochlverge im Allge*
gemeinen den schweizerischen nach , demungeachtet haben auch wir derlei
Meere , welche diesen Namen vollkommen verdienen*
Die Pasterze z. B. hat V«^ der Hebatschfirn '/« Quadratmeile und viele
andere zwischen % — V« Meilen Ausdehnung, und fasst man wie billig alle
zusammenhängenden Ferner ein und desselben Bergstockes zusammen, so
ergeben sich Flächen von mehreren Quadratmeilen. Die özthaler Firne z. B.
haben eine Gesammtfläche von 7 Qnadratmeilen. — Die Tiroler Ferner al-
lein schon nehmen über 23 Meilen Flache ein und bedecken somit 5 Pro-
zente der Landesfläche.
Es ist nicht möglich die grossartige Öde und Einförmigkeit der Firn-
meere vollständig in Worten zu geben. Scheinbar unermessliche Schnee-
flächen» Eis und Fels sind die einzigen Elemente dieser Landschaft Die
Oberflächenneigung ist so gering und die Schneefelder sind so gross, dass
wir lange wandern müssen , bevor sicli neue Gegenstände dem Auge dar-
biethen. Nichts erinnert uns mehr an die grosse Höhe, in der wir uns befin-
den, als die tiefe Bläue des Firmamentes über uns, oder einige beeiste Al-
pengipfel, deren weisse Unorisse bei der grossen Durchsichtigkeit dieser
Luft und der Dunkelheit des Hintergrundes in wunderbarer Klarhejit hervor-
treten ; im Uebrigen glauben wir fast eine endlose Steppe in ihrem Win-
terkleide vor uns zu haben. Nur wenige blaue Spalten und Höhlen im Fir-
ne unterbrechen die Öde. — Das Auge, das hier keinen Vergleichspunkt
findet, schätzt die Entfernungen fast immer viel zu gering und die Durch-
sichtigkeit der Atmosfare mehrt noch die Täuschung. Häufig geschieht es
auch, dass die wellenförmigen scharf gegen den Himmel abstechenden
Erhöhungen uns lange Zeit als die Grenze des Firnmeeres erscheinen, ob-
gleich sich hinter ihnen ungeheure Massen aufs Neue ausdehnen.
Lautlose Stille erhöht die lange Öde des einsamen Ferners. Nur höchst
selten schreckt uns das Dröhnen einer Lawine, das Gepolter eines stür-
zenden Steines oder das Krachen des berstenden Eises von den trüben Be-
trachtungen auf, welche die Seele unwillkürlich beschleichen.
Der Pflanzenwuchs ist in dieser Region schon grösstentheils erstor-
ben. Hier finden wir nirgends mehr eine zusammenhängende Rasendecke ;
4ie ganze Vegetazion beschränkt sich auf Flechten und Moose, welche die
einzelnen Felsblöcke und die steilen schneefreien Felienhäu||;e stellenweise
überziehen. Nur bis etwa 2000 Fuss über der Schneeljziie gesellen sich
noch einzelne Fanrogamen hinzu, und bieihen der Gemse, dem weissen
n
Hahjt> dem Murmelüiiere oder dem Schafe awai^ spiriiche aber nedi im-
mer warzige NahriHig,
Die untersten Schiebten des Fimerschnees ^ehen in de» Mulden des
Orfelsgebiri^es fast immer in Gletschereis über, auf dem Kalke jedoch nur
selten oder doch nur in Terhältnissmissig^ sehr geringer Ausdehnung.
Denn hier versinkt das zur Gletscherbildung nöthige Schneewasser entwe-
der in den zahlreichen Felsspalten oder es lauft auf dem stark geneigten
Boden anter dem Firne hinaus«
Der Gletscher Hegt erklärlicherweise immer in der tieCs^ten Stelle der
Mulden und nach Unten zu ausschliesslich in den Thälern und Schluchten.
Auch das älteste und festeste Gletschereis ist nicht so dicht, ak das
gewöhnliche Wassereis, es verliert nie ganz seine kdrnige Bildung und
behält jene unzähligen Haarspalten und Bläschen, welche von den Luft-
Zwischenräumen des Schnees herrfihren.
Auf dem Gletschereise und selbst auf dem alten Furn kann man ohne
Anstand Feuer anmachen, ohne nur im Geringsten dessen Auslöschen be*
sorgen zu mdssen; das Feuer wird nicht einmal wesentliche Spuren im
Eise zurücklassen.
Der Gletscher ist immer viel kleinar, als das Firnmeer; er beträgt
meistens nur den dritten oder vierten Theil des letzteren. Die Breite des
Meeres gibt gewöhnlich den Ausschlag, denn nach der Breite tritt er er-
klärlicherweise am meisten unter dem Rande des Ferners zurucL
Die grosste Tiele des Ferners ist zwar noch nirgends genau erho-
ben worden, nach einzelnen Messungen jedoch mag sie auch öfter gegen
170 Klafter betragen.
Der Firn deckt unter günstigen Umständen auch die stark geneig-
ten Lagen; er vermag sich selbst noch bis auf 43 — 50° Neigung zu
halten.
Der Schneefall eines Jahres vermehrt die Höhe der Ferner um V4
— 3 Fuss. — Etwa um die gleiche Masse senken sich Firn und Glet-
scher alljährlich in die Tiefe hinab, so dass die Mächtigkeit der Ferner
im Allgemeinen demungeachtet nicht wächst
Das Vorrücken der Gletscher und Ferner ist bereits über allen Zwei-
fel erhoben. Es hat in der Regel in der Richtung der Schlucht (des gröss-
ten Falles) statt Bei den grösseren Gletschern steigt es in 2i Stunden
stellenweise auch auf 8 bis IS Zolle, ja in der Schweiz ist es einmal mit
k Fuss beobachtet worden.
Die Bewegung der Gletscher ist eine ArtFliessen und wird ermög-
Hebt durch die Verschiebbarkeit der einzelnen Theile dieser Eismassen;
das Vorrücken geht daher nach ähnlichen Gesetzen vor sich, wie dasAb-
fliessen des Wassers. An steileren Stellen mag jedoch auch ein gewisses
Gleiten mithelfen, und selbst das Gefrieren des in ihre Spalten eingedrun-
genen Vl^ assers scheint die Fortbewegung der Gletscher zu befördern.
Die Breitenränder der Gletscher bewegen sich immer langsamer als
ihre Mitte. Nach der Längenaxe genommen rückt aber gewöhnifch wie-
TS
der die Mitte am Schnellsten vor. Die Unregelmässigkeit der Thalsohle,
Senkungen und Mulden verändern jedoch sehr die Bewegung«
Kleinere Gletscher fliessen immer langsamer als ^össere.
Die Schnelligkeit der Bewegfung wird überhaupt vorzugsweise he«-
dingt durch die Neigung der Thalsohie und durch die Dicke (den Druck)
des Eises.
Wenn wir die Neigung der Gletscher und FemeroberfläcJie jener
des Bodens gleichsetzen wollten, so betröge diese durchschnittlich des
ganzen Feldes 3 — 7 Grade; einzelne Stellen jedoch haben aber auch
SO — 30 Grade Fall, ohne dass darum (am Rande von Wänden) der Glet-
scher abfährt.
Die grosse Menge des Schmelzwassers der ersten Sommermonate
macht das Eis beweglicher, daher es zu | dieser Zeit am Schnellsten vor-
rückt. Im Herbste ist die Grösse der Bewegung dem Jahresmittel gleich ,
im Winter steht sie unter diesem.
Starke Regen wirken ebenso wie die Sonnenwärme.
Die Bewegung ist zwar der Reibung wegen, am Boden viel kleiner,
in der Regel ist jedoch kein Gletscher am Boden festgefroren.
Abgesehen von dem allgemeinen Zusammenschmelzen der obersten
Firnschicht, welche im Laufe eines Sommers gewöhnlicli 8 — 10 Fuss
beträgt, schmilzt auch das untere Ende der Gletscher und Ferner in je-
dem Sommer bedeutend ab.
Dieses Abschmelzen bleibt sich nicht gleich. Es steht vor Allem in
Verhältniss mit der Wärmesumme des jeweiligen Sommers, so wie mit
der Menge des im vorigen Winter gefallenen Schnees.
Grössere Bedeckungen von Schutt und Gestein mindern das Schmel-
zen und tragen wesentlich bei zur steigenden Mehrung der Eismassen. —
Erreicht der Gletscher stärker geneigte Thalstellen, so zerklüftet er zu-
weilen sehr bedeutend und vergrössert dadurch gleichfalls seine Masse
aul ungewöhnliche Weise.
Da dieses schon an und für sich ungleiche Abschmelzen des unteren
Gletscherandes nicht immer in geradem Verhältnisse steht mit dem jährli-
chen Nachrücken der ganzen Masse, so treten die Gletscher und Ferner,
jetzt durch ein oder mehrere Jahre etwas zurück^ und hierauf wieder et-
was vor.
Bei einer grossen Zahl von Gletschern nnd Fernem bemerkt man
jedoch, abgesehen von diesen gewöhnlichen Schwankungen, schon seit
mehreren Jahrzehenden ein beständiges Vorrücken ihres Endes, und da man
ein gleich ausgiebiges Zurückweichen nur an einer viel geringeren Zahl beob-
achtet, so zieht man hieraus wahrscheinlich mit vollem Rechte denSchluss,
dass vielen Orts die Gletscher- und Fernergrenze sich immer tiefer her-
abdrückt
Es scheint ausser Zweifel gestellt, dass hieran in der Regel die
rücksichtslose Entwaldung der Höhen Schuld sei.
n
Weil Schnee und Ei« um 00 schwerer schmelsen« als «ie dichter
werden, und weil fiberdiess Ferner und Gletscher nur in den wenige be^
sonnten ThUern und Schluchten in die Tiefe steig^en, so liegt die untere
Grense der letzteren weit unter der Schneelinie.
Die Gletscher steigen öfter um MM)0 Fuss tiefer hinab» ja der Fer-
nerachnee der Schluchten fiberdauert in schattigen Lagen den Sommer
öfter selbst noch bei 8S00 Fuss SeehMie, geht also noch um etwa ISOO
Fttsa weiter hinab.
Höchst merkwürdig ist» wenn ich mich so ausdrücken darf, da« Le-
ben und Wirken der Gletscher.
Welche Wirkung sie auf den Fels haben, zeigt vielleicht am sehte«
sten der schweitzerische Grimsel. Alle Felswände, und von solchen ist
man dort auf allen Seiten umgeben , sind bis zu einer Höhe von ungefthr
1000 Fuss fiber dem Thalboden jeder scharfen Ecke beraubt, gerundet
und geglittet, oft spiegelblank gesdUiiFen und darüber hinweg gewöhnlich
wieder von paralellen Furchen und Kritzen durchschnitten* Die obere
Grenze dieser Erscheinung ist beinahe wagereeht und so scharf, dass man
leicht auf den Gredanken kommen kann, die zackigen Felsspitzen, welche
sich plötzlich über den gerundeten erheben, beständen aus einem ganz an«
deren, dort aufgelagerten Gestein« — Das ist aber durchaus nicht der Fall
denn es ist genau derselbe Gneiss.
Zwar sind einzehie, durch Verwitterung angegriffene Stellen im Gan«
zen nicht mehr geschliffen und gekritzt, sondern rauh, aber die hervorra«
genden Quarzadern zeigen noch immer deutliche Politur und paralelle
Kritzung.
Die Furchen und Kritzen laufen fast immer gleich mit der Thalnei-
gung^ zuweilen aber weichen sie davon etwas ab, und in diesem Falle
kann man stets die Ursache z. B. in der Unebenheit des Thalbodens
erkennen.
Diese sonderbare Erscheinung laset sich nun durch das ganze Aarthal,
aufwärts bis zur ewigen Schneedecke und abwärts so weit verfolgen, als
die Gehänge aus festem kristallinischen Gesteine bestehen , welches einer
solchen Bearbeitung läliig war und zugleich der Verwitterung emen hin-
länglichen Widerstand entgegensetzte.
Die obere Grenze der gerundeten und geschliffenen Oberflachen ist
nicht ganz so stark geneigt, wie der Thalboden; wesshalb sie sich denn
nach Unten immer höher und höher über denselben erhebt und bei Guttannen
z. B. gegen 3000 Fuss über der Aar liegt. Die Abschleifung ist an mehreren
Stellen ganz besonders deutlich , so z. B. an der sogenannten hellen Platte,
wo der berühmte Gletscberforscher Agassiz eigenhändig nEisschliff" einge-
meisselt hat
All diese Erscheinungen sind nichts Anderes, als die Wirkungen des
einatmafigen Aargletscbers.
Die zwar sehr langsame, aber mit unwiderstehlicher Kraft voriichrei«
tende Bewegung der Gletscher rundet durch die am Boden und in den Sei*
tenwanden eiDgefromen Steine und Sand die Feben ab» 8ch|eift und kriut
016. Jeder Gletscher wirkt dadureh gleichsam wie eine zwar langaan aber
nnter ungehem^m Drucke bewögte Feile. ^ Die aU Feibibne thatigen
Steine und Sandkörner verindem dabei mehrfach ihre eigene Lage, und eo
kommt es, dass die Steine selbst u unregelmassigen G^chieben abgerun-
det werden, und nicht minder auch Kritsen und Furchen bekemmen^ das«
der iSand zum Theil sich in fSrmHciies Mehl zerreB^t
Auf den Absätzen der abgeschliffenen Felsenhänge einstiger Gletscher*
betten und insbesondere gegen die oberen Schliffgrenzen zu, Uegan noch
heute einzelne Felsblöcke umher, welche offenbar durch die Gletscher dort«
hin gefuhrt und zm*flckgelassen worden sind. Stellung und Lage beweisen,
dass sie weder von Oben herabgestürzt, noch durch Wasser hingebracht
worden seien, und ihre mineralische Zusammensetzung zeigt, dass sie
-nicht Tom nachbarlichen Fels, sondern von den weitentlegenen Höhen her*
kommen. Unzweifelhaft hat sie der unter ihnen wegschmelaende Gletscher
dort liegen lassen.
Die Oberfläche der Gletscher ist immer mehr oder weniger rauh. In
Sommer ist sie in bestandigem Abschmelzen begriffen. Liegen auf ihr dunkle
Körper, so werden diese, von der Sonne beschienen, stärker erwärmt^
als dasEis^ und wenn sie so klein sind, dass diese stärkere Erwärmung im
Laufe eines Tages bis an ihre Grundfläche dringen kann , so tfaauen sie sich
tiefer in die Eisoberfläche ein, während das durch sie gebildete Schmelz'
wasser in der dort sehr dünnen Atmosfare gewöhnlich schnell verdunstete^
Da nun die ganze Gletscherfläche durch die Winde stets mit kleinen fitein*
eben, Sandkörnern, Staobtheilen , oder Ueberresten von Insekten und aut
deren organischen Körpern bedeckt ist, so schmelzen diese alle ein Stück
iii die Oberfläche ein und hinterlassen lauter kleine Löcher. — In jedem Lo-
che liegt ein dunkles Körperchen« Auf diese Weise wird die ganse Ober-
fläche porös, wie von einer Säure zerfressen.
Darum geht es sich auch sicher und bequem auf diesem Eise.
Sobald aber Steine auf dem Eise liegen, die zu gross sind, um von
den Sonnenstrahlen bis auf den Grund stark erwärmt zu werden , so schu-
Uaea diese im Gegentheile den Gletscher gegen 'das Abschmelzen. Während
nun dieser um sie herum immer niedriger wird, bleibt das Eis unter den
Steinen mehr oder weniger ungeschmolzen zurück, wodurch die Steine zu-
letzt auf förmlichen Eispfeiiern zu sitzen kommen. Aber diese Stiele errei*
dien bald das Maximum ihrer Höhe ^ namentlich desshalb, weil die Sonnen*
strahlen etwas schräg von Süden her wirken, und daher auf der Südseite
den Stein unterhöhlen» Auf diese Weise werden aU diese Bisstiele sebief
gegen Süd geneigt. Wird die südliche Unterhöhlung zu gross, so bricht
der Stiel und lässt den Stein — die sogenannte Tischplatte — gegen Süden
herabfallen. Hier beginnt nun der nemliche Vorgang aufs Neue , wiederholt
sich fort und fort und bewirkt die Wanderung aller grösseren Gietsoher*
blocke nach Süden.
Man sieht nicht nur allenthalben die Oletochepliachbildunp in alien
Eraatanden , hier die Blöcke eben abgfefallen > platt auf dem Eiae Ueg^eodi
dort anf niederen , und wieder wo anders auf oft 7 Fuss hoben Stielen»
sondern hinter jedMi Steine bemerkt man auch zwei oder drei Eishügel,
welche von abg-ebrochenen mid noch nicht g^nz eingeebnelenStSelen her-
rubren.
Diese Tischplatten sind BIdcke, welche einer nördlich gelegenen
Morine entlaufen sind. Jeder grosse Stein» der am Sftdrande eiaer Mo^
räne etwas frei liegt» beginnt diese eigenthümliche selbststandige Winde»
mng. Die Zahl der Blöcke nimmt darum von Oben nach Unten stets zu.
Weit oben» wo der Oletscher noch keinen grossen Weg eurfickgelegt
hat » sind erst einzelne der Moräne entsprungen und haben sich auch noch
nicht weit !von ihr entfernen können, am unteren Ende jedoch haben sie
sich bereits ober die ganze Eisfläche ausgebreitet.
Zwischen diesen beiden extremen Fillen der Sonnenwirkung gibt es
eine Menge Zwischenstufen. Bs gibt Steine von mittlerer Grösse» die an
nicht sehr sonnigen Tagen anlangen Tische zu bilden, während sie an
sehr sonnigen den angefangenen Stiel wieder einschmelzen. Liegt irgend»
wo eine dfinne Anhäufung von Sand, die sich durch und durch erwärmt«
so bildet sie ein rundes Loch, welches sich schräg gegen Norden ein«
senkt, so dass ein hineingesteckter Stab stets gegen Sfid weist — - Diese
mit Wasser gefftlhen Mittagslöcher werden zuwalen so tief^ dttss man
mit dem längsten Alpenstock keinen Grund mehr findet.
Liegen aber dickere Sand- und GeröUnassen beisammen^ so schü-
tzen sie das Eis unter sich, und bilden einen schuttbedeckten Eishügel*
Auf diese Weise treten auch aHe dichten Moränen über die Gpletscherflä«
fehe hervor.
Die schon zum zweitenmal erwähnten Moränen entstehen also. -^
Von den steilen Hängen der Gletscherthäler fallen in Folge von Wind,
Wasser» Lawinen und Verwitterung, theils vereinzelt, grösstentheils
jedoch an gewissen bestimmten Stellen nachhaltig , Steinschutt und Fels^
Möcke auf dem Rande des Gletschers herab. Hier rücken sie mit ihn
selbst immer vinriter abwärts» während neue Massen ihnen folgen^ so dass
an den beiden Seitenwänden des Gletschers ein ziemlich gleiehförraiger
Schuttwall entsteht, der an jeder Stelle Abfälle aus allen Theilen des
Thaies enthält, bei denen er vorbeigeschoben wnrde. Dort» wo zwei
Seitengletscher in einem Thale minderer Ordnung zusammenfliessen» ent^
steht eine „Mittelmoräne"» welche dann von den Thalgehängen keinen
neuen Zuwachs mehr erhalten kann.
Aus der Zahl der Mittelmoränen kann man zuweilen schon am unte*
reu Bude eines Gletschers erkranen, wie viele Zweiggletscher er in sich
vereinigt» oder was dasselbe ist, aus wie viel höchsten Thälern er zu^
sammengeflossen ist Doch ist ein solcher Schluss nie ganz sicher, weil
raMche kleinere Gletscher keine Seitenmoränen haben, oder weil Mittel*
sioränen sich während des Vorrfickens unterrinander oder nät nahen Sei*
tenmorinen vereinigen^ was theils durch die anregelmäsaige Bewegung
des Eises» theils durch die oben beschriebene Wanderung der Steine aui
dem Eise geschieht
Alle dichten Moränen treten über die Hauptflache des Gletschers
hervor, weil sie. das darunterliegende Eis vor dem Abschmelzen schützen.
Die Hanptmoräne grosser Gletscher erreicht stellenweise selbst 100 Fuss»
aher dieser mächtige Steinwall besteht keineswegs aus lauter. Steinen,
sondern der Hauptsache nach aus Eis, welches nur dicht von Steinet he-
deckt ist
Am unteren Ende der Gletscher tritt dann schon durch den steileren
Abfall desselben ein Durcheinanderrollen der einzelnen Moränen ein, so
dass sich hier gewöhnlich alle, sowohl Mittel- als Seitenaoranen zu einer
Endmoräne verbinden. — Diese wächst nothwendig stets an, so lange das
Gletscherende auf derselben Stelle bleibt, da hier alle mit dem Eise wan-
dernden Steine abgelegt werden und sich in so lange ansammeln, als das
Ende nicht etwa zurücktritt. — Dadurch haben sich in den vorgeschicht-
lichen Zeiten zuweilen Schutt- und Steinwälle von einigen hundert Fuss
Höhe gebildet, die man als einstige Endmoränen weit unterhalb der jetzi-*
gen Gletscherenden tief in den Thälern flndet. —* Vorrückende Gletscher-
enden schieben diese Schuttmassen theils vor sich her zusammen, theüa
aber steigen sie über sie hinüber. Zurückweichende Gletscher lassen bei
gleichmässigem Weichen ebene Steinfelder zurück, wenn aber das Wei-
chen periodisch erfolgt, einzelne Querwälle.
Auch Firnmoränen kommen manchmal auf den Gletschern vor.
Die Schneeschichten, und insbesondere jene , welche einen Jahres-
abschnitt bezeichnen, sind in den Höhen nicht nur durch ein verschiedenes
Gefuge an den Berührungsflächen erkennbar, sondern weit deutlicher
noch durch die feinen Staublagen, welche in der Zwischenzeit zweier
Schneefälle von den Winden dahingetragen werden, und der Oberfläche
des Firnes bald einen ganz grauen Schein verleihen. «— Diese grauen
Staublagen lassen selbst noch im ..Gletschereise die Jahresbildungen unter-
scheiden! Die Schichtung von Firn und Gletscher erlangt durch die un-
gleiche Bewegung der Maissen oft die wunderbarsten Windungen; die
Scluchtenflächen befördern die Wasserzirkulazion und tragen bei zur Bild-
sam- und Flüssigmachung der Ferner und Gletscher.
Die innere Temperatur der Ferner und Gletscher ist im Sommer^
wo sie von Schmelzwasser durchzogen sind , stets 0. — Im Winter aber^
wo das Schmelzen ganz aufhört, und das vorhandene Wasser aus dem
grossen Eisschwamm völlig ausläuft^ sinkt die Temperatur sehr langsam
tiefer, ai|ch bis --S|.
Das Schmelzwasser der Gletscher rinnt auf ihrer Oberfläche, runde
Furchen ausnagend , in zahllosen, stark gekrümmten Bächlein fort. Lange»
bevor, diese Wasserfäden das untere Ende des Gletschers erreichen^
ergiessen sie sich jedoch in dessen Löcher und Spalten , setzen den Lauf
in seinen inneren Aushöhlungen fort, sich zuletzt sammt und sonders ia
81
einen ^osaenBach vereinigend^ welcher durch daa weite y.Gletflcherthor"
endlich ins Freie tritt.
Die Rinnsale im Bauche der Gletscher haben zahbreiche Ausweitun-
gen CWasserstubßn)» welche oft von so grosser Bedeutung werden, dass
ihre plötzliche Kntieerung den Gletscherbach sehr stark anschwellt — ein
förmliches Hochwasser verursachend.
Derlei grössere Wasserstuben entleeren sich im Laufe eines Som-
mers 3—4 Mal
Eine besonders merkwürdige Wasserstuben - Entleerung hatte 1845
auf dem özthaler Gletscher (Tirol) statt. In der Mitte des Gletschers,
etwa ^0 Fuss über dem jetzigen Wege zur Hintereishütte, erhob sich
aus einer grossen Kluft durch zwei Tage ein klafterhoher vierzöUiger
Wasserstrahl,
Die Menge des im Sommer durch den Gletscherbach tretenden Was-
sers ist an einigen der grösseren Gletscher des Kaiserreiches mit 100 — 140
Kubikfussen für jede Sekunde bestimmt worden.
Der Eintritt des Winters macht nur die Bäche der kleineren Gle-
tscher plötzlich versiegen, jene der grösseren fliessen noch lange fort,
bis endlich alles in den Rinnsalen . und Adern enthaltene Wasser ausgeron-
Ren oder gefroren ist.
Die Crletscherbäche sind im Sommer immer trüb, denn sie fuhren
das Schleifmehl mit sich, welches die vorrückenden Eismassen abreiben.
Die Trübung rührt aber zum Theil auch von einer Menge organischen
Resten her, welche den unzähligen Infusorien angehörten, welche im
Gletschereise leben. — Die Trübe der Gletscherbäche unterscheidet sich
durch ihr milchiges Grünlich- oder Blaulichweiss sehr von jener der mei-
sten übrigen Gebirgswässer.
Bisweilen sammeln sich die Schmelzwässer eines Gletschers zu ei-
nem formlichen See an, dessen Oberfläche nicht selten mit schwimmenden
Eisblöcken bedeckt ist. — Gewöhnlich entstehen diese Au&tauungen, wenn
der Gletscher eines Seitenthaies durch ungewöhnliche Verlängerung bis
in die Sohle des Hauptthaies vorrückend, den Gletscherbach dieses letzte-
ren absperrt Die Aufstauung steigt dann insolange, bis endlich der Druck
der Wassermassen stark genug wird, um den dammartig vorliegenden
Seitengletscher zu durchbrechen. Der Durchbruch, so wie die damit ver-
bundene Entleerung erfolgen gewöhnlich mehr oder weniger plötzlich und
erzeugen öfter sehr gefährliche und zerstörende Hochwässer.
Da der endliche Durchbruch durch grosse Wassermassen bedingt
ist, so rufen ihn öfter langdauernde Regengüsse, oder starke (warme)
Südwinde hervor, welche die Abschmelzung des Gletschereises und des
Firnmeeres ausserordentlich steigert Darum furchtet man z. B. in Tirol
die Fernerauabrüche vorzugsweise bei starken Wehen des Sirocco.
Besonders das gletscherreiche Tirol hat viele derlei periodische Seen •
am Bekanntesten ist in neuester Zeit der Vernagtsee im Oetzthale gewor-
den, der 1844 eben durch das Vorrücken des Vernagtgletschers und die
6
8i
Sperrung des rofher Thaies etitotao()en isi, seitdem öfter schon und im
J. 1848 mit Tfbedeutenden Verheerungen zum Durchbruche kam« und das
Oetzthal fortwährend mit neuen Verwüstungen bedroht
Jeder Körper, der zu irgend einer Zeit bis zu einer gewissen Tiefe
in den Gletscher versunken ist« kommt nach einiger Zeit wieder an die
Oberfläche hervor« weil das Eis darüber stets abschmilzt. Darauf grün-
det sich die Sage« dass die Gletscher alles Fremdartige von sich geben.
— So fiel in Schnals (Tirol) ein Kraxenträger in einen Eisspalt und ver-
schwand. Nach 13 Jahren kam sein Gerippe wieder zum Vorschein« die
Kraxe noch fest um die fleischlosen Schultern.
Um diese Spalten gefahrlos zu übersetzen« geht man gewöhnlich in
grösseren Gesellschaften » und alle Wanderer ßigen sich nttt Stricken an-
einander« um den Stürzenden schnell empor zu ziehen. Oft wurden auf
diese Weise einzelne« die hinabgestürzt waren« wieder ans Tageslicht
emporgezogen. Der Gestürzte hörte in der Tiefe jedes Wort der Zu-
rückgebliebenen , während er selbst mit seiner Stimme nicht zu ihnen
dringen konnte« wahrscheinlich durch widrige Luftströme daran ver-
hindert.
'Freundlicher Leser« sollte es Dir vergönnt sein« einen Gletscher zu
betreten« so wirst Du glauben« in jener lautlosen Stille« in jener gänzlich
erstarrten Natur das einzig Lebende zu sein. — Aber die Starrheit « diese
Einsamkeit sind doch nur Täuschung. — Unter Dir fliesst die mächtige
Eismasse täglich einen Zoll vorwärts. Auf ihrer Oberfläche rinnen« durch
die Sonne ins Leben gerufen « Tausende von klaren Bächlein« runde. Fur-
chen ausfragend und sich in die erste beste Spalte tief hinabstürzend« oder
sich zu grösseren Bächen vereinigend. Der ganze Gletscher« mehrere
hundert Fuss dick und mehr als tausend Klafter breit« ist von unzähUgen
feinen bewegten Wasseradern schwammartig oder wie ein Organismus
durchzogen. iMiliiouen Sandkörner sind beschäftigt^ sich immer tiefere
Löcher in das Eis zu bohren« Tausende von Steinblöcken sind in lang-
sam auf* und absteigender« stets gegen Süden gerichteten Wanderung
begriffen« aber nur ausnahmsweise hörst Du während Deines kurzen Be-
suches einen einzelnen von seinem Stiele hinabpoltern« und eben so selten«
eher noch bei Nacht als bei Tag« schrickst Du vor krachendem Aufreis-
sen neuer Spalten zusammen^ oder vor dem Dröhnen einer herabfahren-
den Lawine«
Zu diesen Vorgängen unorganischer Natur gesellen sich aber noch
die weit unscheinbareren des organischen Lebens. Milliarden unsichtbarer
Wesen bewegen sich selbstthätig in den Haarspalten des Eises und zwi«
sehen den Körnern des Firnschnees« nach Nahrung suchend« die aus den
zersetzten Theilen anderer Organismen besteht« oder aus der purpurro*
then Alpe« deren einzelne Fäden und Keimkömer Du niu* mit Hilfe einer
Lupe zwischen den Firnkörnern zu erkennen vermagst. In zahllosen klei-
nen Wasserbecken der Eisoberfläche tummeln sich ganze Schaaren mun-
terer Eisflöhe« die die Natur durch ihre pulverschwarze Farbe besonders
83
empfänglich gemacht hat für die Wirkwigen der Sonne; kurz in dieser
Starrheit ist überall Bewegung, in diesem Tode ist überall Leben.
Aber — wirst Du antworten — diese Bewegung der Gletscher ist
für mich ebensogut Starrheit, wie die Bewegung der Berge im Welträu-
me; die Eisfluhe sind für mich eben so wenig Gesellschaft, wie für den Ge-
fangenen der Holzwurm in seiner Bettstelle; köstlich ist es zwar, über
diese Gattung Leben im behaglichen Stubchen zu grübeln, hier aber gilt es
mir nicht mehr , als der absolute Tod.
Wenn ich die Sache beim Lichte betrachte , so glaube ich : Du hast
recht, und ich verarge es Dir nicht, wenn Du betäubt und erdrückt von der
nicht fiir den Menschen geschaffenen Oede des Gletschers herabfliehst in die
Regionen des' Menschenlebens und um so inniger die Welt an den Busen
drückst, welche auf unserer irdischen Wallfahrt immer und ewig das Leben
aller Leben -bleiben wird.
Die Gletscher und Ferner sind von erheblichem Einflüsse auf die Bo»
denkultur.
Sie vermitteln einen mehr gleichförmigen Stand und eine grössere Som-
merstärke der Gebirgswässer, wie ich noch- später zeigen werde, und ver-
mehren, freilich nicht bedeutend, den atmosfärisclien Niederschlag.
Sie befordern die Abtragung der Gebirge, dia Bewegmig der gebro-
chenen Gesleinsmassen und die Erdbildung. In sc^^eit sind sie nützlich«
Aber in vieler Beziehung wirken sie auch nachtheilig.
Sie erkälten die Luftwärme der Umgebung, und drücken dadurch die
Verbreitungsgrenzen der Pflanzen wesentlich herab. Selbst den Boden er-
kälten sie durch die kalten Wässer, welche allenthalben aus ihnen heraus-
rieseln, auf ein gutes Stück, und machen ihn völlig mifruchtbar.
Oft zerstören sie durch ihr ungewöhnliches Herabrücken bedeutende
Striche von Wald und Wiese , und selbst wenn sie nach Jahrzehenden zu-
rücktreten, folgt erst lange darnach die Vegetazion nach, denn wahrschein-
lich wurde die Bodenkrume bis auf den nackten Fels abgeschält
Gefährlich und zerstörend sogar werden sie durch ihre Wasseraus-
brüche, besonders dann, wenn eine Seebildung voranging.
41
Lawinenfirn der ScUnchten.
In alle tief eingeschnittenen Schluchten fallen die Behänge steil und
wandartig ab. — Es fährt also fast der ganze Schnee der beiden steilen
Seiten in die dazwischenliegende Schlucht und füllt sie. — üeberdiess neh-
men auch die auf der Hauptabdachung entstandenen Lawinen (wie ich schon
im Abschnitte 37 bemerkt habe), in der Mehrzahl iliren Zug in die Schluch-
ten, und die Schneemassen, welche auf diese Weise in denselben zusam-
menkommen, sind öfter so bedeutend, dass sie die weniger tief eingeschnit-
tenen völlig gleich machen mit der* Hauptabdachungsfläche. Dieser Sehnte
6*
ist nun durchaus La winenschnee , daher viel fester als jener ^ welcher die
Hänge bedeckt; er schmilzt also auch schon in seiner ursprünglichen Form
viel schwerer.
Die Frühiingswärme , welche die Abhänge schneefrei macht , schmilzt
vom Schluchtenschnee (wegen seiner grösseren Dichte) erheblich weniger;
das erzeugte Schmelzwasser verwandelt denselben in förmlichen » noch
schwerer schmelzbaren Firn. Und mit dem vorschreitenden Abschmelzen
vertieft sich immer mehr und mehr die Schlucht, was das weitere Ab-
schmelzen (der Beschattung wegen) in demselben Masse verzögert , insbe-
sondere auf der Schattenseite der Berge.
So kommt es denn, dass sich dieser Firn in sehr tief eingeschnittenen
Schluchten und in gewöhnlichen Jahren stückweise bis auf 3000— 35(N) Fuss
herab und auf der Schattenseite selbst bis 2500—3000 Fuss durch den gan-
zen Sommer hindurch erhält, und dass er in dieser Tiefe zum ewigen
Schnee würde , wenn nicht besonders warme Sommer ihn doch von Zeit
zu Zeit völlig aufzehren würden.
Dieser Schluchtenfirn bildet hoch oben eine mächtige , ziemlich unun-
terbrochene Masse; nach Unten zu wird er natürlich immer weniger mäch-
tig , und reisst im Sommer zu einzelnen Anhäufimgen ab ; letzteres wegen
des staffeiförmigen Abfalles der Schluchten.
Unter dem Schluchtenfirn fliesst das Schmelzwasser ab, welches sich
in seine Masse weite Höhlungen frisst, und mit beiträgt zu seiner Schmel-
zung und zu seinem allfälligen Einsturz.
Aber auch die Wärme der beiden Bergseiten, an welche dieser Firn
ursprünglich angelagert ist, nagt an ihm, in Folge dessen er sich bald vom
Gebirge lostrennt und Schrunde entstehen, welche sich immer mehr so«
wohl in die Breite als auch in die Tiefe erweitem.
Der Schluchtenfirn der Hochberge ist in mancher Beziehung von Be-
deutung. — £r vermehrt die Sommerwässer ganz auf ähnliche Weise wie
die Firnmeere und Gletscher. — Eine grosse Aufgabe löst er in dieser Be-
ziehung in den schroffen Kalkalpen und besonders im Dolomitgebirge. Wie
ich schon im Abschnitte 39 erwähnt habe^ lässt hier die gipfelige Erhe-
bungsform des Gebirges nur äusserst selten Gletscher und auch nur wenig
bedeutende Firnmeere zu. Hier übernimmt nun der Schluchtenschnee deren
Rolle mit grossem Erfolge. Bekanntlich sind im Kalke die Schluchten nicht
nur äusserst zahlreich, sondern auch sehr tief eingeschnitten; bei jedem
bedeutenden Schneefalle fahren daher alsbald so grosse Massen desselben
in diese Schluchten zusammen, dass ihre Summe dann ganz geeignet ist,
im Sommer die Stelle der Firnmeere zu vertreten.
Auch für den Forstbetrieb ist der Schluchtenfirn von Bedeutung. —
Im Frühjahre eignet er sich vortrefflich zur Abbringung der Hölzer. Im
Sommer verliert er zwar, der Schrunde wegen, in dieser Beziehung an
Tauglichkeit, aber er gibt dann in den äusjsterst schroffen Kalkalpen ^ also
gerade dort, wo er am häufigsten auftritt, einen vortrefiQicheu und öfter
dm einzigen Weg ab, zur leichten Abbringung der Kohlen und zum Auf-
86
und Niedergpang in und von den Höhen. In den wälschen Alpen werden
jährlich tausende von Säcken Kohlen grossentheils durch Vermittliing^ dea
Schluchtenfirnes mittels Menschenkraft (auf dem Kopfe) aus den fast unau-
gänglichen Höhen in die Thäler herahgetragen.
Man wolle hier nicht vergessen , dass dieser Schnee schon als Firn
sehr fest ist, und weil er nur sehr wenig von der Sonne beschienen wird,
fast den ganzen Tag über hart bleibt.
Nur sind in dieser Beziehung die Schrunde sehr unangenehm; sie
erschweren nicht nur den Uebergang vom festen Gebirg auf die Lawine,
sondern werden auch öfter sehr gefährlich , indem sie gewölbartig unter
die oberste Schneelage hineingehend , den Firnrand unter der Last des
darüber Schreitenden einbrechen lassen.
Schon mancher Kohlenträger oder Holzer ist auf diese Weise ver-
unglückt; der Absturz in diese bis 60 und SOFuss tiefen Klüfte hat ihnen
oft auch das Leben gekostet, denn nur äusserst selten kann der Verun-
glückte ob der ungewöhnlichen Einsamkeit dieser Gegenden auf die ret-
tende Nächstenhilfe rechnen.
42
EishQhlen.
Das Mittelgebirge Mitterkrains fallt plötzlich zu dem köstlichen
wippacher Thale ab, welches, reich an Wein, Feigen und Lorbeerbäu-
men^ dem nahen Italien in Nichts nachstehen würde, wäre es nicht der
wüthenden Bora biossgestellt
Auf der letzten Hochebene des Gebirges schaut das aus zerstreuten
Höfen bestehende Dorf Otelza in das schöne Flachland hinab, an dessen
Rand sich die See wie ein Silberfaden hinzieht.
Hinter einem der letzten Höfe, einige hundert Schritte entfernt,
liegt in einem sehr gelichteten Waide einer jener Erdkesi^el, mit denen
Krain und Istrien gleichsam übersät sind. Die Stelle mag etwa 3000
Fuss über dem Meere erhoben sein. Der Kessel hat bei 10 Klafter
Durchmesser, und einige Klafter Tiefe. In seinem Grunde, etwas seit-
wärts, thut sich der Eingang zu einer Höhle auf, gerade so gross, dass
einige Personen bequem eintreten können; aber man macht nicht fiinf
Schritte, so stösst man auf festes, kristallinisches Eis, welches da-
selbst nie, selbst nicht im heissesten Sommer wegschmilzt. Wasser,
welches von der Decke des Höhleneinganges auf das Eis herabtröpfelt,
wird auch im höchsten Sommer alsbald vereiset. Auf allen Seiten ist
das Eis an den Felsen angefroren, nur nicht auf dem Scheitel der schief
abwärts gehenden Höhle. Wirft man in den etwa V/^ Fuss hohen Zwi-
schenraum einen Stein, so hört man diesen auf der glatten Eisfläche
durch einige Zeit abwärts rutschen und später endlich in ein tiefes Was-
ser plumpfen.
86
Das Eis dieser auf Reiclisforstgründe liegenden Höhle ist eine nicht
ganz unbedeutende forstliche NebeiHuitzong' , denn die dortigen Bewohner
hacken den ganzen Sommer hindurch davon heraus , um damit Handel nach
Triest zu treiben. Da es sich durch das von Oben herabtröpfelnde Wasser
zum Theil allsogleich wieder ergänzt , so kommen sie mit der Aushauung
nie über einige Kubikklaftern hinaus« und diese ersetzen sich dann im
Winter.
Derlei Eishöhlen gibt es in Krain noch mehrere.
87
43
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Geintter der meteorologischen Stazionen der Ssterreichischen Alpen nid
deren Greizfamde.
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44
Näheres Aber 4ie Crewitter.
Auch die Beobachtungen über die Gewitter sind noch sehr mangfel-
haft. — J)emung'eachtet hat man bereits Folgendes erhoben :
1) Schon in den Vorbergen sind die Gewitter etwa um ein Viertel häufi-
ger , als in den angrensenden Flachländern. In den Hochbergen ereig-
nen sie sich noch zahlreicher*
S) In den Hochbergen selbst treten sie am zahlreichsten in den höchsten
Regionen auf, insbesondere dort, wo die Berge sich plitzlich mauer-
ähnlich in die Wolken erheben (z. B. am Südfalle der Alpen). — Er-
wägt man, dass die Gewitter eigentlich nichts anders sind» als plötzli-
che starke Regengüsse^ so werden diese Thatsachen von seU>st klar.
3) Die Gewitter dauern in den Hochbergen selten lang; die Güsse, wel-
che sie zur Erde senden, sind jedopb» besonders im SüdfaUe der
Alpen, äusserst stark, und gewöhnlich schlägt dabei die druckende
Schwüle in sehr empfindliche Kühle um; so, dass das Gewitter in-
sonderheit in den Höhen oder gegen den Herbst zu oft mit Schnee
und Reif endet. — Der erste Höhenschnee, die ersten Reife» welche
den Graswuchs der Hochalmen zum Stillstand bringen , sind laM im-
mer das Werk von Gewittern.
Die Wirkung der Gewitter auf die Vegetazion liegt gewöhnlich nur
in dem plötzlichen Temperaturswechsel, so wie in den mit ihnen verbun-
denen Regengüssen und Stürmen.
Die letzten Baumstämme der Alpenkämme werden jedoch zahbreich
vom Blitzstrahle geknickt und aufgerissen.
Da die Hochgipfel häufig über die Regenwolken hinausragen , so kann
man dort leicht das erschütternde Schauspiel der Wetterbildung inmitten der
Werkstätte gemessen, oder man kann im herrlichsten Sonnenschein ein
Gewitter bewundern , was tief unter uns seine Blitze und Fluthen entsen-
, det; ein Schauspiel, das zwar minder prächtig, aber auch minder ge-
fährlich ist
45
Eine Wetternaclit avf dem Terglo.
Der 9iCM) Fuss hohe Terglu — die höchste Spitze der südöstlichen
Kalkalpen — ist zugleich ein Punkt des grossen Triangulirungsnetzes,
welches der östreichische Quartiermeisterstab zum Behufe der Landesmes-
sung über den grössten Theil des Kaiserreiches gezogen hat.
Hauptmann Bosio war bestimmt im J. 182t dort die nöthigen MeMmi-
gen zu vollfuhren.
Am 4* Juli brach er hierza von Mitterndorf auf und gelaugte sammt
dem Korporal Rothhemmel, zwei Führern, von denen der eine bereits zum
& Male den Terglu bestieg und fünf Trägern uni die neunte Stunde des
darauffolgenden Tages nicht ohne mannigiache Beschwerden auf den höch-
sten GipfeL
Das erschütternde Abenteuer , welches er hier bestand , will ich ihm
nun nacherzählen.
Kaum war der freudige erste Eindruck der endlichen Besiegung so
vieler Schwierigkeiten vorüber , so musste ich die -unangenehme BemeriLung
madieii, dass die weitverbreiteten Nebel , welche die Gegend ringsum
verhüllten, sehr nahe an meinen Gesichtskreis streiften. Eim'ge Oeffnungen
jedoch in diesem Wolkenmeere beruhigten mich, indem sie mich hoffen
liessen, dass sich die Nebelmassen bald in die Thäler niedersenken werden.
Ich beschloss daher zu bleiben und bis dorthin meine Zeit Hiit phisi-
kaKschen Untersuchungen auszufallen.
Mein Thermometer , das vor einer Stunde auf dem niederen kleinen
Terglu bei dem heftigen Nordwinde , der die Luft durchbrauste — 9.« ge-
zeigt hatte, stand auf dem veiki Triglav (der höchsten Spitze), ander
mittägigen Neigung der Gipfelfläche auf 9.i , auf dem nördlichen Rande aber
II.« Grade. Die Kälte verringerte sich jedoch in dem Masse, als die Sonne
höher stieg und das Gestein mehr erwärmte; gegen 10 Uhr zeigte das
Thermometer bereits >f< i.s und um die Mittagsstunde war es auf >{< 7.i ge-
stiegen.
Bei diesen Beobachtungen durchschritt ich mehrmals die Gipfelfläche
und fand sie 18 — 15 Klaftern lang abwechselnd zwischen 8 und 3 Klaftern
breit, und etwas kuppenförmig abgerundet.
Die Kuppe ist mit einer dicken Lage groben eisenhaltigen Kalkschot-
ters bedeckt, der unter jedem Tritte wankt.
Die Triangulirungspiramide fand ich nicht auf dem Schdtel der
Kuppe aufgestellt; ich übertrug sie daher mit Hilfe meiner Gefährten dahin,
und bereitete sie so vor, dass ich senkrecht unter ihrer Spitze mit meinem
Theodolidien nach allen Seiten visuren konnte«
Die Wetterstange liess ich südlich von der Pjramide in die Steine
bauen.
Noch immer hoffte ich, dass die Nebel sich senken und die fernen
Höhen sich erheitern werden.
Einstweilen richtete ich den gewöhnlichen , mit dem Buchstaben des
Triangulurungspnnktes und dem Namen des Trigonometers bezeichneten
Markstein her und versenkte ihn unter den Mittelpunkt der Piramide.
So wurde es Mittags aber der Nebel hatte sich nicht gelegt, im Ge-
gentheile fing er an, sich zum dunklen Gewölke aufzuhallen und die ganze
untere Welt von tms abzuschliessen.
Ich streckte mich müssig auf dem Steinboden hin und hing meinen
nicht eben heiteren Gedanken nach. Das geisterhafte Krachen der Steine,
welche, von den Felswänden sich ablösend, zeitweise in die Tiefe stürzten^
90
unterbrach allein die lauüoae Stilie. Ungewohntes Bangen überfiel mich
und das Spiel meiner Gedanken erstarb in ein dästeres Dahinstarren , aus
welchem mich erst das Bersten des nahen Gletschers aufschreckte. Umher-
blickend , gewahrte ich , dass meine Gefährten mich bis auf die zwei F&h-
rer und meinen treuen Gehilfen , verlassen hatten.
Die lieblose Selbstsucht der Entwichenen schmerzte mich , aber sie
erweckte auch wieder meine eigene Thätigkeit und mein Selbst%'ertrauen.
Ich sprang von meinem Felsenlager auf, und beschloss, mit meinen
Gelahrten die Gegenwart zu nützen. — Wir durchwühlten das Gestein
und fanden ein gläsernes , sorgfaltig verstopftes Fläschchen mit den Zetteln
jener drei kühnen Bergsteiger, welche vor mir den Terglu erklommen
haben.
Es drängte mich , auch meinen Nachlass hinzuzuf&gen ; durch das
Aufschreiben der Worte : ^Elemente , Grosse • Menschen , Staub" machte
ich zugleich meinen Empfindungen Luft — Ich verschluss das Fläschchen
wieder, und barg es in ein Loch, das ich hierzu in einen grösseren Stein bohrte.
Indessen war es 4 Uhr geworden und das Thermometer auf »f« I.3 ge-
sunken.
Der Nebel hatte sich über den ganzen Umkreis der Thäler verdichtet.
Ein heftiger Nordwind begann uns bis ins Mark zu erkälten. — Schwarze
Grewitterwolken zogen kampflustig gegen unsere gefahrliche Stätte heran^
umhfillten sie von allen Seiten, und überdeckten sie wechselweise. -~ Ein
dichter Regen fiel.
Verlassen von den Trägern , welche mir beim Hinabklettern über den
schrecklichen Pfad behilflich sein sollten, fasste ich im Angesichte des
herannahenden Gewitters den verwegenen Entschluss, auf diesem Wolken-
stuhle die Nacht zuzubringeri.
Wir benützten die Flügel meines Zeltes und ein grosses Stück Wachs-
leinwand , um das Innere der Piramide als Herberge für die Nacht einzu-
richten. Um fünf Uhr waren wir damit fertig, und wir zogen uns all-
sogleich hinein, denn der Sturm peitschte uns Regen und Schnee wie wü-
thendj in*s Gesicht Mittlerweile war auch der zweite meiner Führer ent-
wichen, so dass mir nur mehr einer derselben und der Korporal verblieb,
welcher mein Verhängniss treu zu theilen beschloss.
Der wüthendste Orkan tobte unter fürchterlichem Gebrause von allen
Seiten gegen unseren schwankenden Thurro. Nach einer angstvollen hal^
ben Stunde liess uns der rollende Donner keinen Zweifel mehr über das,
was uns bevorstand; die Gewitterschläge mehrten und näherten sich in we-
nig Augenblicken und ein Blitzstrahl, der auf die Piramide fiel und unser
Haus mit feurigen Zacken erleuchtete, raubte uns den letzten Rest von
Muth und Besinnung.
Instinktmässig stürzte ich durch die Oeffnung hinaus in die streitende
Natur. Finstere Nacht hatte sich um die Zinne des Berges gelagert; nicht
von oben herab — wie wir es gewohnt sind — sondern aus den Abgründen
herauf hoben sich brausend die schwarzen grauenvollen Gewitterwolken,
9t
auf AugenbKcke erleuchtet von schlang'enartifen Blitzen, die wie im Fackel-
tanze der höllischen Furien sich wechselseitig durchkreuzten^ hier in die
Wetterstange einschlugen , dort die Piramide streiften , und allenthalben
zischend über die eisenschüssigen Steine hinfuhren« welche die Gipfel-
fiäche bedeckten.
Da stand ich auf jener furchtbaren Höhe« mitten im Kampfe der er-
zürnten Elemente und stierte mit Schauder in die grässliche Tiefe hinab.
Mir blieb kehie andere Ueberzeugung als der gewisse Tod« denn es schien
mir unmöglich , dass von den unzähligen Blitzschlägen« die mich umzüngel-
ten« nicht wenigstens Einer mein Haupt treffen sollte.
Fort von dieser Stätte des Schreckens war der einzige Gedanke« des-
sen ich mächtig wurde. Ich kehrte in die Piramide zurück« und verlangte
von meinen Leidensgenossen augenblicklichen Autbruch. Doch der einzige
mir verbliebene Führer erklärte: das Hinabsteigen sei jetzt gewisser Tod;
während in dem Verbleiben vielleicht noch Rettung sei.
Was blieb uns Armen« als die Ergebung in unser Geschick?! — Mit
einer Innigkeit« als ob wir ewig beisammen bleiben sollten« klammerten
wir uns am Boden der Piramide zusammen« um vereint den Todesstreich
zu empfangen 5 wenn der Allmächtige uns dieses Loos beschieden haben
sollte. —
Doch was sind die heissgefühltesten Entschlüsse des Menschen im
Kampfe um das Leben ! — Kaum hatten wir uns so fest umschlossen « als
ein neuer Blitzesschlag uns willenlos auseinandertrieb. Mir blieb noch
einige Besinnung « aber sprachlos sass mein Gehilfe da « und deutete wie
ein Wahnsinniger auf den Mund, während ich bei dem steten Leuchten der
Blitze an seiner Stirn das Brandmahl der elecktrischen Berührung unter-
schied.
Ich rief den Führer zu Hilfe; doch dieser lag starr und bewusstlos
neben mir.
Mit der Hast der höchsten -Noth warf ich mich über ihn und suchte ihn
durch Reibungen « durch Eingiessen von Wein aus meiner Feldflasche« und
durch Beschütten mit demselben wieder ins Leben zurückzurufen. Es
gelang; er brach in fürchterliche Konvulsionen aus« erholte sich jedoch
allmähiig« während der Korporal nur verwirrte» kaum verständliche Worte
ausstiess. Endlich war auch ihm der Gebrauch der Sprache wiedergekehrt^
als ein neuer Schlag uns wieder insgesammt dahinstreckte.
Neuerdings zur Besinnung gekommen « riss ich die Zeltleinwand rasch
hinweg« und stürzte zum zweiten Male hinaus aus diesem Hause des Ver-
derbens. Meine Gefährten folgten mir« und einige Schritte von der Pira-
mide entfernt« warfen wir uns in eine kleine Felsen Vertiefung« von der Zelt-
leinwand umhüllt« damit sie unseren geschlossenen Augen das grässliche
unserer Lage verbergen helfe und uns schütze gegen die niederstürzende
Pluth des Regens« des Schnees und des Hagels.
Aber auch hier fand uns der Blitz. Mich hatte diessmal der Schlag
am meisten getroffen« ich war lange besinnungslos« litt noch längere Zeit
die empfindlichsten Schmerzen in den Grebeinen, blieb am Scheitel und am
linken Backen beträchtlich verbrannt « und soll» wie mir meine Begleiter
später einhellig versicherten, mit konvulsivischen Greberden in ein fürchter-
liches wahnsinniges Gebrüll ausgebrochen sein.
Dieser Vorfall hatte auch dem noch verbliebenen Führer seine frühere
Ueberleglheit geraubt. Er drang darauf, dieser Hölle zu entfliehen und den
Rückweg zu wagen; aber meine Erschöpfung gestattete mir nicht, ihm zu
folgen. Ich war entschlossen, mich dem Tode zu weihen, den ich damals
für unvermeidlich hielt, und mein Gehilfe Rothhemmel^ dessen treues Ge-
müth mich zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet, erklärte, auch im Tode
, nicht von mir zu lassen.
Hierauf entwich auch der letzte Führer. — Ohne nachzuschauen,
wohin ihn seine beflügelte Angst trieb, blieben vnr in unserem Schreckens-
lager liegen.
Rastlos tobte die zürnende Natur fort; die zahllosen Blitze vereinigten
sich zu einem Feuermeere ; die fiirchterlich krachenden Donnerschläge bar-
sten unter tausendfachem Nachhalle die Felsenwände des erbebenden Gie-
bels. Die Wuth des Gewitters überschritt alle Grenzen, neue Blitze fuh-
ren über unsere, schon halb empfindungslosen Körper hin und plötzlich sahen
wir diese von einer Flammenhülle umschlossen, die, wann wir sie in fie-
berhafter Todesangst von uns abreissen woHten, mit jedem neuen Zuge
der Hand noch höher aufloderte.
Unnennbares Entsetzen ergrifi uns; wir flohen gleich brennenden
Leichnamen von einer Stelle zur andern , und wollten endlich verzweifelnd
den fürchterlichen Gang in die Tiefe antreten, als ein neuer Blitzstrahl den
bodenlosen Abgrund vor unseren Blicken enthüllte und uns besinnungslos
an seinem Rande niederwarf.
Ic^ weiss nicht, wie lange wir über dem Abgrunde gelegen sind,
noch welche Gefühle und welche Gedanken sich damals in mir regten, so
viel aber ist mir erinnerlich, dass nach einem Regen von zuckenden Blitzen
das Flammenmeer auf einmal durch ein längeres , reines Leuchten völlig
aufgezehrt wurde.
Noch einige schwache Blitze, noch ein immer mehr sich entfernendes
Rollen des Donners, und gereinigt von allen Schrecken, welche vor wenig
Minuten noch diesen Wolkensitz beherrschten, trat freundlich lächefaid der
Mond am azurnen Sternenhimmel hervor, und goss sanfte Labung in unser
tief erschüttertes Gemütfa.
Ich zähle den Moment dieses rettenden Wechsels zu den seligsten
meines Lebens, und nie wird die Mitternachtsstunde zwischen dem 5.
und 6. Juli des Jahres iSti aus meiner Erinnerung schwinden«
Es beschwichtigte sich allmälig auch dw Sturm unserer Seele und
selbst die Körperkräfte kehrten wieder, aber erst um 3 Uhr wagten wir
es, unser gefahrliches Lager zu verlassen. Wir mussten rückwärts krie-
chen, um aufstehen zu können, weil unsere Beine halb in den Abgrund
hinabhingen. Glücklich erhoben wir uns und blickten von der Zinne des
Berges dankbar zum Herrn aller Heerscharen empor, der uns ans so
unsäglicher Gefahr errettet hatte. Der schönste Morgen verherrUchte die
Feier unseres Gebetes und die sich immer mehr in ihrer vollsten Pracht -
entfaltenden Gebirgszüge waren ein Altar» wie Menschenhände ihn nie
werden zu bauen vermögen.
Doch keine Freude ist uns Menschlichen rein beschieden. Während
wir zum zweiten Male zum Leben erwachten, wurde die Piramide ein
Haus des Todes. — Der uns zuletzt gebliebene Fuhrer hatte sich hinein
geflüchtet, und als ich mich hinbegab, um nach meinen Messinstrumenlen
zu sehen, fand ich ihn in sitzender Stellung an die Wand gelehnt —
kalt und todt
Ich danke mein Leben dem göttlichen Walten, das mich noch frühe
genug aus dem hölzernen Thurme trieb, der während dieses furchtbaren
Hochgewitters zweifelsohne die gefährlichste Stelle des Gipfels war*
94
46
Hagel der meteorologischen Stazionen der Alpen und
ihrer Grenzlande.
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47
Näheres über den Hagel
Uiiaere wenigen meteorologischen Observatorien haben dem Hagel
bis jetzt bei weitem nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt , und die Beob-
achtungen der Landwirthe ermangeln der wissenschafllichen Scharfe; so
z. B. merken sie meistens nur jene Hagelwetter vor, welche in ihren Fel-
dern bedeutenden Schaden angerichtet haben, die übrigen Hagelfalle ganz
ausser Acht lassend«
Demungeachtet hat sich für die Alpen herausgestellt:
1. Die Hagelfälle haben vorzugsweise nur in der ersten Zeit der Vegeta-
zionsperiode statt,
2. Die Hochberge sind weniger vom Hag^l heimgesucht
3. Am meisten werden die Vorberge vom Hagel getroffen ; ebenso häufig
und verderblich treten sie in dem Hiigellande auf, welches sich an die
südlichen Hochberge anlagert, wie am nördlichen Fusse der Alpen
und in den östlichen Vorbergen.
4. Vorzüglich werden jene Striche der Vorberge getroffen, welche der
Richtung der Hagelwetter entgegengesetzt sind, welch letztere dem
gewöhnlichen Wetterznge folgend aus Nordwest, V^est oder Süd-
west kommen.
5. Auffallend verderblich wirkt der Hagel nur in den tieferen Regionen.
Nicht, dass er in der Höhe etwa mangelte, aber weil sein Korn hier
noch klein ist (er fällt hier meistens bloss in der Gestalt von Schnee-
graupeln) und weil er (aus geringerer Höhe) mit einer kleineren Ge-
schwindigkeit fällt, so |ritt er hier bei Vl^eitem weniger zerstörend auf
Für die Forste ist der Hagelschaden von keiner Bedeutung«
48
Heiterkeit des Himmels.
Bewölkung des Himmels auf den meteorologischen Stazionen der Alpen und
deren Grenzländer.
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0, grösfltentheils heiter = 1, halbheltere =2, grödstenlheils
trflbe = 3 , ganz trübe = 4«
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Obwohl die Ungleichförmi^keit und UnvoUstandigkeit der forliegen-
den Beobachtungen nicht erlaubt, die Bewölkungsverhältnisse der ver-
schiedenen Alpengruppen und Zonen in bestimmten Ziffern anzugeben , so
ergibt sich doch aus dieser Tafel und aus anderen vereinzelten Beobach-
tungen:
Dass die Bewölkung am grösslen sei im Nordabfalle der Alpen;
Dass der Sudfall der Alpen den reinsten Himmel hat, und dass er
selbst in (Jeren östlichen Verfluchung noch bedeutend reiner ist, wie im
nördlichen Theile.
Dass endlich die Bewölkung der Höhen geringer sei , wie jene der
Thäler.
49
Dnrehsichtigkeit der Luft.
Die Durchsichtigkeit der Luft wächst Cder Verdünnung wegen) mit
der Meeresböhe.
Darum hat man auch in den Höhen so ausgezeichnete Fernsichten,
darum wird dort der Himmel immer bläuer, darum täuscht man sich dort
so leicht in der Beurtheilung der Grössen und Entferniingen« Das in der
Tiefe verwöhnte Auge schtiesst aus der Deutlichkeit der Umrisse irrig auf
eine grosse Nähe, und aus der scheinbaren Nähe ebenso irrig auf eine
mindere Grösse.
Aehnlichen Täuschungen gibt man sich öfter hin bei sehr feuchter
Luft, indem auch deren grösserer Wassergehalt sie insolange durchsich-
tiger macht, als das Wasser gasförmig aufgelöst bleibt Daher Abends die
tiefgesättige Färbung und zauberische Schönheit der Alpenlandschaften;
daher öfter die erschreckende Nähe der Berge- vor eintretendem Regen-
wetter.
Nach Süden zu wächst die Menge des in der Luft gasförmig aufgelö-
sten Wassers und mit ihr die Durchsichtigkeit der Atmosjfare, daher die
bekannte tiefere Bläue des sudlichen Himmels.
So vereinigen sich denn die grössere Durchsichtigkeit der Luft mit
der geringeren Bewölkung des Himmels, um einerseits die höheren Re*
gionen und anderseits die südlichen Breiten der Alpen zu den heitersten
zu machen, um dort die Sonne eine weit grössere Kraft entfalten %tk
lassen.
So günstig hier die grössere Heiterkeit in sehr vieler Beziehung auf
den Pflanzenwuchs wirkt, so hat sie doch auch eine Schattenseite^ und
diese besteht in der Beförderung der Fröste (durch die vermehrte, nächt-
liche Ausstralilung.)
97
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Dichte n4 Saierstoffgehalt 4er Luft.
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9000—10000
20.,
446
102
20.»
464
106
20-1
446
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80.,
436
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lOOflÜ— nooo
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99
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18-,
417
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18.,
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100
I8.e
411 96
M-8
412 94
18^,
415
J
Es ist somit die Luft der Alpen an der oberen Grenze des Getreide-
baues und des Buchenwaldes um 10, an der Grenze der Sennereiregion um
20 und auf den höchsten Spitzen um S8 Prozente dünner und zugleich ärmer
an Sauerstoff, als in den tiefsten Thälern, wenn gleich der Prozentantheil
des Sauerstoffes fiberall gleich ist.
Mit der Dichtigkeit und der Wärme der Luft schwankt jedoch auch
deren Sauerstoffgehalt selbst im Laufe eines jeden Tages.
Die beiläufige Grösse dieser Veränderung während der Sommermo-
nate erhellt aus folgender Tafel.
Tlfl^Ae Schwankong des Sanerstoffbaltes der Lift wUirend des SomBers.
ftrane Progente
Grenxe Uttel Grense nttel
In den Hauptthälern 10—55 28 10—42 21
An der oberen Grenze der Sennerei 8—40 16 8—40 15
Dieise namhaften Aenderungen des Sauerstoffhaltes der Luft haben si-
cherlich keinen unbedeutenden Einfluss auf das Pflanzenleben der verschie-
denen Höhenregionen, wenn wir gleich diesen Zusammenhang bis jetzt noch
nicht näher nachzuweisen vermögen.
7
96
51
KoUensänreantheil der Luft.
Die wenigen in dieserBeziehung angeatellten Beobachtungen scheinen
zu zeigen, daaa der KoMensäureantheil der Luft mit der Seehöhe bedeutend
steigt. AuJ den Hochgipfeln wurde er mehrmals um 36 Prozente grosser
gefunden 9 als in den Hauptthälern-
52 Windverbältnisse «er meteorologischeB Stationen
In der Wiodroae Ut der Proacntanlhcfl jeder Richturg an der Summe aller Winde
aua den , auf die Roae aufgelragenen Prozentantheilen. — Um daa Verhaltnia» de"^
NW + N NO gleich 100 angenommen und den Summen von 8W
Zahl
der
Windrote- i
a
Beob-
ach-
tnngfl-
jahre.
i
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SW«
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NW.
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0.
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2
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—
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BTftrdllcHer Alpenfuss
10
22
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Kremamanaier -....•
Salsburg .........
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Peiaenberg ...•.-.•
Tegernaee ........
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10
1
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14
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2
14
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8
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11
48
8
12
8
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2
7
4
12
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12
6
1
15
13
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4
12
18
5
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Innabruck ....••.•
ZiUerthal in Tirol .....
Klagenfurt
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OestlleHe ITorberffe
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15
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Graz
Laibach . . .......
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12
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11
19
""
Cnffmrlsche Ebene (Ofen)
SAdlleHer Alpenfus«
11
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10
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10
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ItalleiilseKe Ebene
8
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12
6
20
11
•0
15
7
29
13
13
27
13
6
b
Ueber den Firnmeeren und Gletschern jedoch scheint er immer bedeu-
tend geringer zu sein. Einzelne Untersuchungen haben ihn um 56 Prozente
unter jenem schneefreien Punkte gleicher Erhebung dargestellt.
Das Steigen des Kohlensäuregehaltes mit der Meeresböhe dürfte in
der Abnahme der Vegetazion liegen, und der geringere Halt der Gletscher-
atmosphäre in der Einsaugung der Kohlensäure von Seite des Eises.
Diese Unterschiede werden aber durch die Luftströmung sehr oft völlig
aufgehoben«
4ir üsterreiehiscken Alpen onduurer Grenzlande.
tDfeaetsL — Die miitlere Windrichtung und deren StärlLe sind die Resullirenden
Haaplrichtunfen herauszubringen, sind die Summen von NO + O + SO und von
+ W + NW und von SO + S + SW gegenabergesteUt vi^orden.
sttaM«
ntttere
Wlades-
rtchtug.
8tMe der
mittleren
Winde.
YerhUtnissderHaupt-
riditimgeii.
Herrscbende Winde 1
Ul«
Ti^Mitniaili
Mtfidiii
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die iwei
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N 36 W
S 72 W
M 31 W
S 69 W
0^8*
0.164
0.306
100 : 184
100 : 361
100 : 122
100 : 220
100; 52
100 : 143
lOO : 107
100 : 244
MW, M
W, SW
MW, M
W, SW
SO, s
S, MW
o7 s
31
26 MW
W
M 66 W
M 61 W
S69 W
M 89 W
S 43 W
M 84 W
0*340
0.4»i
0.»s
Ones
O-iOi
100 : e67
100 : 213
100 : 224
100 : 132
100 : 144
100 : 67
100 : 330
100 : 97
100 : 169
100 : 94
MW, SO
MW, W
w, so
W,
W, SW
NW, «0
S, M
NW, SW
SW, MW
0, NO
S, N
W
W, MW
S 65
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N 31
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0-430
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0.23«
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0.38O
100 : 23
100 : 169
100 : 63
100 : 99
100 : 11
100 : 156
100 : 300
100 : 69
100 : 82
100 : 66
SO, NO
S, SW
0, MO
0. w
N, NO
N,
0, NO
SW, NWi
NO, NW!
S, SO
W, MW
S 21
0-246
100 : 76
100 : 162
SO, S
SW, N
—
—
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100 : 296
100 : 88
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W, NW
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100 : 82
100 : 101
100 : 89
100 : 34
0, w
M, MW
NO, SW,
NO,
7*
100
53
Näheres iber «• Winde.
Unsere Beobachtungen über die Windverhältnisse sind noch äusserst
unvollständig- Nicht nur werden sie an viel zu wenig Orten angestellt,
sondern auch die Art der Beobachtung ist gewöhnlich eine ziemlich ungenfi-
gende, wesswegen mehrere Angaben der Tafel 52 auch nur einen beding-
ten Werth besitzen*
Bekanntlich ist die Strömung der höheren Luftschichten (in der
Wolkenregion) verschieden von jener, in welcher der Mensch und die Kultur
sich bewegen. Um letztere würde es sich hier vorzüglich handeln* Nun
aber wird auf mehreren Stationen die Windrichtung nach dem Zuge der
Wolken vorgemerkt, daher die bezüglichen Angaben nicht recht in jene
hineinpassen, die aus der Richtung der Windfahnen abgeleitet sind«
Im Weiteren merkt man zwar die Richtung der Winde vor , berück-
sichtigt aber fast nirgends ihre Starke- — Die Starkeangaben der Tafel
52 sind daher, ebenso wie die mittlere Windesrichtung, durchaus nicht
wörtlich zu nehmen ; denn man hat bei deren Ableitung die Stärke aller ein-
zelnen Winde als gleich angenommen , was aber der Wirklichkeit völlig
widerspricJit* Auch ist dabei die gesammte Zeitdauer der Luftbewegung
als gleich (100) vorausgesetzt, was gleichfalls unrichtig ist, da die Zahl
der Windtage örtlich sehr verschieden ist-
Andere Unvollkommenheiten gar nicht zu berühren. Demungeachtet
setzen mich die bisherigen Beobachtungen in den Stand , über die Winde
folgendes zu sagen:
Nordabfall der Alpen* Die weit überwiegenden Winde sind
hier die westlichen, und die Winde der vier Hauptrichtungen verhalten
sich nach der Zahl der Tage, an welchen sie wehen , im Durchschnitte bei-
läufig wie folgt:
W : S : O : N = 80 : 15 : 10 : 10.
Die westlichen Winde wehen gewöhnlich von NW oder W^ selten
von SW- Die Stürme wüthen meistens in der Richtung des herrschenden
Windes»
Der herrschende Wind ist hier von grosser Wirkung aui den Pflan-
zenwuchs* Schon in der Ebene sind alle Baumschäfte dieser Richtung ab-
geneigt, die Kronen nach derselben weniger vollkommen ausgebildet, die
Holzlagen von geringerer Stärke, der Fruchtertrag weniger ausgiebig-
Diese Wirkung steigert sich bedeutend auf allen dem herrschenden
Winde zugekehrten Bergabhängen , insofern sie nicht durch vorstehende
Berge geschützt sind* Hier sind auf den am meisten ausgesetzten Stellen
die Kronen ganz auf die abgekehrten Seiten gedrängt, so dass die Schäfte
auf der Windseile fast gar keinen Ast besitzen. Der Regen, der die
Winde stets begleitet, mergelt überdiess den Boden völlig aus. Er wird
nämlich dort vermöge der selir lichten Bestockung und wegen der nach der
Windseite mangelhaften Kronen in fast unverminderter Menge auf den Bo-
m
den ^eschla^en , und entf&hrt als abfliessendes Wasser eine grosse Hienf e
löslicher und feiner Erdtheile. Ueberdiess entfthrt dort der Wind fast den
passen Blattabfall.
Die unbeschfitzten Windseiten sind daher allenthalben schlecht bestockt,
und auch diese geringe Bestockimg hat einen schlechten Zuwachs. Die
kraftfordernden Holzarten kommen dort nur schlecht und vereinzelt oder gar
nicht fort, so dass sich statt der Buche, Tanne und Fidite gewöhnlich
Birken und Aspen eindrängen. Aber auch diese genügsamen Holzarten
gedeihen da minder gut. Die Fdhren scheinen hier noch verhältnissmassig
am meisten zu entsprechen.
Die herrschenden westlichen Winde sind im NordaUaHe der Alpen
auch mehr oder weniger i^turzgefährlich, eben weil ihnen fast immer langer-
dauernder Regen vorausgeht, welcher den Boden aufweicht. Die Sturz-
gefahr ist in diesem Alpentheil auf ausgedehnten Flächen vorhanden, weil
naturlich die Abdachungen überwiegend nördlich sind und bekanntlich die
Stamme auf Nordhängen leicht nach Osten geworfen werden.
Tiefer im Gebirge sind schon sehr Viele westliche Hänge gegen die
herrschenden Winde geschützt, und diese ändern hier schon häufig ihre
Richtungen und ihre Kraft wird gebrochen wie im Hauptstocke der Alpen.
Hauptstock der Alpen. Die Windrichtungen sind hier in den
Höhen ganz ähnliche, wie im Nordabfalle der Alpen; anders aber ist es in
der Region der Bodenkultur. Hier werden die Winde, welche aus der
Richtung der vorstehenden Bergstöcke wehen, mehr oder weniger, und
unten am Fusse der Bergstöcke gänzlich fernegehalten, und die übrigen
nach der Thalrichtung gebeugt Es sind also hier die Winde gewisser-
massen an jedem Orte Andere.
Demungeachtet hat sich gezeigt , dass im grossen Durchschnitte die
westlichen Winde am wenigsten und die östlichen und südlichen am häufig-
sten wehen. — Die Sache erklärt sich sehr gut, wenn wir berücksichtigen,
dass die allgemeine Verflächung der Alpen (als Ganzes) von WSW nach
OSO geht; denn daraus folgt, dass dieses Gebirge am meisten den west-
lichen Winden verschlossen ist. Dass im Allgemeinen die Nordwinde we-
niger wehen, liegt offenbar darin, weil diese Windrichtung auch ohne der
Berge die Seltenste wäre.
Aaflallend sind auch die herrschenden Winde in diesem Alpentheile
(mit Ausnahme der Höhen) durchschnittlich weniger stark; zweifelsohne,
weil ihre Gewalt durch die Berge und ihre Wälder gebrochen wird.
Darum ist auch für die Wälder hier keine erhebliche Starzgefahr vorhan-
den, um so weniger, als die meisten Bestände aus ungleichzeitigen Auf-
wüchsen hervorgegangen sind; darum sind auch die Windseiten hier
weit weniger ungünstige Standorte für den Pflanzenwnchs«
Der warme italische Sirocco (in her Regel Südwest) greift hoch in den
westlichen Theil des Hauptalpenstockes hinauf. Besonders Ende Kommers
und im Herbste streicht er noch bis in alle ihm nicht abgewendeten Thä-
ler von Vorarlberg, Nordtirol und Salzburg. — Er schmilzt in wenig
108
Tagen den berbütlichen Hochalpenachnee und frisat gewaltig in die Glet«
acher hinein« veruraacht dieaerwegen nicht aelten zeratörende Hochwia-
aer ; er bringt aber auch die zurückgebliebenen FeldfrQchte zur plötzlichen
Reife ^ daher ihm in naaaen und kalten Sommern inabeaondere jene Land-
lenle mit Sehnaucht eutgegenaehen , welche ihr Getreide in Höhen bauen,
wo nur beaondera günatige Sommer ea zur Reife zu bringen vermögen«
Auch im Frühjahre weht er und bringt atarkea Thauwetter und zahl-
reiche Lawinenfille. — Auf die Menachen wirkt der Sirocco ab/spannend.
Oatabfall. Im groaaen Dnrchachnitte aind in den Ländern der
aüdöatlichen Alpenverflächung die östlichen Winde vorherrachend, offen-
bar« weil aiei ihnen am meiaten geöffnet aind. — Hierauf folgen die nörd-
lichen Winde , welchß zweifelaohne von den nordwarla gelegenen kälteren
Hochbergen herab kommen. Zunächat reihen aich die aüdlichen Winde
an 9 denen dieae Bergzüge auch ziemlich zugänglich aind* Am wenigaten
wehen die weadicfaen Winde , denn gegen aie iat dteaer Alpentheil durch
den weatlich gelegenen Hauptalpenatock geachutzt.
Unzweifelhaft iat daa Vorherrachen der kalten öatlichen und nörd-
lichen Winde eine der Haupturaachen, warum die Verbreitungagrenzen
der Gewächae in dieclem Alpentheile bei Weitem nicht ao hoch ateigen,
ala in den übrigen Theilen.
Höchst bemerkenawerth iat in diesem Alpentheile daa Hereingreifen
des fiirchterlichen, ala Bora bekannten Nordoatwindea. Unterkrain und
der untere Rand von Mittelkrain unterliegen in hohem Maaae dieaem Winde»
der Ende Herbat und Winter zum gewaltigaten aller Stürme auaartet
und aelbat im Sommer ala Begleiter der Gewitter viel Unheil anrichtet.
Ich werde die höchat merkwürdige Bora bei der Darstellung der
Südweatländer dea Kaiaerreichea , welchen er (latrien und Dalmatien
wegen) vorzugaweise angehört« ausfahrlich beschreiben« daher ich hier nur
bemerke^ daaa er die Vegetationagrenzen der Gewächae allgewaltig herab-
drückt« auf den Stellen« welche er ungebrochen beatreicht« viele Holzarten
gar nicht aufkommen läaat oder wenigatena zu Sträuchem niederdrückt,
und daaa erden Boden durch Wegfahren der feineren Erdtheile entnervt
Ein Glück ist ea« daaa die Bora nie vom Regen begleitet iat« und
am atärkaten im Winter (beim Hartfroste und zur Zeit der Entlaubung)
wüthet; denn aonat riaae sie die meisten Bäume nieder.
Daaa die herrachenden Winde« oder wenigatena die gewöhnlichen
Stürme aelten auf langdauemde Regen folgen« ist auch der Grund« wa-
rum im Ostabfall der Alpen überhaupt wenig Sturmgefahr vorhanden iat
Südabfall der Alpen. Hier herrachen die Südwestwinde vor«
nehmen aber wegen der vorwiegend aüdlichen Thalrichtung gewöhnlich
auch eine völlig südliche Richtung an.
Sie aind auffallend warm, oft greifbar naaa« und die eigentlichen
Regenwinde dieaer Gegenden.
Von den Kämmen dea Hauptalpenatockea atrömen auch kalte Lüfte
ala Nordwinde herab.
Das Oftensein ^eg^en die südlichen Winde ist in diesem Aipentheil
fBr das Klima entschieden günstig-
iSturzgefahr ist zwar hier fast nirgends vorhanden, denn die Süd-
lichen Winde arten selten zn heftigen Stürmen aus, mid dann ist der
grösste Theil der Hänge C^üdUch) sturzsicher^ da Baume nicht leicht auf-
wärts geworfen werden«
Als Regenwinde entnerven aber die südlichen Winde in hohem
Masse durch Abschwemmung die ungeschützten Bdden der Südhänge
(denn der Regenfall ist hier ungleich stärker).
Aber auch viel Allgemeines haben die Hochberge rücksichtlich der
Luftströmung.
Die Luftbewegnng z. B- nimm^ g^g^n die Jöcher und Gipfel hinauf
immer mehr zu* Während unten im Thale oft völlige Windstille herrscht,
weht Oben ein beträchtlicher Wind; und massige Luftbewegung in der
Tieie artet hoch Oben zum förmlichen Sturme aus. Auf den Höhen sind
die Winde vorzugsweise südwestliche.
Die starke Luftströmung der Höhen ist dem Pflanzenwuchs nach-
theilig und drückt die oberen Verbreitungsgrenzen besonders der hoch-
stämmigen Holzgewächse beträchtlich herunter. Sie ist auch der Grund,
warum viele Jöcher und Gipfel, obgleich sie die gewöhnliche Höhengrenze
des Waldes noch nicht überschritten haben, dennoch völUg unbewaldet
sind, warum der Holzwuchs anderer verkrüppelt, kurz und zerknickt
(Nadelhochhölzer), oder strauchartig (Buche) ist.
Obwohl auch Fichte und Lerche auf solchen stnrmbewegten Höhen
noch auszuhalten vermögen, so werden sie doch von der Zirbe hierin
übertroflfen* Aber die Legföhre lässt in dieser Beziehung alle anderen
Holzarten zurück, wobei ihr der Strauchwuchs sehr zu statten kommt.
Die in den Thälern streichenden Winde werden von den Hängen,
an welche sie stossen, zwar zurückgeworfen, mit Kraft jedoch niu* von
den unbewaldeten Hängen und vorzüglich von den Felswänden. Auf den
bewaldeten Abdachungen hingegen wirkt insbesondere der hochstämmige
Holzwuchs noch mehr ertödtend auf sie, wie z. B. die Rauchwand einer
Uferschutzbaute auf das anprallende Wasser. Der Rückstoss äussert sich
daher nur mehr als sanft aufsteigender Luftstrom, der eben zureicht, um
etwa vorhandene Wolken am Berge hinaufzutreiben, während die von
unbewaldeten Gehängen und vorzüglich von den Felswänden aurückge-
stossenen Ströme nicht selten in heftigen Wind ausarten.
In den Thälern wehen in der Regel n^r zwei Winde, einer thalauf-
wärts und ein anderer thalab.
Die mannigfaltigen Biegungen und Neigungsänderungen der Thäler,
ihre Verengungen und Ausweitungen, die vielen vorspringenden Riegel
nnd Felsen, die Wälder und die Felsenwände , verändern örtlich sehr ge-
waltig die Winde, wirken jedoch im Ganzen ermässigend auf sie.
Nur jene Winde, welche über ein Gebirgsgehänge oder über einen
Sattel durch ein Thal herabströmen, gewinnen (nach den Gesetzen des Fal-
m
les) immer mehr an Heftigkeit, besonders dami, wenn sie nicht durch die
Bewaldung der Bergseiten ermässigt werden. In diesen Fällen ist den Wal-
dern eine für die Bodenkultur sehr wichtige Aufgabe zugewiesen worden.
Hunderte von Fällen lassen sich nachweisen, wo durch die Entwaldung
von derlei Hängen und Bergsätteln solchen Winden zum grossen Nachtheile
der Feld- und Waldwirthschaft ein verderblicher Spiefaraum eröffnet wor-
den ist» Notorisch ist z. B. die unglückselige Bora, welche im Wippacher
Thale (Krains) von dem plötzlich nach Süden abstürzenden Gebirge herab-
kömmty genau in demselben Masse in diesem forstherrlichen Thale mehr
gegen Görz vorgerückt, als die Entwicklung der Hänge dorthin vorschritt.
Die Wälder sind im Gebirge auf unzähligen Stellen vortreffliche Wind-
dämme von unberechenbarem Nutzen, und sollten dort um so mehr gepflegt
werden, als sie hierui durch gar nichts Anderes ersetzt werden können. Die
Bewohner der meisten Thäler wissen hievon unter Hinweisung auf die
beweisenden Thatsachen sehr viel Beherzigungswerthes zu erzählen , aber
über diese warnenden Erzählungen und das bedenklichste Kopfschütteln ist
man bis jetzt noch nicht hinausgekommen.
Auch in den Alpen haben die Windströmungen rücksichtlich ihrer Häu-
figkeit ein Frühlings- und ein Herbstmaximum.
Alle grösseren Alpenseen haben ausser den allgemeinen Winden der
Gegend, noch ßir sich ganz besondere periodische Luftströmungen. —
Heber dem Lage di Garda z* B. zieht regelmässig von Mitternacht bis ge-
gen Mittag ein Nord- und Nachmittags ein Südwind; es wäre denn, dass
heftige allgemeine Winde eintreten.
Die Ctnetten.
Die Quellen , diese mächtigsten Förderer der alpinischen Vegetazion,
beruhen auf einem überall verzweigten Netze von kleineren oder grösseren
Felsspalten, in welchen das Wasser nach den gewöhnlichen Gesetzen des
Druckes ebenso wirkt, wie in den komunizirenden Röhren unserer fisika-
lischen Kabinete*
Manches Gestein ist so auffallend zerklüftet, dass das Versinken der
Wässer dort jedem Knaben bekannt ist. Aber auch die scheinbar urzerklüf-
teten Felsmassen haben feine Ritze, die, wenn sie auch der gewöhnliehen
Betrachtung entgehen, doch völlig hinreichen, um die Versenkung der me-
teorischen Wässer zu vermitteln.
Sowohl die Wässer der feinen Spalten, als auch jene der grösseren
Klüfte gelangen über kurz oder lang auf die Schichtenflächen des Gestei-
nes, und da sie hier meistens abbrechen, und die Schichtenflächen sich ge-
wöhnlich nicht allenthalben unmittelbar berühren, so sammeln sie sich und
sinken theilweise oder ganz nach der Senkung der Schicht hinab, bis sie
an den Enden derselben als reichliche Quellen zu Tage treten. Wo nun die
Schichten eines Grebirges steil aufgerichtet sind , — wie das in den Alpen
1«
gBT SO oft der Fall ist, fliessen die meisten Qaellen nadi einer Richtang tb;
jener Hang, welcher aus den Schiehtenenden besteht» wird quellenreich,
und ist mit der herrlichsten Vegetation fiberkleidet« und der entgegenge-
setBte (der die Schichtenköpfe enthalt) bleibt dfirr und pflanzenarm.
Der Abfluss der Quellen nach den AbsonderungsflSchen der Fels«
schiebten ist so häufig« dass eben die Schichtung dort gewissermassen das
Gesetz gibt ffir den ganzen Quellenlauf.
Nicht jede Schichtenfliche I&sst die Quellenwässer reichlich ftber sich
abriimen« sondern es biethen hiezu vorzugsweise nur jene genug Raum
dar« auf denen ganze G^steinsgruppen ausamnienstossen « und da an diesen
Hauptschichtenflächen in der Regel auch die Hangsabsätze aus der Al>da-
chung hinaustreten , so kommen auch in den Winkeln dieser Absätze (Qe*
birgsstaffel) die meisten Quellen zu Tage.
IMeses Gesetz zeigt sich besonders auffallend in den Urfels- und Schie-
ferbergen« in welchen sich stark ausgeprägte Absätze ziemlich regelmässig
längs des ganzen Bergznges hinziehen. Dort findet man längs der Absätze
ebenso viele Reihen von Quellen« welche sich aus den oberen Rändern der-
selben bandartig über die Wiesen hinabschlängeln.
Besonders stark sind die Quellen am Fusse von hohen Wänden.
Nur rücksichtlich der breiten Staffel« welche gewönlich den Fuss der
Schiefergebirge begleiten« hat obige Regel eine Ausnahme ; denn hier kom-
men dnzebie Quellen auch auf der Staffelfläche und noch mehrere unter de-
ren unterem Rande zu Tage.
Ganz ähnlich treten die Quellen auf Abdachungen vor « welche von
den Schichtenköpfen gebildet werden ; nur sind sie hier viel seltener und
daher um so mehr auf die Absatzwinkel beschränkt
Dieser Quellenzug ist von hoher Bedeutung auch fOr die Bodenkultur,
denn er ist einer der Hauptgründe« warum die Absätze der Hänge vorzugs-
weise für die Feldwirthschaft taugen« warum gewöhnlich nur auf diesen
Absätzen eine Ueberrieselung leicht hergestellt werden kann. Sind nun
gleich die Zvdschenschichten des Gesteines gewöhnlich nicht räumlich ge-
nug abgesondert« um das Wasser reichlich durchrinnen zu lassen « so ge-
statten sie demungeachtet ganz feinen Wasserfaden den Durchgang« und
lassen auf den Hängen oft Tausende von Miniaturquellen wirken « welche
zwar viel zu klein sind« um durch die Bodenkrume zu dringen und Quel-
len nach dem gemeinen Sprachgebrauche zu bilden« die aber vöHig hinrei-
chea, um die Erdkrume in beständiger Feuchte zu erhalten.
Diese Wasseriädeu treten besonders zahlreich in den verschiedenen
Schiefem hervor« und zaubern dort eine herrliche üppige Vegetaaion hin.
Ihnen hat man die schönen Wiesenstreifen and Laubholzbestände zu dan-
ken , welche sich auf ein- und derselben Abdachung öfter mitten über den
trockenen pflanzenarmen Hang hinziehen.
Die vielen Erlenhölzer auf den Hängen des Schiefers und ihr geiler
Wuchs sind Wirkungen dieser Wasserfaden.
Gerade diese feinen Quellchen wiricen am Belebendsten, denn weil siege-
106
gen den Fels die meisten Berührungspunkte haben« so föhren sie der Boden-
krame auch eine ungleich grössere Menge unorganischer Bestandtheile zu»
Eine ganz eigene Art von Quellen sind jene , welche unabhängig von
der Schichtung des Gebirges vorzugsweise in den Mulden hervortreten»
Eine Furche zieht sich dort gleichsam als Mittellinie herab, unter dersel-
ben einigen sich alle Wasserfäden, und treten plötzlich als schöne Quelle
vor« Der Mund dieser Gattung Quellen pflegt m'cht» wie die Ausflussöff-
nung der übrigen zu wechseln, dieserwegen ist er auch ausgeweitet und
ein feiner Sand deckt seine Bodenflache.
Am deutlichsten wirkt die Schichtenabsonderung in den Kaikbergen*
Wegen der starken Zerklüftung des Kalkes fallen die Wasser hier viel tie-
fer, bevor sie als .Quellen zu Tage treten* — Da das Kalkgebirg dann
auch noch überreich an hohen Wänden ist , so sind hier die Quellen einer-
seits weit seltener als im Urfels, im Grauwaken oder im Sandsteingebir-
ge, anderseits aber auch weit ausgiebiger.
Ueberhaupt steht der Wasserreichthum der Quellen in umgekehrtem
Verhältnisse zu ihrer Zahl.
Diese Verschiedenheit des Kalkgebirges tritt mit seiner Zerklüftung
auch am ausgeprägtesten in Krain auf. Hier sammeln sich die Seigwässer
oft vieler Meilen Erdoberfläche in eine einzige riesige Quelle, welche dann
viele hundert Füsse tiefer als starker Bach an das Tageslicht tritt
Bezeichnend fftr den Kalk ist es auch, dass die vielen Rinnsale, wel-
che allenthalben seine Hänge furchen, häufig mit Quellen in Verbindung ste-
hen, zwar sind diese Rinnsale bei trockenem Wetter wenigstens im obe.
ren Theile gewöhnlich ganz wasserlos; nach starken Regen, oder plötzli-
chem Thauwetter jedoch treten darin bis oben hinauf Quellen hervor^ denn
da dann die unteren Spalten und Becken schon mit Wasser überfiillt sind,
so drängt sich dieses auch schon durch die Absonderungsfläche der höher ge-
legenen Schichten durch.
Die höchsten Alpenkämme sind der Quellenbildmig nicht günstig. Die
viel geringere Menge des wässerigen Niederschlages, der Umstand, dass
dieser grösstentheils als Schnee fallt, die dortige übergrosse Verdunstung
(wegen der dünnen Luft), die geringere Massenhaftigkeit dieser Erhebun-
gen sind hieran Schuld.
Während, daher die höchsten Quellen in den weniger hohen Kalkal-
pen schon bei 1000—1500, und auf den niederen Schieferzügen gar schon
bei 500—1000 Fuss unter den Kämmen und Gipfeln erscheinen, kommen
sie in den höchsten Bergstöcken erst bei etwa SOOO Fuss zu Tage. Die
Seehöhe der obersten Quellen beträgt auf den letzteren 8700—8300 und
auf den hohen Kalkstöcken 6000—6700 Fuss.
Im Allgemeinen kommen die Quellen auf den Kalkbergen immer bedeu-
tend tiefer unter dem Joche zum Vorschein, als in den Bergzügen der übri-
gen Felsarten*
Die Temperatur der Quellen bleibt in allen Jahreszeiten ziemlich gleich.
Nach der Meereshöhe fällt sie beiläufig in folgender Reihe ;
If7
■ejrertöhe
1000— sooo
2000—3000
3000—4000
4000—5000
5000-6000
«000-7000
7000-8000
8000-9000
VHUsWrge
des
Hauptotockei
der Alpen.
6-,
6.,
5 s
Kilkberge.
des
ImrdabfaUes
der Alpen.
1«
9-0
7«
5,
Die kälteste bisher beobachtete Quelle ist jene der Golzzeche in der
Fleuss CKarntben). Sie liegt 8900 Fass hoch und hat eine Temperatur
von 0.8°. '
Die Temperaturen dieser Tafel sind jene, mit welchen die Quellwas-
ser gewöhnlich im Innern der Berge fliessen. Dort, wo sie an die Erdober-
flache treten, sind sie jedoch im Sommer hauflg schon durch die letzten Ge-
steinschichten oder durch den gegen Tag liegenden Gebirgsachutt höher er-
wärmt worden. Es sind also die obigen Angaben gewissermassen als die
durchschnittlich geringsten Quellentemperatnren zu betrachten«
Bemerkenswerth ist dann noch, dass die Quellen der Thäler (bei glei-
cher Seehöhe) gewöhnlich bedeutend kälter sind, als jene der Berghänge;
im grossen Durchschnitte mag der Unterschied etwa einen Grad betragen*
Die Hochberge der Alpen sind der quellenreichste Theil des Kaiser-
reiches. Die grosse Menge des Niederschlages vermengt sich hier mit dem
Schneefalle der Höhen und mit den Gletschern und Fernern , um die Zahl
und besonders die Ausgiebigkeit und Ausdauer der Quellen zu begünsten. Der
sommerliche Schneefall , die Gletscher und Ferner speisen sie im Sommer.
So kommt es denn auch, dass jeder Weiler, fast jeder Hof seinen
eigenen prachtvollen artesischen Brunnen hat
Der Quellenreichthum der Hochberge vermittelt zum grossen Theil
ihre üppige saftige Vegetazion, dieFQlle von Wald und Gras; ihm verdankt
man es gntentheils, dass hier nie eigentliche Dfirre eintritt, ihm verdankt
man die Möglichkeit, die meisten feldwirthschaftlichen Grundstücke un«
schwer bewässern zu können.
Der völlige Mangel an Quellen ist einer der vorzüglichsten Ursachen
der erschreckenden Unfruchtbarkeit des krainerisch-istranischen Karstes,
des hohen salzburgischen Tännengebirges.
Die Seen.
Die österreichischen Alpen stehen zwar rücksichtlich ihres Reichthu-
mes an Seen gegen die Schweiz etwas zurfick; demungeachtet haben sie
r
Fliehe
Tieft
HeUen
tau
9.5
sooo
—
1800
1-»
1750
—
1860
—
1550
—
600
—
600
Oc
210
1«8
deren in grosser Zahl, besonders die oberösterreichisctien Hochberge (das
Salzkammergttt) können sich in dieser Beziehung den Schweizer Alpen im-
merhin an die Seite stellen.
Unter die grösseren Seen — von mehr als 200 Fass Tiefe, gehören:
Bodensee . . .
Lago maggiore .
Lago di garda
Lago di como
Achensee . . .
Gmundnersee . .
Wotfgangersee -
Hallstadtersee
Grundelsee . .
Kleine Seen von weniger als 100 Fuss Tiefe sind in Unzahl vorhanden.
Die tieferen Seen sind mit Wasser erfüllte Löcher, Kessel, Spaltöff-
nungen des Gebirges; die flachen dagegen nur seichte Ausfüllungen ge-
wöhnlicher, aber etwas tieferer Thalbecken, sehr oft verdanken sie ihren
Ursprung Bergstürzen und Erdbrüchen , welche mit ihren Massen das Thal
verlegt und den Bach zum See aufgestaut haben* Derlei flache Seen bil-
den sich noch immer neue (Lago di Allegia, Lago die Cauria) und öfter
selbst nur auf kürzere Zeit (besonders wenn die Aufstauung von Lawinen
oder Gletschern herrührt).
Zu den kleineren Seen gehören jene Tümpel, welche wir manchen-
orts in den flachen Felsbecken der Jöcher flnden. Alle diese Seen gehören
zu den schönsten Zierden unserer Alpen, durch ihren Gegensatz von Form
und Farbe, durch ihren Ausdruck von flüssiger Ruhe und versteinerter Be-
wegung vollenden sie erst die Schönheit der Gebirgsgegenden.
Ziemlich ungleich, aber überall schön ist die Färbung ihres Was-
sers. Blaugrün bis blau und etwas milchicht erscheinen im Sommer die
Seen, die ihre Zuflüsse hauptsächlich aus Gletscherbächen erhalten, wel-
che ihnen beständig fein zerriebene Felstheilchen zuführen ; im Winter, wo
die Gletscherbäche meist verschwinden, werden auch diese Seen klar und
mehr grünlich gefärbt Dunkelblaugrün dagegen sind die meisten, deren
Wasser nicht aus Gletschern entspringt, . oder sich bereits abgeklärt hat —
Nur der Lago di Garda macht davon eine Ausnahme , seine Fluthen zei-
gen fast stets das durchsichtigste Blau,
Wo vielerlei Gewässer trübe und helle in einen See zusammenströ-
men, entstehen allerlei Mischungen der Farben ; die unteren Theile langer
Seen zeigen oft eine andere Färbung, als die oberen, weil auf dem Wege
dorthin ein grosser Theil der trübenden Bestandtheile bereits zu Boden
gefallen ist. — Der Gmundnersee z. B. ist beim Einflüsse in die Traun
trübe, am unteren Ende jedoch klar und dunkelgrün.
v
Die Dunkelheit der Färboag wächst mit der WaAserdeCe; weil die
ausflieflseoden WäMer bei weitem keioe so groMe MMwe bildee, «ind sie
auch viel weniger tief gefärbt.
Dieses Blaugrün ober ist die ursprüngliche uud eigenthümliche Farbe
des Wassers, wie blau jene des Eises und der Luft ist Wo das Wasser
anders gefärbt erscheint, ist diess allemal Folge beigemengter Theilchen
(Felsen-» Eisen-, Humus* und sonstige organische Theilchen), des durch-
scheinenden Bodens, oder der sich spiegelnden Berge und Himmelsräume.
Die Temperatur der Seen fallt im Sommer mit der Tiefe, bis sie zu-
letzt eine konstante Grösse erreicht, welche im Zusammenhange steht mit
der Wasserdichte. Durch Auf- und Niederströmen der Wässer suchen die
Seen ihre Temperaturen stets auszugleichen. — Daher sind die flachen
Seen im Sommer und die tiefen im Winter wärmer. Die grossen Seen ha-
ben im Mai noch so ziemlich die Temperatur des Winters, erst im August
und September erreichen sie ihr Maximum von 18— St®; dagegen kühlen
sie sich auch nur langsam ab und gefrieren im Winter, wo flache Seen
ganz mit Eis überzogen sind, häufig gar nicht , oder behalten wenigstens
die tiefste Mitte eisfrei.
Die grossen Schutt- und Erdmassen , welche die Wildbäche fort und
fort in die Alpenseen fuhren, füllen deren Becken immer mehr aus. Für die
Spanne unserer Zeitrechnung ist diese Ausfüllung jedoch nur bei den klei-
nen Seen mit sehr flachen Ufern von Bedeutung. Hier tritt das Wasser
am Einflüsse der Bäche alljährlich merkbar zurück.
Die Seen sind von Bedeutung für die Volkswirthschaft der Alpenlän-
der und für den Forstbetrieb*
Sie vermitteln eine leichte Verbindung, sei es zu Schiffe, sei es (auf
den gefrierenden Seen) zu Fuss oder zu Schlitten; sie beherbergen eine
grosse Menge schmackhafter Fische, und. werden in dieser Beziehung be-
sonders dort von Bedeutung, wo ununterbrochene Holztrift der Fischbesa-
tzung der Bäche sehr nachtheilig wird.
Vielenorts werden die Seen mit besonderem Vortheile zur Holz-
schwemme benützt. Man sammelt das Holz in Rahmen (durch Wieden^
Stricke oder Ketten verbundene Stangen) und zieht dieselben dann mittelst
Pferdekraft (Hallstädter See) oder Ruderern über den S^e , oder überlässt
deren Weitertreibung den regelmässigen Seewinden (Lago di AUhe).
56
WildbSche und StrOme und ihre Wirkungen.
Die Oberflächenform der Alpen hat eine Unzahl von Bächen und Strö^
men hervorgerufen und der äusserst starke atmosfarische Niederschlag
macht sie sehr wasserreich.
Darum auch eine überschwengliche Fülle von industrieller und land-
wirthschafUicher Wasserkraft, die fast jeden grösseren Hof in den Stand
setzt, seine eigene Mahl- und Sägemühle au haben.
f
110
Die g^roMen Flüsse sind an ihrem Anfange durch nichts von den ge-
wöhnlichen Bächen verschieden« Erst in ihrem weiteren Verlaufe treten
sie durch ihre ununterbrochen wachsende Wassermasse immer entschiede-
ner vor. — Die Starke eines Gewässers steht im Allgemeinen in genauem
Verhältnisse zur Ausdehnung seines Thaigebiethes. Dieserwegen fliessen
auch in den Rinnsalen der Hanptthäler die grössten Ströme; desswegen
sind auch die Wässer der Rinnsale des Kalkgebirges (ausser der Hoch-
wasserzeit) auffallend kleiner.
Die regelmässige Stärkeschwanknng der Grewässer geht in den Alpen
gewöhnlich einen ganz andern Gang wie in den umgebenden Flachländern.
In den nordwestlichen Flachländern des Kaiserreiches z. B. haben die
FlQsse gewöhnlich im September ihre geringste Höhe (bestimmt durch das
dortige Vorherrschen der Sommer über die Herbstregen); von hier steigt
sie sehr regelmässig bis zum Maximum im Frühjahre, welches mit dem all«
gemeinen Abschmelzen des Winterschnees zusammenfallt
In den Alpen aber haben jene Ströme, welche einen guten Theil ih-
rer Zuflüsse den Gletschern und Fernern verdanken, zur Zeit des reichli-
chen Abschmelzens dieser, d. i. im Sommer ein zweites Maximum; und
das Jahresminimum rückt in den Oktober hinaus.
Jene Hochalpenbäche, welche ihre grösste Wassermasse den (Glet-
schern verdanken, haben zur Frühlingsthanzeit gleich den anderen ihr Ma-
ximum* Sobald aber ihr Gebiet schneefrei geworden ist, tritt alsbald eine
Ebbe ein , die mit dem Steigen der Wärme im Juni und Juli rasch ver-
schwindet. Da aber die Gletscher und Ferner sich nur allmälich entleeren,
so fallen diese Bäche nur nach und nach, und erst im Winter, nachdem die
Temperatur schon mehrere Monathe unter gestanden ist, tritt das Mi-
nimum ein. Zu dieser Zeit ist dann der Bach nur mehr auf das Ergebniss
der wenigen Quellen beschränkt.
Einen ähnlichen Gang hat die regelmässige Stärkeschwankung der
Flüsse und Bäche in den südlichen Kalk-Hochbergen. Hier vertritt der
Lawinenfirn der zahlreichen Schluchten die Gletscher des Hauptalpensto-
ckes, ohne aber je ihre Wirkung ganz erreichen zu können; das grössere
oder geringere Ueberwiegen der Herbstregen jedoch lässt in dieser Jah«
reszeit kein Sinken des Wasserstandes eintreten.
In den niederen südlichen Kalkbergen folgt auf das Frühlingsmaximum
eine den ganzen Sommer dauernde Ebbe, die Herbstregen bringen den Was-
serstand wieder zum Steigen, und beim Hartfroste tritt endlich das Mini-
mum ein.
Dieser verschiedene (regelmässige) Gang des Wasserstandes der Bä-
che und Ströme ist — insoferne man nicht mit Hochwässern schwemmen
will — von sehr grosser Bedeutung für die Holztrift, er bestimmt erstens
den Zeitpunkt der Trift, und nimmt zweitens Einfluss auf die Stärke, wel-
che «man dem Holze (bei der Benützung dieser oder jener Triftzeit) geben
kann und soll. — Er ist auch von Bedeutung für die Flössung. Aber noch
\1
111
weit auffallender unterAcheiden sich die Aipengewasaer durch das Ueber-
maas ihrer plötzlichen Anschwellungen»
Schon in den Absätzen 31 und SS ist von den ungeheuren Wassermas-
sen gesprochen worden , welche in den Alpen bei starken Gewitter- oder
bei langdauernden Landregen plötzlich in allen Gerinnen zusammenlaufen ;
jeder Bach wird dann zum wfithenden Strom, jedes sonst ganz trockene
Rinnsal zum tosenden Bach.
Dieser plötzlichen und fast immer auch Terheerenden Anschwellungen
wegen heisst man auch die Alpenbäche und Flüsse: Giessb&che, oder noch
bezeichnender: Wildbache und Wildströme.
Dieser plötzlichen und ungeheuren Anschwellungen wegen brauchen
auch alle Alpengewässer (besonders in den Kalkbergen und hier wieder
namentlich in den südlichen ^ steilen und minder bewaldeten) ebenso unge-
heure Betten, entziehen also der Bodenkultur einen grossen Theil gerade
des besten Grundes; sie verlangen kolossale Brücken, Rechen und Ufer-
bauten ; und weil die Anschwellungen öfter sogar das vorausgesetzte Ma-
ximum übersteigen, so sind selbst diese kolossalen Bauten nicht immer vor
der Zerstörung sicher. Jede Ueberschwemmung, jede Zerstörung fällt hier
auch weit gewichtiger aus.
In den südlichen Alpen haben die grösser,en Ströme Betten von meh-
reren hundert Klaftern Breite, und füllen sie bei Hochwässern auch voll-
ständig aus, obgleich sie zur trockenen Sommerszeit oder bei Hartfrost oft
nur 12 — 30 Klafter breit sind, und an vielen Stellen durchwatet werden
können.
Diese grossartigen Anschwellmigen machen oft auch die Errichtung
ständiger Brücken und Rechen unmöglich oder wenigstens viel zu kostbar,
und zwingen derlei Bauten leicht und beweglich herzustellen, damit ihre
Zerstörung weniger ins Gewicht fallt, oder damit die Baute nach gemach-
tem Gebrauche sogleich entfernt werden kann. — Darum baut man in den
italienischen Alpen die beweglichen Bockrechen (welche nach vollendeter
Schwemme wieder aus dem Wasser genommen werden) oder Rechenwer-
ke, welche an Pfeilern angelehnt sind , die man aus stein-, oder schuttge-
füllten Körben herstellt.
Diese plötzlichen Hochwässer sind den Schwemmen in den südlichen
Hochbergen äusserst nachtheilig. Denn gewöhnlieh sind dort Trift, Re-
chen und alle Ufer- und Schwemmbauten nur auf die gewöhnlichen Wässer
berechnet Fährt nun plötzlich rin Hochwasser in die Schwemme, so wer-
den diese Bauten nur zu oft weggerissen und die Hölzer verschwemmt.
Oder bleibt auch der Rechen stehen, so tragen doch die schwimmenden
Hölzer sehr viel bei zur Zerstörung der Ufer oder der überflutheten Ge-
lände. Das Triftholz selbst vergrössert dann auch gewichtig die Zerstörun-
gen; denn es häuft sich in den Bach- oder Stromengen oder an den Brücken
und Mühlen zusammen^ staut die Fluthen örtlich auf, und wirkt dann beim
plötzlichen Auseinandergehen der Anhäufung um so verderblicher.
It*
Sehr un^ÜDSti^ werden die Hochwässer endlich der Trift durch das
Austragen und Anlegen der Hölzer. Mit ungewöhnlichen Kosten müssen
diese nach dem Verrinnen des Hochwassers durch die weitesten Strecken
in den gewöhnlichen Wasserfaden getragen, gewälzt oder geführt wer-
den. In den übrigen Alpengruppen sind zwar alle diese Nachtheile der
Hochwässer minder gross, aber immer noch weit grösser, als in den Flach-
ländern.
Die Hochwässer sind aber nach Umständen auch von Nutzen für
den Forstbetrieb. In den Alpen und besonders in den südlichen Kalkbergeu
finden sich gar manche Thäler, aus welchen das Holz auf den gewöhnlichen
Wässern gar nicht geschwemmt werden könnte ; sei es, weil diese an und
für sich zu klein sind, sei es, weil sie stellenweise abreissen (Krain), sei
es endlich, weil das Strombett viel zu klippig und blockig ist Ofl wurde
selbst eine Klause nichts helfen. — Hier nun benützt man mit vollem Er-
folge die Hochwässer, ihre Wirkung manchmal auch noch durch Klausung
verstärkend. Eine Nachtrift ist hier entweder gar nicht zulässig, oder
beschränkt sich nur auf Wenig, daher man diese Triftweise ganz passend
die wilde Schwemme heisst«
Der Abfall der fliessenden Alpengewässer ist durchschnittlich gleich
jenem der Thäler (Ab. 5.)
Die Geschwindigkeit ihres Laufes steht aber nichts weniger als in
geradem Verhältnisse zur Neigung ihres Bettes.
Gerade an ihrem Beginne, wo also das Bett am steilsten ist, beträgt
ihre Geschwindigkeit als einzelne Quelle nur 1 — 3 und als ganz kleiner
Bach 3 — 5 Fuss (auf die Sekunde.) Erst weiter Unten, wo die Was-
sermassen grösser werden und daher der Einfluss der Reibung am rau-
hen Bachbette mehr zurücktritt, wächst die Geschwindigkeit, und beträgt
dann 3 — 11 Fuss.
Die Alpenbäche sind weder am Anfange noch am Ende am schnell-
sten; am Anfange nicht wegen der Geringingigkeit ihrer Wässer, am En-
de nicht wegen der geringen Neigung der Flussbettsohle.
Die Geschwindigkeit wechselt auf den einzelnen Punkten sehr, als
Maximum der Geschwindigkeit — in Stromengen oder an der Einmündung
der Nebenflüsse — kann man 7 — 11 Fuss betrachten.
Auffallend schnell fliessen die Bäche auf der Oberfläche der Gletscher;
ihre unglaubliche Gesch>vindigkeit von 6 — SS Fuss verdanken sie offenbar
der Glätte ihres Bettes.
Das Alpengewässer fliesst also viel schneller , als jenes im Flachlande
(0.4 — 6 Fuss); wenn gleich seine Schnelligkeit der geringeren Wasser-
menge und der grossen Rauhigkeit der Betten wegen bei gewöhnlichem
Wasserstande nicht gar so gross ist, als man nach ihrem starken Falle
vermuthen könnte.
Ganz anders gestaltet sich die Geschwindigkeit bei Hochwässern.
Anschwellungen vermehren die Geschwindigkeit in den Stromengen zwar
öfter bis auf das Doppelte oder Dreifache, dort aber, wo sich die Fluthen
V
113
aiwbreiten — und das ist in den Thalbecken fast überall der Fall — vermin-
dert sich die durchschnittliche GreschVrihdi^kelt in dem Masse, als
die AusbreStungp ^sser wird, flahi^r kMimt ei» Mth, dass die un^eh^uren
Wassei^mMsen pMtrilch entstandener Hochwässer im Durchschnitte lang-er
SirlftCken und als Ganges g^enommen oJFt viel lang'saMer weiterfliessen , als
X. B. ein in die mittlere Stromlinie geworfenes' Hblsscheit bed gew(^hnlichem
WaMcrrstamle.
Schon bei gewöhnlichem Wasserstande vei^mdgenr die Alpenbäche we^
nigirtens im Bereiche ihrer 8fr6michii/ellen den in ihrem Grande liegenden
Schutt zo bewegen; ihre Kraft wächst jedoch in dieser Richtung unge-
hencfr bei Hochwassern , sie bewegen dann nicht nur Schutt und Steine ,
sondern selbst Blocke toiv 100— SM Kubikfussen.
Hiebe! ist der Wechsel von Becken und Thaleng^n von wesentlichem
BittflttHse. In den Fugen beladen sieh die Fluriien stets von Neuem mit
Sand und GeröUe« welche sich dann in der darauflbigenden Beckenauswei-
tung wieder ablagern. Bs werden auf dies« Weise bei jedem Hochwasser
ungeheure Gesteinmassen bewegt Jedoch gelangen die Geschiebe dilrch«
aus nicht gleich von der Ausbruchstelle bis zum untei^n Ende des Tha-
h$s; Meztt Bedarf es ein^r unzähligen Wiederholung des Anstosses und
gewöhnlich mehrmaliger Hochwasser.- Girosse Blöcke werden währepd Bin
und derfeielben Anschwellung oft kaum um 1 — 9 Scindie weiter bewegt.
Nur Erdtd und Sand — kurz jene Theile, welche sich schwebend im Was-
ser zu erhalten' verm^Vgefn, werden schon beitfv ersten Ailstoisse ausseror-
dentlich weit gefUirt, der Sand auf viele Meilen^ der feine Letten sogar
bis'inä Meer.
Wässer« welches man bei starken Amchw«lhingen von der Oberflä-
che der FhKhen schöpft , enthält nicht nur eine grosse Mtenge jener feitaen
Brde» welche die Ströme dann völlig kothig farbC^ sondern auch viele
Sandkörner. Kleiniftren' Steinschutt kühn man mehr als klafterboeh, gröitee-
ren Schutt 2 — 9 Fuss' hoch ober der Flusrfilittsohle aus dem Strome
schöpfen.
DKs Gedröhne, das donnerähnliche Getöse der wflthenden Hochwas-
sisMllMhenft rihrt gi'osifentheils auch von den Steinen her, welche sie im
Olhltfd^ deü iMrömes bewegen. Ddbei entsteht eiiie-so naassenhafte Rei-
bung» dass ih den! sOdlt(5hfcii' Alpen die Atmosftre jenc^ Thäler, deren Kalk-
ffe^lkiit etWtt» bituminös ist, zur Zeit besonders grosser Hochwässer so
siilfallend MtuminOs riecht, als wehn man vor unserer Nase lauter Stink-
stehir« anellMider riebe.
Durch diese gewaltige Reibung werden die bewegten Massen auüs
Ncfue zertrftmmert mid t^rkleinert.
Die mit Sand und Schutt beladenen Fluthen wirken auch auf die
Sohle des Strombettes und insbesondere auf die Ufer weit nagender und
zertrümmernder, als es das reine Wasser vermöchte; ein weiterer Grund,
wesswegen die Anschwellungen der Hochgebirg-swässw viel zerstörender
sind, als jene der Flachlandsströme.
8
7
114
Die Bewegung der Schutt- und SteinmaMen bedingt ein gevn($BeB
Reiasen^ einen gewissen Fall der Wasser; in dem Masse also, in welchem
das Gefall der Ströme abnimmt, in demselben Masse senken sich die bis-
her in Schwebe gewesenen festen Bestandtbeile wieder zu Boden, und
bleiben dort liegen; zuerst die grössten und schwersten, dann -die leichte-
ren und 80 fort bis zum Letten.
In Folge dessen erhöhen sich auch die Strombette fortwährend überall,
wo sich auf sehr lange Strecken «ieren Gefall vermindert oder deren Bett
ausweitet; also besonders dort, wo die SeitenthllBr in jene niederer Ord-
nung oder in die Hauptthaler ausmünden, oder wo diese in die Ebene hin-
austreten. Diess ist eine äusserst nachtheilige Eigenthiimlichkeit der Hoch-
gebirgswässer, denn sobald die Erhöhung auf einen gewissen Punkt ge-
langt }st, vermag das Bett die angeschwollenen Wasser nicht mehr zu
fassen, diese fliessen über und überschwemme^) und verwüsten die um-
liegenden Thalgelände. Die verhältnissmässige Schnelligkeit, mit welcher
diese Erhöhung in den Hochbergen statthat, vermehrt noch sehr bedeu-
tend diesen Nachtheil.
Die Sohlen der Seiteubäche liegen darum bei ihrem Einflüsse in die
Hauptströme häuflg schon im gleichen Horizonte mit den Hausdächern
oder Kirchthürmen der Ortschaften des Hauptthales. Aehnliches hat dort
statt, wo die Hauptströme in die Ebene gelangen. Will man nun die tie-
feren Gelände vor Überschwemmung, Verschüttnng und Zer0törung be-
wahren, so bleibt nichts übrig, als die Seitenwände der Flüsse durch
künstliche Dämme fort und fort zu erhöhen. — Das ist nun wieder aus-
serordeiitlich kostspielig, und hat auch seine Grenzen^ denn weil der Grund
eines Dammes (soll er dem ungeheuren Wasserdrucke mit Erfolg wider-
stehen) rficksichtlich seiner Breite und Festigkeit der Dammhöhe entspre-
chen muss, so werden die fort und fort erhöhten Dämme endlich zu
schwach, und es entstehen die gewaltigsten Dammbrüche.
Die Erhöhung der Strombette mit all ihrem Gefolge geht im Allge-
meinen am raschesten im Südabfalle der Alpen vor sich ; daher denn dort
die grössten Zerstörungen dieser Art statthaben, und die meisten bedeu-
tenden Ströme auf lange Strecken und bis weit in die Ebene hinab mit
ungeheuren Dämmen bezwungen werden müssen, deren Anlage, Erhöhung
und Einhaltung jährlich mehrere Millionen von Gulden kostet
Die Folgen der Dammbrüche sind gewaltig. Eine einfache Über-
schwemmung ist der geringste Nachtheil, denn sie vereitelt in der Regel
nur die Ernte eines Jahres, beschädigt die Gebäude und vertreibt daraus
die Bewohner. Gewöhnlich aber lassen die austretenden Wässer auch
sehr bedeutende Massen von Schutt und Sand zurück ; die dann mit gros-
sen Kosten entweder wieder weggeräumt oder urbar gemacht werden
müssen. Oft reissen aber auch die austretenden Wässer tief in das Ge-
lände ein, tragen Wies und Feld ab, bringen Häuser und Mühlen, Brücken
und Strassen zum Einstürze^ und kosten gar oft auch mehrere Menschen-
leben.
115
Wo Bäche uiid Ströme regelmässig Ufer oder Damm überfluthen,
▼ersumpfen sie auch (durch die zurückbleibenden Wässer) die Gelände,
machen diese untauglich für die bessere Kultur und vergiften die Atmos*
fare. Auf diese Weise sind gar manche Thäler/die vermöge Boden und
allgemeinem Klima die schönsten Gefilde des Landes sein könnten, saure
schlechte Wiese oder fieberathmender Sumpf geworden (lombardisches
Addathal im Daltellin mit seiner malaria, Etschthal zwischen Bozen und
Trienl mit seinen Fiebern und unzählige andere Thäler). Oft aber ent-
stehen derlei Versumpfungen durch das einfache seitliche Durchsickern
der hoch über die angrenzenden Fluren fliessenden Bachwässer.
In den meisten Seitenthälern würde die Eindämmung der Wildbäche
häufig zu kostspielig sein, oder wenigstens übersteigen die Kosten die
beschränkten Greldkräfte der einzelnen Besitzer oder der Gemeinden ; oder
diese können nicht einig werden über eine gemeinschaftlich zu fuhrende
Baute; oder sehen deren wirklichen Nutzen nicht gehörig ein. Hier lässt
man nun die Hochfluthen walten. Sie überschwemmen dann von Zeit zu
Zeit (häufig in Perioden von S0--50 Jahren) die Fluren, reissen einen
Tbeil ein und verschütten den anderen. Kaum sind die Wässer verron-
nen, so beginnt man unverdrossen das mühsame Werk der Beurbarung
der zurückgelassenen Schuttflächen. Ist der Schutt reich m\ guter krüm-
licher Erde, so räumt man bloss die grösseren Steine ab und das Feld
ist fertig; bleibt es auch durch längere Zeit minder ertragreich, so wird
es zuletzt doch so fruchtbar, als das begrabene. Ist der aufgetragene
Schutt aber sehr unfruchtbar (Kalkschutt), dann wohl ist die Beurbarung
ein Riesenwerk. Man gräbt nämlich die alte Dammerdeschicht aus, bringt
diese an die Oberfläche und Schutt und Steine in die Tiefe. Aufs Flei-
ssigste zwingt man öfters auch das Wasser selber zum Mithelfen; man
zieht es nämlich mittels Gräben in eigens angelegte Vertiefungen, damit
ea hier (bei Hochwässern) seinen Schlamm absetze. Ganz unfruchtbar
gemachte Flächen bringt man manchmal ausschliesslich durch Erzwingung
der Sehlammablagerung in Kultur, zu welchem Behufe die Fläche mit
tiefen Quergräben durchzogen wird.
Oefter sind aber auch die übergrossen Anschwellungen der Wässer,
deren Betterhöhung und Ueberfluthung sammt allen darangeknüpften Nach-
thmlen nicht Folge des plötzlich abnehmenden Gefälles, sondern vielmehr
der fast senkrechten Einmündung eines Seitenbaches, dessen Wässer
daim den Hauptstrom aufstauen und zum Ueberfluthen und Fallenlassen
des Schuttes zwingen.
Ein grosser Nachtheil der Wildströme ist auch der oft bei jedem
Hochwasser eintretende Wechsel ihres Hauptrinnsales« Jeder Felsblock,
irgend ein sich festlegender Baumstock oder einige Holzstücke genügen,
um in weiten Betten die Stromrichtung und mit ihr die ganze Gestalt des
Flassbettes völlig zu ändern. Viele kostspielige Uferversicherungen wer-
den dann von hinten angegriffen, unterwaschen und abgerissen, oder
trocken gelegt , und für die Folge unnütz gemacht.
8*
116
B^gpabsturze und Erdabsitzun^en verraebren auf doppeke Weise die
Wnik und Zerstörusgfsluraft der Wildströme, ind«« sie diese aufstauen und
ibren Schuttg'ehalt verm^bren«
Aach die BanrnsiÖcke und das auf dea Schlagen sehr efk zarickblei-
bende Abholn ^ dami das Lagerbola det aberatiadigen Wälder, tragen gar
oti Manches bei , um die Wildstoöme zerstörender zu inadien% Denn so-
bald sie la den Strom hinabgelangm — und das geschieht gar oft — ver-
meluren sie nicht nur durch ihre Masse dessen einreissende Kraft, sondern
veranlassen in den Stromengeii nieht selten aufstauende Verklemoiungen.
Der Hauptgrund jedoch ^ warum in neuerer Zeit, vorzöglich im Sfid-
abfalle der Alpen ^ die Hochwasser an Häufigkeit und Wuth alh^friheren
Grenzen weit überbtetben , liegt zweifelsohne in der steigenden- und bis
ins. ¥Öllig Unverantwortliche getriebenen Entwaldung der BergJräng«. Die
Erklärung der Thatsache ist im Abschnitte 39 gegeben worden.
Nichts bewmt schlagender, wie wenig die grosse Aufgabe der HooIh
gebirgswälder im Haushalte der Natur und der Völker bis jetst noch erkannt
worden ist, als eben die grossartigen Vorgänge im österiieichisdien Italien*
Hätte man nur den dreissigsten, ja seibat nur den funfz^sten Theil jener
unbeirechenbaren AGIlionen, welche man in neuerer Zeit auf Damm- and
Uferschntzwerke und auf Verwischung der durch die Hochwasser ange«*
stellten Verwüstungen ausgegeben, hätte ma» nur den fünfzigsten Tbril
dieser ungeheueren. Snmmen auf die Erhaltung der Wälder der Hochge-
birge verwendet, aus welcben die dortigen Ströme ihre Wässer empfangen,
so wurde man damit znm Allerwenigsten die HaMbscheid der erstgenannten
Millionen erspart, tausende von Jochen Feld der Kultur, Hunderte von Ge-
bäuden der Volkswirthschaft erhalten haben, und man besässe in den wohi-
gepflegten Wäldern überdiess noch einen Sehatz von kaum berechenbarem
Werthe.
Aber statt mit einigen Tausenden das Uebel an der Warael zu beben,
zieht man es vor, hunderttausende auf Dämme zu verstnmpeni, die zwar
filr eim'ge Zeit das Uebel hintanhalten, aber nie völlig zu helfen vermögen«
All die Erscheinungen, welche die Hochwässer begleiten, sind von
bedeutendem Einflüsse auch auf den F<Hrstbe trieb. Der grösste Theil« dieser
Einflüsse ist schon angedeutet worden«
Zu erwähnen bleibt nur noch das Versanden der Rechen und Klaaaen
und die Verschüttung der Schwemmhölzer.
Es ist ganz natürlich, dass sowohl die Klans- als awehdie Beoben-»
höfe in allen Wildbächen, welche viel Schutt fuhren, nach und nach versaii-
de;t werden müssen, denn beide Bauwerke hemmen den Zog der Wässer
und zwingen dadurch einen Theil des schwebenden Schuttes zum Nieder*
sinken und Dableiben. Man sucht zwar , und gewöhnlich mit sehr viel Er-
folg*, dadurch vorzubeugen, dass man die Klausen mit einem oder zweien
ganz zur Sohle reichenden Thoren für den Abflnss der gewöhulidien Wäs-
ser zur Zeit der Nichtschwemme versieht, und dass man die Rechen nach
vollendeter Schwemme holzfrei macht und ausspindelt, wo dann die Hoch«*
wasser wieder einen guten Theil des Schutte« wegfahren ; aber diese Mit-
tel helfen nicht überall vollständig und dann machen auch diese Thore die
Klausen etwas kostspieliger, und die Auspindiung des Rechens kann oft
nicht lange genug dauern. Viele dieser Gebäude sind endlich gar nicht
darnach eingerichtet, und so kommt es denn , dass die Höfe gar mancher
Klausen immer kleiner, und die Felder gar manches Rechens immer höher
werden.
In Bachstrecken, welche in kleinen Schutt ausgewaschen sind, wird
auch bei Hochwassern viel Holz verschüttet und a«lf Stellen, reich an
grossen Blöcken, gpir manches unwiederbringlich verzwängt
Aber auch die Trift selbst hat einen Einflnss auf die Thaten der Wild-
strome und in der Regel durchaus keinen günstigen.
Das schwimmende Holz vermehrt die einreissende und nagende Kraft
des Wasisers um ein sehr Bedeuteitdes, es trägt wesentlich dazu bei, den
im Grunde des Bettes liegenden Schutt in Bewegung zu bringen, es ver-
ursacht in den Stromehgen aufstauende Zerklemmungen. Diese Nach-
theile sind zwar kaum nennenswerth , rücksichtlich des kleinen Schnitthol-
zes, werden aber bedeutender beim Klotzholze und wachsen überhaupt mit
der Schwere und Länge der Holzstücke. Hochwässer und der Gebrauch
der Klauiren , besonders der vollen , steigern noch alle diese Nachtheile*
Auf allen jenen Wildbächen daher, auf welchen die leeren Hoch Wäs-
ser bedeutend zu schädigen pflegen, vermehrt die Holztrift unstreitig die
Schäden.
In dieser Rücksicht wäre es hier und da wohl ilehr wAnschenswerth,
wenn die Hoteschwemme mit einer anderen Bringungsweise vertauscht
werden könnte. Diess ist aber leider nur selten möglich; denn der Land-
Iransport bedingt 'Strassen, deinen Kosten in den österreichischen Hoch-
bergen gewöhnlich in argem Missverhältnisse zu dem noch sehr niedern
Holzwerthe stehen, und nur zu oft steht deren Bau auch die Zersplitterung
des Waldbesitzes entgegen. Denn wo ein grosser zusammenhängender
Forst die Kosten einer aiizolegenden Strasse noch decken würde, ist das
durchaus nicht der Fall bei kleinem Waldbesitze. Und dann kommt auch
hier derlei Strassenanlagen , und wären sie auch noch bo nützlich, noch
nicht die Wohltbat der El^propriation zu Guten.
Sobald eine Quelle aus dem Boden tritt, erwärmt sie sich alsbald und
um so schneller, als der Wasserfaden dünner ist. Kleine Quellen, welche
durch besonnten Sand oder Gerolle sickern^ haben sich schon bei ihrem
zu Tagetreten um einige Grade erwärmt. Andere und Grössere thun das
wenigstens, nachdem sie eine Strecke im Freien geflossen sind.
Bäche von 6000 — 7000 Fuss Söehöhe erwärmen sich an sonnigen
Sommertagen öfter auf 18 — tO^.
Am klarsten stellt sich die Temperatarzunahme der fliessenden Wäs-
ser bei Gletscherbächen heraus; diese kommen gewöhnlich mit 0.2 — I.q
aus den Eisthoren, und, nachdem sie einige tausend Klafterri geflossen sind,
hat sich ihre Wärme schon auf 5 — 10^ erhöht.
«8
Die Wildbäche überhaupt haben im Sommer gewöhnlich eine Tempe*
ratur von 8 — 20 Graden ; die Ströme hing^eg*en von 10 — 20 Graden.
Kühle mid trübe Tage» Beschattung^ » starker Regien oder Schneefall,
zahlreicher Zufluss aus den Gletschern, oder aus sehr hoch g^elegenen Quel-
len » und geringe Bodenwärme wirken erniedrigend, die entgegengesetsten
Umstände erhöhend auf die Temperatur der fliessenden Wässer.
Die Wärme der fliessenden Wässer ist von gewichtigem Einflüsse auf
den Pflanzenwuchs der damit bewässerten Scholle.
Den kräftigsten Beweis hiefur liefern die Bodenflächen unterhalb der
Gletscherenden. Sie mögen noch so eben und humusreich sein, so bleiben
sie doch fast ganz vegetazionslos, während die trockenen Abhänge gleicher
Höhe reichlich bewachsen sind. Der Grund liegt in der Kälte der vom Glet-
scher herabrieselnden Wässer (welche bloss i — 3^ Wärme haben«)
Der grosse Einfluss der Wasserwärme auf die Zuträglichkeit der
Wiesenbewässeruug ist allenthalben bekannt. Sehr kalte Quellen oder
Bäche köimen oft hiefur gar nicht benützt werden, insofern es nicht
etwa gelänge, sie durch vorausgehende Umherleitung in die Nachbar-
schaft, oder dadurch wärmer zu machen, dass man das Wasser vorerst in
einem eigens dazu angelegten Becken sich erwärmen lässt.
Abgesehen von den trübenden Bestandtheilen , welche sich in der
Schwebe erhalten, enthalten die Alpengewässer gar nicht unbedeutende
chemische Auflösungen , welche zwischen O.007 und O.070 Gewichtspro-
zente betragen.
Die an Auflösungen reichsten Wässer sind jene^ welche aus dem
Kalke fliessen; sie lösen durch Vermittlung ihres Kohlensäuregehaltes be-
deutende Mengen desselben (0^^ — O.070 Prozente) auf, so dass ihr Rück-
stand nach völliger Verdampfung beiläufig zu Vs ^^^ kohlensaurem
Kalke, zu V« aus Kieselsäure, und % aus kohlensaurer Bittererde
besteht. — Wenn sie besonders reich an Kalk sind, so setzen sie
Cwegen Verflüchtigung der Kohlensäure) einen Theil ihrer Auflösung
auf die Gegenstände ab , über welche sie fliessen , veranlassen die Entste-
hung der Kalktuffe, und inkrustiren nicht selten die lebenden Baumwurzeln
zum grossen Nachtli^ite der dazu gehörigen Stämme. Solche Wässer sind
minder brauchbar zur Wiesenbewässerung, und nachtheilig für den Wald-
wuchs. Wo sie über Gestein fliessen, überziehen sie dieses häufig mit
einer weisslichen Kruste , wodurch das Wasser selbst ein milchiges An-
sehen bekommt
Wässer y welche in thonigen Gesteinen fliessen^ haben nicht nur
geringere Auflösungen^ sondern deren Bestandtheile sind auch wenigstens
in .ihrem Mischungsverhältnisse verschieden. Ihr Kalkgehalt beträgt etwa
nur V8 9 der Bittererdegehalt ist kaum merkbar , der Kieselerdegehalt zwar
ziemlich gleich, dagegen der Gehalt an Eisenoxid oft % ""<! mehr des Ganzen.
Die Grösse und die chemische Verschiedenheit der in den Alpenwäs-
sern enthaltenen Bestandtheile ist sicher von nicht unerheblichem Einflüsse
auf den Pflanzenwuchs.
11»
Die Glet«cherwässer sind die ailerarmsteo an Auflösung^en.
Ich komme nochmals auf die nagende Kraft der fliessenden Wässer
xurfick» \irelche« unterstützt auch von der AuHösungsfahig'keity in kurzen
Zeitabschnitten zwar nur ganz unmerkliche , in den Zeiträumen der geolo-
gischen Epochen jedoch erstaunliche Veränderungen in den Gesteinsober-
flächen hervorgebracht hat
Die nagende Kraft verdanken die Alpengewässer fast ausschliesslich
den festen Bestandtheilen, welche sie in der Schwebe erhalten« und welche
mit der Geschwindigkeit der Wassersäule , in welcher sie sich befinden,
reibend auf all das wirken^ was ihnen begegnet Um da die Wirkung
selbst des blossen feinen Sandes nicht zu unterschätzen» wolle man berück-
sichtigen , dass das Wasser am Grunde der Ströme stellenweise kleine
Wasserfälle bildet und daselbst also sammt dem mitgeßihrten Sande oder
grösseren Gesteine für kurze Augenblicke eine ungemein grosse Kraft
erlangt» welche jene weit ubertrifit» die der mittleren Geschwindigkeit des
Stromes entspricht
Die nagende Kraft der Wässer hat allenthalben auf der Gesteinsober-
fläche ihre deutlichen Spuren zurückgelassen.
Im Kalke» wo sich mit der Gewalt des Stosses auch noch die auflö-
sende Kraft des kohlensäurehaltigen Wassers vereinigt» sind deren Wir-
kungen am kräftigsten und mannigfaltigsten. — Ganz kleine Bäche» welche
über stark geneigte Hänge herabrieseln » haben sich oft so tief eingeschnit-
ten» das es zuweilen schwer ist» den Wasserfaden zwischen den bemoosten
Blöcken zu erkennen. Es entstehen dann lange rundliche Rinnen» weite
schalenfSmuge Becken.
Bäche und Ströme haben sich im Laufe der Jahrtausende selbst
40 — 80 Fuss tief in den festen Fels eingeschnitten ; Wasserfälle haben
sich tiefe und weite Becken ausgerieben.
Die nagende» verbunden mit der auflösenden Kraft der Alpengewässer
ist auch der vorzüglichste Grund der kesseiförmigen Oberflächenform vieler
kreideartigen Kalkgebirge und besonders des krainerischen Karstes«
Der Karst ist ein Meer von Stein» Felsen und kesseiförmigen Erd-
iällen. Kein Quell » kein Bach » kein eigentliches Thal unterbricht diese
Einöde» deren Vegetaziou die dürftigste einer wasserleeren Hochebene ist
Nur in den vielen trichterförmigen Vertiefungen des Bodens» welche sich
zuweilen bis 100 und mehr Fuss tief einsenken » bemerkt man einige küm-
merliche Sträucher und Bäume» die hier das nöthige Wasser vor seinem
Versinken zu erhaschen suchen.
Die Tausende von Erdfällen der verschiedensten Weite und Tiefe
erscheinen beim ersten Ueberblick ganz unregehnässig vertheilt; achtet
man aber genauer auf ihre gegenseitige Lage» so findet sich» dass sie eini-
germasserl in gekrümmten Linien aneinandergereiht sind» die sich mehr-
fach verzweigen» und steigt man in die tiefsten derselben hinab» so kann
man zuweilen unter sieh das Rauschen fliessenden Wassers vernehmen. In
der That» sie scheinen hier ganz gewöhnlich den Lauf unterirdischer Bäche
]
1?0
und Flüsse zu besseichnen^ die denn auch wirklich bie und da am absin-
kendei^ F^ipd^ düe^er grqf^efi If^alkebene ifaraya hervprtrete«. ßsas es
so fliej, ist in fixGßßv Qegend so allg^en^ein aiigeqpnune^^ dass m^n 4«r«ttf
den Pla/i gegi*$n4^ hat^ /die Stadt 'Pnest au/i eineip 4ieMsr lyntßrpfdMHcheii
Bäche durch einen Stollen mit Trinkwasser zu vemejien.
Da nun dieser Kalk besondere stark zerklüftet (st^ so mpgen schon
gleich nAfJx der jßotst^^ing dieses Gebirges die meisten atmosfarischen
Wässer in diese Klüfte versanken sein, um sich am Rande des Gebirg«-
buc^els einen Ausweg zu suchen. - Schon an den Blöcken, welche die
Oberiläche des Kalkes bedecken und ain festen Gesteine erkennt man
überall tiefe Ausnagungen mid Answaschungen, welche beweisen, iM»
dieser Kalk den Wirkunf^en des W^^^ers m'cht sehr widersteht' So
müssen denn nun ancli in allen den vom Wasser durchströmten unterir*
dischen Zerspaltnng.en fortwährend Auswaschimgen stattgeQmdeo haben
und noch j^taUfinden. Die Bäche wuschen sieh nach und nach förmliche
Bette aus; wurden sie irgendwo zu weit, so stürzte die Pecke ein» uim)
es entstand ^n djer Gebirgsol^ernäehe ein |Cessel. Aber die ^eit, welche
dazu nöthig war, um den Karst so zu gestalten, wie wir ilni jetzt sehen,
liegt freilich über jede menschliche Vorstellung hinaus»
Aehnlicfae, gleicl^falls aus der ^fagekraft des Wassers hervorgegan^
gene Kesselbildungen ün^n sich auch — wohl in viel kleinerer Ausdeh-
nung anderwärts; z. B; auf ^Pr Hochebene des salzburgischeu Temieii-
gebirges.
Der Nagekraft 4es Waaserip verdanken wir einen guten T|ieil gert«}e
unserer besten Krumen; sie setzt die Erdbildung ununterbrochen fort, ynd
dieselben Hochwasser, welche die Grane) ihrer Verwüstung bis ureit in
die Ebene hinauftragen, decken diese ihre Zerstörungen wieder grossen-
theiis mit den fruchtbaren Ergebnissen ihrer Heibnngen, und liefern den
Fluren grosse Massen des fruchtbi^rsten Lettens.
So auch hier wieder kejn Fluch ohne einigen Segen-
57
Zertrfimmening der FelsoberflSche, Schntthalden und Steinstfirze.
Kaum standen die Berge unserer Alpen vollendet da, so begaiuien
auch die Meteore auf ihre Oberfläche zertrümmernd zu \iirken. — Das
Wasser drang ein in die Absonderungsflächen des Gesteines und
sprengtß es.
Die hohen Kämme vieler Kalkberge finden wir noch heute mit ecki-
gem, lose aufgeschichtetem Gesteine bedeckt i welche nichts als die
Trümmer des früheren festen Felses sind, die ihre ebene Erzeugungs-
stelle nicht wohl verlagsen konnten* — Auf den flachen Kuppen der Gra-
nitberge liegen noch immer die ursprünglichen Bruchstücke in Gestalt von
mächtigen Blöcken umher, nur sind ihre Ecken längst abgewittert, bo
}<1
daas sie jetzt w^ie WoIlsäcLe anzuschaueii sind. Die Baaalte und Melafire
zerfielen in sehr g^^noben Steinschutt , bei ersfißr^m von säulig^/sr oder scha-
Ugjdr^ bei letzterem von plattiger Fotrin. Der Porfir wurde znn» Tbeil in
g^rössejre Blöcke« zum Tbefl in eckif^en SeUutt ^^^erspreugt.
Die Schiefergesjteine , besQudars die kalkigen , lÖKtßa sidb tief hinein
in ahermals «chieferige Bruchstücke und zuletzt ölter in kleinen brocke-
ligen und erdigen Schutt auf.
Wo ^egen der zu grossen Neigung der Erzeugungsstelle die Trüm-
mer sich iiiclit zu halten vermochten^ rutschten oder stürzten sie in die
Tiefe hinab « halfen dort zum Theile die Thäler ausfüllen, zum Theil
häuften sie sich zu jenen sanften Schutthügeln, vorspringenden Riegeln
und Hängeq an , auf welchen «päter gewöhnlich die Feldwirthscbaß ihre
Statte aufschlug.
Nach und nach überzog sich jedoch das Trümmerwerk im Bereiche
des Vegetazionsgürtels mit Pflanzen wuchs , es bildete sich ^na Igrddecke;
nnabselib^re und mächtige Wälder und Grastriften entstanden ; der MeiMfch
brach den Boden zu Acker und Wiese um, und heutzuta*ge sind die Ergebnisse
der einstigen Zertrümmerung fast überall mit Ackerkrume und Grasnarbe, mit
Wald und Gesträuch bedeckt, und dadurch grösstentheils sowohl uJMerem
Auge als auch den weiteren Veränderungen entzogen«
Der kümmerliche Ptlanzenwuchs der Fernerregion konnte hier zwar
solch gewaltige Umänderung nicht erzwingen, aber der ewige Schnee
uiul das evnge Eis übernahmen seine Rolle und fiberdeckten für inmer
das Ergebni^s der ersten Zertrümmerung.
Beute liegt daher das Werk vorgeschichtlicher Zeratörong nur mehr
auf jenen Stellen offen, welche s^u steil sind, ^Is das« Erdkrume, Pflan-
zenwuchs oder Firn sich dort zu halfen vermöchten. — Zwischen der
Firnregion und der oberen Wäldergrenze, wo das Klima der Rasenbil-
dung schon sehr ungünstig ist, sind das alle steileren Stellen, von dort
aber abwärts nur inehr die vorspringenden Felsen und die Wände. Hier
geht also auch die Zertrümmerung ununterbrochen ihren Gang und sendet
fort und fort ihre Bruchmassen hinab.
Von der Grösse der Bruchstücke hängt es zumeist ab , wie tief sie
über den Hang hinabgehen. Kleiner Schutt bleibt bald liegen; grosse
Trümmer, wenn sie nicht allenfalls bei ihrem Auifallen in Schutt zersplit-
tern, kollern oder gleiten sehr tief, und fallen sie auf nur einigermassen
festen Grund, so nehmen sie eine springende Bewegung an, und stürzen
in immer mächtigeren Sätzen und mit Immer steigender Gewalt bis in di^
Thäler hinab*
Wo fort und fort der Schutt herabstürzt, kann kein Wald und oft
nicht Qinnfal spärlicher Rasen aufkommen • Daher zieht sich nirgends die
Vegetazion bis hart an den Fuss der Wände.
Da die meisiten Abänderungen des Alpenkalkes sehr zur Zersplitte-
rung nach ihren eigenthümlichen Abaonderungsflächen geneigt sind, so
stürzen von seinen sehr zahlreichen und mächtigen Wänden noch immer
sehr bedeutende Steinmassen herab, welche bei ihrem Auflallen gewöhn-
lich noch weiter zersplittern und am Fusse dieser Wände jene langen
und breiten pflan'zenlosen Schutthalden bilden, durch welche sich das
Kalkgebirge von jeder andern Felsart sehr wesentlich unterscheidet Die
unaufhörlichen Abstürze lassen diese Halden in der Regel nie zur Ruhe
gelangen, sie verhindern die Erdbildung und das Ueberziehen mit Pflan-
zenwuchs* Mag zu deren Pflanzenlosigkeit wohl auch ihre hervorragende
Dfirre, so wie der Umstand sehr viel beitragen, dass der Kalkfels zwar
sehr leicht zersplittert aber nur sehr schwer in krumliche Erde verwittert,
so liefert doch das allmähliche Bewachsen von alten Kalkschuttmuhren,
so wie die gedeihlichen Vegetazionen vieler ans derlei Schutt bestehender
Hänge den Beweis, dass auch diese Halden dem Pflanzen wuchs zugängig
wären , wenn sie nur einmal zur Ruhe gelangen würden.
Den reichlichsten Zuwachs bekommen die Schutthalden von den höher-
gelegenen Wänden, und insbesondere von jenen der Fernerregion ; weil die
Häufigkeit und die Gewalt der Fröste mit der Meereshöhe sehr bedeutend
wachsen.
Die Grösse der Schutthalden hängt einerseits von der Höhe und
Ausdehnung der Wände, vorzüglich aber von der Zersplitterungsfähigkeit
des Gesteines ab, welche bei vielen Abänderungen des Kalkes so gross
ist, dass sich sozusagen von Miimte zu Minute Bruchstücke loslösen.
Die Schutthalden des Kalkgebirges entziehen in den Alpen sehr be-
trächtliche Bodenflächen der Kultur; insbesondere der Waldstand wird
durch sie sehr zerrissen und geschmälert* Die alten zur Ruhe gelangten
Halden bewachsen sich zwar, aber sie bleiben gewöhnlich sehr schlechte
pflanzliche Standorte; der Wald hat dort geringen Zuwachs, und häufig
vermag nur die Legföhre auf ihnen fortzukommen ; diese jedoch gedeiht
dort ziemlich gut und ist besonders in den Höhen die geeignetste Holzart
für diese Stellen.
Diese Halden sind jedoch auch nicht ganz ohne Nutzen* Sie liefern
z. B. einen schon fertigen recht guten Strass^nschotter , der umsomehr
geschätzt wird, als er in der Regel ganz an der Hand liegt.
Die Gebirge der übrigen Felsarten sind nur sehr selten reich an
Schutthalden, denn weder bilden sie zahlreiche und mächtige Wände,
noch löst sich von ihnen so nachhaltig das Gestein ab* Ihre Halden —
oft nur eine Anhäufung grösserer Steine und Blöcke — bewachsen sich
daher gewöhnlich bis hoch hinauf und um so lieber mit Wald , als diese
Felsarten der Erdbildung zugänglicher sind.
Das Abstürzen der Felstrümmer ist, abgesehen von den unfrucht-
baren Schutthalden, eine der vielen Geissein der Alpenthäler. Die abstür-
zenden Steine verwunden und knicken nicht nur vielfältig die Holzge-
wächse , reissen den Rasen der Weiden und Wiesen auf, verderben Acker
und Garten, brechen Strassen, Mauern, Riesen und Mühlgerinne durch;
sondern sie gefährden und knicken nur zu häufig selbst das Menschenle-
ben. Tansende von Thieren und Hunderte von Menschen sind schon das
It3
Opfer von stürzenden Steinmasaeu geworden ; hier schmeUerten sie auf
Straaaen, welche «ich unter FeUwäiiden hinziehen » den harmlosen Wan-
derer nieder; dort schlugen Blöcke, welche in mächtigen Sätzen über
den Abhang herabsprangen, das Dach der gMtlichen Hütte durch und
todteten die kaum genesene Wöchnerin; von welchem Allen die zahb>ei-
chen Kreuze und Votivtafeln hinlänglich Zeugniss geben , welche die
fromme Nächstenliebe der Aelpler den so Verunglückten zu setzen pflegt.
Die eigentliche Zeit der Steinstürze ist das Frühlings-Thauwetter und
die starken sommerlichen und herbstlichen Regenfluthen; beide befördern
nicht nur das ursprüngliche Loslösen der Blöcke, sondern sie bringen schon
einmal abgefallene aufs Neue zum Sturze, indem sie ihre Unterlage beweg-
lich machen. Besonders gefährlich werden die springenden Blöcke, denn
sie halten nicht immer die gewöhnliche Bahn ein.
Gegen die Steinstürze leisten die Wälder vortrefflichen und ofk den
einzigen Schutz; denn selbst die bereits ins S|>ringen gelangten Steine
treffen über kurz oder lang auf einen Schaft, der sie zu Boden zwingt.
Am besten beweisen das die unter den Wänden stehenden Holzbe-
stände. In vielen derselben liegt an der oberen Seite fast jeden Stockes
ein Stein, und die verwundete Rinde zeigt hinlänglich, dass der Schaftes
war, der diesen Stein in seinem Sturze aufgehalten hat
Die Wälder werden auch vielfältig gegen die Steinablösungen in Bann
gehalten. Aber bloss das Hochholz vermag hier völlig zu entsprechen.
58
BergstSrze.
Aber nicht bloss einzebie Blöcke oder einiger Schutt löst sich von den
Felswänden los, sondern ungeheure Massen^ ja selbst ganze Berge stürzen
öfter in die Tiefe. Zwar ereignen sich derlei gottesgewaltige Erscheinun-
gen seltener , aber desto furchtbarer sind die Zerstörungen , welche sie an«
richten. Und selbst die Seltenheit bezieht sich nur auf die kurze Dauer des
Menschenlebens, denn von der Erschaffung unserer Hochberge an gerechnet,
sind sie sehr zahlreich, besonders in den Kalkalpen erfolgt; eine Unzahl
von weit vorspringenden Riegeln , von Kesseln und von vereinzelten kleine-
ren Bergen und Wällen von unfruchtbaren Blockfeldern ist durch Berg«
stürze entStauden, jedes grössere Alpenthal gibtZeugniss davon.
Die Beschreibung einiger Bergstürze , deren Verwüstungen ich selbst
gesehen, deren Ursachen ich jsielbst auch nachgespürt habe, soll das Nöthige
erläutern.
Das Gestein des Alpenkalkes ist besonders im Süden häuGg so brückig
und zerklüftet, dass eine an sich unbedeutende Erschütterung oft die Ursa-
che wird, dass zahlreiche Klippen, ja ganze Bergwände in Trümmer und
IM
Schutt s&erfittaii. ^ Eine solche Erschüterung* — etwa durch eine kleine
L«%vine v«ranliMt -** bringt mizeine freistehende Klippen zum Fall; die
Erschttttemiig^ pflanzt «ich fort und rüttelt die n&chaten Gebirgsmaasen aus-
eiMn4er » welche g^leidifallB herabstArzend , wieder weitere Brüche inso-
laofe naek sich ziehen, bis endlich alles minder feste Gestein der nächsten
Umg^ebungp losgebrochen und abgestiirzt ist. — Ich habe diese Erscheinung*
sehr oft and am schönste» auf den Sattel Dnrano (Provinz Belhmo) beob-
achtet» als ich dort «'nmal Mittagsruhe hielt — Von der Höhe des nebenlie-
g^enden 'Monte graira lösten sich einige bedeutende Felsmassen ab , und
stiirzten qnter furchtbarem Krachen hinab in die Tiefe. Augenblicklich wur*
den die getroffenen WSnde beweglich, und stürzten in Schutt umgewandelt
nach. Ihnen folgten neue Massen , und zwar aus Stellen , die durch den
Fall der ersteren gar nicht getroffen wurden, und so dauerte das RoHen und
Fallen fort und fort; tief in die Nacht hinein hörte ich noch das Gekrache
des brechenden Gebirges nach Goima hinab.
Die Brüehigkeit des Kalkes dieser Gegenden scheint mit seinem Gre-
lialte an Bitnnen und Kohle in Verbindung zu stehen, wenigstens zeichneu
sieh alle diese brühigen Massen durch dunklere Färbung und bituminösen
Gerach , so wie durch hSnflge Knollen und Blätter Ton Kohle oder durch
Kalkputzen aus, welche von Bitumen so durchdrungen sind, dass sie wie
Kohle aussehen, und eine gute Weile mit Flammen brennen.
Aus solchem Kalke besteht der Anteiao , ein Bergstock im bellunesi-
sehen Boitothale. Sein Joch ragt hoch über die Waldregion hinaus. An
seinem Fusse springen namhafte Berge und ausgedehntes Gehügel in die
Thalsohle vor, welche nachweislich aus den Trümmern von Felswänden
bestehen, welche sich zu verschiedenen Zeiten in ungeheuren Massen von
oben losgelöst haben. — Unter diesen Vorbergen liegen einige Dörfer und
mehrere Kirchen begraben.
Die venezianischen Geschichtschreiber erwähnen eines dortigen Berg-
sturzes schon in dem Jahre 1347. Genauere Nachrichten jedoch hat man
nur von den zwei letzten Bergablösungen.
Am 7. Juli 1737 lösten sich nach langdauerndem Regenwetter von dem
First des Anteiao mehrere Wände und eine Unzahl von Blöcken ab, und
verschütteten das Dorf Sola, den nahen Pfarrhof und eine grosse Zahl von
Feldern, welche der menschliche Fleiss dort dem Schutte früherer Berg-
stürze abgezwungen hatte. Das aus diesem Falle hervorgegangene Gehügel
ist bereits mit Gras bewachsen und selbst einzelne Fichten und Buchen ha-
ben sich darauf angesiedelt — Man unterscheidet die Massen dieses Sturzes
jedoch recht gut von den früher herabgekommenen, und auch die Stellen,
an denen sie oben losgebrochen sind, machen sich durch die noch zurück-
gebliebenen Klippen sowohl, als auch durch den Schutt kenntlich , mit wel-
chem sie die zahlreichen Schluchten und Furchen ausgefällt haben , welche
sich am Abhänge herabzogen.
Der fflrcbterlichste Sturz war jedoch der letzte, welcher am 2t. April
19141 zwischen 9 und 10 Uhr Vormittags erfolgte.
14S
Die Dörfer Jaolen aud Marceana, im Ganaen TO'HiiMer , mahr als 300
Menschen , über 400 Hausthiere und etwa 1000 Jod» Felder und WaM fm-
den für immer ihr Grab anter den plötzKch Hiederslftr^enden angfeheiiren
Steinmassen« Am Fasse des Gebirg^es theibe sich die nngfebeare fiteiDla«
wine in zwei Arme; der eine Zweig fuhr in den Boite hinab «tfid staute
diesen Fluss za einem See auf» der erst nach zwei Jahres wieder Töllig^
zum Abfluss g;elangte ; der andere Zweig jedoch iiibr fiber de» Strom auf
die andere Thaheite hinüber, S50 Klafter über das von ihm ganzlieh zer«
störte Joalen hinaus. — - Durch zwei Tage bopte man das Geschrei und
Gejammer der verschütteten Meoflichen durch diois Gestehe hindurch; aber
die Grösse der gerade dorthin gelangten Blöcke* ttMchte ihre Rettung un*
möglich.
Die Schuttberge und Steinwalle dieses letzte» Sturaes haben bis jetzt
noch wenig von ihrer grausenhaften Oede verloren.. Hie und da ragt im-»
mer noch ein halb vermoderter Strunk des begrabenen Waldes hervor^
auch, deckt noch kein Anfang von Erdkrume diese scheußlichen Ruinen,
nur erst einige Grashalme untwbrecben ihr trauriges Wetsa Von Holz«
gewachsen sprosst hie und da. nur die Weide als unscheinbarer firdstrauch
hervor.
lieber die Veranlassung der Anteiao -Bergstürze obvnait^t nichl der
geringste Zweifel. Kein Abgleiten der oberstea. F^cth^chiehtea ÜMsd hier
statt«, denn die Bruchflächen stehen fast rechtwinkelig auf die Rieh&ung der
Schiebten und aus dem Getrümmer ragen noch einzelne FelssmaMOn und
scharfkantige KJippenreihen hervor, um und über Welche die stürzenden
Massen hinabgingen ; auch wich die Basis des Berges nichts sondteirn das
gmte Gebirge fiel in sich selbst in Trümmer und Schutt zusammen.
Der obere Theii des Hfonte Piz bei Alleghe (Provinz Belluna) schien
sich Anfangs April 1771 etwas über das Joch der KalkbergHette von 8.
Tommaso, über welches er machtig empor stieg, hinab geschoben zu
haben, sehr bedeutende Steinmassen stürzten von ihm < ab, wahväeheinlich
schon früher abgesprungene Bruchstücke, welche durchi die Nieigimg des
Berges 0sgen das Thal plötelieh aus ihreoB bisberigen> .Gletehgeraridlit ks»-
men< ^Diese verdachtigß firscbeiiiung hätte soUen die Bewohner der am
Fusse des Berges gelegenen Qrtsdiafleni aufschreckeh»; aber gewohnt a*
SCeinfalle« beachtete sie Niemand.
Etwa 6 Tage darauf^ d. i. i*der Nacht des 11. Aprü t77U fuhr jedoch
plötzlich der ganze Piz vom Joßhe herab und mit furchtivarer Gewalt an
die gegenüberliegenden Felsenriffe anprallend , zerfiel er in eiiieii Berg von
Trümmern, welche die drei Ortschaften Peron^ Riote und Marin sammt
etwa 00 Einwohnern mit all ^ ihrem Vieh und Hausrathe unter sich begruben
und den Wildbach Cordevole alsogleich zum See aufstauten.
Die Fluthen stiegen schon im Laufe von 3 Tagen auf 17 Klafter HöhP
ui^d ertränkten die Orte Sommariva und Fnciue, deren Bewohner sidi
r
IM
jedochüammt aller beweglichen Habe retteten; und kurze Zeil darauf stand
das Waaaer 2S Klaftern hoch und erstreckte sich 2500 Klaftern zurück, die
beiden Pfarrdörfer Allegphe nnd Caprile in Furcht und Schrecken setzend.
Hier aber überströmten die Flathen bereits den Steindainm, was deren wei.
terem Wachsen ein Ziel setzte.
Etwa einen Monat darauf folgte dem Piz noch ein auf dem Joche zu-
rückgebliebener Sleinrest nach, welcher mit solcher Gewalt in den See
stürzte, dass dieser eine ungeheure Welle über das Dorf Alleghe schlug,
welche die eine Wand der Kirche eindrückte, zwei im Pfarrhofe beschäf-
tigte Mägde ersäufte und in ihrem Rückwege das Allerheiligste mit sich
führte (welches aber spater wieder aus dem See gefischt wurde). — Nach
drei Monaten endlich brachen die Wässer den obersten Theil des Steindam-
mes dnrob, in Folge dessen der See in jene Grenzen zurücktrat, in wel-
chen wir ihn heute noch antreffen.
Der durch den Bergsturz gebildete Steinwaii mag etwa 1500 Klaftern
lang sein. Er begrub den ganzen Waldstand anter sich , mit welchem der
Berghang überzogen war , und der Anprall auf der jenseitigen Abdachung
war ISN) «tark, dass dort alle vorspringenden Klippen in Trümmer gingen
und sammt dem darauf wachsenden Fichtenhorst die ungeheure Steinmasse
yermehren halfen.
Dieser entsetzliche Bergsturz war nur ein Abgleiten des oberen Berg-
theiles über die' stark geneigten Schichten der Kalkmassen des Hauptjoches,
was darum erfolgte, weil das Zwischenmittel — eine dünne Lage von
Stfickmergel ^ soweit verwitterte, dass es zuletzt dem ungeheuren Drucke
der aufliegenden Gebirgsmasse nachgeben musste. Die Trennungsstelle
steht jetzt als eine ganz platte, stark gegen den See geneigte ebene Platte
da, was an und für sich schon auf die Ursachen dieses Ereignisses hindeutet
Der Fremde , welcher jetzt von Caprile herab an den herrlichen tief
grünen Aileghesee gelangt und dort festgezaubert bleibt von dem unnennba-
ren Reiz dieser' herrlichen Gegend, welchem das friedliche Alleghe mit
seinem einfachen Gotteshause, umgeben von den üppigsten Wiesmatten und
dem dankeisten, saftigsten Gründer Wälder, der Sitz zu sein scheint der
nie gestörten glücklichsten Ruhe, der Fremde würde nie ahnen, weich
fbrchtbarem Ereignisse der Glanzpunkt dieses prachtvollen Bildnisses : der
See, seine Entstehung verdankt, wie viele Menschenleben das Zustande-
kommen dieser paradisischen Landschaft gekostet hat.
Steigt man jedoch von St Tommaso aus zum See hinauf, dort wohl
ahnt man die Katastrophe« Dort stürzt der Cordevole in hundert kleinen
Wasserfallen über ein ungeheueres Gewirre von gewaltigen Felsblöcken her-
ab, und -oben angekommen, zieht sich die breite Sturzbahn bis hinauf auf
das entgipfelte Joch, heute fast noch ebenso geisterhaft und öde, wie zur
Zeit des beschriebenen Bergfalles.
Zwischen den grossen Steinblöcken hat sich schon wieder ein er-
träglicher Wald angesiedelt, auf dem kleinen (Reibungs-) Schutte der
Sturzbahn jedoch kaum erst einige Gräser und Erdsträuche. Einige strup-
pig^e Fdhren und Fichten, welche wahrscheinlich als kleine Pflajizling^e
von oben dorthin g^ekommen sind, vermögen kaum das Leben zu fristea.
Auf ganz andere Weise wurden die Wände der Mojazza de! Durau
(Provinz Belluno*) beweglich und wälzten ihre Trümmer durch das Pova-
thal, mehrere tausend Klaftern weit bis Agordo hinab.
Auf grauem Sandsteine durch rothe Mergelschichten getrennt ruhte
die Mojazza wie die ganzen Bergmassen, welche dort die Bezirke Agordo
und Zoldo scheiden; und da dieser Sandstein so sehr der Verwitterung
unterliegt, dass er an der Luft bald in Sand zerfällt, dabei auch der Ein-
wirkung des Wassers ebenso wenig widersteht, da ferner gerade am Zu-
sammenstosse des Sandsteines mit dem Kalke zahllose Quellen hervor«
brechen, so sind im Laufe der Zeit bedeutende Strecken des Grundes
erweicht und zerstört worden und strömten endlich in Brei umgewandelt
sammt den Trümmern der nachstürzenden Kalkwände in die Tiefe hinab.
Mehrere hundert Fuss hoch füllte der Schuttbrei der umgestürzten
Mojazza das Dugonthal aus und grauenvoll starren auf der Höhe noch
jetzt einzelne scharfkantige Klippen hoch über die ungeheuren Trümmer-
massen hervor, zersplittert und aus ihrer Stelle gerückt, sich aneinander-
lehnend und gegenseitig stützend. Sie gehörten Felsparthien an , welche
auf festerer Basis ruhend, erst unter dem ungeheuren Drucke der nach-
rückenden Masse zersplitterten.
Die ins Hauptthal hinaus geführten Schuttmassen verwandelten dort
die herrlichsten Maisfelder in ein unabsehbares Schuttmeer.
Jedes Hochwasser trägt aus den beweglich gewordenen oberen
Schutthalden neue Massen herab , überschüttet damit wiederholt die Gras-
felder und wühlt sich ein neues Bett auf — So lange nicht die ganze Schutt-
ausffiUung des Dugonthales herab gegangen ist, lässt sich an keine sichere
Wiederkultur dieser Böden denken, und bis dorthin kann ein Jahrhun-
dert vergehen.
Gegen so gewaltige Bergstürze hilft kein Menschenwerk, hilft auch
Nichts der Wald ; dieser steht mit denselben nur insofern in Verbindung,
als er von ihnen gebrochen nnd begraben wird. Nach Jahrhunderten
werden unsere Enkel vielleicht seine Reste als Brannkohle zu Tage fördern.
59
Erdansrisse ud ErdabsitzimgeiL
Ich habe schon oben erwähnt, dass die Schiefergesteine und insbe-
sondere die kalkigen bis tief ins Gebirg hinein in kleinen schieferigen
Schutt verwittern. — Aehnliche Halden häufen sich auch am Fusse hoher
Kalkwände dann an, wenn die fort und fort herabstürzenden Steine dort
in kleinen Gruss zersplittern. Von derlei Metall sind auch die ange-
schwemmten Vorhügel, Riegel und Kegel der Thalregion ; denn sie beste-
hen aus Schutt, Sand oder Lehm.
r
m
Att diese etnigermassen losen Anhäufungen nehmen nach Aussen ein
ihrem Zosammenhang^e entsprechendes Gefälle an, und überziehen sich
dann mit einer Grasnarbe oder mit Wald.
So langte der Zusammenhang dieser Massen nicht vermindert wird,
ist nichts zu besorgen, sobald sie aber beweglicher gemacht werden —
und die gewöhnliche Veranlassung hierzu ist das eindringende Wasser -—
so müssen sich die Theile so lange verschieben, bis die Masse die ihrem
nunmehrigen geringeren Zusammenhange entsprechende sanftere Böschung
angenommen bat So lange die Masse doch noch einen gewissen Grad
von Festigkeit besitzt,' ist diese Aenderung der Böschung nur mit einer
Senkung des oberen und mit- gleichzeitiger Vorschiebung des unteren
Randlos verbunden. Wenn aber Schutt und Erde durch grössere Was-
sermengen formlich flussig geworden sind, so folgen sie auch ganz den
hidrostaliiTchen Gesetzen, si fliessen von der geneigten Grundlage förm-
lich ab, und die Masse kommt erst wieder zur Ruhe, wenn sie sich auf
einer Ebene ausbreiten kann , oder wenn sie in ein geschlossenes Becken
gelangt.
Das Herabsitzen kann auch bei festerem Schutte eintreten , wenn
dessen Grund unterwühlt wird; indem dann die entsprechende, paralell
nach der Böschung sich hinaufziehende Schicht ihre Basis verliert und
über die darunterliegende Masse abgleitet.
Bei Schutt- oder Erdansammlungen ist auch ein gewisser Seitendruck
vorhanden, welcher in der Hauptsache dem BeweglichheiUgrade der
Masse entspricht. Gesetzt nun den Fall , es würde eine solche Ansamm-
lung durch eingedrungenes Wasser in ihrem Innern beweglicher werden,
so mehrt sich auch der Druck dieses flüssigeren Kernes gegen die Aus-
senseite des Hanges, und dieser kann sehr leicht hinausgedrückt werden
und müsste dann schon von selbst absitzen; wenn auch der beweglichere
Kern gar nicht nachdrücken würde.
Wenn das eingedrungene Wasser im Innern eine schiefe amPus«e des
Hanges ausgehende Schuttschicht beweglich macht, so muss die darü-
berUegende festere Oberfläehenschicht auf ihr sdbst dann abgleiten, wenn
sie deren Seitendruck noch recht gut aushalten köimte.
Bei allen diesen Bewegungen kann nie ein Stürzen eintreten, son-
dern immer nur ein Zurücksitzen , ein Abgleiten^ ein Fliessen, durch
welche Bewegungsweise sich die Berg absitzun gdn sehr wesentlich
von den Bergstürzen unterscheiden.
Di6Ss sind in schlichten Worten die wenigen hidrostatischeu Gesetze,
nach welchen sich die Brdabsitzungen, (auch Muren oder Schlipfe genannt)
bewegen: sie dürften völlig hinreichen, zum Verständnisse der jetzt dar-
zustellenden Erscheinungen.
Der geschlossene Wald und der zusammenhängende Rasenfilz sind
auf allen Bergabdachungen ein kostbares Gut, denn sie lassen nur wenig
Regen oder Schneewasser in die Tiefe dringen^ der geschlossene Wald
^
IM
wenigatona nicht so viel, als nöthig wäre, um Erd^uarisse oder Abaitzun-
geo zu veranlaasen«
Die Wälder werdeu aber in den Hochbergen gewohnlich mit allei-
niger Rücksicht auf die leichte Bringung des Holzes kahl gehauen. Da-
durch gelangt nun plötzlich das Regenwasser (welches früher durch die
Baumkronen au%efangen und dort grossentheils verdunstet wurde) unver-
mindert auf den Boden« Wäre dieser mit Rasen fiberzogen, so würde
dessen grösserer Theil über den Hang abfliess^n, ]E!inß zusammfifihän-
gende Grasnarbe bildet sich jedoch erst nach mehreren Jahren , mittler-
weile nun dringen die Regen - und Schneewässer ziemlich ungehindert in
den Boden ein«
Bei der Fällung und Aufarbeitung, noch weit mehr aber bei der Ab*
bringung des Holzes wird überdiess der Boden vielfaltig wundgeschlagen
und aufgerissen. Die Querrisse halten als ebenso viele kleine Mulden
das abfliessende Wasiser auf und zwingen es zum Einsitzen , die Längen-
risse gestalten sich zu eben so vielen Rinnen , in wßlche siph' das Was-
ser ansammelt um nach dem Hange hinabzulaufen*
Aufs Aeusserste geht die Verwundung in jenen iSnißü, nach welchen
man das Holz ganzer Schläge (Langholz) durch Abtreiben oder (Kurz-
holz) durch Stülpen in die Tiefe zu bringen pflegt Hier wird der früher
oft ganz unverwundete Boden über den ganzen Hang hinab häufig in
einen formlichen Graben umgewandelt; in welchem dann die Regen- und
Schneewässer um so lieber zusammenflieasen, als man nie den Riegel
sondern möglichst die Mulden zu Erdgefahrten wählt.
Endlich arbeitet man das Holz der Hochberge gewöhnlich zu 8 — 16
fiisaigen Klötzen auf und bringt sie oft noch grün ab. So schwere Wellen
verwanden natürlich den Boden 90—100 Mal stärker, als etwa das Scheitholz*
Kurz Alles vereinigt sich beim kahlep Abtriebe der bewaldeten Berg-
abhänge zur Förderung der Wasserwirkung auf den Boden« Ist dieser
seicht oder undurchlassend (Thon) so beschränkt sich diese Wii*kung auf
eine blosse (oberflächliche) Abschwemmung« — Ist er jedoch sehr tief
und durchlassend, oder gar der Aufsaugung sehr zugeneigt — wie das
bei den obberührten Schuttböden der Fall ist — dann wohl treten nur zu
häufig mehr oder weniger bedeutende Absitzungen ein.
Der zusanunenhängende Rasenfilz leistet gegen das Eindringen der
atmosphärischen Wässer ähnliche Dienste wie der Wald, nur bei weitem
nicht in so hohem Masse. Denn während beim Wald ein grosser Theil
.des Regens gar nicht auf den Boden gelaugt (und die Schneedecke immer
weii geringer ist), fällt er auf die Rasenflächen ganz unvermindert. Aber
immerhin lässt der Rasen viel weniger Waaser eindringen, als der völlig
entblösste Boden und dann schützt er die Krume auch sehr gut vor der
Abschwemmung.
Daher ist auch die sorgfaltige Erhaltung der Rasendecke eine Haupt-
bedingung zur Verhinderung von Erdabsitzungen. Aber nur zu oft wird
sie nicht gehörig beachtet
9
Die dritte Gattung von Abaitsungen ist jene , wo die obenite Schicht
eines losen Berghanges heruntersit^t , weil sie ihres Fasses beravbt wor-
den ist. Gewöhnlich geschieht das, wenn besonders grosse Hochwasser
in derlei Halden einreissen, oder durch irgend eine Veranlassung aof
diese Seite geworfene Wildbäche zu unterwaschen beginnen. Manchmal
werden sie aber auch durch Weganiagen veranlasst» zu deren Behnfe
man in den Hang hineinschnitt, ohne die abgeschnittene Wand durch
eine entsprechend starke Stützmauer oder durch Verarchung gehörig zu
sichern.
Diese Afositzungen werden in der Regel ziemlich grossartig, denn
sich selbst überlassen, sitzt nach und nach der ganze Hang Cbia zum
nächst oberen Absätze) in derselben Dicke herunter, in welcher seine
Basis entfernt wurde.
Will man einer solchen Absitzung Schranken setzen, so bleibt nichts
übrig , als den weggenommenen Fuss durch Uferschutzbauten oder Stütz-
mauern zu ersetzen» Geschieht das nicht, so rückt das Erdreich fort und
fort nach, denn die Wässer führen die neugebildete Basis immer wieder
fort, oder die Strassenarbeiter räumen sie hinweg, und zuletzt wird die
Absitzung ein gewöhnlicher Ausriss.
Bei den Absitzungen dieser und der vorigen Gattung lasst sich gleich
Anfangs manchmal mit Wenigem abhelfen, da die ganze abrückende Masse
sich häufig nur senkt, an ihrer Oberfläche aber ziemlich unverändert
bleibt, so dass höchstens oben, wo sie sich von der festgebliebenen Decke
losgetrennt hat, eine kleine Schuttwand zu Tage kommt
Sind die Schuttkegel oder Ueberschüttnngen , welche die Absi-
tzungen in den Thälem gebildet haben, zur Ruhe gelangt, so können sie
gewöhnlich mit leichter Muhe bem4iart werden; nur diejenigen, welche
aus Kalkschutt bestehen, versagen jeden Erfolg, und sich selbst über-
lassen , brauchen sie ein oder zwei Jahrhunderte, um sich mit Rasen oder
Wald zu überziehen.
In den Hochbergen finden wir die Erd* und Bergabsitzungen zu vie«
len Tausenden, besonders das taUdge Schiefergebirge ist <U>erreich daran ;
allenthalben grinsen uns dort frisch klaiTende Wunden oder kaum geheilte
Narben des Gebirges an. Fragt man nach der Ursache, so ist leicht Ant»
wort zu geben. Die ungeheure Regenmenge mit all' ihren gewaltigen
Folgen und die Vernachlässigung nnd die Verwüstung des schützenden
Waldstandes, ist es unter hundert FäU«i neunundneunzigmal.
Der geringste Schaden der Bergabsitzungen besteht in dem Verluste
des abrutschenden tragbaren Bodens; weit nachtheiliger wirken sie durch
die zerstörende Kraft, welche ihr Schutt den Wildströmen ertheilt,
und entsetzlich sind die Verwüstungen, welche sie anrichten, wenn ihre
Massen, sich quer über das Thal legend, einen Strom zum See aufstauen,
wie es nur gar zu oft geschieht
Im Obigen ist zwar die Verbanung der Absitzungen angedeutet
Aber wie wenig kümmert man sich darum in Ländern , wo num sicii
18B
g;eTr5hnlich nicht einmal bemüht, durch die einfachsten und gewiasermassen
kostenlosen Mittel ihre Entstehung zu verhindern. Und dann stehen auch
wirklich die Kosten der Verbauung* wenigstens später im ärgsten Missver-
hältnisse zum Werthe des absitzenden Grundstückes» Ganz anders würde
sich freilich öfter die Rechnung gestalten, wenn man alle die Schaden in
Anschlag br&chte, welche sie im Gefolge haben 5 aber diese Schäden wer-
den erst kund, nachdem sie geschehen sind; Derjenige, dessen Grund ab-
sitzt^ achtet nicht auf sie, und die Gegend, welche diese Folgen zu büssen hat,
konnte bisher nicht leicht vertreten werden.
Und so überlässt man denn die meisten Absitzungen ihrem Schicksale,
und beschränkt sich darauf, von den Verheerungen zu erzählen , welche sie
angerichtet haben.
60
Die Schnttlawine Crepadel vom Jalire 1811.
Im breitesten Theile des Boitethales liegt der Markt Cortina c(i Am-
pezzo hart am Wildstrome. Auf der linken Thaiseite, etwa 1000 Klaftern
vom Strome entfernt, streicht eine hohe, schroffe, und an vielen Stellen
unzugängliche Kette von Kalkbergen hinab , deren sehr brüchiges dolomiti-
sches Gestein schon unzählige Berg- und Pelsabstürze veranlasst hat.
Sämmtliches Gehügel am Fusse der Kette ist aus diesen Brüchen hervor-
gegangen.
Der Cortina zunächst gelegene Bergstock dieser Kette heisst Crepa-
del, bei den Einheimischen auch Faloria. Auch sein Joch bildet einen
Felskamm, und in sein zum Boite abdachendes Gehänge haben sich meh-
rere Bäche eingeschnitten, von denen der stärkste — die Bigontina — am
Fusse des Vorberges Ire Croci entspringt und sich in den Boite hart unter
Cortina ergiesst. Die Bigontina nimmt alle diese Bäche, deren Wässer
mehrere Mühlen betreiben , in sich auf, und eben bei Cortina war sie mit
einer prachtvollen steinernen Bogenbrücke überwölbt, welche zur herrli-
chen Reichsstrasse gehört, die aus Venezlen durch Cortina in das tiroleri-
sche Pusterthal führt.
Die ganze Fläche am Fusse des Gebirgsstockes Crepadel bildet ein
weites Becken. Es waren lachende Fluren , überisrait mit Höfen und Hän-
sergruppen, zwischen denen allenthalben Getreidebau und Wiesenzucht ge-
trieben wurde, und so reich an Quellen, dass fast jedes Haus seinen eigenen
artesischen Brunnen besass.
Die drei grössten Häusergruppen lagen jenseits der Bigontina von
Oben nach Unten in folgender Ordnung: Alvera di sopra, Alvera di sotto
und Pecol. Pecol war etwa 300 Klafter von der oberwähnten Bogenbrücke
entfernt, und Alvera di sopra bei 900 Klafter.
Der Boite fliesst beiläufig 15 Klafter unter der Ebene von Cortina ; von
dieser aus hebt sich die Fläche gegen den Fuss des Crepadel zu, mit einer
IM
Steigung Ton etwa 11 Zoll auf die Klafter« so daas sie hier um 200 Klafter
über dem Bette des Boite liegt*
Dieses ganze gegen den Berg ansteigende Gelände besteht aus den
grösstentheils zu Schutt zerfallenen Trümmern, welche zu verschiedenen
Zeiten vom Crepadel abgestürzt sind.
Nur ist seit den letzten Bergstürzen schon eine ungeheure Zeit ver-
flossen, denn der Schutt ist an der Oberfläche dieser gewaltigen Abla-
gerungen bereits allenthalben zu einer guten Ackerkrume verwittert, die
am Fusse des Cr^adel IV« und weiter unten auch bei 3 Fuss stark ist
Unter dieser Krume ist der Schutt ganz so» wie jener noch nnbewach-
sene, welcher bei dem nahegelegenen Dorfe Borca von dem Bergsturze
herrührt, der 1814 mehrere Ortschaften verschüttet hat; er besteht aus
fast zu Sand zerfallenem Gresteine, vermengt mit Blocken, Baumwurzeln
und Schaftstficken. — Als man 1829 beim Baue der erwähnten Reichs-
strasse in diese Ablagerungen hioeinschnitt, fand man einige Holzstücke
fast in Braunkohle umgewandelt.
Ungeachtet es zwei Wochen vor dem Ereignisse , welches ich jetzt
beschreiben werde, durch volle sieben Tage keinen Tropfen geregnet
hatte, trat sich das Gelände doch an mehreren Stellen auffallend weich;
es hatten sich die Schuttablagerungen dort offenbar schon mit Quellwäs-
sern vollgesaugt
Hierauf stürzte durch volle acht Tage ununterbrochen Regen auf Re-
gen nieder, und zwar mit jener Dichte, welche nur den Herbstregen des
südlichen Alpenabfalles eigen ist.
Am 4. November um 4 Uhr Nachmittags begann das Gelände ober
Pecol sich zu bewegen, in Folge dessen sich die Bewohner dieses Ortes
allsogleich flüchteten. Bald spaltete sich der Boden an verschiedenen
Stellen , und man bemerkte ein zwar langsames aber entschiedenes Herab-
schreiten der abgerissenen Massen gegen dieses Dorf. Endlich am Morgen
des 8. November kam die Schuttlawine in Pecol an, und zerdrückte dessen
erstes Haus um 3 Uhr Nachmittags. Sie hatte innerhalb 6 Stunden den
Weg von 400 Klafter zurückgelegt.
Am 9. um halb zwei Uhr Nachmittags (also 22 Stunden nach dem Zu-
sammensturze des ersten Hauses) waren bereits 12 andere Häuser, darun-
ter Eines von Bedeutung, zerdrückt, und all ihre Bruchstücke in die La-
wine aufgenommen. Diese ergoss sich hierauf in die Bigontina , füllte ihr
Bette und floss unter der steinernen Brücke ab , bis auf eine Klafter unter
deren Bogen heraufreichend*
Der reissende Bach trug ununterbrochen bedeutende Theile der
Erdmassen in den Boite, und trübte dessen Wässer bis zum Piavestrom
hinab.
Das Herabströmen der Erdlawine glich ganz jenem der Lawa. Ober
Pecol kam die La^vine mit mehr als 55 Klafter Breite heraus , unter dieser
Ortschaft zog sie sich etwas zusammen und unterhalb der steinernen
Brücke breitete sie sich abermals aus. Allenthalben sickerte aus ihren
i»
Randern das Wasaer heraus und die erdigen Bestandtheile zeigten sich in
dicken Kotb umgewandelt.
Von dem Striche, an welchem die Massen aus dem Gelände heraus-
traten ^ bis an den Fuss des Crepadel, also auf 1000 Klafter Länge, sah
man den ganzen Boden sozusagen in sich zusammenbrechen ; Diejenigen,
welche sich darauf befanden, sahen ihn deutlich sich vorwärts bewegen
und horten da^ dumpfe Rauschen der, aus den Spalten hervorbrechenden
Massen.
Um k Uhr Nachmittags überstiegen die abfliessenden Erdmassen schon
die Bogenwiderlagen der Brücke, nach weiteren zwei Stunden war die
Lawine um eine Klafter gestiegen und ein unterhalb der Brücke gelegenes
Gebäude wurde von ihr verschlungen.
Da auch die beiden Ortschaften Alvera mit der Zerstörung bedroht
waren, so verfugte die Behörde deren Räumung noch vor Anbruch der
Nacht und man stellte zahlreiche Wachen mit Lichtern von Cortina aus auf,
welcher Markt nicht minder in der grösslen Gefahr schwebte, sobald die
Lawine, Alvera verschüttend, das rechte Bigontinaufer überschritten hätte.
Um 6 Uhr Abends nahm man die Seitenmauern der steinernen Brücke
ab, um durch die Hinwegräumung dieses Hindernisses für den Abfluss der
noch höher steigenden Schuttmassen dieses kostbare Bauwerk vielleicht
noch zu retten. Aber diese Vorsicht war nutzlos, denn wenige Minuten
darauf stürzte dasselbe ein und verschwand spurlos in der Lawine.
Der Himmel wollte es, dass hiemit die Zerstörungen beendet sein
sollten.
Allmählich liess das Nachrücken der Schuttmassen nach und hörte
endlich ganz auf. Aber 100 Joche völlig zerstörte und überschüttete Fel-
dnng gaben noch lange Zeugniss von dem gewaltigen Ereignisse.
Der angerichtete Schade ist auf 165.000 fr. angeschlagen worden.
Obwohl, wie schon erwähnt wurde, bereits die Quellwässer einen
Theil der losgegangenen Massen aufgelöst hatten^ so hätten diese allein
die Lawine nicht hervorgerufen; denn erstens war diese Auflösung nur eine
örtliche, und zweitens ging sie auch nirgends bis zur völligen Flüssigkeit
der Materie. — Erst die furchtbaren Regen brachten die Massen durch und
durch in Fluss.
Man muss voraussetzen, dass sich die Schuttmassen nicht losgelöst
hätten, wäre die in Frage stehende Fläche bewaldet gewesen, denn
dann hätte nur der bei weitem geringere Theil des Regenwassers in
den Untergrund dringen können, während es so, besonders auf den von
jeder Bodendecke entblössten Aeckern fast unvermindert einsank.
i»
61
Die Bergabsitzong Colmandro.
(Wälschtirol.)
Das Gebirge rechts vom Danoi in der Strecke zwischen den Pfarr-
dörfern Canale und Canria besteht aus Grauwackengebilden und der Berg
Colmandro insbesondere aus einem talkigen Thonschiefer, der tief, sehr
tief hinein verwittert und auch sehr quellenreich ist*
Der gegen den Danoi abdachende von mehreren Schluchten tief ge-
furchte steile Hang des Colmandro, d. h. der Schauplatz der gegenwärti-
gen Darstellung war von Oben bis Unten dicht bewaldet , nur ein flache-
rer etwa 400 Klafter über den Danoi erhobener Absatz (Pian della borra)
ist schon in alten Zeiten eben seiner geringeren Neigung wegen in Wie-
sen umstaltet worden. Den Ertrag dieser Wiesen suchte man durch Be-
wässerung zu steigern, und benützte hiezu die verschiedenen ausgiebigen
Quellw&sser der dortigen Rinnsale , sie mittels künstlicher Gräben in das
Grasland hineinleitend.
Schon im Jahre 1793 senkte sich der unter der Wiesfläche zum Da-
noi hinabstreichendetIangtheil(vom Riegel Costa della buse bis zum z weit-
darauffolgenden Riegel Dorso dei mandrizzi) der Art, dass sein oberster
Theil vom Pian della borra abriss, dort eine Schutfwand von durch-
schnittlich 6 Klafter Hohe hinterlassend.
Die Oberfläche der sich senkenden Massen blieb jedoch in der Haupt-
sache unverändert *
Allgemein gab toan dazumal — und zweifelsohne mit vollem Rechte
— eben der Wtesenbewässerung Schuld, denn dadurch , dass man alle
dortigen Wässer, welche in ihren naturlichen Rinnsalen unschädlich abge-
flossen wären, stattdem auf den Hangsabsatz leitete, und sie hier zum
Einsitzen zwang, erzeugte man absichtslos eine weiche, sozusagen flüssige
Schuttlage, weiche eine andere statische Anordnung der das Gehänge bil-
denden Schuttmassen bedingte und ermöglichte.
Schon dieses erste Ereigniss zeigte, vrie ungemein tief die Auflösung
(die Verwitterung) in dieses talkige Gestein gedrungen war; sie hätte sol-
len zu Vorbeugungsmitteln oder wenigstens zur höchsten Vorsicht mahnen.
Die Warnung aber blieb nutzlos, denn nicht nur setzte man die Wie-
senbewässerung auf dem Pian della borra ungestört fort, sondern die firevle
Hand des Eigennutzes legte 1809 sogar die Axt an den Wald, mit welchem
der 1793 in Bewegung gekommene Hang noch allenthalben bestockt war.
Verflucht sei die Hacke, welche den ersten Streich fahrte , wäre sie
lieber zersplittert — an diesen Schäften, gleichwie am härtesten Gesteine.
Die Folgen Hessen nicht auf sich warten. Die Regenwässer, welche
nun unvermindert auf den schutzlosen Boden fielen, schössen sofort in
Masse in die Hauptgerinne CValle (boal) di Canais und Val di Rebrut) zu-
sammen, und schnitten hier tief in den verwitterten Schutt liinein 5 in Fol-
m
ge desaen ebenso dicke Sehichlen der in diese Gterinne abdachenden Ge-
hänge der Riegel (Coala delle buae, dei fondi und dri mandriszi) ihre
Grundlage einbüssten und um so eher dorthin absassen als deren erdiges
Materiale eben durch die Regen sehr aufgeweieht war. — Jeder mdauern-
de Regenfall yeranlasste von nun an Abnitschungeo, die oft bedeutend vnaar-
den, wenn sie gleich lange Zeil auf den unteren Theii des entwaldeten
Hanges beschränkt blieben , da erst hier das durch die 8eite»Kuflusse ver«
stärkte Wasser der Schluchten Rebrut und Canais tief «innschneiden ver^
mochte.
Die damaligen Erdbewegungen haben sich auch bis in das Innere der
Bergmasse erstreckt und dadurch mehreren Quellen und Wasseradern den
bisherigen Gang versperrt. Allerdings brachen sich diese später wieder
neue Bahnen» aber während ihrer Absperrung haben sie zweifelsohne den
umgebenden Schutt in weiten Kreisen erweicht und flüssig gemacht, und
dadurch die späteren furchtbaren Ereignisse vorbereitet und mächtig ge-
fördert.
Zur Zeit der unglaublichen Regen und der ewig denkwürdigen Hoch-
wässer des Oktobers 1823 rissen sich bereits ganz von Oben, zu beiden
Seiten des Rebrut-Thales Massen von solcher Mächtigkeit los, dass sie die
ganze Schlucht bis etwas über deren Einfluss in den Danoi hinaus an-
füllten.
Diese neuerliche, alle früheren an Grösse weit übertreffende Absitzung
setzte völlig ausser Zweifel, dass die Erdbewegungen sich auch in das In-
nere der Bergmasse verbreiten ; denn bald darauf kam Oben (an der Costa
dei maiidrizzi) eine ganz neue Quelle zu Tag, und die obersten Quellen des
Canaisthales versiegten, so dass die Abrutschungen hier vor der Hand ganz
aufhorten.
Die diessmals abgesessenen Massen wurden von den Wässern der
beiden Schluchten grosstentheils in den Danoi getragen , sie trübton seine
Fluthen durch 6 Monate so stark, dass selbst die Brenta auf ebenso lange
Zeit ihre gewöhnliche Klarheit verlor.
Im Dezember 18S5 stürzten abermals die Herbstregen in ungewöhn-
licher Dichte viele Tage ununterbrochen nieder.
In Folge dessen lössten sich am 13. dieses Monats am Rebrutthal»
sowohl an dessen oberstem Anfange, als auch von den beiderseitigen Rie-
geln (dorso dei fondi und costa dei mandrizzi) plötzlich so gewaltige Massen
los, dass alsbald ein ungeheurer Scbuttkegel zu Stande kam, der seinen
Fuss im^ette des Danoi und auf dessen linkseitigem Uferhange (Tondel
delle Tiameiie) aufsteamend, diesen WUdstrom völlig absperrte und zum
See atfirtlmte.
Die wranCerbrochen nachrückenden Massen verllngerten nach und
nach den F«ss dem Schuttkegeis dem Bette des Danoi entlang auf ftOO Klaf.
lern, so dass dessen Ende gerade unter das Dorf Cannle di setto zu liegen
kam.
188
Die herabg^eseflseneDen Massen vertieften die Schuttwand vom J. 1783
nm 1% Klafter dsrchachnittlleb, und ea kam (allacoata deifondi) abermal«
eine neue Quelle* sum Vorschein*
Die ateigendeu Waaaer de« neugebildeten Sees äberschritlen awar
endlidi den vorliegenden 80 Klafter hohen Danun^ ond waschen sich darin
längs des linkseitigen Thalgehänges einen Kanal aus; sie waren jedoch
nicht im Stande, die groben Steine und Felsbldcke wegznwalaen; diese
blieben liegen und schutaten die tieferliegenden Massen vor der Abtragung.
Die Sohle des Danoi blieb für immer um 15 Klafter erhöht» und dadurch
auch der See für die Dauer gebildet.
Dieser Lage di Cauria mass dazumal 825 Klafter Lange, 38 Klafter
mittlere Breite und bei 14 Klafter Tiefe.
Von dem Augenblicke dieser ungeheuren Absitznng an ward die Erd-
bewegung des Rebrntthales völlig permanent.
Die neu herabkommenden Massen werden zwar zum grössten Theil
von den Fluthen des Danoi wieder aufgelösst und fortgetragen, die Fels-
blöcke und weiter Unten auch die minder grossen Steine bleiben aber lie-
gen, und erhöhen fort und fort das Bett dieses Flusses, und verlangern
den Spiegel des Sees gegen Cauria zu.
Schon im Frühjahre 1826 war die Erhöhung so weit gegangen, dass
die Häuser und Felder des am linkseitigen Gestade etwas ober Canal ge-
legenen Dorfes Ponte, welches früher 6 Klafter ober dem /Flussbette lag,
überschüttet wurden.
Vor dem Jahre 1885 lief der Danoi noch am Fusse des Colmandro
in einem 7 — 8 Klafter breiten Bette , im Frühjahre 1826 hatten die ab-
gesessenen Stein massen das Danoithal bis über Canal hinaas 6 — 15 Klaf-
ter hoch ausgefüllt. — In der neugebildeten Schuttsohle von 42 Klafter
mittlerer Breite irrte der Danoi in vielen Armen herum , änderte seinen
Lauf bei jedem Hochwasser, hielt sich jedoch in der Hauptsache an den
jenseitigen Rand, hier fort und fort in die Felder des Pfarrdorfes Canal
einreiss^id*
So geht die Erdbewegung fort bis auf den heutigen Tag.
Ununterbrochen sitzt neuer Schutt herab, und bei starkem andauern-
dem Regen oder bei plötzlichem Thauwetter in so gewaltiger Menge, dass
der Danoi immer wieder von Neuem abgesperrt wird.
Im Gtebirgsausrisse selbst geht die Erdbewegung im Allgemeinen fol-
genden Gang.
So lange die Quellenwässer, welche ganz Oben aus verschiedenen
Punkten des Ausrisses herauskommen, einzeln laufen, haben sie (be^ trocke-
nem Wetter) noch nicht Kraft genug zur Auflösung des Schuttes. Bald
jedoch vereinigen sich zwei oder mehrere Wasserfaden, und alsbaU wüh-
len sie auch die Schuttmassen auf, schneiden sich in diese hinein und wa-
schen an einzelnen weicheren Stellen kleine Becken aus, in welche von
den äusserst steilen Hängen alsbald jene Schuttsäulen nachstürzen, welche
durch das Auswaschen ihrer Basis beraubt worden sind. Dieser Schutt
18»
ferleg^l den Ausgang der Becken und staut das nachiliessende Wasser in-
solange auf, bis der wachsende Druck die yorliegende Materie durch-
bricht; in Folge dessen dann der ganze Inhalt des Beckens als Brei in die
Hauptschlucht abfallt, und von hier im Vereine mit den aus anderen Ein-
schnitten kommenden Massen endlich in den Danoi abrinnt
Alle 4 — S Minuten entleeren sich die kleinen Becken und weithin
hört man das prasselnde Gepolter der abstürzenden Massen.
Zur Regenzeit oder beim schnellen Wegthauen des Winterschnees
geht dieser Prozess viel rascher und grossartiger vor sich; denn er-
stens sind die abrinnenden Wisser ungleich starker, und zweitens sind
die Schuttgehänge dann völlig durchweicht und daher besonders geneigt
zum Abrutschen.
Darum rückt dann auch die abgesessene Materie in solcher Stärke
nach» dass sie Unten neuerdings den Danoi absperrt.
Der Vorgang der Absitzung ist noch heute der nemUche, v^ie 18S5*
Aber der Bergausriss selbst hat sich sichtlich gebessert. Bereits ist das
am Leichtesten Absitzbare von hinnen gegangen; die jetzt am Tage lie-
genden Massen scheinen festerer, widerstandsfähigerer Natur zu seiu, und
was sehr viel sagen vrill, die Böschung des Ausrisses ist eine bei Weitem
minder steile geworden, wesswegen sich denn auch vielenorts einiger
Pflahzenwuchs angesiedelt hat
Darum sind auch die Absitznngen schon seit einiger Zeit minder
grossartig, und es lässt sich mit Grund hoffen, dass sie fort und fort an
Bedeutung verlieren werden.
Die Steinmassen am Fusse des Rebrutthales haben so aii Höhe zu-
genommen» dass der Canoriasee heutzutage eine Breite von etwa 850 Klaf«
ter gewonnen hat und sich bei 500 Klaftern zurückerstreckt
Unersetzlich sind die Verwüstungen, welche der Danoi in den ehe-
mals blühenden Thalgeländen vom See an bis über Canale hinaus ange-
richtet hat
Schon Oben ist die 1826 erfolgte Verschüttung des am linkseitigen
alten Danoiufer gelegenen Dorfes Ponte (80 Häuser) mit seinen Fluren
erwähnt worden. Dem folgte noch in selbem Jahre der Weiler Remissore
nach. -— Das war aber nur das Vorspiel zu weit fürchterlicheren Zerstö*
rungen«
Durch die früherbesprochenen ungeheuren Schuttablagerungen ist
nemlich der Danoi ganz auf den linken Rand der neuen wüsten Thalsohle
geworfen wcHrden und begann alsbald in den zweiten höher gelegenen
Thalstaffel einzufressen, auf welchem das grosse Pfarrdorf Canale di sot-
to erbaut war.
Besonders verderblich wirkten die Hochfluthen, welche die plötzli-
chen Kntleerungen des aufgestauten Sees begleiteten, und gar oft führten
sie ihr fürchterliches Trauerspiel bei hellstem Sonnenschein auf»
Der Vorgang war an und für sich einfach. Der Wildstrom frass sich
unter die Flur hinein, so dass diese, ihrer Unterlage beraubt, sofort stück-
IM
weise in die Plothen sturste. — Um die fressende Wirkung^ der Wisser
g^anz za beg^reifen, wolle man berücksichtigten, dass die grossen Stein*
und Sekuttmassen , welche sie mit sich führten, ihre nagfende Kraft ausser-
ordentlich vermehrten.
So brachen Feld auf Feld , und endück Haus auf Haus von Canale
di sotto in den Danoi hinab ; 1829 stürzte die Pfarrkirche in seine Wellen
nach, und dermalen ist fast jede Spur dieses einst so grossen und dicht-
bevölkerten Dorfes und seiner fruchtbaren Felder völlig verschvnmden.
Zwar haben es Einzelne oder die Gemeinde versucht, die FInthen durch
Uferschntzbauten abzulenken, aber was vermag die geringe und zudem
ungeleitete Kraft eines Bauers oder einer armen Gemeinde gegen die
furchtbare Wuth eines reissenden, mit Schutt geschwängerten Wildstro-
mes? Das erste Hochwasser vernichtete in der Regel all diese Erzeug-
nisse der schlechtberechnenden hastigen Angst Kein Fremder vermag
zu ahnen , welch Fülle von Leben und Produkzionskraft unter der jetzi-
gen unabsehbaren Schuttfliche begraben liegt.
Auch hier hat sich schon Manches gebessert; der früher in vielMi
Armen auf der weiten Sohle herumirrende Danoi hat sich grossentheils
schon wieder ein mehr ständiges Bett gegraben, und die zur Ruhe ge-
langten Schuttablagerungen haben sich fast überall mit einem dichten Erd-
anflug überzogen. ^
Aber der Colmandro hat seine Verwüstungen auch tief in die blü-
henden Fluren Venieziens hinausgetragen.
Dort, wo der in den Cismon aufgegangene Danoi aus den Hochber-
gen in den italischen Garten hinaustritt, d. h. bei Fongaso, fast drei Mei-
len vom Bergbruche entfernt, hat er weit über JMW Joche des herrlichsten
Weinlandes mit seinem Steinschutte hoch überdeckt, alle dortigen Pacht-
hüfe, Mühlen und Holzs&gen weggerissen oder unbrauchbar gemacht; und
nur durch die kostbarsten Verarchungen vermochte man die auf dem hö-
heren Thalstaflel gelegenen Güter und den Ort Fongaso bis jetzt vor der
Unterwaschung zu schützen.
Die letzten nicht viel weniger nachtheiligen Wirkungen gehen jedoch
mittels der Brenta tief in die venezianische Ebene hinab ; denn bis dorthin
tragen die WSsser den Sand und den Letten des Colmandro. Alljährlich
erhöhen die hinausgeführten Erdmassen die Sohlen der Brenta und der
von ihr ausgehenden SchiflTahrtskanäle , und die Dämme der ersteren müs-
sen von Zeit zu Zeit erhöht, und die letzteren geräumt werden, was
bloss des Rebrnts wegen alljährlich bei 80.000 fr. kostet« Ueberdiess ha-
ben die vom plötzlichen Durchbruche des Cauriasees herrührenden An-
schwellungen der Brenta schon öfter deren Dämme durchbrochen, weite
Flächen des umfa'egenden Gartenlandes überschwemmt und mit Gruss über-
tragen, und Schäden angerichtet, deren Grösse über die Berechnung
hinansliegt.
Wer noch vor etwa 1& Jahren Tirol besuchte , traf oft auf herum-
irrende Greise, auf Mütter mit einem säugenden Kinde an der Brust und
141
einigen nicht viel grösseren an der Seite, auf ganze Familien abgemager-
ter, in Lampen gehüllter Gestalten, welche in einem ganz eigenen Wai-
schen ihre Almosen erhaten.
Diese Bettler waren die einst bemittelten Grundbesitzer von Ponte-
Remissore und Canal di sotto.
Noch jetzt stolpern einige von ihnen im Lande umher, nicht wissend,
in welchem Winkel sie einst ihr müdes Haupt zur Buhe legen, welch
fremde Erde ihre Geheine aufnehmen wird* Sie finden einigen Trost in
der ErzaUung ihres Unglückes, und die Uederen tiroler Hausfrauen,
welche denselben noch nie Unterstand und Almosen verweigert haben,
weinMi dabei gerne mit ihnen eine Thräne des Mitleids ob der schreckli-
chen VerwQstungen des Colmandro.
02
Abtragimg ud Abnmdimg «er Alpenhoeliberge.
Die Atmosfare, die Gletscher und Ferner, die Meteore, alle Natm^
kräfle, vor Allem aber die Wässer wirken zusammen zur Abtragung der
Uocfaberge unserer Alpen, auf dem chemischen Wege der Verwitterung,
noch mehr aber auf den mechanischen Wegen der Zertrümmerung , Zer-
robung und Weiterführung des Gresteines und seiner Bnichtheiie.
Offenbar dauern die nemlichen Veränderungen, welche in den vorge*
sdicbtiichen Anschwemmungsperioden die jetzige Gestalt unserer Erdober-
fläche in der Hauptsache vollendet haben, noch immer iort; ähnliche Abtra«>
gwagen und Zersetzungen, Anschwemmungen und NeubiMUmgen haben
statt; nur kommen sie uns winftig vw, weil wir in unserer Blindheit der
gewalligen Summe aHer Wirkmigen des unermesslichen Alluvions-2eitrau*
mes jene geringen Veränderungen entgegensetzen» welche sich während
der kurzen Spanne eines Menschenlebens ergeben.
Die vieÜach eckige und scharfe Oberfläche der Alpen ist also noch
immer in emem allmählichen Abänderungsprozesse begriffen; ihre Gipfel,
Kämme und Wände , selbst ihre Hänge senden fort und fort neue Massen
in die Thäler, sie f&Uen deren Vertiefungen damit ans oder erhöben die
Sohlen, während sie selbst an Schreftheit verlieren. — Auch die Berge der
umliegenden Flachländer dürften einst weit zackige und schroffer gewesen
sein; weil sie aber viel älter sind, so ist bei ihnen die Abrundungin der
Hanptsache schon vollendet. Auch die Alpen werden es nach und nach zu
ähnlicher Abrundung brmgCMi, wie die Berge der Flachländer; bis dorthin
aber wird ein Zeitstrom verfUessen, dessen Grösse kein Sterblicher zu
ermessen vermag.
M
63
FelsbSden.
Anf den zahlreichen Felsen der Alpen kann man noch tätlich beobach-
ten , wie aus dem festen Cresteine nach und nach die Erdkrnme entsteht —
Der Sauerstoff der Luft, der Wechsel von Feuchte und Trockne, von
Wärme und Kälte wirken zersetzend auf die Gesteinsoberfläche , und um-
wandeln sie in eine röthlichbraune oder (beim Kalke) g^raue Rinde, ans
welcher die verschiedenen Bestandtbeile scheinbar g^leichartig^er Gesteine
deutlich hervorseben. Der Regien und das Schmelzwasser des Schnees
fuhren die ablösbaren ersten Erdtheilcben in die kleinen Vertiefnng^en der
Felsoberfläche zusammen, woselbst sie bereits einen genüg^enden Standort
jf&r Flechten und einige Moose abgeben, die sich alsbald auch darüber
ansiedeln. Der nunmehrige Pflanzenuberzug fördert sehr wesentUch die
weitere Verwitterung und der Humus , welcher sich aus seinen absterben-
den Theilen bildet, verwandelt sehr bald die schwache Erdschicht in eine
Krume, in der auch Gräser, und später selbst Holzgewächse fortzukom-
men vermögen.
So fiberzieht sich denn endlich der Fels mit Vegetazion , und die neu-
gebildete Erde wird gegen das Weggeschwemmtwerden durch den Rasen-
filz geschützt, ohne welchen sie sich auf den steilen Felsabdachnngen nie
zu halten vermöchte.
So schreitet unter dieser Pflanzendecke einerseits die oberwähnte
Zertrümmerung des Felses und anderseits die Oberflächeoverwitterung sei-
ner Bruchstücke zu förmlicher Erde immer mehr vor, bis endUch im Lianfe
ungeheurer, .völlig unmessbarer Zeiträume sich jene bedeutenden Brdkrv-
men herausbilden , welche wir auf unseren Bergen schon fertig antreffen.
Dass die Krumen unserer Gebirgsabhänge wirklich so entstanden sind,
wird völlig klar, sobald wir nur irgendwo in einen derselben tief genug
hineinschneiden. Unter dem Rasenfilze des Grasbodens oder der Moos-,
Heidelbeer-, Laub- oder Nadeldecke des Waldes treffen wir dann auf eine
Erdschicht, welche offenbar ein Gemenge der feinsten Verwitterungsbe-
standtheile des Felses (Sand oder Lehm) mit Humus ist, nach Unten zu
wird der Humusantheil immer geringer und die Verwitterungsbestand-
theile werden immer gröber, bis sie alimihlich in den völlig festen Pels
fibergehen.
Die Böden aller steilen Hänge heisst man mit Recht Felsböden, denn
sie sind aus dem dortigen Fels entstanden und ruhen auf ihm.
Sobald Pels und Krume allenthalben mit einem dichten Pflanzenfilze
überzogen waren, wurde zwar deren Erde nicht mehr wesentlich abge-
schwemmt Aber bis das geschah, verging ein ungeheurer Zeitraum,
während welchem jede Regen- oder Thaufluth von allen geneigten Stellen
die feineren Erdtheile wegführte , um sie zum guten Theil schon auf den
flachen Absätzen, besonders aber in den Mulden und Kesseln wieder abzu-
141
•eUen. Der endlich ziutandegekommene Pflansenfilz tbat zwar der Ab-
schwemmang in Masse Einhalt, er verbinderte sie aber nie g^anz; denn
immer bleiben noch einzelne blosse oder mirfder dicht überwachsene Stellen
übrig; nnd so geht denn die Abschwemmung noch bentzntage ihren Gang.
Darum wechseln auch die Dicke und die Femheit der Krume in den Hoch-
bergen ausserordentlich, selbst auf ein- und derselben Gebirgsart. — Aut
den steilen Stellen ist die Krume sehr seicht und grob , weil dort die Ab-
schwemmung am stärksten wirkte (und noch jätzt wirkt), auf sanft geneig-
ten Stellen ist sie ausgiebiger, weil hier viel weniger abgeschtremmt wird,'
und auf ebenen Plätzen, in Mulden und Kesseln wird sie am mächtigsten
und feinsten^ denn nicht nur wurde hier nie was weggeschwemmt, son-
dern die Wässer haben noch einen guten Theii des Materiales hier abge-
setzt, welches sie den darüber gelegenen Gehängen entfuhrt haben.
Von grossem Einflüsse ist dann auch die Felsart auf die Dicke der
Krume; ich habe schon oben erwähnt, dass z. B. die talkigen Schiefer Bebx
leicht und tief in den Berg hinein verwittern , sie* bilden also eine äusserst
starke Krume. Der Kalk hingegen verwittert nur schwer, er liefert daher
einen seichten Boden.
Aber auch ein- und dieselbe geognostische Felsart liefert Böden von
sehr verschiedener Mächtigkeit und Korn; je nach der ausserordentlich
wechselnden Zusammensetzung der, Gesteinsart Hier ist z. B. eine Grau-
wacke sehr grobquarzig und gibt einen seichten, schotterigen Boden,
gleich daneben tritt der Quarz nach Menge oder im Korne zurück und
liefert eine tiefe, feinerdige Krume. Hier hat ein fester Alpenkalk eine
dünne Lehmschicht hervorgebracht, die fast unmittelbar auf dem Fels
aufliegt, gleich daneben liegt unter dem Lehm eine mächtige Schicht von
Schutt und Getrümmer, weil der hiesige Kalkfels sehr zur Zersplitterung
geneigt ist
Kurz Alles wirkt in den Bergen auf einen grossen und raschen
Wechsel der Kmmendicke zusammen* Dieser Wechsel ist minder auf-
fallend auf den Urfelsarten und auf den Sandsteinen , am allergrüssten auf
den Grauwackegebilden und auf dem Alpenkalke.
Bei dem sehr erheblichen Einflüsse der Krumendicke auf den Holz-
wuchs, wechseln auch schon darum die Wachsthumsverhältnisse der
Wälder dieser Hochberge in sehr geringen Entfernungen äusserst erheb-
lich, besonders rücksichtlich jener Holzarten, welche, wie z. B. die Bu-
che, eine bedeutende Bodentiefe fordern.
So viel aber haben alle Felsböden (gegenüber den angeschwemmten
der Thäler) gemein, dass sie erstens mehr oder weniger selcht, zwei-
tens steinig sind , und drittens den Fels zum Untergrunde oder doch we-
nigstens zur Unterlage haben.
Der zweite Umstand ist der Waldvegetiaion gewöhnlich günstig,
denn er verleiht dem Boden eine gewisse Lockerheit und macht ihn gewis-
sermassen fruchtbarer^ weil die Steintrümmer durch ihre fortdauernde Ab-
witterung ununterbrochen neue mineralische Nährstoffe liefern.
m
Auch der dritte Umiland wirkt öfter gOostif » deon er geetattet keio
tiefes Versinken der atmoifariechen Wässer, sondern behalt diese sa
Gansten der Vegetazion in der Nabe der CMierfUiche. — Nor auf den
stark :&erklfifteten Kaiken wird dieser Umstand nachtheilig» denn hier ver-
sickern die meteorischen Wässer in die zahlreichen Spalten« ojine dass
der aus ihnen emporsteigende Wasserdampf nur annähernd hinreichen
würde, um die Krume zu Zeiten der Dürre zu erfrischen. Hierin liegt
gutentheils die grosse Unfruchtbarkeit der Karate.
64
ThalbOden.
€ranz verschieden von den Felsböden der Berge sind jene der Thäler
nnd des Thalgehügels, welche der Anschwemmung ihren Ursprung ver-
danken. Sie sind dickkrumig und haben insbesondere einen äusserst mäditi*
gen Untergrund; es wäre denn, dass dieser aus Schutt oder Gkschieben
bestehend^ durch kalkhaltige Seigwässer zu Gestein znsammengekittet
worden wäre, wie das wirklich im Kalkgebirge hänig der Fall ist, wo die
urahen Kalkgeschieblagen der meisten Hauptthäler^ so wieder sich vom
Gebirgsfiisse hinabziehenden Ebenen (am Nordrande der Alpen) auf weite
Strecken zu Nagelfluhe zusammengesintert sind.
Die Böden der durch Steinfalle, Bergstürze, Erd- und Bergabsitsmi*
gen entstandenen Halden und Hügel liegen zwischen den Fds- and den mm-
geschwemmten Böden etwa in der Mitte.
65
ms Udeii dsr Alpen tsrMian la Kaikgestein- «ü TkMgefteinbMeiL
Nach ihrer mineralischen Zusammensetzung theilen sich die Krumen
der östreichischen Alpen in zwei grosse Hauptgruppen , je nachdem sie aus
Kalk- oder aus den übrigen Gesteinen hervorgegangen sind. In der ersten
spidt der Kalkgehalt, in der zweiten der (vom Feldspath herrührende)
Thongehalt die entscheidende Aolle.
Bloss zur Unterscheidung will ich diese zwei Gruppen Kalkstein- und
Thongestein-Böden heissen.
Ueber die genaue mineralische !£usammensetzung der verschiedenen
Krumen liegt noch eine tiefe Nacht Würde man auch die Bestandtheile
der Felsarten, ans welchen sie entstanden sind, aufs Allei^enaueste ken-
nen, so wäre damit für die Kenntniss der Erdkrume noch immer nicht viel
gewonnen , da ja die Vegetazion, weit mehr aber die absickernden Wässer
unermesslicher Zeiträume beständig an der Aenderung dieser Zusammen-
setzung gearbeitet haben^ erstere, indem sie bedeutende Menge löslicher
m
Beatandthefle verbraucht, und letstere, miem sie noch viel gr5l»ere Men-
gen derselben entführt haben.
So viel aber weiss man, dasa die Kalksteinkrumen sich durch. einen
irtirkeren Kalk, und die Feldspatbdden durch grösseren Gehalt an Alkalien
aussdchnen. .
66
Kalk-Thonbdden.
Unter der 8— 6z511igen vegetabilischen Schwarte Uegt eine 6-~18zöllige
Schicht gelbbraunen bindigen Lehms und darunter unmittelbar der Fels oder
seine Trümmer. Die Lehmschicht ist jedoch bei besonders seichten Kru-;
men öfter nur 3 Zoll stark, am Fasse der Berge und im Grunde der Mul-
den und Kessel aber trifft man sie nicht selten auch 3(>— 40zöllig.
In geschlossen erhaltenen Buchenwäldern oder auf Flächen , welche
mit (krautartiger) Heide bewachsen sind , wird die Schwarte öfter gen IS
Zoll stark.
Die mineralische Bodenschicht ist bei der Untersuchung einiger ge-
wöhnlicher solcher Böden gefunden worden , wie folgt.
Prosente
flreuen Vital
Thon 60--.87 78
Kalksand und Grus • • 86— 9 18 .
Kohlensaurer Kalk • • 9— 3 6
Humus ..... 1— » ly.
Diese Böden sind daher völlige Thonböden, manchmal jedoch wächst
ihr Gehalt an Kalksand in dem Masse, dass man sie stattdem als Lehmbö-
den bezeichnen muss. Ihr Kalkgehalt ist zwar immer bedeutend und von
sichtlichem Einflüsse auf die Vegetazion, aber nicht gross genug, um sie
zu förmlichen Kalkböden nach der bisherigen wissenschaftlichen Termino-
logie zu machen.
Nichts beweist schlagender , als gerade diese Böden , wie wenig man
aus der Zusammensetzung der Felsarten auf die Bestandtheile der Schollen
schliessen darf, welche aus ihnen entstanden sind.
Diese Böden ^ deren Thongehalt bei 70, deren Kaikantheil jedoch nur
bei 6 Prozente beträgt, sind aus dem gewöhnlichen Alpenkalke hervorgev
gangen, welcher gewöhnlich wenigstens 7/)— 80 Prozente kohlensauren
Kalk und nur etwa* Vs—^V« Thonerdß enthält. Welch wunderbare Um-
wandlang ! — Doch ist sie nicht unerklärlich. Bekanntlich ist der kohlensaure
Kalk im Wasser löslich, berücksichtigen wir nun, dass seit den ersten
Anfängen der Krumenbildung Jahrtausende, oder um richtiger zu sprechen,
völlig unberechenbare Zeiträume verflossen sind , so können wir uns sehr
gut vorstellen , dass die atmosfarischen Wässer den kohlensauren Kalk bis
10
auf eiMfi kldkieii R^tC entAhrt, fa«t jinmdlche ThoBerda inul ihre Vor«
bindun^en jedoch als unlöslich zurück|^elas8en haben«
Die mergvlif en Ablnderan^en des Alpenktlkes haben Böden ^pelie-
feK, Welche sich weniger dorch die Verschiedenheit ihrer HanptbeslMid«
theile, als vielmehr durch ihre Tiefgrfindigkeit unterscheiden. Letntere ist
offenbar in der viel leichteren Verwitterbarkeit des Mergels gegründet
Die AIpenkalk-Thon- und Lehmböden sagen der Fichte, der Buche»
der Lerche, der Tanne, der Kiefer und der Legföhre im Allgemeinen sehr
wohl SU , nur schliessen Fieble und Taue und selbst auch Lerche und
Weisföhre ihr Hanptwachsthum bald ab; daher ihre Wälder hier früh
baubar werden, und selten besonders starkes Hob tiefem.
Bezeichnend för diese Böden ist die grosse Manigfaltigkeit der vor-
kommenden Holzarten ; von denen jedoch, welche ihn besonders vorziehen,
haben nur noch der Bergahorn, die Hoprenbuche, der Bohnenbaum, die
Eibe, der Zirgelbaum, die Blumenesche, der Perückensumach und die
weichhalu^ige Biche forstliche Bedeutung. — Die einzige Birke bleibt hier
immer ein seltener Grast
Im geschlossenen hohen Holze sind £ese Böden gewöhnlich nur mit
sehr wenigen Kräutern und Gräsern, oder mit kurzen Moosen bedeckt,
daher jederzeit so empfanglich fBr die Aufnahme und das Keimen des fal-
lenden Samens, dass jedes^ Samenjahr auch einen sehr zahfareichen Nach-
wuchs hervomilk. ^ Freij^tttellt (im kahlschlage) erzeugen diese Kru-
men bereits im zweiten Jahre einen fippigen Gras- und Kräuterwuchs,
der gewöhnlich sobon im drillen Jahre so überhaad niaunt, dass unter
ihm jede keimende Holzpflanze ersticken muss. Der kräftige Wuchs die-
ser Unkräuter (darunter bezeichnend die Himbeere und andere Kalkpflan-
zen) dauert nach Massgabe des vorhandenen Humus und der diesen Kräu-
tern besonders zusagenden mineralischen Nährstoffe 5 -^ 16 Jahre , nach
welchur Zeil endlich der dichte Kräuterwuchs kurzen und lockeren Grä-
sern Platz macht, zwischen denen die Holzpflanzen vortrefflich keimen und
geddhen«
Die Selbstverjüngung ergibt sich daher auf diesen Böden, unter dem
geschlossenen Hochholze und auf dem Kahlschlage allsogleich nach dem Hiebe
odar nach vorfibergegangenem starkem Gras- und Kräuterwuchse ohne
erheblichem Anstände.
Erst nach sehr langem Blossliegen und auf den steilen Hängen ver-
wildem diese Böden !n Folge der Abschwemmong durch die Begenwis*
ser; sie Aberziehen sich dann mit krautartiger Heide, mit Preusselbeeren
und hoch oben mit Alpenrosen, welche Gewächse zwar den Boden vor
weiterer Abschwemmung erheblich scbüttsen» die aber auch, insbesondere die
erste das Aufkommen des natürlichen Nachwuchses bedeutend erschweren.
67
Kalksandboden.
Unter einer 5 — 7 söllijo^en Schwarte liegft gewöhniicii 9 — 18 Zoll
weisser Kalkschutt, und darunter der nur wenigf ▼erwicterte Fels. Oefter
lieg^ aber die Schwarte fast unmittelbar auf den Fels anf. In den gunstigren
Fallen jedoch liegt unter dem Huniiis mehr oder weniger feiner weisser
Sand Ton bedeutender Mächtigkeit.
Der Dolomit und die vielverbreiteten dolmnitischeo Kalke sind es»
weiche diesen Boden erzengen.
Die Schwarte besteht gewöhnlich ans dem wenig iösUdien, sehr
schwärzen pulverigen überkohligen Humus, aus dem öfter gaftz fälschlich
auf grosse Fruchtbarkeit des Bodens geschlossen wird.
Der die mineralische Krume bildende Sand oder Schutt ist durch die
Zersplitterung des ursprünglichen Felses entstanden. Die meisten dolomiti-
schen Kalke zerfallen nemlich leicht nach ihren eigenthömlichen Abson-
derungsflächen und oft so ins Kleine» dass sie zu fSrmlichen Sande wer-
den. Aber über diesen Punkt geht die Verwitterung nur wenig hinaus.
Diess wenige» was sich an der OberflUcfae der einzelnen Sand- oder Schutt-
körner auflöst» wird von den Pflanzen verbraucht» oder vom Wasser ent-
fuhrt; es entbehrt daher dieser Boden der krumlichen Erde und insbeson«
dere mangelt ihm gänzlich der Thon.
Letzterer Umstand erklärt die vergleichungsweise bedeutende Un-
fruchtbarkeit dieser Böden» welche um so auffallender ist» als die Dolo-
mite doch 10 -- 45 Prozente Bittererde enthalten.
Sämmtliche Hölzer des Kalk-Thonbodens kommen zwar noch auf die-
sen Kalksandböden fort» sie wachsen aber hier auffallend schlechter. Nur
selten triSl man auf dichtgeschlossene Bestände» schon sehr früh vollenden
sie ihren Hauptwuchs und nur wenige Stämme erreichen bedeutende Stär-
ke und hohes Alter«
Ausgedehnte Buchenbestände kommen auf diesem Boden nicht vor» die
Tanne scheint ihn ganz zu meiden» dagegen gedeihen Lerche und Kiefer
verhältnissmässig besser» als die Fichte; und die Schwarzfohre hat sich
auf ihm oft und mit Erfolg angesiedelt. Auch der Legfohre sagt der Kalk-
ssndboden wohl zu ; sie fiberzieht sehr häufig Schuttablagerungen» aufwei-
chen kaum eine andere Holzart fortzukommen vermöchte. Die Birke aber
flieht diese Krume allenthalben. — Bei dem schiechten Wüchse der Haupt-
holzarten und insbesondere der alles überwiegend auftretenden Fichte» bei
dem mangelhaften Schlüsse seiner Bestände gibt der Kalkschuttboden einen
bedeutend geringeren Holzertrag » als der Kalk-Thonboden; ja einen durch-
schnittlich geringeren» als jede andere der in den Alpen herrschenden
Schollen.
Wegen des mangelhaften Bestandesschlusses hat der noch bewaldete
Kalksandboden häufig schon eine bedeutende Unkrautdecke (meistens kraut-
10 •
artige JBeide und Schopfgras), welche dem Selbst- Aufkommen des Nach-
wuchses gewohnlich sehr nennenswerthe Schwierigkeiten entgegensetzt,
ja dasselbe oft ganz vereitelt*
Nach dem Kahlschlage wuchern diese Unkräuter und insbesondere
die Ju*autartige Heide in solchem Masse, dass ohne künstliche NachhQlfe
die Holzpflanzen nur spärlich und kümmerlich aufkommen, daher die Selbst-
verjüngung dieser Böden nie vollsländig und allsogleich erfolgt.
Die Kalksandkrume bedarf zur möglichsten vegetativen Leistung un-
ter allen Alpenböden am meisten des Schutzes einer Grasnarbe oder eines
beschattenden Waldstandes, denn nur diese vermögen der Krume die nö-
thige Feuchte zu erhalten. Nirgends wirkt auch die Bewlsserung krafti-
ger, wie auf diesen Schollen.
Zwischen dem ausgeprägten Kalksand- und dem Kalk-Thonboden lie-
gen manm'gfaltige Zwischenstufen , welche auch allenthalben in den Alpen
anzutreffen sind«
68
ScMeferbOden.
Die Felsböden, welche die ausgedehnten Züge von Glimmer-, Thon-,
Kalk-, Klorit- und Grauwackenschiefer geliefert haben, will ich Schiefer-
böden heissen.
Der Geologe, welcher die Gesteine nach Bildungsperioden ordnet^
mag diese Felsarten wohl mit Recht auseinanderreissen, mit gleichen Recht
jedoch wirft sie derjenige zusammen, dem es nur um die Vegetazionstaug-
lichkeit der Bodenkrumen zu thun ist
Die Krumen, welche die Berge dieser Felsarten überkleiden, sind
durchaus nicht zu völb'g reinen Erden verwittert, vielmehr bestehen sie
grösstentheils nur aus den mehr oder minder fein zertrümmerten Bruch-
stücken des ursprünglichen Felses« Sie sind gewissermassen nur aufge-
lösster Fels, und selbst die Oberfläche der kleinen Bruchstücke ist oft noch
so wenig angegriffen , dass man aus deren Anblick allsogleich das Gestein
erkennt, aus welchem der Boden hervorgegangen ist. Diess ist ganz be-
sonders bei den Glimmer- und Talkschiefererden der FalL
Durch den Namen: „Schieferböden'' wollte ich diesen Umstand und
die Verschiedenheit von den mehr verwitterten Böden andeuten.
Diese Schieferböden haben in der Regel (den Pflanzenwnchs abgerech-
net) keine merkbare Humusschwarte, sondern die oberste Erdschicht ist
vom Humus nur bis auf 1 — 3 Zoll Tiefe grau gefärbt. Die Krume ist 1 —
S Fuss starke und ruht auf einer gleichstarken , manchmal aber noch weit
mächtigeren Lage von schieferigem Schutt, der allmählich in das feste Ge-
stein übergeht.
Die Untersuchung einiger dieser Böden von gewöhnlichem Vorkommen,
hat fttr die eigentliche Krume die nachfolgende Zusammensetzung ergeben .
14»
PPMimto
Oreun ■littl
Steine und Sand bestehend aus den Brach«tücken
der Febart 50 —70 SS
Glimmeriger oder talkiger Thon 50 —30 38
Kohlensaurer Kalk % — 3V» IV«
Humus 1—4 8
Diese Schiefer sind jedoch öfter so quarzig« dass sie einen förmlichen
Sandboden erzeugten. Anderseits haben sich in die tiefgelegenen Mulden
stark thonerdehältiger Schieferberge wieder Krumen eingelagert, welche
formliche Thonböden geworden sind.
Die Bedeutung dieser Böden fiir den Waldwuchs werde ich weiter
unten besprechen; hier bemerke ich nur noch, dass sich die talkigen Schie-
ferböden durch geilen Holzwuchs vor allen übrigen Bodenarten hervorthun.
69
GewShnliclie thonige B5deiL
Auch die gewöhnlichen thonigen Felsböden (deren Bestandtheile gröss-
tentheils völlig zu Erde verwittert sind) kommen in den Alpen in sehr gros-
ser Ausdehnung vor; sie sind gewöhnlich das Ergebniss des Granites, des
Porfirs und des Sandsteines.
Alle diese Böden unterscheiden sich nicht wesentlich nach der Felsart,
aus welcher sie entsprungen sind^ wohl aber wechseln sie nachdem Men-
gungsverhältnisse der Bestandtheile des Multergesteines sehr stark und
zwar vom lehmigen Sandboden bis zum eigentlichen Thonböden. Dieser
Wechsel hat jedoch meist nur allmählich statt, und lange Strecken zeigen
eine völlig gleichmassige Zusammensetzung.
Alle diese Böden sind gewöhnlich tiefgründig.
Am gleichmässigsten bleibt sich der Boden des Sandsteines; durch die
ganzen Alpen hindurch ist er fast überall der nemliche gemeine Lehmboden.
Einige Untersuchungen desselben im Wiener Walde haben folgende
Ergebnisse geliefert:
Progente
teSMiit BtM
Fasern und Schutt 5 —15 11
Sand SO —35 «7
GemeuierThon • • • • 45 —55 50
Ueberkohliger Humus 8—4 3
Kohlensaure Thonerde 0—5 f-y
Kohlensaurer Kalk — 4 S*o
Kohlensaures Eisen 3—4 3*9
ftram i^^
Kobtaisaure BiUererde — O-« 0-«
Humusaaures und in gleicher Menge schwefelsaure«
und kohlensaures, manchmal auch- salzsaures Eisen-
oxid und Kalkerde, dann Spuren von Thon und Bit-
tererde • 0-,— 0-8 O-M
Die Tauglichkeit dieser Böden für den Pflanzenwuchs fallt mit jener
der Schieferboden fast ganz zusammen, daher das Folgende auch für diese
gilt, insofern nicht etwa Ausnahmen aufgeführt wären.
Die Lehmböden sind im Allgemeinen die günstigsten für die Waldve-
getazion. Fichte^ Tanne, Lerche und Buche, ja selbst die Föhre halten
hier in gutem ! Schlüsse und entsprechendsten Zuwachse aus, bis in das
höchstmögliche Alter. — Auf diesen Böden erwuchsen — bei sonst zusa*
gendem Klima — gewöhnlich jene 300 — 400 jährigen Baumriesen von
5 — 6 Fuss unterer Stammstärke, von denen uns die vergangenen Zeiten
in den abgelegenen Hochthälern noch gar Manche gleichsam zum Beweise
übrig gelassen haben, zu welch riesiger Grösse es unsere mannhaften
Holzarten zu bringen vermögen.
Auch die edle Eiche gedeiht auf dieser Scholle vortreflflich ^ selbst
dann noch, wenn sie zum f&rmllchen Thonboden wird.
Die nützliche Erle wächst hier in zahlreichen Beständen üppig empor,
ganz besonders jedoch sagen ihr diequeliigen Schieferböden zu. In den Vor-
bergen ist es vorzugsweise die Schwarzerle, in den Hochbergen, in den
unteren Regionen die Weisserle und hoch oben die Alpenerle , welche die-
se Gattung vertreten.
Auch die schätzbare Birke sprengt sich allenthalben ein, und die Alle-
welts-Holzart, nemlich die Aspe, fehlt auch hier nicht«
Die herrliche Zirbe zieht diese Böden höchst auffallend den kalkigen
Krumen vor ; während sie auf dieser nur sehr selten und dann höchstens in
kleineu Horsten vorkömmt, erscheint sie auf den gewöhnlichen thonigen
Böden sehr häufig und manchmal in ganzen Beständen.
Auch die Legföhre, die Hainbuche, die Esche, die Ahorne, die Rü-
stern, so wie die übrigen bedeutenderen Holzarten erscheinen hier, wenn
sie auch gerade keine besondere Vorliebe für diese Böden zeigen.
Es scheint, dass die Fichte ihre grösste Vollkommenheit mit Rück-
sicht nicht nur auf den Zuwachs und die Grösse, sondern auch auf die
Güte ihres Holzes vorzugsweise auf den sandigen Lehm- oder Schieferbö-
den erreiche.
Entschieden jedoch sagen jene sandigen Abänderungen dieser Schollen»
die man lehmige Sandböden heissen kann, der Föhre und der Lerche ganz
vorzüglich zu , während sich Buche und Tanne von ihnen zurückziehen*
Diese Böden sind in der Getreideregion bei weniger dichtem Waldes-
schlusse und noch niederem Holze zwar mit spärlichem Grase, im Uebrigeil
aber nur mit dem Laub- oder Nadelabfalle bedeckt, lieber diese Region hin-
aus treten die Moose schon sehr zahlreich auf, und decken mit zunehmender
«t
Usereihöhe selbtf im dichtesten Walde««chluf«e >. becoii4#vi nt itm «an
Sgen Krumen (im NMelhobe) imiaer mMbtiger den Boden» biiiif g^MlIl
•ich ihnen auch noch die gemeine Heidelbeere au « namoftllicb auf dw aan*
lügen Lehm« und fichieferböden«
I>er unverraate Boden dea geacbloaaenen Waldea bietet dem bllendeii
Samen ein ao trefflichea Keimbett , daaa kein Saraenjabr ohne aabfaraichen
Nachwuchs vorübergeht, und die Verjüngung unter dem atefaenden HoIa^
aick namentlich bei der Buche und der Tanne meiatena Ton aelbat ergibt* —
Nur auf jenen hochgelegenen aandjgen Lehm- und Scbieferböden , woaolbat
die Mooa- und Heidelbeerdecke 1—1 Vs Fuaa dick ist, können die Würzel-
chen der Keimpflanzen die eigentliche Krume nicht mehr bei Zeiten errei-
chen, d^ kaum erachienene Naehwucha Tergebt daher alabald wieder. Hier
hilft aber, ebenso wie auf den verrasten Lichtungen oder in jenen Mulden, in
welchen das Laub 1— IVs FQaa hoch angehäuft wäre, die einfache Hinweg
rinmung dieser übermachtigen Bodendecken.
Werden die vom hohen Holze beachatteten Böden durch den Kahl-
achlag freigestelll, m verscb^ianden die Moose und spüter auch groaaen-
theila die Heidelbeeren, und machen auf minder kraftigen und humusreichen
Steilen einem kurzen und lockeren Graae Platz, zwiaohen welchem die
Nadelholzpflanaea vortrefUch keimen and gedeihen. Auf üppigen filellen
jedoch geht dem kurzen Grase erst ein mehrjähriger sehr dichter , jeden
BoIzanAig verhindernder Graa- und Krtaterwneba voraua.
Auf den eigentlichen Sandböden dieser Abllieiiang ist dar Ueberaag
von Mooa und Heidelbeere aellen ao atark , daaa nicht der Nachwueha in
der Regel von selber gediehe. — Durch den Kahlachlag bloaagestellt, macht
dieaer Bodenüberzug alabald dem kurzen und lockeren Grase Platz, wel-
ches daa Keimen und Gedeihen der If adelpflanzen gar so sehr begünstigt
Nur in Folge langer Eqtblösanng verwildert dieser Boden auf den
Hangen ^ ea gewinnen dann die gemeine Heide oder in der oberen Waldre-
gion die Heidelbeere völlig die Herrschaft und aetaen dem Aufkommen des
HolzQachwuchaea groaae Hinderniaae entgegen.
70
Aifjifesekwettiiite Boden «ar Ebeneii, i« TUUer m *» HtgeL
Dieae Böden verdanken ihrer Entatehung aehr viel Gleichf$rmigea*
Verläugnen sie zwar aelten ganz die Felaarteuj aus denen aie uraprünglich
entatanden aind, so haben sie doch deren Charakter am meisten eingebüsst,
sei es durch manig£dtige Mengung und Zerreibung, sei es durch die sehr
weit gegangene Verwitterung, sei es durch die ganz eigene Ablagerung, aei
ea endlich durch die hundertjährige feldwirthschaftüche Bearbeitung«
Die Böden der Thaler und Ebenen haben faat überall nichtige Lagen
einea GeröUea zum Untergrunde , weichea von den Bergen herrühret, zwi*
sehen oder unter denen aie aich hinziehen.
m
Dieses Gerolle ^eht Qfter vöHig zu Tage^ in welchem Falle es einen
unfrachtbaren Boden gibt, insoferne es nieht mit einer hinreichenden Menge
Thon oder wenigstens feinem Sand gemengt ist.
Meistens jedoch besteht der Obergrund ans Thon und Sand in den
verschiedensten Menguugsverhältnissen , und die Lagen derselben sind oft
so m&chtig, dass sie ungleich tiefer hinabgehen, als selbst die am tiefsteh
wurzelnden Bäume zu dringen vermögen*
Ich will hier die zwei extremsten Zusammensetzungen jener Krumen
anf&hren , deren Analisen mir bekannt geworden sind.
Strengster Thonboden Leichter S^dboden
Gemeinde Patielsdorf Gemeinde Saadberg
In Bnter s telermark I n Bnteiiieleraa rt
ProEente
Glimmeriger Sand sehr fein 7*7 — 80
Thon ....... W.^ — 19
Kohlensaurer Kalk . . . O.s *— 0«»
Humus. . 0., — o.|
Ein Kalkgehalt von 11 --17 Prozenten macht diese Schollen dfter zu
eigentlichen Kalkböden, und ein sehr bedeutender Humusantheil hie und da
zu Marschböden.
Mit Ausnahme der allerschlechtesten sind diese Böden allenthalben von
der Feldwirthschaft in Besitz genommen , daher ich nur noch jene Abän-
derungen schildern will , welche der Waldwirthschaft fiberlassen wurden.
71
Hoor- nnd TorfbOdeiL.
Allenthalben in den Hochbergen finden sich sowohl in den Thälern
herunten, als auch auf den Hochebenen grössere und kleinere Moore.
Die Wohlfeilheit des Holzes hat jedoch die Benutzung des Torfes kaum erst
aufkommen lassen. Noch weniger hat man sich an die Entwässerung der
Moore gemacht In letzterer Beziehung mnss jedoch rücksichtlich des lai-
bacher Moores eine Ausnahme gemacht werden, an dessen Bearbarung man
schon seit fast einem Jahrhundert nicht ohne Erfolg arbeitet
Die Untersuchung der gebrandeten Krume der trockengelegten Wie-
sen dieses Moores hat folgende Bestandtheile ans Licht gestellt*
Progente
Stark verkohlte Holz£aiser 86*6
Mineralische Erde &2
Humus 95»o
Die meisten Moore sind stellenweise mit der Legföhre , und hie und
da selbst mit Fichten und Weisskiefem bewachsen.
188
72
Schotter- vBd NagelflnlibOdeiL
Wo der Schotter der Ebenen und Tbaler zn Ta^e g^ebt rnid mit a^hr
weni^ Thon oder feinem Sande gemengt ist, wird er so wifrachtbar und
trocken, dass er kaum eine schlechte Weide abgabt, viel weniger zn Wiese
oder Feld taugt; es wäre denn, dass er bewassert würde, was aber nur
ausnahmsweise der Fall ist
Diese Böden sind daher grossentheils der Holzzucbt verblieben. —
Meistens bestehen die Geschiebe aus Kalk, und sehr hanfig haben dann die
Seigwässer durch Absetzung ihrer Kalktheile die unteren Schnttlagen zu
förmlicher Nageifluhe verkittet, so dass manchmal nnr6— SZolIe Obergrund
für die Vegetazion übrig bleiben'
Diese Nagelfluh- oder Schotterböden zeigen ganz die Eigenschaften
der sehr seichten Kalkschuttböden, Fichte, WeissfÖhre und L&rche kom-
men auf ihnen zwar noch fort, in geeignetem Klima selbst noch Schlagholz
von Hambuchen, Feldahorn und Eichen, aber all diese Holzarten gedei-
hen nur schlecht; dagegen zeigt die Schwarzföhre einen recht guten
Wuchs , wenigstens übertrifft sie hierin alle anderen Holzarten« Sie hat
sich in dieser Beziehung so vortrefflich bewährt, dass man in neuester Zeil
mehrere tausend Joche der neustädter Haide (in Unteröstreich), deren obe-
rer Theil fast durchaus aus solchem Boden besteht, mit ausgezeichnetem
Erfolge mit ihr aufgeforstet hat
Diese Böden sind nichts weniger als selten , in den meisten Thalern
der Kalkalpen, insbesondere der nördlichen, so wie auf den Ebenen am
nördlichen Fusse derselben, vom neustadter Steinfelde (in Unteröstreich) an
bis zur welser Haide (in Oberöstreich) hinauf treten sie strichweise auf.
Wo der Schotter sandiger und weniger seicht wird, wie auf der wel-
ser Haide, oder wo er mehr thonige Bestandtheile hat, vde auf dem leib-
nitser und pettauer Felde (Untersteiermark) , kommt auch die Weisskiefer
ziemlich gut fort
73
Noch Einiges »er «e AlpenbOden.
Obwohl die Böden der Hochberge in ihrer mineralischen Zusammen-
setzung im Grunde Nichts haben, was sie von jenen des niedrigen Gebirges
wesentlich unterscheiden würde, so ist doch ihr vegetlübilischer Humusan-
theil ein entschieden grösserer; einige Untersuchungen haben ihn bei erste-
ren mit 6— 13, bei letzteren aber nur mit 4— 9 Prozenten herausgestellt
Ein grosser Theil der Alpenkrumen ist sehr steinig und schotterig,
vor Allem die der Kalkgesteine, dann auch jene des Porfires und meh-
r
rerer quarziger Schiefer« Im Waldboden beachtet man diesen 8ch1lt^
antheil weniger» weil er in der Regel, wie überhaupt die ganse Krnme»
immer bedeckt bleibt«
Bei den Ack;erb5den fallt er aber sehr ina Aage, besonders längere
Zeit nach der Pflugung oder Umstechung; denn die RegenwSsser fuhren
alsbald die darüberUegende krOmliche Erde in die Tiefe und entblösssn ihn
dadurch so vollständig, dass nach einiger Zeit die Krumenoberfliche Sfker
durchaus aus Schutt besteht, was dem Boden einen sehr tiuscbenden An-
schein von grosser Unfruchtbarkeit gibt. *
Diese Steinschuttbedeckung wirkt aber gewöhnlich sehr vortheilhafk;
denn sie befördert (wegen der Besonnung), besonders auf den sonnseitigen
Abdachungen ausserordentlich die Erwärmung der Krume und danil
auch die Vegetazion; denn übermässige Austrocknung ist bei den hiesi*
gen sehr günstigen Feuchtigkeitsverhältnissen fast nirgends au bef&rchten
und eben die dunstundurchdringlichen Steine schützen zum Theil selber
vor der Austrocknung.
Gerade diese brennenden Schüttböden (im Süden kann man sie woU
so heissen) erzeugen die besten Weine, besonders wenn sie auch stark
eisenhaltig sind^ sie sind sehr günstig der Kultur des Maulbeerbsivnesj
des Obstes und der Oliven.
Drinnen in den Hochbergen fSrdern sie auch bedeutend die Körner-
kultur und besonders den Maisbau, wenigstens verdankt man ihnen vie-
lenorts das Hinaufrficken der oberen Grenzen dieser Kulturen, indem sie
dort durch Steigerung der sommerlichen Bodentemperatur die mangelnde
Luftwärme ersetzen*
Auf den Waldböden "erzeugt sich diese Schutt- oder Grusoberfläche
bei guter Wirthschaft nur auf den Saatplatten. Auch hier wirkt oie eher
günstig als nachtheilig, denn sie verhindert eine tiefergreifende Ab-
schwemmung und schützt die darunterliegende Krume vor übermässiger
Austrocknung.
In den eben abgehandelten Absätzen ist dargethan worden, in wie
sehr kurzen Strecken der Felsboden wechselt, sei es in seiner HanptiHi-
sammensetzung (nach dem verschiedenen Muttergesteme), sei es in seinen
Mengungsverbältnissen (nach den verschiedenen Gresteinsabänderungen),
sei es endlich nach der Mächtigkeit der Krume. — Dieser rasche Wech-
sel geht aufs Aeusserste auf vielen Kalkbergen, auf denen manchmal von
drei zu drei Klaftern die Krume überspringt, vom äusserst Seichten zum
Tie%ründigen, vom Sande zum Tfaone. — Erwägen wir nun noch, dass
der Wachsthum der Holzarten sich im Weitern noch sehr ändert nach
der oft nicht viel minder schnell wechselnden Lage und Stellung des
Hanges, des Riegels, der Kuppe, Mulde oder Gräte; berücksichtigen wir
endlich, dass dann auch die (bei so steilen Hängen) rasch steigende See-
höhe einen gewichtigen Einfluss nimmt auf den Wälderwuchs , so werden
wir völlig überzeugt sein:
m
1. Abmb 10 den Alpenhochberg^eu eine ins Einzelne gfehende genaueste
ErlregMchäUuBg oder Betriebseinrichtung^« wie sie in den Lttidfor-
sten all^dings ausfuhrbar ist^ meistens nahezu unmöglich fiUt; es
wäre denn> dass man sich in endlose, und überkostspielige Zersplit-
terung der Walder in eine Unzahl von Abtheilungen und Unterab-
tbeilungen einliesse.
C. Dass eben so häufig die Erzielung des höchsten Holzer«
träges dort — wo die verschiedenzeitige vollständige Ausnutzung
ein- und desselben Forstortes möglich ist — - sozusagen auf jedem
Flecke ein anderes Nutzungsalter, ja öfter sogar eine andere Be-
triebsweise und andere Holzarten fordert, dass also hier noch weit
weniger wie anderwärts der Betrieb durch ganze Forste hindurch
über Einen Leisten geschlagen werden dürfe.
Gewöhnlich aber wird dem Forstwirthein letzterer Beziehung manches
Kopfzerbrechen erspart, denn die bestehenden Verhältnisse fordern in der
Mdirzahl der Fälle sehr gebieterisch die gleichzeitige Hauung grosser
Flächen, und der Holzwerth ist auch häufig noch so gering, dass es auf
einige Kubikfusse Mehrertrag nicht ankömmt, oder dass das Mehr von
Personale, welches der Waldeigeuthümer zur Verwirklichung des aller«
grössten Holzertrages erhalten musste, bei Weitem zu viel kosten würde.
74
R e g i II e IL
Die ungeheuren Unterschiede, welche in den Alpen an die örtliche
Erhebung geknüpft sind, haben den Landmann, den Hirten, den Botani-
ker, den Geologen, kurz all Jene, welche dort wirken und forschen^
von jeher bewogen, deren Gelände in verschiedene Regionen abzutheilen.
Jeder würdigte jedoch die Unterschiede von seinem besonderen
Standpunkte aus und traf darnach auch eine andere Regionseintheilung ;
und sie thaten recht daran. Aber auch ich glaube recht zu thun» wenn
ich von der Zonenabtheilung des Hirten, des Botanikers u. s. w« absehe,
und bei meiner Eintheilung vom Gesichtspunkte der Bodenkultur ausgehe.
Ich finde dann folgende Hauptregionen:
Feldwirthschaft;
Wald;
Sennerei;
Schnee.
In der Region der Feldwirthschaft haben die Menschen ihre
bleibenden Wohnstätten aulgeschlagen; hier liegen theils in den breiten
Thälem , theils auf sonnigen Berghängen und Terassen seine verstreuten
Wohnungen, Höfe, Dörfer und Städte; hier ist die Stätte des ge-
werblichen und staatlichen Lebens, des regsamen Ackerbaues. Die Gkmst
des Klimas gestattet hier die intensive Benützung jeder Scholle Erde ; die
IM
kfinstliehe Beurbarnnf jedes unwirtlichen Fleckchens; sie gibt dem Acker-
btae den Vorrang vor jeder anderen Benutzung, wesswegen man diese
Zone hanfig Region des Ackerbaues genannt hat; fast alle Ebenen und
weiten Thaler fallen hinein, daher man sie öfter aneh Tbabregion heisst.
Wie die Thalgründe aofwärts steigen, heben sich anch Haus, Grar-
ten, Akerland nnd die Wiese, welch letztere dem Landmanne noch eine
Erwerbsquelle ist, wenn Grarten und Aker längst vor der kalten Luft zu»
rfickgewichen sind.
In dieser Region trifft man nur ausnahmsweise auf grössere Wilder ;
die hier viel ertragreichere Feldwirthschaft hat den Forst auf einzelne
schlechte Bodenstellen, steile Hänge und schmale schattige, oder der Ueber-
schwemmung ausgesetzte Thalsohlen , bis auf den Saum der Wildströme
oder dorthin zurfickgedrängt, wo er die Höfe und Dörfer gegen die Ver-
heerung der Schneelavinen, Erdabsitzungen und Felsenstürze zu schützen hat.
Die wenigen Wälder bergen hier jedoch die mannigfaltigsten Holz-
arten, sie sind die eigentliche Heimath der meisten europäischen Laub-
hölzer.
Zweckmässigerweise theilt man diese Region noch in die Garten-
und Gretreidezone ah^ welch erstere den Bereich des Wein- und Mais-^
baues, der feineren Obstgattungen und Gartengewächse begreift.
Sonderbarerweise hat man diese Region manchmal auch jene des
kultivirten Landes geheissen, als wenn die höher oben betriebene Wald-
oder Sennwirthschaft nicht auch Kulturen wären?
In der Waldregion findet kein ständiger Ackerbau mehr mit
Vortheil statt; sei es^ weil das Getreide nicht mehr reift; sei es, weil
der Wald bereits einen höheren Ertrag abwirft, als die Feldwirthschaft. —
Selbst die Wiesenkultur wird nur mehr auf besonders günstigen Stellen
betrieben.
In dieser Region sind die Thäler bereits schmal oder verwandeln
sich in enge Schlachten; die Hänge werden steiler, daher auch schon
viele Felswände, nacktes Gestein und bedeutende Schutthalden. Die Gre-
wässer stürzen hier mit starkem Falle in tief eingefressenen Betten ab,
oder fallen über Felsenstaffel in gedrungener Masse senkrecht mit tosen-
der Wuth, oft auch schleiartig in Staub aufgelöst; sie allein bringen öf-
ter Bewegung und Schall in die sonst lautlose Einsamkeit.
Hier bedecken die Wälder fast ununterbrochen den Boden ^ nach
Unten die Buche, nach Oben die Fichte weit übervriegend jede andere
Holzart. Der Wälderwnchs ist ganz ausgezeichnet, die Bestände, insofer-
ne sie nicht von Felsen und Schluchten zersplittert werden, dicht ge-
schlossen ; die einzelne Stämme von stolzem kernfesten Wüchse und mann-
hafter Ausdauer«
Hier siedelt sich kein Bauer mehr an, nur Holzhauer und Köhler,
deren Handwerk sie an diese Zone bindet, schlagen gegen den unteren
Rand zu ihre ärmlichen Wohnstätten in roh gezimmerten Blockhütten
auf> und ihre Weiher und Kinder richten sich einige Grasplätze für die
IST
einsi^ Kah oder fär einige Ziegen her, und bauen an sonnigen Stellen
mehr versuchsweise etwas Getreide« Erdäpfel, Kraut und Rüben auf die
GeSedir hin, dass der nächste Frost ihnen die Früchte ihres Schweisses
raube. — Nur in den günstigsten Lagen geben ihnen die gebrandeten
Holzschläge eine oder zwei sichere und ausgiebigere Ernten.
In der Waldregion hat der Forst fast überall so viel Werth, dass
kleine Sennereien ausnahmsweise nur dort bestehen, wo man in den frü-
heren Zeiten der Wertblosigkeit des Holzes günstig gelegene Grasplätze
dem Walde abgerungen hat. Diese werden gewöhnlich für eine kurze
Vor- und Nachweide mit einer nahegelegenen Hochalm in Verband
gebracht.
Gewöhnlich ist in dieser Region die Weide eine blosse forstliche
Nebennutzung« Tiefer unten weidet man im Vorsommer und Herbste das
Melkvieh vor und nach dem Auftriebe auf die Sennereien , und im Hoch-
sommer die wenigen bei Hause behaltenen Kühe. ~ Höher oben ernährt
man den ganzen Sommer hindurch die Ochsen und das kleine Zuchtvieh.
Man tbeilt diese Region in die Zonen der Buche und Fichte ab.
Wegen ihrer Bedeutung für die Weide pflegen die Aelpler die Wald-
region, in ihrem Sinne zwar ganz richtig, im übrigen aber völlig unei-
gentlich ; „Region der Voralpen" zu heissen.
In der Sennereiregion tritt der Wald zurück und macht den weiten
Bergtriflen Platz. Hier hat der Aelpler sein Jagdrevier, da ist der Schau-
pktz seines sommerlichen Hirtenlebens.
Die Hochwälder ragen noch in den unteren Rand dieser Region
hinauf aber sie gestalten sich ganz anders; der dichte Schluss der unte-
ren Zonen ist gänzlich verschwunden; die Bäume stellen sich einzeln,
wachsen sehr langsam, bilden zwar an windgeschützten Stellen mit ihren
weit ausgebreiteten, bis zur Erde reichenden Aesten noch immer schöne
ansehnliche Piramiden ; sind aber an freiliegenden Hängen und Köpfen von
der Wucht der Stürme und vom gewaltigen Schneedrucke vielfach
geknickt und zerrissen zu den abentheuerlichsten Formen.
Flechten mancher Art, darunter besonders die schöne Bartflechte, be-
decken die wenigen Bäume und zehren an ihrem ohnehin schon geringen
Zuwachse. Neben den hochstämmigen Fichten, Lerchen und Zirben bildet
noch die kriechende Bergföhre weite und dichtverschlungene Bestände,
wird jedoch höher hinauf immer einzelner und gedrückter. Von Laubhöl-
zem kommen nur mehr die Alpenerle die Vogelbeere und einige andere
unbedeutende Gewächse als unscheinbare Sträucher vor. Dagegen bede-
cken die herrlichen Alpenrosen und die Heidelbeeren ganze Abhänge mit
ihrem schwellenden Teppich und verlocken eine Menge Thiere zum
bleibenden Sommeraufenthalte. Da streichen die Marder und Wiesel und
Iltisse umher, um auf die Eier und Jungen des Hochalpengeflügels Jagd
zu machen. Der weisse Hase> das Stein- und das Schneehuhn locken den
Schiingenleger herauf; zwar nicht mehr der bereits ausgerottete Steinbock
wohl aber die scheue Gemse wagt hier ihre halsbrecherischen Sprünge
m
md verAlirt den kühnen Schfiteen mit nnwidertteUicber Gewalt sa «ei-
nen lebensgpefthrlichen SCreiftfig^en.
Wnnderbar lieblich und prächtig^ ist hier der üppig'e Raeenteppidi
mit «einen tiefgesattig'ten Blamen aller Farben, mit seinen wirsigen Kri«-*
tem ; eine zwar sehr korae nnd fremde aber desto herrlicliere Flora saa-
berii hier die Alpenmeteore fiber die Lage hin.
Der wenigfe Waid dieser Reg^ion hat wegen der zu kostbaren Brki-
gnng nach unten häufig nur in sofern Werth, als er als natörficbe 8chiitm*
wehr flir die unterenr Regionen dienen soll, oder als man seiner eben für
den Sennereibetrieb bedarf. — Daher pflegen ihn die Aelpler auch oft
zu beschranken und roden besonders gerne die Krummholzbestinde sn
Gunsten des Graswuchses aus.
Hier ist die Weide Hauptnutzung und der Holzwucbs Nebenertrag.
— Hit vollem Rechte heisst man somit diese 2^ne auch Region der
Hochalpenweide.
Viele theilen den HöhengOrtel der Sennereien auch in die niederem
Kuhalmen und in die unter der Schneegrenze liegendeo Schafalmen.
Die Gletscher, der ewige Schnee und jene Felsmassen und H6hen, wel-
che über diese hervorragen, machen das Gebieth der Schneeregion
aus, dessen stolze Kuppen und zackigen Felsenkronen mit ihrem blenden-
dem Schneemantel weithin über Berg und Thal erglänzen. — Hier ist
nun das Reich des ewigen Winters und ewigen Schnees, der, wo er nur
irgend zu haften vermag, dauernde weite und tiefe Lagerstätten einnimmt;
oder — wo ihn die warmen Sommerlüfte und heisse Sommerstrahlen noch
aufzulösen vermögen, in starre Eismassen übergeht, die in langgestreckten
Armen sich tief in die Sennereiregion, hie und da selbst noch in die
Waldregion herabsenken.
Der grösste Theil der Schneeregion besteht aus nackten zerrissenen
Felshömem oder verwitterten Felswänden, die meist zu steil sind, als
dass der Schnee oder eine Erddecke darauf haften und sie gegen die
fortschreitende Verwitterung schützen könnten. Sie sind es vorzüglich,
welche in den HochthiUem die grossen Trümmerhaufen und weitgedehn-
ten Schutthalden erzeugt haben und ihnen fort und fort neues Materiale
hinabsenden, so dass der Pflanzenwuchs sich ihrer nimmermehr bemäch-
tigen kann^ und jeder stürzende Schnee, ja selbst der Tritt des Wildes
oder des Jägers sie in rollende Bewegung bringt
Die eigentliche Eiszone erreicht die höchsten Homer nicht; denn
ihre günstigste Werkstätte findet sie in Allgemebien im' untersten Höhen*
streifen der Region. — Dennoch thront ein ewiger Winter auf diesen
hocherhabenen Wolkenstühlen, und alle Dünste schlagen sich als Schnee-
nebel nieder, den selbst der italische Sirocco nicht mehr In Regen zu
verwandeh vermag. Wie herrlich auch die Sonne diese Schneekoppen zu
vergolden und mit ihrem Purpur zu umsäumen weiss, sie zu erwärmen
oder zu schmelzen gebricht es ihr an aller Kraft
15*
Der Piftiiaenwvcba besehrlokt «ick in dieser Regplon auf den an-
teren Theil und auch dorl nur auf wenige ganz unscheinbare Gewächse ;
hj« 8500^9500 Fua« konunen noch einige Kräuter der Steinbrech, Gen-
sianen vor, von dort bis 13000 — 14000 Fuas nur mehr Moose und Flech-
ten, und hfiher hinauf ist (io der Schweiz) jedes Pflanzenleben erstorben.
Man unterscheidet den unteren Theil der. Schoeeregion öfter auch
als Gletscherzone.
In sehr runden Zahlen ausgedrückt nehmen diese Regionen in den
österreichischen Alpen die nachfolgenden Höhenstreifen ein.
TMMe 8oble
Peldwlrtli- ia^^^^t^a.
schafUiehe ^^^T;"*-
Re^on Getrelderef.
Wald- jBaoliensone
refion fPichtensooe
Sennerel- rftobalmen
refion lAchafaliiieB
Kultiiriand
Scknee- (Eiazons
re^ioB (Schaeiezone
Baoptitoek
Udabflül
YssUMa
lordakfUl
OstiUUl 1
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4500
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1000
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6500
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2500
2000
1000
2000
4000
4000
6000
6000
7000
1000
2000
566
2000
3500
4000
4500
5600
6000
1800
1560
3000
500
2000
3500
4000
4500
5500
6000
1500
1500
3000
sooo
4600
8000
1000
500
1000
1600
500
500
500
500
1000
1600
1000
1000
1000
1000
2000
500
1500
1060
1000
1000
800
1000
500
sooo
2000
2000
1600
1500
7000
8000
6000
5560
5600
1500
560
reicati
2000
1
BBi^
IflO
75. H5keB¥erbreitiug der Hanptbodenhiltiirei
SeehAhe
Feld- imd Qartenffewftelise^
Ölbaum und Lorbeerbflscbe kommen vor
Feige gedeiht noch vollkommen . . .
--T^. ^^. ^Cln Weingärten . • . .
weinreDe^^^jj.^ noch einzeln gezogen
Sgibt noch reichlichen Ertrag
kommt noch vor . . .
» . , j gibt noch reichlichen Ertrag
Kastanie
vor
(kommt noch
Wallnnaa .....
Weizen
Roggen
Gerate und Hafer • •
Erdapfel
Pflaume
Apfel- und Birnbaum
Rirachbanm
Höchate Bauemwohnungen
o.^.kA»*^» i Kuhalmen .
Sennhütten {gchafalmen
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
3800—0200
6000
Forstffewftelise.
Traubeneiche ••....•
Stieleiche • • . .
Ulme ......-.•.
Zitterpappel • • •
Bache «...
i»«.«.k^«« I •!« Baum V • . .
Bergahom { .^^ girauch . . .
"''" \ aia Strauch . . .
!ala geachloaaener Wald
vereinzelte Bäume •
als Strauch . • •
Tanne • • •
i-"- l'eÄ"'"'*" : : :
?Fj*K« $ '° Gruppen • . . ,
**^^* {einzeln . • . . -
wr iL^> f alfl Baum • • • .
Aip-rie {ör"" : : :
Schneelinie
Graawucha
Phanerogamen
Flechten . . • •
Haiiptstock der AlpeB
üiUn firaiM
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
4000—6000
2000—3000
unerreicht
unerreicht
%'k50— 4900
2000
3500
3000
unerreicht
unerreicht
unerreicht
(Hkm finsM
1850—2050
2300-2700
2600—3700
3800—4700
3900—4900
4100—5300
5200—5900
3600—'
3600—4300
3700—4700
5900—6200
5900—6700
6800—7300
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
anerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
4200 unerreicht
unerreicht
unerreicht
Sfldabftn
Uitert
unerreicht
550—1600
1500-2000
I550-20&S
1950-2460
1600-2100
2050^2850
2OOO-2500
2200-2700
3100—3700
4000— 4300
4200-MOO
4300--MOO
41400^4900
3900-4100
3900-4200
4000— 4300
4100—5700
55OO-6200
3300—3840
3700—4200
3000—3500
3800—4300
4100—4600
4300—4800
4350-5000
4600-4800
5200-6300
3800-4100
4300—4500
4700-4950
4500—5000
4500-5450
5000—6400
5000—5600
5700-6550
6000—6400
6200—6800
4600—5950
5800-6100
5100—5800 5000—5600
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
1000
500
500
unerreicht
1500
2000
unerreicht
2500
2000
5000
5000
2000
6600 1450
—2000
4000
3000
5900-
5000—5700
5900—6600
8200—8600
8920—9900
10100-10650 unerreicht
11600-12500 unerreicht
unerreicht
Ob«t(
2200^2800
3300^3700
350(0—4200
3400-4000
3500
4000
4250-4700
4600
5000
5000
4500 -4700
4700—5000
5000-5500
5400
5000-6000
6000-6350
5800—6100
6100-6500
6100—6700
6200— 6800
3000—4000
5500—6000
6200—6600
6800-7000
5000
6000
8250-8520
unerreicht
unerreicht
unerreicht
161
nd der bemerkenswerthesten ForstgewSehse.
ia Fassen.
Taitabflül
lordabteU
diUkfUl
OberoSraiie
Merr. Alpoii
hkntHM
OMr« fircnie
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Hberhaiipt
unerreicht
300-800
300—1600
_
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_-
unerreicht
800
800-2000
uerrHclit
1800—1600
UDerreieht
800—1200
unerreicht
900-1200
800-2050
oierreichi
1000-<1800
unerreicht
900—1400
unerreicht
1200-2000
900—2450
_
unerreicht
800—1000
800-2100
_«
unerreicht
800-1800
unerreicht
1000-1200
800-2650
merreicht
1600—1800
unerreicht
800-1000
unerreicht
1000-1300
800-2500
— _
unerreicht
900-1400
unerreicht
1500--2400
900-2700
__
anerreicht
2000— 1700
unerreicht
2400—3000
2000-8700
__
_»
unerreicht
1850-2900
unerreicht
3000—3800
1850-4700
„„
-^
unerreicht
2300-3300
unerreicht
3000-4000
2300-4900
unerreicht
2900-3800
unerreicht
3000-4200
2900-5300
M
..
unerreicht
3000—3900
unerreicht
3200-4300
3000-iOOO
—
unerreicht
—
—
—
—
3600-9800
—
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•^
3700-3900
unerreicht
3000-3750
3000—3800
3000—4100
_
3000—4100
^
3000—4300
3000—6300
_
3200-3800
4550—6000
—
4550-6700
"
"■^
5000
5500—6200
5500-7800
Doerreichl
2000-«800
unerreicht
2000-2500
unerreicht
1000-1600
lQOO-2500
^,
unerreicht
3100-3600
unerreicht
2000-2500
2000— SfOO
_
unerreicht
3600-4100
unerreicht
9000-3600
3000-4200
DDerreicht
2000-3000
unerreicht
2500-3000
unerreicht
2300-3000
2300-4000
unerreicht
12500
unerreicht
2800-3200
unerreicht
9000
2500-3000
unerreicht
3600
unerreicht
3400
unerreicht
3500
3400—4300
unerreicht
•
unerreicht
3750—4100
unerreicht
—
9700 4700
unerreicht
3700—4700
unerreicht
3800—4700
unerreicht
3500-4000
3500—4600
unerreicht
4700*5000
unerreicht
4300—4900
unerreicht
—
4300—5000
unerreicht
4000
—
4000—5000
unerreicht
5500
..
—
5500-6300
unerreicht
3800
unerreicht
3800-4000
unerreicht
3800^4000
3800—4700
unerreicht
4200
unerreicht
4250-4400
unerreicht
3900—4100
3900-5000
unerreicht
4400
unerreicht
4400-4600
unerreicht
4000-5600
unerreicht
4000—4800
unerreicht
—
unerreicht
4000
4000-5400
unerreicht
4700
unerreicht
4300-4500
unerreicht
4000-4500
4000-6000
unerreicht
6600
unerreicht
4800—6000
unerreicht
4500-5000
4500-6400
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4000
1000—1400
4400-4600
1500
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4000—6100
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unerreicht
4900—6050
1000
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4900-6700
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5000—6100
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6000—6900
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5000
unerreicht
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4100-5000
1500
5500
unerreicht
4700-6050
»^
.^
4700—6100
5600
4100—4500
5000-5500
4000
4500—5000
4500—6600
2500
6500
2500-3000
5500-6400
3500
4600-5300
4600-7000
.
5600
3000
5000-5500
.»
—
5000—5700
tm
6500
2500—3000
5500-6000
—
—
6500—6600
__
8200—8400
_
8200-8450
•.«.
unerreicht
8200—8600
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerrefcht
8900-9900
unerreicht
nverrelcht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
10100-10650
inerreicht
uDerreieht
ouerrelcht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
11600-12500
11
169
76
HOhengrenzen einiger minderbedentender GewEclute.
Seehfthe in Fassen.
Feld- und CSarten-
ffeivftcbse*
Lein ....««..
Holländer
Weisse Rabe, Rettlg, Kohl Salat
Sauerdorn
Zuflammenhäng^ender Rasen •
Forstffewftelise.
=^«--''« {^Lrv- :
Weichhaari§:e C als Baum • •
Eiche l als Strauch •
Götterbaum .......
Snmach .......
Blumenesche Hopfenbuche
Sanddorn Kornelkirschen • •
Haseinuss
Bohnenbaum
Schwarzpappel .....
Schwarzföhre
Schlehdorn -Hag^edorn • • •
Alpenrosen
Wachholder
KrauUrtig^e Weiden • • •
Hanptstok
Untere Greue
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
1500-aiOO
2600
6000
Obere fireiie
3250—4900
4000—4650
5000-6100
5200-6300
7200-8000
4300—4600
2000—2800
6400-7300
0400-7400
SUabfUl
Ditere Greue
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
1000
unerreicht
unerreicht
1600
unerreicht
6400—7200 1400-2600
2600
4600
Obere Greue
3800—4500
7000-8000
1500
900
2700
3300
2800—3200
3600-4000
4000—4500
4200—4600
4800—6160
3000
2800—3600
7600
7600
7700
lordabflUl
DiUre Greiie
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
unerreicht
800
1600-2000
2000
5000
Obere fircuc
900
1400
800
1100
1000
1600
3000—3600
6300
6400
6600
77
NEheres Aber die HShengrenzen der Gewäclise.
Die Verbreitungs^enzen der Pflanzen sind nichts weniger als ei-
gentliche Linien« denn in der Regel verlieren sich die Gewächse nach
und nach; auch ist es sehr schwer die letzten Exemplare besonders der
kleinen Pflanzen auch wirklich aufzuGnden.
Bei den geselligen Holzarten beträgt der Streif, den man als Gren-
ze ansprechen muss, oben 50—150, unten 100—300 Fuss. An der obe-
ren Grenze zeigen die Stämme dieses Streifes eine höchst auffallende
Verkümmerung. Die Schäfte sind sehr kurz und kegelförmig, sehr dicht
und bis zur Erde beastet; die Aeste hängen mehr nach abwärts, oder
stehen wenigstens viel weniger aufrecht; Latib und Nadeln sind klein,
kurz und dicht; die Rinde ist mit üppigem Flechtenwuchse überzogen;
die Gipfel sind grösstentheils dürr und auch viele der Aesle vertrock-
net , zahlreidie Stämme sind inehrg^ipfelig. — Die Verkümmerung
geht hier manchmal so weit« dass besonders an sturmbewegten Orten
die mannhaften Budien und Fichten, ja selbst die kernfeste Zirbe völlig
zu kriechendem Gesträuche herabsanken , an welchem uligeübte Augen
nicht mehr den eigentlichen Tipns dieser sonst so herrlichen Holzarten
erkennen. Ganze Gruppen von derlei Bäumen sind dann öfter oberirdisch
dürr, haben aber gleichwohl noch Leben im Wurzelstocke und in seinen
unterirdischen Verzweigungen. Die Stämme dieser obersten Grenzstreifen
blühen nicht, tragen also auch nie Samen; ihr Holz ist auch immer von
minderer Güte (weil die Jahresholzlagen nicht vollständig ausreifen können).
An der unteren Verbreitungsgrenze gibt sich die Entartung in an-
derer Weise kund* — In der Jugend bleiben die Pflanzen selten im Wüch-
se zurück, im Gegentheile schiessen sie öfter ungewöhnlich geil in die
Höhe ; aber bald lassen sie nach und schliessen ihren Wuchs äusserst
zeitlich ab. Die erwachsenen Stämme zeigen auch bei weitem nicht die
üppige Frische und Kraft ihrer heimatlichen Region; Krankheiten und
Insekten setzen ihnen auffallend zu; ihr Holz ist von geringer Güte«
Die Grenzlinien der Gewächse sind nichts weniger als gerade; die
mannigfachen Umstände, welche ihr Wachsthum begünstigen, erhöhen
sie örtlich äusserst bedeutend, und die entgegengesetzten Umstände drü-
cken sie weit unter das Durchschnittliche herab. — Daran ist nicht bloss
die in gleicher Seehöhe örtlich verschiedene Luftwärme Schuld, sondern
es wirken nicht minder auch die mehr oder weniger entsprechende Kru-
me, die Regenmenge, die Luftfeuchte, die Luftbewegung , di^ Bodenwär-
me, die Bodenfeuchte, 'die Lage gegen die Sonne, ja selbst die Mitbe-
werbung anderer Gewächse, so wie die menschliche Kultur ein. Es lässt
sich zwar nicht scharf angeben, um wie viel Fusse jeder dieser Fakto-
ren die Regionsgrenzen der einzelnen Gewächse an und für sich verän-
dert; der erste Blick jedoch in die Hochberge feeigt, dass ihre Gesammt-
wirkung gewaltig sei.
Das Folgende möge die Einzel Wirkungen andeuten.
Im Hauptstocke der Alpen steigen die meisten Gewächse in etwas
kältere Isothermen als im Nord- oder im Südabfalle, offenbar Dank der
grösseren Bodenwäre.
Die Buche steigt im Ost- und selbst im Südabfalle der Alpen zu
kälteren Isothermen wie im Hauptstocke, offenbar, weil ihr die Krumen
der erste ren ihres bedeutenden Kalkgehaltes wegen CKalkthonböden) ungleich
besser zusagen, ah die kalkarmen Krumen (Schiefer oder Thongesteinbö-
den) des letzteren ; umgekehrt steigt wieder die Fichte im Hauptstocke
zu einer kälteren Isotherme hinauf, denn hier wächst sie auf ihrem ur-
eigentlichsten Boden. Noch aufibllender ist dieses Verhältniss bei der
Zirbe, welche wegen des ihr angemessensten Bodens im Hauptstocke
der Alpen zu entschieden kälteren Wärmelinien sich erhebt.
Ia ähnlicher Weise steigt die Legfohre auf den Kalkbergen bedeu-
tend hdher, als ailf dem Thongesteinboden, obwohl der Unterschied bei
dieser Holzart nicht gar so auffallend ist. 11*
Die bexugflichen Uoteracbiede mögen selbst tuf tM— 5S0 Fuss geben.
Auf den sanftansteigenden Hängen gehen die Regionsgrenzen der
meisten Oewichse sichtlich höher, als auf den Winden, was zweifels-
ohne in deren besseren Krume liegt Bin Gleiches beobachten wir auf
den quellenreichen Abdachungen gegenüber den qoellenarmen. Hievon ma-
chen jedoch die Fdhrenarten, gans ihrer Natur gemSss eine Ausnahme und
die SchwarsfShre insbesondere steigt gerade auf den trockenen, felsigen
Gehängen am höchsten.
Auch diese Unterschiede können selbst einige hundert Fusse be-
tragen.
Dass die Lerche im Nordabfalle der Alpen auf den Schattenseiten,
im Södabfiille hingegen auf den Sonnenseiten höher steigt, dass sie im
Nordabfalle etwas unter der Fichte bleibt, im Sfidabfalle hingegen diese
über trifft, liegt bei dem grossen Feuchtigkeitsbedürfnisse dieser Holzart
offenbar in den Regenverhältnissen dieser Alpenthelle.
In allen Jochsätteln ziehen sich die Verbreitungsgrenzen, der dorti-
gen starken und fast stätigen Luftjströmungen wegen, tief herab ; sie lie-
gen aus gleichem Grunde dort tiefer, wo sie gerade ein Joch treffen;
sie sinken auffallend auf den ungeschützten Sturmseiten der Berge und
am allermeisten auf freistehenden Kuppen, welche der ganzen Wucht
der Stürme blossgestellt sind. — Diese Wirkung der Luftströmungen
habe ich selbst schon mit 800— ISOO Fuss erhoben.
Welch gewichtigen Einfluss die Lage gegen die Sonne nimmt, hie-
von geben folgende Erhebungen Zeugniss, welche im Hauptstocke der
Alpen unter dem 47. Breitegrade (in Tirol) rücksichtlich der oberen Fich-
tengrenze gamacht worden sind.
SoekNu.
Lags gsgti Prflisr Haag, ia idtoaalsi Tbale.
NW
5880
—
N
5260
4750
NO
5050
M80
5350
4360
80
5M0
— .
8
5590
4900
sw
5590
w
6'450
4880
Sie zeigen, dass dort die blosse Lage gegen die Weltfegend bei
der Fichte auf freien Hängen über 840, in schmalen Thälern über o50,
und die Lage überhaupt über 1500 Fuss entscheiden kann.
In weiten, gegen Süden und Südwesten offenen Thälern steigt iie
Fichte hingegen öfter höher, als 4tuf den Abhängen.
Wo wegen sehr günstiger Ortsverhältnisse ein Hobgewächs wu-
chernd um sich greift, drängt es jene Arten, denen die Örtlicbkfijt weniger
1«6
entspricht, tief unter ihre möglichen Verbreitungsgrenzen. Das zeigt sich
im Hauptalpenstocke (auf den Schiefer- und gewöhnlichen Thonböden)
sehr auffallend rücksichtlich der Buche , welche allenthalben von der
Fichte verdrängt wird^, und auf den Kalkthonboden Krains. wo die Bu-
che Wieder dfd ftehte sMlnlt hl JeliM HOhen noch verdrangt» wo diese
noch hochstammig gedeihen wQrde, während erstere (der Stürme wegen)
nur mehr äusserst gedrückt fortkömmt
Die menschliche Kultur wirkt auf die Höhengreoaen besonders auf-
fallend bei den Akergewächsen. — Eine verhaltnissmassig dichte und arme
Bevölkerung wie jene vieler tiroler Hochthäler ist gezwungen auch die
höchstgelegenen Schollen auf die Gefahr hin zu bebauen, dass die Ernte
ganz ausbleibe oder die Aussaat nur zwei oder dreifach wiedergebe;
wahrend der bemitteltere Bauer Unter- und Oberöstreichs und insbeson-
dere die dortigen grossen Grundbesitzer, Schollen, welche nur schlech-
te Getreideernten versprechen, zu Wiesen, und schlechte Wiesen zu
Wald liegen lassen.
Aber auch auf die oberen Grenzen des Waldes wirkt der Mensch.
Rücksichtslose gleichzeitige Abholzung ganzer Hochthäler, Bergzüge und
Jochsattal hat an hundertan von Orten die oberen Verbreitungsgrenzen
der Holzarten und der Feldgewächse um 50—300 Fuss herabgedrückt.
Aus dem Allen geht hervor, dass die Höhenverbreitung der Ge-
wächse eigentlich an jedem Orte eine andere, ja dass sie selbst an ein
und demselben Orte nicht ganz stetig ist; so wie, dass sich die Verbrei-
tungsgrenzen nie werden in sehr scharfe Ziffern fassen lassen.
Nicht minder zeigt sich das Vergebliche der Bemühung, für die
Verbreitungsgrenzen jedes Gewächses die entsprechenden allgemeinen
Isothermen zu finden; in jeder Gebirgsgruppe, in jedem Lande, ja ge-
wissermassen in Jeder Örtlichkeit treflbn diese Grenzen auf Andere Iso-
thermen; eben weil ausser der Liiftwärme so viele andere Faktoren auf
sie Einfluss nehmen.
Demungeachtet ist es nicht ohne Interesse die Isoth^irmen, der ver-
schiedenen Gewächse bei gleicher Öftlicbkeiti so wie jene ein und des-
selben Grewächses in den verschiedenen Länden zu vergleichen, denn
diese Vergleichung wirft manches Licht auf ihre klimatischen Bedürfnisse.
166
Hliilere JTalireswftrme der oberen VerlireliUMS«ffreiise
elnlser CSewftelise der Aljpen.
llM»tatMk
tMaUUl
iMiafcfUI
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Rebe äuMerste Grenze • .
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Buche oberste Grenze • .
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7.0
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Fichte Baumgrenze
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Legföhre
••0
0.8
0.8
0.,
Schneegrenze • - . . •
-*-4
—
-»•3
—
Letzte Phanerogamen • • •
-7.«
—
-'
Anmerkung. Fflr diese Zuaammenateliung sind nicht die minieren Höhengren-
zen der Tafel 16, sondern unter sich besser vergleichbare Ponkte benfilzt worden.
Die botherme der mittleren Getreidegrenze ist in den Alpen 5—7^
in Lappland hingegen — V, jene der Baumgrenze in den Alpen 1— S^ in
Lappland — 3.^
78
BeobaehtiiiigeB u« die VegetazionsepoeheB bedeotenderer Gewlchse
atf Yerschiedenen Alpenstarionen.
Blttheselt
Aprikosen
Kirschen
Pflaumen
Birnen
Aepfel
Quitten
Mispeln
Roggen
Weizen
Mais
Weinstock
Linden
Seeböhe 1055 Fuss«
21Jährlge Beobachtungen«
Greazea Mittel Reifeselt
Grensea
llttd
Heuernte I.Mai -
Roggenernle 17. Juni -
Weizenschnitt 30, Juni -
Traubenfärb. 2. Ang. -
Weinlese 19. Sept.-
Fröste
Letzter Reif
Erster Reif
30. März •
17. Sept.-
-13. Juni 27. Mai
•15. Juli 2. Juli
-26. Juli 15. Juli
- 7. Sep. 17. Aug.
-27.0kt* 13. Okt.
-21. Mal 25. April
-20. Nov. 14. Okt.
167
Hrnfp^im In Kftnitlim.
Seehöbe 3630 Fois.
Jabr 1849.
BlattbUdvBK
BlftthOBblldVBK
FroGht
-roifb
Audiwil-
Im der
btfal-
FiiUf
Eitfir-
AbfaU
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btfal-
Iitt0 der
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Kidf der
«itbei-
WeisMrle
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BÜÜif
leit
».Ap.
».Mai
16.Aug
?.Okt.
M.Okt.
^
3.MZ.
26. Okt.
Birke
S9.Ap.
6. Mal
20.Aug
26.Sep.
M.Okt
—
•.Mai
14. Mai
20. Mai
85.0kt.
Saaerdorn
28. Ap.
S.Mai
16.Aug
29.Sep.
Ead.O.
13. Mai
28. Mai
5.Juiii
18.JunI
25.Sep.
Seidelbast
18. Ap.
26. Ap.
24. Juli
ll.Sep.
M.Okt.
3.Mz.
21.MZ.
10. Ap.
27. Ap.
20.Aug
Bache
I.Mai
16. Mai
3.Aug
27.Sep.
16. Okt.
4. Mai
12. Mai
16. Mai
—
I7.0kt
Walhiuaa
18. Mai
M.Mai
—
23.0kt.
—
—
—
—
—
. —
Hekenkirscbe
17. Ap.
7. Mai
15.Aug
15.0kt
M.Okt.
O.Mai
«.Juni
5.JUDI
aJunI
1.0kt
richte
—
26. Mai
29. Juli
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18. Mai
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—
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—
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3. Mai
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17. Okt.
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12. Ap.
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11. Mai
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2. Mai
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11. Mai
28. Mai
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25. Juni
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27. Aug.
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8. Juli
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Gerste •
U.Sept.
11. Sept.
Anmerkung* Im isarlhale: Fall und Krim.
Beim Chiemsee : Chleming, Inzell.
Im Fuscbthai (Tauernkette): Embach, Febrleitrn.
Möllthal: Heillgenblut, am Plattl, Sagriz, Winklern.
Oezthai: Heiligenkreuz, Lengenfeld, Oez, Solden, iJmhf*uspn.
Passeler: Schönau.
Pusterthal: Bruneken> Innlchen, Llenz.
170
79 NUieres »er ^
Hlitlerer Elnivltt der TesetABlonsepoeheii
Schmelxen des SchDeei*
Erwachen der VegeUzion ...»
Anbau des So m mergle treides • . «
Lelxle Schueeralle i«**»"»""««» • •
(Manchmal. • .
BelAubanff
Rothbache .•.••..••
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Blütbeblldunff
Wohlriechende Veilchen
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Holländer • • . « •
Gerste . . • . ,
Heuernte
Frucbtrelfe
Kirsche
Rogrfen
Gerste • • . • •
Weizen
Hafer. ..........
Hollunder ••*....•.
Anhaltende allgpemeine /Schneedecke.
Eintritt des Winters
In der leohSha
1600
bis
2000
17. März
25. März
20. April
15.-25. Mai
2. Mai
3. Mai
10. Mai
4. April
5. Mai
4. Mal
0. Mai
4. Juni
8. Juni
11« Juni
15.-20,Juni
25. Juni
18. Juli
25. Juli
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14. August
9. Septbr.
10. Dezbr«
2000
bis
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20. März
7. April
29. April
14. Juni
10. Mai
10. Mai
18. Mai
11. AprU
9. Mai
9. Mal
20. Mal
13. Juni
18. Juni
19. Juni
23. Juni
19. Juli
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20. Aug:ust
26. August
20. Septbr.
1. Dezbr.
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bis
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9. April
14. April
14. Mal
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21. Mai
25.-30. Mai
20. April
15. Mai
15. Mai
1. Juni '
20. Juni
28. Juni
29. Juni
24. Juni
2. AugusI
7. August
16. Aagaat
30. Augast
4. Septbr.
2. Oktob.
21. Novbr.
Der mittlere Unterschied im Eintritte der Vegetazionsepochen beträgt daher für Je
der Fruchtreife bis zum Eintritte des Winters 1273^ im Allgemeinen also
171
fegetazMisepoekeB.
la 4*n Kaclibersen der Alpen.
Tage-DntorsohiodMfJe
^000
5000
5000
bis
6000
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bis
7000
7000
bis
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—
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—
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26.-28. Juni
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10
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neo« Primeln*
20. Mii
ZU Juni 1 9. Juli 1 27. Juli
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6-18
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3; Septbr«
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1
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11%
lOOO VnsB 1
lobe bis zur Beendigung^ der Bifitheobil
dung^ 10, und vom Beg^inn
lIT^fe.
in
Das Schmelzen de« Schnees und das Erwachen der VdgelMiili:« so
wie der Eintritt der winterlichen Schneedecke sind stets schwankend^ be-
sonders in der Tiefregion ; bis SOQO Fuss ergiebt sich in manchen Win-
tern gar keine dauernde Schneedecke (und somit auch keine Schlittbahfi)
bis 3000 Fuss, und auf den Sonnenseiten auch noch höher, wird die Schnee-
decke öfter zeitweise weggeschmolzen; übei^ diesen Gfirtel hinaufist sie
aber so ständig» dass sie wirklich mil dem Eintritte und den Schlüsse
der Vegetazion znsammenfUlt
Oertlich treten nach den mehr oder weniger gfinsligen Verhaltnis-
sen die Vegetazionsepochen im Mittel sehr verschieden ein. Unterschiede
von 2 — 3 Wochen sind da nichts Seltenes.
Auch nach den Jahren treten sie sehr verschieden ein; besonders
im Erwachen der Vegetazion liegen die Extreme etwa 6 Wochen aus-
einander.
Ein sehr zeitlicher Eintritt der Vegetazion ist der Reife und Hart-
fröste wegen in der Regel gefährlich.
Dauer 4er TesetABloiiVBeli Im HAuptalpenstocke*
(Vom Brwacben der VegeUsioD bia zam Eioirltle des Wlat^rs«)
b4«rl«eUhe
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SOOO-3000 .
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4000-5000 .
. tot
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. 167
6000—7000 .
. 13t
7000-8000 .
. 9t
Der Unterschied im Vegetazionszeitraume betrigt daher Ar je 1000
Fuss Seehöhe unten S3, oben 38^ und im Mittel SO Tage. Ober der
Schneelinie fibersteigt er noch weit die 38 Tage ; die Vegetazionszeit be-
schränkt sich dort (an sonnigen Stellen) fast auf den blossen Monat Au«
gust; die Flechten bleiben hier gar oft bis ins zweite Jahr mit Schnee
bedeckt» ohne aber dieserwegen abzusterben.
Nach Oben bedarf die Entwicklung der Pflanzen immer grösserer
Zeiträume. — Im Hauptalpenstocke verfliessen z. B. zwischen der Blä*-
thenbildung und der Fruchtreife folgende Tage.
Kirsche WiaUrraggei Sents
1500-8000 51 44 44
SOOO-3000 69 46 47
3000-4000 78 47 47
4000-5000 83 50 48
5000-5400 - 56 51
178
MerkwQrdig ist überhaupt der Vergleich der Zeit» welche die einzel-
nen Gew8ch«e in den verschiedenen Klimaten zu ihrer Vollendung braa-
chen. Die folgenden zwei Beispiele von Winterpflanzen werden noch auf-
fallendere Unterachiede tagen«
Wlaterweiioa
Mittlere
StatMit
Malta .
Sizilien
Neapel •
Rom
Berlin .
Alpen bei 3000 F. 12. Sept.
Mittlere Vefreiaxlonszeit
Iriteztlt Tag»
18. Mai
SO. Mai
S. Juni
». Juli
7. August
163
170
198
»43
899
389
Wlitarroggea li 4aa ilpai
Veselaaionaiseit
Saatislt Britsiolt Tag»
80. Sept.
a Sept.
a Sept
30. Juli 818
14. Aug. 840
& Sept 885
Da die geringere Luftwarme offenbar auch durch die Zeit ersetzt
wird^ so reifen die Früchte in den Höhen zwar bei geringeren Tages«
iemperaturen^ aber darum auch später« — Die Kirsche z. B. reift am Fusse
der Alpen bei einer mittleren Tagestemperatur von 17— 18<^, an ihrer
obersten Verbreitungsgrenze hingegen bei 11^18^; der Winterroggen
herunten bei 17 — 18^ oben bei 10^
Es scheint jedoch kaum einem Zweifel zu unterliegen, dass die Pflan-
zen in den Höhen mit einer etwas geringeren Wärmesumme (Summe der
Tagestemperaturen der ganzen Vegetazionszeit) vorlieb nehmen.
Der Aelpler und sejne Wirthschaft.
80
Der Äelpl^r als Henseli und Staatsbürger.
Die Natur, welche den Menschen umgiebt , spiegelt sich wieder in
seiner Seele. — Gewaltig und rein drückt sie sich in das weiche Ge-
müth der Jugend, mächtig wirkt sie noch immer auf den von Leiden-
schaft bewegten Mann und selbst der dem Grabe zuwankende Greis
ist ihr noch unterthan; uns unbewusst gesellen sich ihre Eindrücke zu
dem, was tief und frei als ursprüngliche Anlage, als innere geistige
Kraft in uns wurzelte, sie prägen mit diesen den Karakter des Einzelnen
aus, und den ganzer Völker.
Grossartig ist die Alpennatur, grossartig und tief ist auch ihre Wir-
kung auf den Menschen.
Möge naturwidrige Verkehrtheit und Sittenlosigkeit in den Gross-
städten noch so viele Siege erringen, mögen sie im Flachlande den Tross
ganzer Völkerschaften mit sich reissen , den Aelpler werden sie nie und
nimmermehr unterjochen, dafür schützt ihn die Majestät seiner Hochberge.
Im Angesichte der erhabenen Alpennatur schrumpfen der falsche
Prunk, der hohle Schein, die Lüge und die Heuchelei unserer Civilisati-
on in ihr Nichts zusammen. Darum gibt sich auch der unverdorbene
Aelpler treu und wahr wie ihn Gott geschaffen hat; er nennt die Dinge
bei ihrem wahren Namen und treibt die Höflichkeit nicht weiter als zum
Verschweigen dessen, was offenbar verletzen müsste. Sein gerades Vor-
gehen, seine derbe, ungeschminkte Sprache stossen zwar den verweich-
lichten Kulturmenschen zurück, wo er sich getroffen fühlt, im Übrigen
aber stieben sie ihn höchlich an, und zwingen ihm unwillkührlich Bewun-
derung ab für eine Tugend, welche er nicht nachzuahmen versteht.
Die schwere Mühe, die Wagniss und Grefahr, mit welcher der Alpenbe-
wohner dem Boden gleichwohl hinreichende, ja öfter reichliche' Erzeugnisse,
den Gewerben befriedigenden Lohn abgewinnt, machen ihm diese doppelt
werthvoll und genussreich, sie fesseln ihn mit doppelten Banden an seine
Scholle, an sein heimatliches Thal ; sie würzen ihm aufs köstlichste sein
einfaches Mahl, sie verwandeln sein hartes Lager in ein Dunenbett, seine
Sommerbank vor dem Hause, seine warme Winterstube ,in einen fürstli-
chen Pallast; sie gehen ihm unerschöpflichen Stoff zum traulichen Ge-
schäcker in der Spinnstube, zum gemüthlichen Geplauder mit den werthen
Angehörigen, welche Mühe und Lohn, Leid und Freude mit ihm theilen.
So lebt denn der Aelpler vergnügt und zufrieden mit seinem Loose,
er sehnt sich nicht weg in ferne Lande, noch verlangt er seine beschei-
175
dene Existenz mit einer glänzenden zu vertauschen; ist er auch gezwungen
einigen Erwerb in der Fremde zu suchen, so kehrt er mit seinen Spar-
pfennigen freudtg zu seinen Lieben zurücl^ ; ja wäre er auch Jahrzehende
auf Handelschaft oder im Gewerbhetriebe ausser Landes gewesen und
dabei ein reicher, angesehener Mann geworden, so zieht er endlich wie-
der ein in die Berge seiner Jugend, vertauscht den städtischen Frack
mit der Lodenjoppe und l&sst sich an der Seite seiner Vater begraben.
Zufriedene , anspruchslose, biedere und gottesfarchtige Itfenschen sind
auch gute Unterthanen. — Der Aelpler ist letzteres im hohen Masse; er
ist treu seinem Kaiser und ihm in hohem Grade anhänglich ; er ist gehor-
sam dem Gesetze und trägt willig die Staatslasten, wenn ihm ihre Noth-
wendigkeit begreiflich gemacht wird. In seinem gesunden, unverdorlienen
Sinne sieht er wohl ein^ dass der Unterthan Pflichten habe, die er red-
lich erfüllen muss, bevor er von Rechten sprechen wiN. Die Beamten
kommen sehr leicht mit ihm aus, sobald sie nur in seiner Weise offen,
gerade , menschenfreundlich und vor Allem gerecht fiirgehen, seine
Sitten und Gebräuche achten und es nicht verschmähen, ihm ihre Forde-
rungen gehörig aufzuklären.
Die Bewohner jener Hochtbäler sind von der Geburt bis zum Gra*^
be vielfach bedroht von der wilden, übermächtigen Natur ihrer Berge;
beängstigt und gefährdet durch Stürme und Wildbäche, die iifre Ernte
verwüsten, ihre Felder und Wohnstätten eihreissen; durch Lawinen^ Gle-
tscherbewegung und Bergstürze, welche ihnen gar oft Habe, Leib und
Leben abfordern. Die Ziibringung seines Holzes oder Heues, die Nach-
sicht nach seinem Viehe, seine Streifzüge nach der kecken Gemse, der
harmlose Besuch seiner Liebsten, ja selbst der fromme Sonntagsgang zur
Kirche kann dem Aelpler ein Glied, kann ihm das Leben kosten. — - Aber
eben diese beständige Gefahr auf jedem seiner Trittl9 spannt auch alle
Kräfte seines Körpers und Geistes, bildet sie aus und erhält sie frisch.
Die überwältigende Grösse der Alpenwelt, ihre erschütternden Na-
turerscheinungen , die ewig wiederkehrenden Gefahren, denen der Eine
ganz unvermuthet unterliegt, der Andere wie durch ein Wunder glucklich
entgeht, dringen dem Aelpler ununterbrochen das melancholische Nichts
des Menschen auf, sie werfen ihn nieder vor der Allmacht Gottes^ gegen
die er sein Gemüth nur durch Gebeth aus dem Staube lu erheben vermag.
Das unverrückbar Feste seiner grossen Naturfenomene, die natur- •
noth wendige Unveränderlichkeit seines Haushaltes und seiner Lebenswei-
se , seine Abgeschlossenheit und sein intensives Familienleben müssen den
Aelpler an das Altbestehende knüpfen, müssen ihn echt konservativ
machen.
Das Verbal tniss zur Hochgebirgsnatnr ist die grosse Erziehungs-
schule dieser Alpenvölker; in ihr empfangen sie Einfachheit; Biedersinn,
Thatkraft, Behari'lichkeit und Erfindungsgeist; sie verleiht ihnen kühnen
Muth und Freiheitssinn, aber auch Achtung des Bestehenden und der ge*
setzlichen Obrigkeit; das Bewusstsein ihrer Würde und Seibstständig-
tn
keit, aber auch die Ehrfurcht vor dem Schöpfer und seinen gewiJtigea
Wetkem und GeboChea; ihr verdankea aie die gro««e Kanal eich «etbat
z« helfen, aber auch die Werthachätsmg der Nächstenhilfe und die
aich daran aufknüpfende Nächstenliebe/
Schon in den Tagen der Schöpfung iai der Karakter des Aelplers
und mit ihm die Geschichte der Alpenvölker vorgezeichnet worden; ein
Karakter^ eine Geschichte, die sich ganz anders gestaltet haben wurden,
wäre dieser Erdstrich eine einfihrmige Ebene geblieben gleich den Wohn-
platzen der Magjaren, oder ein Mittelgebirgsland wie Mähren und Böhmen.
Um wahr zu schildern, darf ich aber nicht verschweigen, dasa ne-
ben den Tugenden der Hochgebirgsbewohner auch einige Schwachen
einhergehen. — Ihre Gottesfurcht artet zuweilen in Bigotterie und reli-
giöse Unduldsamkeit aus, ihr konservativer Sinn in eigensinniges Festhal-
ten am Alten^ in indolenten Widerwillen gegen wirkliche Verbessenin-
gen; ihre Beharrlichkeit in Starrsinn* — Durch diese Schwächen zahlen
aie den Tribut der Menschheit.
Wenn ich eben die Sittlichkeit des Aelplers hervorgehoben habe,
so verstehe ich darunter weder die konvenzionelle Sittlichkeit der soge-
nannten gebildeten Welt, noch auch jene, welche billigerweise nur bei
Menschenklaasen gefordert werden kann, welche in ganz anderen Ver-
hältnissen leben.
Die Aeipler sind gewiss treue and musterhafte Gatten, so musterhaft
als man sie nur sonst wo findet ^ Der Umstand aber, dass der Bauer sein
ganzes Gut (wie es in den deutschen Kronläodem und in Kärnthen und
Krain vom Gesetze gefordert wird) nur einem Sohne übergiebt, welcher
dann seine Geschwister mit einer Kleinigkeit abfertigt, zwingt die bei
Weitem grössere Zahl junger Leute als Knechte und Mägde, als Hölzer,
Köhler, Berg- oder Hftttenarbeiter in Dienste zu gehen und dabei entwe-
der lebenslänglich oder wenigstens durch lange Jahre ledig ' zu bleiben,
bis sie endlich so viel erspart haben, um sich ein Häascben zu kaufen
oder bis es ihnen gelungen ist, irgendwo ein sicheres Brot zu erlangen.
Berücksichtigt man dieses Verhältniss, erwägt man die völlige Unge-
zwungenheit im Umgange dieser Naturmenschen, die unbewachte Ein-
samkeit, welcher die Alpenmaiden bei ihren Feldarbeiten auf den Hoch-
wiesen, vor Allem aber auf der Alm Preis gegeben sind; erwägt man,
wie die wochenlange Abwesenheit des Liebsten die Sehnsucht zum heis-
sesten Verlangen spannen muss, wQrdigt man endlich die meilenweiten
Sonntagsgänge zur Kirche und die unausweichliche Aufregung, in wel-
che kräftige Naturen bei ihren langersehnten Lustbarkeiten gerathen müs-
sen, so wird man den vertrautesten Umgang der Liebespaare weder be-
fremdend finden, noch hoch anschlagen. — Ehre genug, das«i der Bursche
gewöhnlich redlich sorgt (ur die Erziehung seiner Liebespländer und dass
er seine treue Maid zur Gattin machte sobald seine Verhältnisse ihm die
Verehelichung gestatten.
tn
Wo linier sonsl so völligp uoverdorbenen Leuten selbst die Matronen
keinen Anstoss nehmen an dem FaHe einer Jung^frau , wo die Mütter ihn bei
den eigenen Töchtern geduldig hinnehmen als etwas Unvermeidliches , wo
Kinder der Liebe ihren Müttern gar nichts nehmen in der öffentlichen Mei-
nung» dort muss die Enthaltsamkeit wahrhaftig eine unmögliche Tu-
gend sein«
Selbst gegen jene Dirnen, welche in der verfilhrerischen Einsamkeit
der Hochalm dem männlichen Ungestüu^ gewähren, was in der Regel nur
als Lohn treuer Liebe nachgesehen wird, selbst gegen solche mag ich noch
nicht den Stein aufheben ; denn ihr Schicklichkeitsgefuhl ist nie durch Er-
asiehung verfeinert worden, und sie sündigten unter Umständen, welche auch
den feinerzogenen Menschen dem Naturzustande unserer Erzväter nahe
bringen.
Die folgenden statistischen Daten mögen belegen und in bestimmter
Ziffer nachweisen, was ich eben über den Karakter des Aelplers andeutete.
Auf eine Million Menschen kommen (1846 — 48) im Durchschnitte
jährlich Vergehen :
b denWordwest-
lordott- lad
bnAbodudd Sttgto dern
Verbrechen ."'""''''""""""*^ 1890 '^^""^^ ^550
Darunter waren
Oeffentliche Gewaltthätigkeit • • • 65 80
Betrog, DiebsUhl, Veruntreuung, Raub 1060 1290
Körperliche Verletzungen, Mord und
Todschlag • • • 100 90
Schwere Polizeiübertretungen- • • • 3600 6S90
/das Eigenthum • • • 1770 , S460
^ . IdieEhre 480 980
Darunter gegen ) , ^ ^^
'^ Jdic Sittlichkeit • • • 80 300
(körperliche Sicherheit . 1030 _^^^__^ 1840 __^___^
Strafbare Handlungen im Ganzen 4890 6840
Der Aelpler steht daher in der Strafstatistik auf einer glänzenden Stu-
fe. — Nur im Verbrechen der körperlichen Verletzung, des Mordes und
Todschlages steht er gegen die Bewohner der übrigen Ländergruppen im
Nachtheile, woran nur die Heftigkeit der wälschen Alpenbewohner Schuld
ist, welche in ihrem Zorne allsogleich zum Messer greifen.
Eines gewaltoamen Todes starben (1846 — 48) von einer Million Men-
schen jährlich:
la den lordwest-
lordost-iadSttd-
la den Alpen Iftadem
! Selbstmord • . • • • 26 37
Mord 37 34
Unglücksfalle • • • 370 260
Hinrichtung V* IVt'
18
1»
AI«o auch der Selbstmord i«t in den Alpen bei weitem seltener^ wie
anderwärts ; fast um die Hälfte zahlreicher aber der Tod durch Ung^lficks-
fälle.
In Tirol allein verloren (1834 — 35) jährlich 1S5 Menschen durch Un-
glück ihr Leben» Davon waren ertrunken 39, todt gefallen S4 , über Felsen
gestürzt 19, erstochen worden 11 , erschossen 9, erfroren 8, von Lawinen
gelödtet 7, verblutete 1, todtgeschlagen 4, todt geschleift durch umgestürz-
te Rennschlitten 2, an Gift umgekommen 2, durch Einsturz zerquetscht 2,
durch den umgestürzten Wagen erdrückt i, beim Fuhrwerke über Felsen
geschleudert 1, von einem Schweine verzehrt 1 (Kind,) durch einen Ochsen
todtgeschleift 1, verbrannt i, vom Blitze getödtet 1, durch abrollende Steine
zerschmettert 2, durch gefällte Bäume erdrückt 6, mit einem Steinwurf
getödtet 1.
1835 sind in Tirol durch Nächstenhilfe 25 Menschen aus der Todes-
gefahr glücklich gerettet worden.
Man hat berechnet, dass in diesem Lande bloss nach dem gewöhn-
lichen Gange der Hochgebirgs-Naturereignisse 300.000 Menschen, also fast
die Halbscheid der Bewohner in beständiger Lebensgefahr schweben.
Die mittlere Stärke der Familien ist in den Alpen (mit alleiniger Aus-
nahme der Militärgränze) die gross te des Kaiserreiches, sie beträgt 5. i K8-
pfe. Hierin kommt denselben nur Italien gleich; die Nordwest- undNordost-
läuder stehen mit 4.« bedeutend unter ihnen, so wie überhaupt das gesamm-
te Flachland des Kaiserreiches, in welchem die Familie durchschnittlich
4.8 Köpfe zählt. — Dass die Militärgrenze mit 9.« Kopfe sie übertrifft. Hegt
nur in den patriarchalischen Familienverhältnissen dieses Kronlandes, in
welchem ganze Nachkommenschaften unter Einem Familienhaupte verei-
nigt bleiben«
Die weibliche Bevölkerung ist in den Alpen geringer als in den lliNrr>
gen Ländergruppen; denn während sie hier SS'A Prozente beträgt, entfällt
sie dort nur mit 51 Prozenten.
Die unehelichen Geburten betragen in den Alpen 18 Prozente, während
sie in den übrigen Ländergruppen des Reiches nur 10 Prozente aller Gehör-
nen ausmachen. Das Meiste trägt hiezu Steiermark bei mit 25, das We-
nigste Tirol mit 4^, Prozenten.
81
Korperbeschaffenheit des Älplers.
Stellt man die Sterblichkeitstabellen der Alpenländer jenen der übri-
gen Ländergruppen gegenüber^ so ergeben sich folgende überraschende
Resultate.
Es sterben (1846 — 47) jährlich von einer MiUion Menschen :
lordwett-^HoiOoit-
Im A tter ? oi JtlireB h den Alm imd itt gte^er
Aualil Provente Anaalil JPro« »n#e
0- 1 7770 88 9650 S9
1— 4 3000 11 4450 13
4-SO S440 9 8970 U
SO-40 3160 11 . 4870 13
40-60 4390 15 5170 15
60-80 6840 88 4660 14
80-100 1170 4 900 «.,
über 100 18 O.05 17 O.qs
88190 100 33090 100
Mittlere Lebansdandf Jafare 88 87
Während aI«o in den übrigen Ländern der Mensch ein mittleres Alter
von 87 Jahren erreicht, gelangt er in den Alpen auf 38 Jahre ; während dort
die Meisten in dem Alter von 40—60 Jahren sterben, erreichen sie hier
60—80 Jahre.
Im Körperbau unterscheidet sich der Aelpler etwa nur durch grSs-
sere Gedrungenheit. — In den^ fruchtbaren und wohlhabejfiden Gegenden
ist der Menschenschlag sehr srark und schön, in den armen und (verhält-
nissmässig) überdicht bevölkerten Strichen hingegen (wegen ungenügen-
der Ernährung) nur sehr gewöhnlich; in den engen, schaltigen und feuch-
ten Thälern durchschnittlich sogar unter der Mittelmässigkeit ; zahlreiche
Krankheitsanlagen und viele Krüppel zeigen, dass derlei Thäler nicht
wohl taugen zu Wohnplätzen der Menschen.
Fast überall in den Alpen verlieren die Weiber bereits früh die
Fülle, die Leichtigkeit und Frische der. Jugend; ihr anstrengendes Arbei-
ten mag daran Schuld sein.
Das Hochgehirg zeichnet sich durch rheumatische und gichtische
Leiden aus. Erstere treten insbesondere im Südabfalle scharf hervor;
keine Abhärtung vermag ganz gegen sie zu schützen, die rüstigsten Forst-
arbeiter, die im Walde völlig aufwuchsen, also gewiss das Maximium von
Abhärtung erreicht haben, liegen dort tagelang an unleidlichen Kreuz-
schmerzen auf den Bänken arbeitsunfähig umher.
Die Erklärung liegt nahe. Die meisten Gänge fuhren aus den Thä-
lern auf die Höhen. Unten ist es warm, die Pfade sind steil, jedermann
kommt beim Steigen in Schweiss; plötzlich gelangt man vom sonnigen
Hang in eine feuchtkalte Schlucht, an den Lawinenfirn oder Gletscher,
auf das sturmbewegte Joch, es trifil ein eisiger Luftstrom den erhitzten
Körper und erkältet ihn bis ins Mark, oder es bricht ein Gewitter los,
verwandelt die bisherige unerträgliche Schwüle ebenso plötzlich in em-
pfindliche Kühle und durchnässt uns bis an die Haut» Welcher Körper
vermöchte solch grellem Wechsel jederzeit zu widerstehen ?
18*
18Ö
Der Aelpler steigt zwar methodisch langsam^ er kleidet sich in den
Hocbthälern durchs ganze Jahr inWolle^ er macht an jenen kalten Orten,
an welchen er verweilen mnss gerne ein wärmendes Feuer an ; der Wäl-
sche zieht sogar die Jacke aus und trocknet an dessen Wärmestrahlen das
rücklings von Schweiss durchnässte Hemd; aber das Alles hilft nicht
immer gegen Verkühlung.
82
Das Feienthnm.
Man gelangt in Alpenthäler, in welchen sich taubstumme Missge-
stalten mit blöder Miene und stieren Augen, mit krummen Beinen und un-
geheuren Kröpfen herumschleppen, verkrüppelte Schreckensgestalten, wie
man sie sonst noch nirgens erblickt hat* Es sind das die Fexen (auch
Troddeln, Tocken, Dosten, Kretinen die weiblichen auch Trappen genannt).
Das Fexenthum ist ein iRirchterlicher Fluch der sonst so herrlichen
Alpen. Wohl uns, dass es nur auf einzelne Striche beschränkt ist.
Selten die gewöhnliche Menschengrösse erreichend, oft zwergartig,
immer Missverhältnisse der einzelnen Körpertheile zum Ganzen oder un-
ter sich zeigend, oft eine unförmliche Masse bildend , erinnert der vollen-
dete Fex an die Gnomen der Fabelwelt.
Sein oben und hinten abgeplatteter mit struppigen Haaren bedeck-
ter Schädel, das breite grinsend verzerrte Gesicht, die stark hervortre-
tenden Kiefern, die grossen lappigen Ohren, die zusammengekniffenen
Augenlieder mit enger unreiner Spalte, das unsicher rollende oder stark
fixirte, oft schielende lichtscheue stets ausdrucklose Auge, die dicke, ab-
geglättete, umgestülpte Nase, der breite weit geöffnete gähnende Mund
mit seinen wulstigen Lippen, verdorbenen Zähnen und der plumpen Zun-
ge, geben dem dicken auf die Brust herabhängenden oder beharrlich nach
einer Seite gezogenen Kopf ein mehr als thierisches, ein ekelhaftes
Gepräge«
Die Körperhaut ist dick, faltig, missfarbig, fahl und selbst fleckig,
in grossen Falten hängt sie an Angenliedern und Wangen; die zahlrei-
chen Runzeln zwischen den borstigen Augenbrauen und auf der niedern
Stirn verleihen dem Gesichte ein absonderlich altes und träges Ausse-
hen« An dem meist kurzen, dicken Halse hängt gewöhnlich ein hässli-
cher, unförmlicher Kropf. Die Brust ist eng und niedrig, der Unterleib
dagegen unverhältnissmässig entwickelt, so dass der ganze Rumpf oft
nur Bauch zu sein scheint; die Beine sind kurz und missgestaltet; die
langen, mageren Arme hängen affenartig an der Brust herab. Dage-
nen sind die Genitalien, besonders die männlichen, weit über das gewöhn-
liche Mass ausgebildet. Die Muskeln sind schlaff, die Bewegungen unsi-
cher, oft der Willkür entzogen; die runde, wulstige Zunge hängt her-
vor und bewegt sich in gedankenlosem Spiele, die Sprache ist schwer-
181
tiüigy oft vertritt ein thierisches Grunzen ihre Stelle; die Sinne sind
mehr oder weniger schwach^ stumpf und unempfänglich^ häufig 191 Taub-
stummheit vorhanden ; oft vermag der stets gefrässige Kretin keinen Un-
terschied zwischen den wohlschmeckendsten Speisen und den abscheulich«
sten Dingen zu machen.
Die höheren Seelenkräfte kommen beim vollendeten Troddel gar
nicht zur Aeusserung, der hochgradige Kretin hat nicht einmal thierischen
Instinkt Eben so tief ist die moralische Versunkenheit; die Wenigsten
haben einen Begriff von Recht und Unrecht, von Schamgefühl n. dgl.
Vorherrschend sind : Tücke^ Heftigkeit^ Erzürnbarkeit, Gefrässigkeit^ Hang
zur Wollust» Schamlosigkeit
Eine grosse Zahl von Fexen rafft der Tod schon in früher Kind-
heit hm^ den übrigen machen Wassersucht und Abzehrung gewöhnlich
schon vor dem 30. Jahre ein Ende; einzelne erreichen jedoch auch ein
bedeutendes Alter.
Zwischen dem scheusslichen vollendeten Kretin und dem gänzlich
wohlgebildeten Menschen giebt es eine grosse Zahl von Zwischenstufen
und Übergängen. Bemerkenswerth aber bleibt es^ dass bei Vielen der
Kretinismus nur in Einer oder der anderen Richtung ausgebildet ist, und
dass bei solchen Halbfexen untergeordnete Geistesfähigkeiten oft in un-
gewöhnlichem Grade entwickelt sind. So vermochte in Salzburg der
sogenannte Kalenderfex das Datum aller Heiligen Tage des Jahres genau
anzugeben ; so wusste der Moos - Thaddädl die in der Kirche gehörten Pre-
digten im Wirtshause bewunderungswürdig nachzupredigen; der Ziller-
fex zeichnete sich durch unglaublichen Zahlensinn, der Hundshansel durch
ganz besonderes Talent im Stehlen junger Hunde aus.
Die Halbfexen haben in manchen Dingen einen fast genialen Schwung,
nur gehen sie in ihrem Geschmacke gewöhnlich ins abentheuerliche. Sie
schmüken sich gerne mit Flitterwerk aller Art, hängen sich zuweilen
Ordenskreuze an und setzen sich Kronen auf. Prächtige Namen gehen
ihnen über Alles; nicht selten lassen sie sich Napoleon^ Julius ^Caesar
oder Kaiser und König schelten.
Die körperlichen Zeichen des Kretinismus sind der Kopf, die über-
grosse Leber und die übermässig entwickelten Geschlechtstheile. — Die
Missbildnng des Kopfes und die zurückgebliebene Ausbildung des Gehir-
nes rufen den Mangel aller geistigen Fähigkeiten, die Unvollkommenheit
der äusseren Sinne hervor ; das Vorherrschen der Press- und Verdauungs-
werkzeuge bedingt die Alleinherrschaft des vegetativen Lebens«
Die menschliche Leibesfrucht wird dadurch zum Kretin, dass das
Fötusleben in ihr nie erlischt; daher auch das ewig Kindische der Halb-
fexen. Noch in seinem 60. Jahre ritt der salzburgische Moosthaddädl auf
hölzernen Steckenpferden, sang Messe und trug eine goldpapierne Bischofs-
mütze. — Darum geht im ausgeprägten Kretinleibe das schönste Erbtheil
der Gottheit — Geist und Gemüth — nie auf, darum ist diesen Geschöp-
feil der «chönste Vorzug des Menschen — die Sprache versagt; daram
sind sie nur in einem Triebe mftndig geworden, d. i. im Geschlechtstriebe*
Zweifelsohne beruht der Kretinismus auf vorherrschender Th&tig-
keit des Ganglien- und unvollkommener Entwicklung des Cerebralsistems«
Der Kretinismus ist oft das eigentliche Erbtheil ganzer Familien; der
' Fex wird häufig schon als solcher geboren. Troddelhafte Eltern und be-
sonders kretinische Väter erzeugen in der Regel auch troddelhafte Kin-
der, von denen besonders die später gebornen hervorragende Fexen wer-
den. Die endemischen Einflüsse bilden dann den Kretinismus weiter aus,
so dass schon die zweite oder dritte Generation aus vollendeten Trod-
deln besteht, mit denen bei ihrer Ohnmacht zur Zeugung nach weisen
Naturgesetzen das unglfickliche Geschlecht endlich ausstirbt
Der entwickeltste Kretinismus war ursprünglich meistens schon ein
angeerbter, im krankhaft bestellten Zeugungsakte begründeter.
Der angeerbte Kretinismus setzt aber nicht unbedingt schon dostische
Eltern voraus, zuweilen genügen hiezu schon lebhafte Eindrücke von Fe-
xen auf die Fantasie der Mütter. — So kommt es, dass manchmal unter
mehreren wohlgebildeten Kindern geistreicher Eltern ein oder das andere
gleichwohl als völliger Fex ^ur Vi^elt kommt Hieran ist oft der plötzli-
che Anblick eines klassischen Dosten, die leider nur zu gebräuchliche Be-
lustigung mit Halbtroddeln schuld; ja selbst die steinernen Kretinsfiguren,
mit denen man besonders in Salzburg die Gärten verziert, können solche
Felgen haben.
Dem angeerbten Kretinismus steht der angeborne sehr nahe, wel-
cher sich bei dem Kinde einer gesunden Mutter ergibt, welche während
der Schwangerschaft in eine kretinöse Gegend eingewandert, den äus-
seren Einflüssen unterliegt
Meistens ist der Kretinismus jedoch ein erworbener, das Ergebniss
schädlicher äusserer Einflüsse auf kretinische Anlage.
Die Anlage ist entweder älterliches Erbtheil oder Wirkung endemi-
scher Einflüsse. Für sich allein erzeugt sie keine Fexen, sie haftet jedoch
fast auf sämmtlichen Bewohnern kretinischer Gegenden und theilt sich
neuen Ankömmlingen in Kurzem mit
Die äusseren schädlichen Einflüsse, welche die Anlage zum vollen
Kretinismus entwickeln, finden sich beisammen in tiefen, schmalen, feuch-
ten Thälern unter 2000—3000 Fuss Seehöhe; in Thalern, in welchen die
Soromerwärme Mittags sehr hoch steigt und Abends ebenso tief herab-
fallt, nebelreiche selten vom Winde gereinigie Orte, in welchen die Luft
stets feucht bleibt, sei es wegen vorhandener Sümpfe oder grossen Wäs-
serflächen, sei es wegen enger schattiger Lage. — Diese warmen und
zugleich kalten, feuchten, Licht -^ Elektricität- und sauerstofiarmen Thä-
ler, Kessel und Schluchten sind auch die ureigenlliche Heimath des schau-
erlichen Fexenthnms ; hier treibt es in jeder Familie seinen gewaltigen
Spuk, kein Haus ist ohne einige Troddeln, gar manche Bauernhöfe
18t
mnd schön föf immer verlassen worden, weil ihre mehrmals erneuerten
Inwohner dort unabänderlich vertockerten«
Diese unglücklichen Thäler bergen zwar die üppigste Vegetation,
die Gräser schiessen dort sozusagen sichtbar in die Höhe, das Holz
wachst mit Riesenschritten, aber der Mensch kann sich nicht entwickeln;
ein vegetatives Leben entfaltet zwar auch er, aber das Geistige verküm-
mert zum Blödsinn, der Stolz der Schöpfiing er wird zum Troddel. Selbst
dem Thiere sagen diese gefeiten Thalstriche nicht zu, der Haushund,
das Schaf, das Kalb werden dort gegen alle Sitte blöd und kropfig*
Kommt dann noch der Druck äusserer Verhältnisse hinau^ die bit-
tere Armuth, nachlässige körperliche und geistige Erziehung, der Aufent-
halt in schlechten feuchten in die Berge hineingebauten Wohnungen, eine
aller Anregung entbehrende Lebensweise, die vielleicht in der Trunken-
heit ihre einzige Erquickung sucht^ dann geht die Verkümmerung bis
zur grässlichsten Entartung und Familie nach Familie fallen dem vollen-
deten Fescenthum zum Opfer, während der kräftige und fröhliche Men-
schenschlag oben auf den Bergen beweist, dass der Fluch dieses Uebels
in den klimatischen Ortsverhältnissen liegen müsse.
Das echte Tockenklima findet sich vorzüglich im Hauptstocke der
Alpen; hier hat das Fexenthuns seinen Hauptsitz aufgeschlagen.
Das Volk, das die Erscheinung des Fexenthums nicht im Ganzen
auffasst und sie nach seiner gewöhnlichen Weise aus einer einzigen Ur-
sache erklären will, schreibt sie hier dem Trinkwasser, dort wieder der
Grebirgsart zu. Es bezeichnet manche Quellen geradezu als solche, aus
denen man sich Dummheit, Kröpfe und den Troddel antrinken kann. Vie-
le Wässer sind dieserwegen als ^Kropfbrunnen" verrufen: obgleich das
Vieh ohne Nachtheil aus ihnen trinkt*
Nur insoferne die Wasser matt sind, den Durst nicht zu, stillen
vermögen und hemmend auf die Verdauung wirken, nur insoferne die
Gebirgsart Thäler mit sumpfigen Sohlen und nasser Atmosfäre hervor*
brachte, nur insoferne dürften beide wirklich Einfluss nehmen auf das Fe-
xenthum und vor Allem auf den isolirt und in seiner Begleitung auftre-
tenden Kropf. Und in dieser Beziehung sind allerdings das Schiefer- und
das Thongesteingebirg besonders aber die Talkschiefergebiethe demselben
zugeneigt, denn ihre fast ebenen Thalsohlen stagniren die Wässer, ihre
engen Thäler höherer Ordnung lassen noch die Ansiedlung zu, denn sie
sind nicht schluchtenartig, wie jene der Kalkberg'e, sondern die schmale
Sohle ist noch immer breit genug um die Feidwirthschaft zuzulassen.
Bemerkenswerth ist es, dass wir neben unzweifelhaften Kropfquel-
len auch solche besitzen, welche den Kropf wieder entschieden vertrei-
ben ; es sind das die jodhaltigen Quellen, von welchen jene zu Hall in
Oberöstreicb den meisten Ruf erlangt haben.
Der Kretinnsmus ist aber wie die meisten Naturwirkungen sicherlich
nicht die Folge einer einzigen Ursache, sondern mehr oder weniger die
schreckNche Frucht deis Zusammenwiricens gar mancher Potenzen, wo-
runter allerdings das Klima die erste Stelle einnimt
Anlage, Klima, Erziehung;, Lebensweise erzeugen ihn und bilden ihn
aus, sie unterdrücken ihn aber auch, ja haben ihn selbst schon völlig
vertilgt
Darum wüthet er auch nicht überall und jederzeit in gleicher Starke«
Ich kann den Vaterlandsfreund versichern, dass dem Fexenthum von
Jahrzehend zu Jahrzehend einiges Gebieth entrissen wird, und so oft ich
zurückblicke von seinen jetzigen Sitzen in die Überlieferungen der frühe-
ren Jahrhunderte, fühle ich mich freudig bewegt, denn gewaltig ist der
Raum, den ihm die Menschheit bereits abgewonnen hat
Ich könnte Gegenden anfuhren, wo die Fexen einst vielleicht 10
Prozente der Bevölkerung betragen haben, während sie heute nur etwa
3 Prozente ausmachen, andere wo vollendete Dosten gar nicht mehr vor-
kommen ; während mir dem entgegen kein einziges Thal bekannt ist, wo
der Kretinismus erhebliche Fortschritte gemacht hätte.
Schon manches sumpfige und nasse Thal ist trocken gelegt, hunder-
te von schmalen Thälern sind durch die Rodung oder Lichtung der Wäl-
der, welche den Fuss der Hänge bekleideten, weniger feucht und lufti-
ger gemacht, tausende von Wohnhäusern trockener und gesunder um-
gebaut worden. Zahlreiche Aerzte, Seelsorger, Lehrer und Menschen-
freunde arbeiten seit Menschengedenken an der Verbesserung der körper-
lichen und geistigen Erziehung der Kinder so wie der fisischen Lebens-
weise der Erwachsenen; der Verkehr, die Vermengung der Familien und
die Umsiedlung, die Anregung durch die Aussenwelt sind auch beim Aelp-
ler in stetem Wachsen; den Noth- und Hungerjahren ist denn doch das
Förchterliche der Vorzeit genommen worden; und diess alles hat sieg-
reich angekämpft gegen das Fexenthum.
Nur Eins droht ihm wieder neue Bahnen zu brechen; es ist das
unläugbar um sich greifende Brantweintrinken ; aber auch hieffir wäre ein
Gegenmittel gefunden: — das Bier; wolle Gott, dass es wohlfeil genug
werde, um dem verderblichen Branntwein baldigst den Rang' abzulaufen.
Schon diese nachweisbare Verminderung des Kretinismus beweist
die Möglichkeit seiner Bezwingung«
Aber auch am Einzelnen ist er mehr oder weniger heilbar.
Die meisten Fexen werden nicht als solche, sondern ganz wohlge-
staltet geboren, sie bringen nur die kretinische Anlage mit auf die
Welt. Erst die ungünstigen äusseren Einflüsse entwickeln bis zur Zeit
der zweiten Zahnung die ursprüngliche Anlage^ so dass der Unglückliche
endlich nach dem 7—10 Lebensjahre als vollendeter Kretin dasteht Dann
ist er freilich völlig unheilbar, denn sein sensibler Apparat bat bereits
alle und jede Reizempfanglichkeit verloren.
Werden aber solche Kinder gleich nach der Geburt, oder bevor
wenigstens der Kretinismus bedeutende Fortschritte gemacht hat, den
kretmischen Einflüssen durch günstige Ortsveränderung entzogen, oder
wird durch Lebensweise, Arznei und Erziehung entgegengevrirkt, so
kann das Uebel allerdings gebannt, geringere Grade von Missstaltang
18»
können zorfickg^edrängt und jedenfalls kann der Fortschritt des Fexen-
thnms wenigstens zurückgehalten werden. .
Ja selbst der geborne Kretin, welcher sich selbst überlassen^ schon
nach 4—5 Jahren den äusseren Einflüssen völlig unterliegt, kann durch
zeiüiche Anwendung dieser Mittel oft noch gehellt oder wenigstens vor
völliger Missbildung bewahrt werden.
In der bisherigen Darstellung sind alle bekannten Mittel gegen dieses
fürchterliche Uebel angedeutet. Bald möglichste Uebersetzung der Kinder
in gesunde Gegenden nimmt dabei den ersten Platz ein; hierauf folgt
eine von ärztlicher Umsicht entworfene und mit Verständnisse Sorg<
und Liebe ausgeführte, auf Entwicklung von Geist und Körper gerichtete
Pflege, welche durch beständigen Sinnes- und Lebensreitz das höhere
Sinne«- das Gefühls- und Verstandesleben weckt und entwickelt
Dass Heilung möglich sei, hief&r liegen vielfaltige Beweise vor.
Schon von 1816 bis 1835 betrieb der menschenfreundliche Privatlehrer
Guggenmoos zu Hallein (Salzburg) eine Fexenschule, in welcher viele
hochgradige Fexen gebessert und eine grosse Zahl von Halbtroddeln zu
selbstständigen Menschen erzogen worden sind, welche sich als Hand-
werker ihr Brot erwerben.
Vor allem aber beweist es das herrsche von einer Gesellschaft von
Menschenfreunden erhaltene, von Dr. Goggenbüchl 1842 gegründete und
geleitete Institut auf dem Abendberge bei Interlaken (Schweiz).
Der k« k. Protomedikus Dr. J. Knolz, dessen vortrefflichen Vorträ-
gen über Kretinismus ich das meiste dieser Darstellung entlehnt habe,
ist sogar der Ueberzeugung, dass sich das Fexenthum mit der Zeit ganz
ausrotten liesse; einerseits durch Pflege und Heilung der kretinösen Kin-
der, vorzuglich aber durch Hinwegräumung^ Verminderung und Vereite-
lung jener äusseren Einflüsse, welche die kretinösen Anlagen hervorru-
fen und zum vollendeten Fexenthum ausbilden.
Diese Aufgabe — bemerkt er sehr richtig — übersteigt aber weit
die Kräfte einzelner Menschenfreunde oder Gesellschaften, die Regierung
aliein könnte hiezu genügende Mittel in Bewegung setzen.
Der Aelpler betrachtet die Troddeln als eine Art geheiligter Per-
sonen, und die Beleidigung des Hausfexen würde von der ganzen Fami-
lie sehr übel genommen. — Bei dem weichen Gemüthe des Hochgebirgs-
bewohners ist das wohPganz natürlich, theils weil diese Geschöpfe des
besonderen mitleidigen Schutzes Anderer bedürfen, theils weil man in
ihnen den Finger des Himmels und gleichsam die Märtirer zu erkennen
glanbt, welche für die Sünden der ganzen Familie gestraft worden sind.
Der unbeirrte Instinkt des Halbdosten lässt ihm öfter Dinge klar
sehen, die dem begabteren Menschen entgangen sind* Daher haben die
Halbfexen schon öfter wunderbar vernünftige Sachen beobachtet und
vortrefflichen Rath gegeben. Maq erzählt sich überall ausserordentliche
Geschichten, bei welchen Tocken Unheil verkündeten oder abwandten.
Fast jede Familie weiss von ihrem Haustroddel was Wunderbares an-
zuf&hren.
IM
In alten Zeiten waren die Fexen als Hanswurste sehr beliebt, jedes
Wirthshaus hatte einen oder zwei zur Belustigung seiner Giste* Diese
rohe und nachtheilige Sitte ist aber bereits selten geworden.
Die Halbfexen lassen sich recht gut zu mindern Hausarbeiten ver*
wenden, sie verrichten sie sogar mit besonderer Pünktlichkeit
Die Holzhauer -Familien sind so glücklich, dem Fexenthum am aller-
wenigsten zu unterliegen. Der Holzer verbringt fast das ganze Jahr hoch
oben in den Bergen weit ausser dem Bereiche des Troddelklimas, sein
Leben ist bewegt, anregen^ und massig, das Fexenthum kann ihm daher
nichts anhaben. Was ähnliches ist es mit seinem Weibe, die als Sennin
oder gewöhnliche Magd unter ähnlichen Verhältnissen hauste. — Ihre
Kinder kommen daher weit freier von kretinischen Anlagen zur Welt,
und da auch sie nothwendigerweise ein bewegteres Leben f&hren, so
arten sie nur selten zu Dosten aus.
Die Köhlerfamilien sind schon weniger fexenfrei, denn erstens ist das
Kohlungsgeschäft weniger anregend und zweitens verbringt der K5hler
einen grossen Theil seiner Zeit in schmalen feuchten Thälern, woselbst
die Kohlstätten nothwendigerweise errichtet werden müssten.
Hierauf dürfte der Bauer folgen. Sein Hof liegt nur zu oft
mitten im Troddelklima; sein Beruf bannt ihn in dessen Bereich; seine
Wohlhabenheit giebt ihm die Mittel zur Völlerei, zu welcher ihn gar so
oft die Langweile einladet; sein Leben ist überhaupt einförmig und anre-
gungsarm, es wäre denn, dass er sich mit dem Kohlfuhrwerke oder mit
dem Handel beschäftigte.
Am meisten unterliegt der Hütten- und Hammerarbeiter dem Fexen-
thum; denn er muss bei seinen Hütten und Hämmern wohnen, welche
Werke (der nöthigen Wasserkraft und der Kohldeckung wegen) fast
durchaus in die engen, feuchten und schluchtenartigen Seiten thäler ge-
bannt sind*
Ueberdiess haben diese Arbeiter in der Regel nur schlechte und äus-
serst kleuie Wohnungen^ und die Feuerarbeit erregt Durst, verführt also
zum Trünke.
Die somit in dieser Richtung sehr begünstigten Holzknechte liefern
auch im Hauptstocke der Alpen der kk. Armee die meisten Soldaten.
Jene, welche im Troddelklima nicht zu Fexen verkümmern, können
sich gleichwohl nicht ganz dessen Einflusses erwehren. — Dieselben Ur-
sachen, welche die krerinösen Kinder zu ' förmlichen Tocken machten,
bringen vielen Anderen wenigstens ein sehr anständiges Kröpfchen zu
Wege und was aber weit mehr sagen will, drücken ihren Geist nieder.
Bs ist daher nicht klug Behörden oder öffentliche Anstalten im Be*
reich des Troddelklimas zu errichten.
Das Fexenklima hat gewiss keinen unbedeutenden Antheil an dem
Karakter der Thalbewohner des Hauptalpenstockes.
l«r
87
Kirche ud Schule.
Der Stand der Geistlichkeit betrug im Jahre 1847
Auf eine Million Menschen
SekiUr*
OditUche
!im Allgemeinen
in Tirol . .
In den Alpen
In den Nordwestländern
In den Nordostl&ndern
In den Südwestländem
2015
3070
1006
868
3S70
ud Voimen
iiao
2S70
51S
180
653
Hieraus geht hervor , dass die ^ Alpenländer weit reicher mit Geist-
lichkeit dotirt sind, als die übrigen Ländergruppen des Reiches^ und dass
sie hierin nur von den (italienischen) Südwestländern übertroffen werden;
dass aber Tirol am allerreichsten sei, und hierin sogar die italienischen
Kronländer weit übertrifit. Thatsächlich zählt dieses Land 3V2 Mal so
viel geistliche Personen als z« B. die Nordwestländer^ derart, dass bereits
auf 190 Personen eui Gesalbter des Herrn entiällL
Allerdings ist der Bedarf an Seelsorgern in den Bergen (der sehr
beschwerlichen Gänge wegen) bedeutend grösser, als im Flachlande; dem-
ungeachtet steht dieser Unterschied nicht im geraden. Verhältnisse mit der
grösseren Zahl geistlicher Personen; so dass man ihre ungewöhnlich
grosse Zahl in Tirol jedenfalls dem kirchlicheren Sinn dieses Landes zu-
schreiben muss.
V o 1 li • • c H n 1 e n .
Im Jahre 18^7 kamen auf eine Million Bewohner
im AllgemeineD
Alpeo Tirol insbesondere
(Kärnthen n. Krain
Nordwefltländer • •
Nordostländer . . .
Sfidwestländer . . .
SiebenbfirifeD . . .
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1070
2078
508
808
455
1550
20^
4736
1280
1904
750
1902
1260
115800
123300
113500
124860
119000
125200
50700
88120
128000
44100
119740
18700
57500
39500
76
103
38
97
15
46
98
944
1770
490
783
156
86
1%
40980
57200
22580
54670
6200
2800
40
50
70
27
65
8
3
Berücksichtigt man die grossen Schwierigkeiten, welche wegen
der Zerstreutheit der zu einer Pfarre gehörigen Höfe und der Beschwer-
18B
lichkeit der Wege dem allgemeinen Schulbesuche in den Alpen entgegen-
stehen, 80 steht das Volksschulwesen dieser Landergruppe auf einer sehr
achtbaren Stufe, indem von 100 schulfähigen Kindern (von 6—18 Jahren)
im. Durchschnitte doch 76 die Schule besuchen, und 50 sogar noch die
hierauffolgende Wiederhohlungsschule C^ d&s Alter von 13—17 Jahren).
Das grösstentheils sloveniscbe Kärnthen und Krain steht hierin freilich
etwas weit zurück, da nur 38 Prozente schulfähiger Kinder Unterricht
gemessen; dagegen steht Tirol allen übrigen Kronländern voran, indem
dort noch mehr Kinder die Schulen besuchen, als hiezu gesetzlich ver-
pflichtet wären.
Die Schwierigkeiten des allgemeinen Schulbesuches sind in den
Hochbergen wahrhaftig unglaublich gross. — Fürs erste drängen sich dort
alle landwirthschafUichen Arbeiten so in den kurzen Sommer zusammen,
dass die grösseren Kinder hiefur (meist als Hirten des Kleinviehes) noth-
wendigerweise in Anspruch genommen werden müssen (wesswegen sich
der Schulunterricht auch in der Regel auf die rauhe Jahreszeit beschränkt),
und dann sind die meisten Höfe so ungeheuer entlegen, dass manche Ael-
tern selbst beim besten Willen die Kinder nicht zur Schule senden können,
da sie denn doch nicht deren Leben in allzugrosse Gefahr setzen wollen.
Es ist wahrlich rührend, in manchen Hochthälern zur düsteren Win-
terszeit den armen Kleinen zu begegnen , wie sie kämpfend gegen Sturm
und Schnee öfter 1— t Stunden weit zur Schule wandern, die Hände ge-
gen den bitteren Frost tief in den Hosentaschen, die Schulbücher und ein
Stück Mittagsbrot im leinenen Schulsacke. — Noch mühsamer ist ihr Rück-
weg, denn dann heisst es auffwärts steigen,, das Wetter hat sich zuwei-
len bedeutend verschlimmert und öfter überfällt sie die Nacht Anfangs
wandern sie lustig in ganzen Schaaren , aber wie sich nach und nach die
Wege verzweigen , lösst sich die Schaar in kleine Gruppen und Paare
auf und endlich müssen Einige halbe Wegstunden ganz allein zurücklegen.
Gar Manche dieser Kleinen sind schon erfroren oder von den Lawi-
nen verschüttet worden*
Um dem Schulunterricht die vollste Ausdehnung zu geben, müssten
in den Hochbergen nothwendigerweise fahrende Lehrer angestellt wer-
den, welche von einer Häusergruppe zur andern wanderten, in jeder der-
selben einige Monate den Segen des Unterrichts ausspendend.
Solche fahrende Lehrer findet man bereits in Deutschtirol.
Nirgens steht der Volkslehrer dem Volke so nahe^ wie in den Hoch-
bergen; denn hier ist er völlig Einer der ihrigen; in der Bauernschule ein
Bauer, der vor den andern nur besseren Unterricht und dürftigeres Aus-
kommen voraus hat Die Schule trägt ihm (mit Ausnahme grösserer Or-
te) selten mehr als 50—100 fl.> er lebt daher im Sommer gleich den an-
deren ärmeren Landleuten von seiner Händearbeit und verdient sich ne-
benbei ein Stück Geld als Musikant
Die fahrenden Lehrer, welche in der Regel von einer Gruppe wohl-
habenderer Bauern gemiethet werden, geben sich insbesondere ganz als
ij3d
Bauernbnrsche niid werden auch als solche genommen. — Ihre Brother-
ren weisen ihnen nach der Reihe in der Gesindstube neben Knecht und
Dirne ihre Liegerstatt an, und sie essen gleich diesen am allgemeinen
Tisch. — Etwas unbequem wird diese Stellung^ wenn sich etwa ein halb-
herrischer Lehrer aus der Stadt in diese Berge verirrt*
H5liere BIldaiiffsaiAStalten.
Im Jahre 1847 kamen auf Eine Million Bewohner
ZaU te ABstaltsn ScMler
Alpen • • .
34
4160
Nordvrestlande
38
4170
Nordostlande •
18
1680
Es stehen also die Alpen auch in Rücksicht auf höhere Schulbildung
auf einer hohen Stufe« denn sie kommen den Nordwestländern des Kaiser-
reiches, welche mit Wien und Prag die grossartigsten Bildungsanstalten
in sich begreifen, was den Besuch betrifft^ fast ganz gleich.
88
Volkstrachten.
In den Alpenländern allein haben sich noch allenthalben die schönen
Volkstrachten erhalten. Bei seinem gesunden Sinne und unverdorbenem
Geschmacke fühlt der Aelpler recht wohl, dass ihm seine althergebrachte,
den Landesverhältnissen völlig angepasste Tracht weit schöner steht und
besser zusagt, als das ans den Grosstädten in das Flachland übergegan-
gene französische Kleid.
Unzählig sind aber die Verschiedenheiten der Landestrachten. Jedes
Hauptthal kleidet sich anders, ja selbst einzelne Gemeinden haben oft ihre
Unterscheidungen.
Gemeinsam dürften den Aelplern nur sein: die kurzen bis zu den
Knieen reichenden Hosen, die gewöhnlich aus Ziegen-, häufig auch aus
Gemshäuten verfertigt werden; mehr oder weniger kurze Jobben (was
alles auf das leichte Bergsteigen berechnet ist), der stehende Kragen ohne
Halstuch, der (gegen die häufigen Regen) breitkrempige Hut. Den Hiit
betrachtet der Aelpler als das edelste Stück seiner Kleidung, mit beson-
derer Vorliebe ziert er ihn daher mit Allem, was ihn verschönern kann,
woran sich theure Erinnerungen knüpfen. Mit schönen Bändern, Quasten
oder Schnüren umfangen , prangt er mit den Trophäen der mannhaften
Jagd, des kühnen Bergsteigens, der siegreichen Liebe. Hier der stätt-
liche Gemsbart, die herausfordernde Spielhahnfeder, der Anerhahnsteiss mit
dem Adlerflaum und sonstiges Wildgefieder, dort wiedei^ der duftende
Speick, das Edelweiss und die Raute, wo anders endlich der Blumenstrauss
die Schleife, das Busentuch der Liebsten.
Die minnlicbeo Trachten 0iiid aUeotkalben UeidMm, sehr oft mahle*
risch achOn. -p- Mioder rekend jedoch meiat daa weibliche Kleid« Gemein-
aam dfirfte den letatereo der kurze Leib and daa süchti|;e Verhülleo dea
Boaena aein.
Der Aelpler hat weni^^atena zwei Trachten t eine alltag^Iiche, höchat
einfache f&r die Arbeit, dann einen beaaeren Sonntag^aataat In wohl-
habenden Gegenden kommt dann noch eine dritte verbältniaamäaaig pracht-
volle Tracht für die beaonderen Festtage binzu.
Daa Kleid des Aelplers unterliegt zwar nicht dem raacben Wechael
der atadtiachen Tracht, aber auch die Hochberge aind nicht ganz ohne
Mode. Oft deutet daa achon die zur aonntaglichea Kirchenandacht ver-
aammelte Gemeinde an; denn die Jugend iat dort in Einer, daa reife Alter
in einer anderen und die Greiae in einer dritten Weiae gekleidet
Die Volkatracht geht gewöhnlich vom Werktag auf den Sonntag
fiber, vom Sonntag auf den Feierlag, und stirbt dann auf dem Höhenpunkte
ibrer Würde, um noch als Kinderspott an den Leibern etlicher Greise und
Mütterchen nachzugeistern. Je mehr sie sich den Augen der Menge ent-
zieht, desto höher steigt Ihre Bedeutsamkeit, bis die Stufe erreicht ist,
wo vom Erhabenen zum Lächerlichen nur mehr ein Schritt. — Zur Zeit,
wo sie von den Alten nur noch hervorgezogen wird, um die höchsten
Tage dea Jahrea auazuzeichnen, ist sie in der Regel schon der geheimen
oder auch bereits der öffentliehen Spottsucht der Jugend verfallen.
Uebrigens nehmen die Volkstrachten der Aelpler, wie es scheint,
ihren Ursprung immer in den höheren Standen, und steigen von diesen in
die unteren und zu den Bauern herab. — Die Bauerntracht ist aber hier,
wie die Aloe« die nur alle hundert Jahre blüht ^ sie geräth nur nach aehr
langen Zwiachenraumen in den Zustand der Empfangniss ; der Bauer und
die Bäuerin tauachen ihr Kleid selten vor der dritten oder vierten Nach-
konupenschaft. — Das Meiste, waa die wechselnden Moden der höheren
Stände bringen, geht wieder dahin, ohne dass von unten her ein Auge
darauf geworfen wird — manche Erscheinung aber, die gerade in die Zeit
fallt, wo daa Landvolk wieder seinen Schooss eröffnet, wird aufgegriffen
und hält sich dann auf mehrere Menscbenalter hinaus.
Der Forstarbeiter hängt treu an aeiner Landestracht Kann er aich
zwar- nur aelten zum Prachtanzug des reichen Bauera erheben, so ver-
wendet er desto mehr auf die Zier seines Hutes; seine hervorragende
Mannhaftigkeit läaat ihm dazu den reichlichsten Stoff nie auagehen.
89
Tau, HnmgienscliaiiZy Sang und Spiel.
Der Aelpler hat (&r Tanz, Mummenschanz und Spiel hervorragen-
den Sinn.
Sein Tanz iat der reine Ausdruck seines Karakters, er ist nichts
fremdes Eingelerntes, sondern daa ungeachminkte Ergebniss der Hin-
m
feban^ an die Lust Er brtacht dazu keine eigene Schale« keine aklavi-
sche Begel, jader Einaelae überliaat sich aeiner Laune, aeinem Gleiiibl«
and drückt dieae> auch auf aeine eigene Weiae aua.
80 verachieden in den einzelnen Hechgauen getanzt wirdj m^ haben
doch alle dieae Tanze das gemeinsam» daaa die Paare nicht unanttdalicb
aneinanderkleben» wie etwa die GrossstSdter bei ihrem einffirmigan» aaa«
drnckaloaen Walaer» aondern daaa sich Burach und Dirne meist in gelöa-
tra^ Kreiae nmachweben. Das ist so die Art der althergebrachten Tanaa
des Gebirges» dass der Tänzer alsbald seine Maid in Freiheit lasst, diese
dann milde lächelnd» mit gesenkten Augen sich um ihn her bewegt» er
aber vor ihren verschämten Blicken alle die erlaubten Wahnsinnigkeiten
rbjthmiach ansf&hrt» welche Jugeudkraft» Sehnsucht und Liebeafreude
einem iebensfriachen Natursohne eingeben können» Da dreht er idch also
pfeifend, schnalzend oder singend wie ein Planet um aeine Sonne (die aber
auch ihre Wirbel zieht)» stampft mit den Füssen» klopft mit den Händen
un Takte auf Knie» Schenkel und Fussabsätze» lässt die Maid unter sei«
nem Arme sich durchdrehen» dreht sich unter dem ihren durch, nimpit sie
aber ninr selten» dann jedoch feurig und voll Hingebung in die Arme«
Der ateirische Tanz iat der vollendetste Ausdruck von Anmnth, An-
stand and Gemülhlichkeit. Seine Bewegungen sind so langaavn» wie sie
um schön genannt zu werden» aein müssen. Seine Figuren und Stellungen
sind lauter zarte und sinra'ge Anspielungen auf die süssen Gefühle dßt
Liebe. — Dabei wird eine bedeutungsvolle Mimik aufgewandt^ welche ge-
muthliche Fröhlichkeit in vollen Zügen athmet» welche beweiat» dass der
Sleirer den Tanz ala den höchsten und schönsten Ausdruck der Seelen-
empfindungen im entzückten Spiele der Glieder auffasst — Der ateirische
Tanz kann sich an Schönheit dem aporenklirrenden Csardas der Ma-
gju*en» der wilden Masurka der Pohlen» dem keken Djocko der Wal-
lachen» dem reizenden und üppigen Fandango der Spanier» der anatanda-
vollen Quadrille der Franzoaen kühn an die Seite stellen» an Gemüth
übertrifft er sie aber alle; er isC der wahrhaftige Tanz der Grazien.
Der deutschtiroler Tanz iai minder anmuthig» dagegen stürmischer;
auf dem Höhenpunkte ihrer Lust machen flinke tiroler Burache Bürzel-
bäujue» schlagen Räder» oder apringen gar über daa Mädchen hinüber;
ja» wenn es ein keker ist» der alte Ueberlieferungen ehrt^ schwingt er die
Maid hoch über aein Haupt und lässt sie — aber» wer das Ende dieser
Figur erfahren will» der gehe selbst hin und schaue.
Der öaterreichische Ländler iat bei weitem nicht so zart» sinnig und
reich wie der ateirische^ gleichwohl aber noch ausdrucksvoller und man-
nigfaltiger ala der leere Dreher des dortigen Flachlandes«
Der Tanz des Krainers» so wie der des Welschen kommt dem öster-
reichischen Ländler nahe» nur tanzt Letzterer auch die zierliche lebhafte
und hüpfende Monferina»
So eigenthümlich der Tanz» eben so eigen ist auch die Musik des
Aelplers. Die steirischen Weisen» bei denen die klagende Zither die
IM
Hauptrolle spielt , aind voll Melodie und athmen ein tiefea Gemüth; den
Steirer^ der ne in der Fremde nnverhoffk sn hören bekömmt, röhren sie
bis zu Thranen« Die ^aterreichische und kraineriache Tansmnaik iat viel
weniger melodisch zart und tief, der Barsche will hier schmetternde
Trompeten und schreiende Klarinette dabei haben; der Welsche liebt
die gellende Pfeife,
Wenn Fröhlichkeit und Lust den höchsten Grad erreicht haben, bo^
begleitet der Aelpler seinen Tanz auch noch mit dem Gesang, und stimmt
in selbstgewShlter Melodie seine Schnadahüpfeln an, in welche die Musik
dann begleitend einfallt.
Die Tierzeiligen Schnadahüpfeln (Schnadahaggen, Gsangeln, Gsazeln,
Liedein), diese roh poetischen Ergüsse derber Sinnlichkeit , unverwüst-
licher Freude am Leben und an der Liebe, an der eigenen Stiirke und
am Kampfe, sind der überwiegenden Mehrzahl nach erotisch oder«atirisch;
sie mahlen die Liebesfreaden zart oder auch unzart; den Spott aber geben
sie immer treffend und witzig. Es geht über alles her, was gerade in
den Wurf kommt, über die Fehler der Burschen, noch lieber über die
Schw&chen der Dirnen > über den Nachbar , über die Gemeinde, über das
ganze Thal. Es begibt sich selten eine alberne Geschichte, die nicht ihre
Reime erhielte. — Das historische Element tritt darin nirgends hervor,
das elegische nur in den slovenischen GresSngen, das heroische in den
znm Raufen herausfordernden Trutzliedem« — Die Melodien, nach welchen
diese Liedein zu singen sind, lassen sich nach Dutzenden zählen, die
Schnadahüpfeln selbst nach Hunderten und Tausenden; viele haben nur
ein kurzes Dasein, viele leben länger, verschwinden aber auch, wenn ihre
Zeit um ist — andere sind nur in bestimmten Gemeinden heimisch, noch
andere wiederhallen durch den g^össten Theil der Alpen; sie kommen,
man weiss nicht woher; selbst von den beliebtesten kennt man die Ver*
fasser nicht
A Büchsal zun Schiassn,
Und an Stossring zun Schlagn,
Und a Dianal zun Liabn,
Mnass a frischa Bua bahn!
hat seit einem Jahrhunderte die Runde durch alle deutschen Hochgebirgs-
gaue gemacht, und ist Iris in das ferne nordische Flachland gedrungen.
Auch auf der einsamen Alm, auf dem Felde, Abends in der S^inn-
Stube oder auf den Bergmatten nach vollbrachter Heuarbeit lassen Bur-
schen und Dirnen diese Lieder erschallen; der glückliche Liebhaber singt
sie bei der Heimkehr vom FensterFn, der Holzknecht bei dbr Abfahrt
vom Schlage. — Besonders schön ist die Sitte dpr welschen Burschen^
deren hervorragend musikalische Anlage sie in den Stand setzt, ihre Lie-
der auch mehrstimmig auszafiihren; sie schocken sich zusammen und
durchwandern nach vollbrachter Arbeit oder in ihren herrlichen Sommer-
nächten Arm in Arm singend und jubelnd ihre Dörfer; unter diesem Fen-
ster sich verweilend 9 um einer gefeierten Schönen den Huldigungsgesang
1S3
sa bringen, unter jenem» um einer Spröden oder Albernen ein Trutz- oder
Spottlied zu singen.
Es ist was herrliches um einen Kirchtag in einem lustigen deutschen
Alpenthal. Schon der Pfarrer nimmt billige Rücksicht und vereinigt gleich
die Vesper mit dem Hochamte. — Nach dem Gottesdienst strömt Alles
zum ausgiebigen Mahle» kaum ist aber der Löffel gewischt^ so fangen die
Musikanten an aufzuspielen und die Jugend sich zu drehen und zu toben»
— Die Männer (Verheiratheten) und einzelne ernstere Bursche lassen in-
dess die Büchsen knallen auf ihrem Schiesstande oder schieben Kegel um
einen blumenbekränzten Bock. Die Greise und die Weiber schauen über-
wachend, zurechtweisend und anregend dem lustigen Treiben zu, schwel-
gend in der Erinnerung ihrer eigenen jungen Tage; sie besprechen dabei
traulich die Geschäfte des Tages, greifen wohl auch zu den Karten und
erzählen sich alte längst vergangene Geschichten.
Im kalten Winter tritt «fßr das Kegelspiel und das Scheibenschiessen
des Deutschen das Eisschiessen, f3r das Kugelwerfen des Welschen das
Schütteln an die Stelle.
Mag auch Mancher dabei tiefer ins Glas schauen, al» eben billig ist,
mögen auch einige Bursche in ihrem Uebermuthe ein blaues Auge davon-
tragen, mag auch eine oder die andere Maid etwas früher den Liebsten
erhören, als es sonst vielleicht geschehen wäre, so bleiben diese Feste
doch immer und ewig der einzige Weg, auf welchem ein kräftiges Natur-
volk seinen Ueberschuss an Lebenskraft nützlich austoben kann. Der Ein-
zelne wendet sich dann wieder mit frischem Muthe den schweren Mühen
des Tages zu, er gehorcht willig der Obrigkeit und seinem geistlichen
Hirten, gibt gerne dem Kaiser, was des Kaisers ist; er ist zufrieden auch
mit dem bescheidensten Loos und sucht das Glück nicht in der Ferne,
weil er es im eigenen Thale findet.
Auch an sinnigen und lustigen Mummereien fehlt es nicht^;.die Hoch-
zeiten, gewisse Heiligen- und die letzten Faschingtage gebett^dazn alt-
herkömmliche Gelegenheit« In eigentlicher Pracht wird der l^mmen-
schanz aber in den welschen Alpen geübt; dort ziehen in den letzten
Faschingwochen die Masken einzeln oder in Zügen mit Musik von Haus
zu Haus, überall ein kurzes Fest veranstaltend; es ist ihnen dabei bloss
um einfache Nekerei zu thun,' oder sie stellen herkömmliche possier-
liche Persönlichkeiten dar, oder fuhren gar ganze Possen auf.
Selbst ins religiöse Gebiet ragt der Mummenschanz hinüber ; der hei-
lige BRkolaus , die heiligen drei Könige werden fast in allen Alpenkron-
ländern aufgeführte in Nordtirol stellt man das Leiden, in Welschtirol die
Geburt Christi dar.
Auch dem Schauspiel ist der Aelpler geneigt; in Ermanglung reicher
Hauptstädte sind dieser Kunst hier freilich nicht die glänzendsten Tempel
aufgeschlagen, noch' werden Priester ersten Ranges zu derem Dienste
berufen; aber dafür übernimmt der gemeine Mann oft selbst die Priester-
schaft und tritt als Dichter sowohl als auch als Schauspieler auf, (wie z* B»
13
IM
im deiiUchtirolerBauerntheaterO — In den wekchen Bergen fal|^ das Schau-
spiel dann auch dem Zu^e der Gemuther, und erschüttert mit der Dar-
atellung^ der Leiden8g;eachichte Christi und de« Lebens der beliebtesten
Heiligten.
Nachdem ich mich nun froh ergangen hai>e in der Schilderong der fri-
schen Alpenlustbarkeiten, beschldcht mich unwillkürlich das Gefühl wehmü-
thiger Trauer. Ich habe sie geschildert^ diese rege kraftvolle Lust, blühend,
wie sie einst wirklich war — aber wie sie heute nicht mehr ist.
Dahin bist du jetzt in gar vielen Crauen du reicher Festtagsjubel ;
zahlreiche Thäler dieser schönen Berge sind jetzt so liederlos wid ge-
sangsarm, wie nur irgend ein Flachland ; deine Hochzeitshrenden sind her-
abgesunken zu einem schnöden, schweigsamen Mahle, das statt mit fröh-
licher Musik und tobendem Tanze mit unverholenem Gähnen beschlossen
wird! — Armer Tiroler mit deiner biederen urkrafligen Lebenslust; was
sollen jetzt deine Hochzeiten, deine Kirchtage, ohne schmetternder Trom-
pete und gellender Klarinette, ohne Jauchzen und dröhnendes Stampfen
des Taktschlages, ohne Schwingen der errölheuden Jungfirauen, ohne
Ehrenreigen des Brautvaters — was sollen diese Feste ohne alle Freude,
dieser Kultus des vollen Magens und des weinschweren Kopfes — was
kannst du davon zurücklegen fiir deine alten Tage, wo du von den süssen
Erinnerungen der Jugend zehren sollst!?
Wohl sind an diesem Sinken der Lebensfreuden auch die steigenden
Preise aller Dhige, dann der grössere Ernst der Zeit Schuld, aber es
haben daran auch engherzige Geistliche gearbeitet, welche in jeder Welt-
lust ein Werk des Teufels, im ganzen reichen Volksleben nur Verderb-
niss sahen; einzelne milzsüchtige Beamte, welche die treuherzige Derb-
heit des Aelplers und die kernigen Landessitten missverstehend, an und
ffStr sich harmlose Bräuche als polizeiwidrig verfolgten.
Uniäugbar ist zwar mit der Beschränkung der älplerischen Lebens-
lust auch manche Rohheit, manche Unsitte abgeschafft worden, aber eben-
so unzweifelhaft haben sich auch die Kneipen und das Branntweintrinkeu
vermehrt, eben ao unzweifelhaft hat sich die Zufriedenheit des Landvolkes
gemindert»
Die Schwarzseher mögea doch untersuchen, ob sie durch ihre ver-
kehrten Bestrebungen nicht vielleicht der Völlerei und der Tuckmäuserei,
dem Fexenthum und der Unzufriedenheit in die Hände gearbeitet haben,
ohne dass die eigentliche Moral, Zucht und Sitte dabei auch nur das Ge-
ringste gewannen!
Doch was wahrhaft lebenskräftig tief im Karakter eines Landes wur-
zelt, kann gehemmt und gedrückt, es kann aber nicht willkürlich ausge-
rottet werden. So auch die kernige Lebenslust der Aelpler. Von den
meisten grossen Orten hat sich zwar der freie Jubel zurückgezogen, aber
auf den einsamen Berghöfen, auf der freien Alm und in den Forsten schal-
len noch Sang und Zither wie in den guten alten Tagen, tief in die Nacht
hinein tobt dort noch der heisse Tanz. Gegen den finsteren Geist der
105
Aneae hat die harmlose Weltlufil bereits Ihre ritterlichen Kämpen gefun-
den; die schönen Kfinate bemeisteni sich der reichen Stofie unserer
prachtvollen Alpen, aie in eine nie fekaanCe Glarii» erhebend: und so
wird denn die freie Lebenafreude aie^eich wieder einsUhe» in das
kaiun verlasseoe Gebieth und der Aelpler wird sie in ihrer veredel-
ten Geatalt desto heisser an das biedere Herz drücken^ «m von ihr gleich
von einer theuren Lebensgefährtin nie und ninunermehr zu lassen.
90
Jagdlnsty Scheibenscluegsen und Schtttzenwesen.
Bei so kriiftigen, dem Naturzustande noch ao wenig entrückten Volk-
stammen ist eine hervorragende Neigung zur Jagd ganz natürlich* Die
Unmöglichkeit der Jagdherrn, ihr Recht so gut wie im FlacMaude vor
Emgriffen zu wahren, der allgemeine Waffenbesitz, die nothirandige freie
Pürsehe auf Raubthiere , dann der Umstand, dasein vielen Gauep (Ti-
rol , Lombardie und Venezien) die Wildbahn wirklich oder üst ao vjel
als freigegeben ist, hat dieser Neigung noch Vorschub geleistet wd sie
bis in die aeueßte Zeit wach erhalten.
Der kräftige Bauembursche, der rfistige Forstarbaker iat daher mei-
stens auch Jager, und kann er aeinen Hang nicht auf geaetdich^ Weise
befriedigen, so fröhnt er ihm nur zu oft auf unerUabte Art. Bei Vielen
dauert diese Leidenschaft auch noch weit Ober die Juaggesellenschaft hin-
ans und diese werden dann Jiger van ProfiMeion^ gewöhnlicher aber ke-
eke Raubschützen.
Vor Zeiten, wo der Wildstand der Hochberga jiach beträchtlicher
war, gab es «dort viele, welche vom Raubschiesaan lebten- Hout^iutage ist
die Zahl dieser handwerksmassigen Wildsch&tzen schon sehr geringe
und nur eine brennende Leidenschaft f&r die Jagd vermag den bittren
Entbehrungen und der Armuth Stand zu halten, welchen der RaubsctuU^e
anheimfallt.
Diese Nimrode unternehmen Streifzuge auf viele Meilen in der Run-
de, fibernaditen oft wochenlang unter FelseavaraprOngeu oder achirmrei-
chan FiohteB, oder in verlassenen Sennhütten, essen dabei vvenig Ande-
res, als Roggen- oder Haferbrot oder kalte Polanta.«Qd aehen nicht aalten
mehrere Tage lang kein menschliches Antliz. — Im Sommer sprechen
sie fleisaig bei den Sennen ein , und geben iluian l&r die übliche Btewir-
thiiii^ ihre merkwürdigeA Abentheuer zum Besten. — Haben sie eine
Gemae erlegt, so saugen sie gewöhnlich ihr warmes Rlut^ das — .nach
ihrer Meinung — ähnliche Kraft, ahnliche Schnßllfliasügkeit uud ahnliche
Schwindelfreiheit mittheilt, wie diesem Alpengewild eigen sind.
Der Hochgebirgsachütze schieast das Wild selten in der Flucht und
im FJttge, sondern beschleicht es gewöhnlich in seiner Ruhe, um recht si-
cher acbiessen zu können. Hiez«i macht er auch aufs bedächtlichste alle
dienlichen Vorbereitungen und weil er in der Regel nur dann losdrückt,
13'
196
wann er des Erfolges gewiss ist, so fehlt er auch selten» — Zu dem al-
len zwingt ihn wohl auch sein noch immer einfaches Rohr.
In seiner Vorsicht überlegt er auch vor dem Schuss wohl, ob sich
die stürzende Gemse nicht vielleicht so verfallen könnte, dass sie gar
nicht mehr zu bekommen wäre, oder dass sie sich völlig zerschellen würde.
Die Hochberge haben sich von jeher ausgezeichnet durch die Kühn-
heit ihrer Schützen. Diese Kühnheit liegt aber nicht im Schiessen, son-
dern vielmehr in den Wagnissen, mit welchen der Schütze die Gemse
beschleicht oder die verfallene habhaft zu werden sucht.
Der wälsche Bewohner der südlichen Hochberge zieht den Vogel-
fang und das Schlingenlegen in der Regel der mannhafteren Jagd mit
dem Schiessgewehre vor, wozu er wohl auch grossentheils durch den
Umstand gezwungen ist, dass es dort wenig mehr mit dem Rohre zu
erlegen gibt
Nirgends im Kaiserreiche wird so viel Scheiben geschossen wie in
den Hochbergen. Diese ritterliche Übung bildet an unzähligen Orten eine
der gewöhnlichen Sonntagsunterhaltungen der besseren Jahreszeit, Das
Scheibenschiessen umschlingt da alle Stände mit dem schönen Bande
freundlicher Geselligkeit und man kennt dabei nur einen Vorzug d, i. den
hervorragender Schiesskunst* —
Im kalten Winter setzen viele Gesellschaften das Scheibenschiessen
mit der Bolzbüchse fort
Alle seit zweihundert Jahren erfundenen Gewehrarten kommen auf
den verschiedenen Schiesständen der Hochberge in Anwendung; Feuer-
röhre mit Radschlössern sind noch oft zu treffen ; in Obersteiermark wird
sogar noch mit Armbrüsten geschossen.
Von dieser Vorliebe für das Scheibenschiessen machen nur die von
den Welschen und von den Slovenen bewohnten Hochthäler eine Aus-
nahme, denn hier ist diese Kunst mehr eine Belustigung des Her-
renstandes.
Natürlicherweise zählen die Hochberge auch eine grosse Zahl vor«-
treflflicher Schützen.
In Kärnthen sind schon 10 Zentrumschüsse nach einander gemacht
worden. — Aber ganz abgesehen von solchen zufillligen, aber immer noch wun-
derbaren Heldenthaten, will ich nur erwähnen, dass beim letzten Kaiser-
bestschiessen zu Innsbruck (Herbst 1851) des Schützenkönigs Josef Vinazer
aus Buchenstein 10 Schüsse in 3 Vierern, 4 Dreiern, 1 Zweier und t
Einsern bestanden, und im Übrigen noch 3 Andere all ihre zehn Schüsse
schwarz schössen ; was Alles Leistungen waren, wie sie auf den grossen
Freischiessen gewöhnlich vorzukommen pflegen*
Ganz ausgezeichnete Schützen bereisen auch alle grösseren Frei*
schiessen der weitesten Umgegend; und gar mancher erübrigt von seinen
Grewinnen noch Erkleckliches über die Reisekosten» — Der erwähnte
Vinazer, ein Mann von etwa 50 Jahren, hat bereits so viele Beste ge-
197
Wonnen, dass die Preisverziernngen derselben zwei Wandschränke aus-
fallen und die Fahnen alle Wände seines Prachtzimmess dicht bedecken.
Dieses Schützenwesen hat auch zuweilen seinen ehernen Ernst Die
Thaten der deutschtiroler Schützenkompag^nien von Anno Neune leben
fort im Munde alier Volker. Seitdem ist dort das Schützenwesen nichts
wenig^er als verdorrt ; es grünte auf in neuer Frische , als die Regierung
— in den tiroler Schützenkompagnien eine nützliche Landeswehr erken-
nend — dem Schützenwesen durch zeitgemässe Regelung von 132 Schiess-
statten, Zuwendung von 60.000 G. auf deren Einrichtung, durch Zusi-
cherung eines Jahresbeitrages von 1757 Gulden auf die Preise, neues Le-
ben einhauchte. So hat denn dort jedes Thal seine mannhafte Wehr, die,
wenn sie gleich in den glücklichen Friedenszeiten ihre Hingebung nur
dadurch beweisen kann, dass sie sich als Ehrenwache um jene Glieder
unseres erhabenen Kaiserhauses schaart, welche von Zeit zu Zeit jenes
biedere Land besuchen; dass sie die kirchlichen Feste und die Ehrentage
des Landes und ihres Thaies durch Festaufzüge verherrlicht — die gleich-
wohl zu jeder Stunde bereit ist, für ihr Land und fiir ihren Monarchen
das Blut zu verspritzen.
Als im denkwürdigen Jahre tBtö der welsche Aufruhr die italieni- ,
sehe Grenze auf den Brenner setzen wollte, zogen 80.000 Landesschützen
aus allen Gauen Tirols an die Grenzen ihrer Grafschaft , jagten die Ein-
dringlinge zurück und sicherten der kaiserlichen Armee Italiens den Rü-
cken und die Verbindung mit den deutschen Kronländern.
91,
Das Fenster i'n.
Der Bursche des Flachlandes lässt sich sein FensterFn nicht nehmen.
— Wann soll er auch kosen , da ihm seine Arbeit am Tage keine Zeit hie-
zu übrig lässt? Da er aber mit seiner Liebsten das Dorf nie verlässt^ so
wählt er die Donnerstags- und Samstagsnacht dazu. — Diese schonen
Nächte sind die schönste Poesie im jugendlichen Landleben, und leider. oft
die einzige im Erdenwallen des Armen; Bursche und Dirnen hängen daher
an ihnen mit aller Zähigkeit jugendlicher Leidenschaft
Mit doppelter Innigkeit fensterlt die Jugend der Hochberge, welcher
die wochenlange Abwesenheit auf der fernen Hochalm und im Holzschlage,
die grosse Entlegenheit der Höfe diese Lust gewöhnlich nur auf die Sains-
tagaoacht beschränkt
Vergebens erzählen alte Mütterehen ihre schrecklichen Spukgeschich-
ten, vergebens predigen übereifrige Geistliche sich heiser dagegen; verge-
bens hat man sogar einzelne Widerspänstige mit Geld und Arrest bestraft,
das FensterFn steht noch in voller Blüthe, wie vor und ehe.
Es vrird damit wohl sein, wie ein rüstiger Holzknecht seinem Beicht-
vater antwortete, der ihn dieser wegen etwas zu hart anliess:
„(seistli Herr habn's nit aufbracht, wern^s a nit abringa."
m
92
Fllchengfüsse, VolkszaU und Volksdiekte der Alpeilaade.
Haaptstoeli.
galsburiT» Hochgeblrg««raac
SUienttärk, Brnckerkrei«
TiNftl, Itinflkrucker KreU uod das Pustertbal
Kirnlben» ebemaliger vülacber KreU •
Westallfell
Vorarlberi^ . • . •
Im Ganzen
Auf Jeder Mette Land!
Heil«!-
Plidie
iMNkei
In liiuel der
iMiikcchM di*
ihiplitidU
iBÜitUl
der
liHkr
100
167
280
05
83.000
184.000
332.000
130000
600- 960
806- 2400
200— 2600
885— 2800
830
1100
1180
1370
44
107.000
970— 4750
2430
Ifordalirall
äalsburg, Tbal^au •
Unteröftreieb, dieffeiU der Donaa obne
Oberöf Ireicb» frllber. f rauii. U. tt4uf rttckkr.
•»tebfall
AUlermArk» f raier u. marbur^er Kreta .
Kirnlbeo, frAberer klaf enfurUr KreU .
Kraln. ...........
25
173
115
72.000
546.000
369.000
2000- 3000
1000^ 7500
1050—5600
2680
3160
3210
223
85
174
889.000
198.000
468.000
2500- 4000
1000— 3200
1300- 4200
3700
2830
2690
Sfidabfell
Tirol, brixoer n. trienter &r. obne Puatertbal
Veoftsieii» Hoebgebirir und HQ|r«ll«»d
Lombardfe» Hocbfebirg nnd Hfigelland •
GArs .......•<•..
188
173
188
51
427.000
565.000
811.000
184.000
1100— 7350
1080— 8660
1320- 6050
2150-5600
2540
3260
4310
3800
Dm AlyeatoBd mclUhen mit dei Urigra Litdergmppen des Reidies. |
(HaupUtock ..'..•
Weelabfall • • - . • .
Alpmland /BTordabfall
jOaUbfall
(6fldabflili.
Im Gänsen
/Norden: Ober • und Untere
\ öalrelch jenaeits der Donau,
Alpenrrenx- ) Bobinen, Milbren uild Scble-
lande ) aien
f S Q d e : Lombardtacb- vene-
\ zianiacbe Ebene . . .
HördoatUHde: Galitien, Kfikan, Bokowiia
OaUande: Unfern und Serbobanat , •
Biebenbfirf en : (Hocbgebirgaland) • . .
SAdoatlande : Kroazien, Slawonien und die
Militärfrenze
BfidUebe Karatlandet latHehundDalmazIen
Daa fanze Kalaerreteb
642
44
818
482
580
729.000
107.000
982.000
1.505.000
1.997.000
290— 2800
970— 4750
1000— 7500
1000— 4200
1080— 8660
1136
2430
8140
3130
3440
2061
1625
430
1650
3734
955
912
309
5020.000
8.648*000
3-620.006
5.331.000
10.220.000
2.194.000
2.0^.060
781.600
2048—16680
1880-14100
2100- 6500
1020- 4644^
1340- 45T0
1800-^ 8800
2680
4930
8420
3440
2740
1970
2«80
2860
11-600
37.600.000
200^16680
3840
19»
93
Die Älpenbewohner nach Volksstämmeiu
Hauptßtok .
WeaUbfall.
Nordabfali .
Ostabfall .
SQdabfall .
DenUche
Welsche mit Inbe-
griff der Fvlaner
und Ladiner
Slovenen und
Kroaten
Juden
Gesammt-
bewohner
Meilen
Klpfe
HeileD
Köpfe
NttieB
Köpfe
6W
44
313
174
66
729.000
106.000
982.000
618.000
110.000
463
1.719.000
308
51
887-000
467.000
900
200
1000
. 729-000
107.000
982.000
1.505.000
1.997.000
1239
2.545.000
463
1.719.000
359
1.054.000
2100
5.320.000
Die österreichischen Alpen werden zu 48 Prozenten von Deutschen
be^w^obnt, welche den Hauptstock^ den Nord- und den Westabfall ganz im
Besitz haben« in den Hochbergen des Ostabfalles eine sehr ansehnliche,
in jenen des Südabfailes aber nur eine weqig bedeutende Minorität bil-
den. Im Ganzen besitzen sie 6t Prozente des Landes. — Es ist bemer-
kenswerth, dass die Deutschen des Ost- und Södabfalles fast aus-
schliessb'ch nur die Hochberge bewohnen , das tiefer gelegene Land den
Slovenen und den Welschen überlassend.
Die Welschen bilden 32 Prozente der Bevölkerung, nehmen SS Pro-
zente Land ein, und bewohnen den tiefer gelegenen fruchtbareren Theil
des Südabfalles, erstrecken sich jedoch auch bis in die obersten Hochthi-
ler hinauf.
Die Slovenen (mit einigen Kroaten) bilden 19 Prozente des Alpen-
volkes, bewohnen 13 Prozente des Landes und nehmen fiberwiegend den
Ostabfall (dessen tieferen Theil) ein, erstrecken sich aber auch noch in
den Sfidabfall hinüber.
Die Juden leben zerstreut unter den anderen Stämmen, jedoch nur
im West- und Sfidabfalle der Alpen.
Die Alpen sind daher von allen Ländergruppen des Kaiserreiches zu-
gleich die deutscheste und die am wenigsten jüdische.
Die Alpen sind dann auch die katholischste Ländergruppe, denn sie
zählen nur etwa 35.000 Protestanten und 2100 Bekenner mosaischen
Glaubens«
94
Älpenstädte.
Die österreichischen Hochberge haben keine Groastadt; Innsbruck
mit 14,300 ist ihre grösste und zugleich die einzige Stadt des Haupt-
MO
Stockes, welche mehr als 10,000 Bewohner zählt — Derlei Städte liegen
jedoch mehrere in den Ausläufern der Hochberge und z>war im
Nordabfalie
\ Salzburg
\ Steier • • •
• • 10,000
• 11,000
i Graz • •
• 61,000
Ostabfalle
l Laibach- ■
• «1,000
/ Klagenfurt •
• 14.000
Trient • •
Görz ■ ■
. 18,500
Südabfalle
• 11,000
Rechnet man noch das an den letzten nordöstlichen Ausläufern lie-
gende niederöstereichische Wienerneustadt mit 16,000 Bewohnern hinzu,
so leben von den 5,320,000 Menschen der österreichischen Alpen nur
176,500, also bloss SVs Prozente in neun nennwerthen Städten. — Die
folgende Tafel zeigt, dass die Alpen und insbesondere deren Hauptstock
und der Ostabfall, weniger hingegen der Südabfall und Vorarlberg über-
haupt sehr arm an grösseren Orten sind.
Städte ereiseOrte
Ober 10,000 Menachen mit 2000—10,000 Menaeb.
Kleine Orte
Prozente
der
BevdlkeruDff
Zahl der
StidU
Dereo Bilüere
PrtL dei
gitt.Btv-
Zahl der
Orte
Deren Bitüere
HeMdmiaU
Frei, der
gui.'BeT.
Hauptalock .
Wefltabfall .
Nordabfall •
OaUbfall . .
Südabfall.
1
3
3
2
14,500
14,300
32,000
11,500
2
8
1
8
21
7
103
2560
2560
2950
2290
2670
3
14
6i/,
1
14
95
86
89
91
85
9
19,700
SV3
145
2700
^'Ä
89
AM
95
Yerklltniss dM tragbaren Bodens vm Untragbaren.
Alpen.
Haaptalpenstock •
Wetflabfall . .
Nurdabfall. . . .
Ofltabfall ....
Sfidabfall ....
C^rensliMäie.
Nördliche ....
Sfidliche ....
^»-u«*u-««*. 1
Liite-
Flkhi.
Trafbare Böden.
»■Uag-
barer
Baden.
litlik
1 X 1 r • ■ e.
100
100
100
100
100
60
81
90
94
69
Oberateiermark mit
Nordtirol .....
. 84
. 55
81
19
10
6
31
Unteröfltreich ....
Oberöatreich Traunkreis .
. 94
• 81
Tirol Bozner Kreis . * .
Görz mit ..... .
. 56
. 88
100
88
17
100
100
95
85
Böhmen und Mahren . .
Italische Ebene •
•
73-94
4Vt
15
Die6e Tafel zeigt, welch ungeheure Flachen in den Alpen der Bo-
denkultur entzogen sind.
Im Hauptstocke der Alpen insbesondere beträgt der untragbare Bo-
den durchschnittlich 31 Prozente, ja in 'Nordtirol steigt er sogar über die
Halbscheid der ganzen Landesfläche. — Der bei Weitem grösste Theil
hiervon besteht in unwirthlichen Felsen, Schutthalden und öden Wasser-
gerinnen; sie betragen 10— 45 Prozente. Sehr beträchtliche Strecken
(4—6 Proz.) sind ferners von den Gletschern und Fimmeeren bedeckt ; in
Steiermark nehmen diese zvirar nur 1 Prozent^ in Nordtirol jedoch 5^ in
Salzburg sogar 6, und im salzburgischen Pinzgaue gar 11 Prozente der
Landesfläche ein. Die Wohnräume betragen hier wie im Flachlande ge-
gen ty die Wege und die Gewässer 1 — 3 Prozente.
Auch der Sndabfall hat eine ungeheure untragbare Bodenfläche
(31 Prozente.) Hier aber sind fast gar keine Gletscher mehr und nur un-
bedeutende Firiimeere ^ dagegen weisen die dortigen (Alpenkalk und
Dolomit) Berge, unzählige Felsen, Schutthalden und trockene Gerinne auf^
denen auch thatsächlich etwa 23 Prozente der Landesfläche angehören.
Bemerkenswerth nehmen auch die Wässer ungleich mehr Fläche (etwa
5 — 6 Prozente) in Anspruch, denn sie graben sich dort unverhältnissmässig
weite Rinnsale aus.
Der Nordabfall der Alpen hat nur 10 Prozente untragbare Flächen,
denn die Berge erheben sich dort nur ausnahmsweise über die Baum-
grenze, sie beherbergen nirgends ewigen Schnee^ ihre felsigen Hänge
sind besser bewachsen, und ihre Wässer haben keine ungewöhnlichen
Rinnsale.
Die kleinsten Flächen (6 Prozente,) sind der Bodenkultur im Ostabfalle
der Alpen, entzogen ; nicht vielmehr, als in den bestbebauten Flachländern. —
Denn hier sind fast keine Hochberge mehr, dann bestehen die meisten
Bergzuge aus Gesteinarten, welche sich sanft verflachen und selten
Felswände bilden, und die Wässer brauchen keine aussergewöhnlichen
Rinnsale.
96
FllchenverUUtiiisg iwiMhm Feld m Waid.
Alpen
Hanptalpenstock
Weatabfall
Nordabfall . .
OaUbfall . .
UdabfaU . .
€}p0iislAn«|e.
MShrenmBdhmen.
lUliache Ebene
Froiente 4es tragbaren Bodens 1
barer
Bidea
Feld
Wald 1
MitUl
E X t r e ■ e
Mittel
E X l r e ■ •
100
100
100
100
100
47
67
57
66
61
Salzburg . . 60
»♦Tirol, O.Sleler 43
53
33
43
44
39
N.Tirol ,O.Steier 57
Salzburg • '. 40
—
—
UDteröstreich 58
Oberöstreich 55
Oberöfltreich 45
Vnteröstreich 42
Krain . . • 58
VnteriLärntben 53
Unterkärnthen 47
Krain • • . 42
Görz ... 79
sadtirol . .46
SQdUrol . . 54
Görz • . . 21
100
65
—
45
—
100
100
71
06
—
29
4
Im Haoptalpenstocke nimmt also daa Feld (Garteu, Acker, Wieae
und Weide), gegendber dem Walde mit 47 Prozenten nicht einmal die
Hüfte de« tragbaren Bodens ein^ in den Senkungen aber doch mehr als die
Hmlbseheid, im Nord- und Ostabfalle 57, im Südabialle nur 61 Prosente.
Im Alpenlande (im weiteren Sinne) sind durchschnittlich noch 45
Prozente des tragbaren Bodens bewaldet, während in den nördlich an-
grenzenden Flachlandern nur 29, und in der im Süden grenzenden itali-
schen Ebene gar nur 4 Prozente mit Holz bestockt sind.
97
FbehenverhUtfiigg nu T«neuad0Bn Feldknltnren.
Alpen
Haaplstoek . .
Westabfall . .
HordabJUl . .
Ostabikll. . .
SadabfaU . .
ClreMxlaiid0
B6kmen u. MIhren
IttUsche Ebene.
Preiente
Aokir- und eartsnlaiid
Grasland
Acfcfr 1. fiirlMi
Unkai
Wtm
HitwtMlea
Hi^MlBn
fa»»«.
Mittel 21
Obkärnt. 17
Obrteier 27
—
23
Salzbnr«: 17
Nordlirol 31
16
Nordtirol 10
Obateier 24
39
Obflteler 32
Salzburir ^
78
Salzbarfl: 73
ObkSrat. 82
8
Vi
91
58
Uatöstr. 60
Oberdstr. 61
1
SalEburf
Uatdstr. 2
28
Unteröstr.27
Oberostr. 31
12
Oberöatr« 8
UDter6atr.l3
1
UDUr6atr.l|
41
Oberöstr. 39
Unterofltr. 41
36
KralD 23
VDtsteUr 46
3
UnUSrnt
Untflteier 5
28
ÜDtkarnt« 26
KraiD 31
28
Vntateier 20
KraiD 40
6
Untsteler 2
UntkSmt. 11
61
Untflteier 60
KralB 76
11
5
30
42
12
84
29
2
27
26
14
68
73
37
V3
39
16
16
11
10
■ —
27
26
Diese Tafel zeigt auf den ersten Blick, dass in den Alpen das Gras-
land ungeheuer vorwiegt» es nimmt im Allgemeinen zwei Drittel der feld-
wirthschaftlichen Fläche ein, während es in den angrenzenden Flachlän-
dern nur ein Viertel beträgt. — Während letztere Länder vorzugsweise
Getreideländer sind, spielt in der älplerischen Feldwirthschaft die Vieh-
zucht die erste Rolle. — Dieses Ueberwiegen des Graslandes ist ein noth-
wendiges Erg^eboiss der Alpennatur. Fur's erste sind hier die Hoch-
aimen unbeding^tes Grasland, für's zweite g^eben viele hochgelegene Fla>
chen noch eine sehr gute Grasemte, wahrend sie die Getreideernte bereits
versagen» und für's dritte ist selbst im Bereiche der Gretreideregion vie-
lenorts die Steilheit^ das Seichte und Felsige des Bodens dem Giefreide-
bau entgegen.
In der Regel wird nur der kleinere Theil des Graslandes als Wiese
behandelt. Mögen daran immer auch ein Verkennen des eigenen Vorthei-
les oder ungünstige Rechts- und Besitzverhältnisse theilweise Schuld
sein, so ist dieses Verhältuiss doch grösstentheils wieder tief in der Alpen-
natur gegründet
Die Hochalm lässt sich an und für sich nicht wohl als Wiese be-
nutzen; denn gelänge es auch, deren Gras entsprechend zu trocknen, so
würde das Euibringen und Abführen des Heues fast imnuer. zu viel kosten.
Und dann sind viele Almen so steinig und uneben, dass schon das blosse
Mähen daselbst unerschwingliche Kosten verursachen würde.
Die steinige Oberfläche und der spärliche Graswuchs sind auch der
Grund, warum auch tieferliegendes Grasland nicht als Wiese, sondern
als Hutweide benutzt wird. Oefter aber zieht man das Abweiden auch
darum vor, weil sich sonst eine nahegelegene Waldweide nicht wohl
benützen liesse, noch öfter aber ist die Hutweide blosse Gewohnheit aus
der alten Zeit, oder gegründet in den ungünstigen Besitz- und Rechtsver-
hältnissen (die zahlreichen Gemeindeweiden, die Weideservitut auf ehe-
maligem herrschaftlichen Waldgrunde, der aber im Laufe der Zeit zur rei-
nen Weide geworden ist); zuweilen mangeln auch die Arbeitskräfte, um
(im Ostabfalle) täglich für die sommerliche Stallfütterung zu mähen«
Zweifelsohne wird der steigende Sinn für bessere Bodenkultur, vor
Allem aber die Ablösung der Weideservitute und die Auftheilung der Ge-
meindeweiden viele Hutweiden in Wiesen , und manche Wiese in Acker-
land umwandeln.
In der Ausdehnung, welche der Weinbau einnimmt, zeigt sich deut-
lich die Gunst oder Ungunst des Klima's. — Die kräftigere Sonne und der
reinere Himmel gestatten überdiess im Südabfalle der Alpen und in den
tiefsten Theilen des Ostabfalles die Rebe im Gegensätze zu den nörd-
licheren Ländern (wo sie nothwendigerweise kurz gehalten werden muss)
hoch ui Lauben oder an Spalieren und Bäumen hinaufzuziehen.
M5
98
Marktpreise
to Feldfrflckte n« «•■ Feld-Arbeitlolmes.
Durchschnitt des Jfthrzehents von 1840—49.
' Alpen
üordabfall . .
Hanptatock . .
OaUbfall • . .
SOdabfall. . .
Dnrchaehiiitt
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26
Weizen» Roggen und Mais sind in den Alpen sehr bedeutend, und
anch die übrigen Getreidearteir theurer , als in den angrenzenden Flach-
ländern, dagegen wieder Erdäpfel und Heu wohlfeiler; offenbar weil der
Aelpler erstere Früchte bei Weitem nicht nach Bedarf, dagegen letztere
reichlich erzeugt. Diese Preisunterschiede werden noch auffallender, so-
bald man statt obiger aus den Wochenmarktsorten abgeleiteten Preise
jene ansetzt, auf welche die Früchte an den eigentlichen Verbrauchs-
orten zu stehen kommen; denn dann muss beim Getreide rücksichtlich des
Aelplers. noch das Heimfuhren vom Markte zugeschlagen, dagegen in den
angrenzenden Getreideländern die Kosten der Zumarktbringung abgeschla-
gen werden. Am allertheuersten sind nothwendigerweise sänuntliche Feld-
früchte im Hauptalpenstocke.
Die. Kosten des gewöhnlichen Feldarbeitertaglohns betragen allent-
halben ein Sechstel Motzen Getreide; sobald man jene Körnergattungen
in Anschlag bringt, welche im Lande vorzugsweiae verspeist werden,
also im Nordabfall Roggen, im Hauptstocke Roggen, Mais, Gerste und
Hafer, im Ostabfaile Roggen, Mais und Gerste, und im Südabfalle Mais.
Bloss im Südabfalle beträgt der Taglohn nur etwa ein Siebentel des
Kompreises, woran der dortige Ueberflnss an arbeitenden Händen Schald
ist -
«06
In der angrenzenden italischen Ebene dag^e^en steht der Tag'lohn
um ein weniges ober einem Sechstel, weil die einheimischen Arbeitskräfte
nicht vollends zureichen; wie deoB aacb tfaatsächlich sehr viele Arbeiter
ans den Südalpen zeitweise dorthin bezog^en werden.
In den nördlichen Grenzlandern, d. L in Böhmen, Mahren und Schle-
sien steht der Arbeitslohn unverhaltnissmassig tief anter jenem der Alpen,
denn dort ist vergleichungsweise ein ungeheurer Anbot an Arbeit
Die wenigsten landwirthschaftlidien Arbeiten werden aber in den
Hochbergen mittelst Taglöhner besorgt, denn deren sind nur sehr we-
nige vorhanden; senden der Bauer hält hiezu eine verhältnissmässige
Anzahl von Knechten und Mägden. Die meisten Wirthschaften halten 3
bis 8, die grossen sogar 80 bis «5 Dienstboten.
Da sich der Hochgebirgler überhaupt zwar einfach, aber gut und
reichlich nährt, und da bei der fast überall dünnen Bevölkemng starke
Nachfrage nach Dienstboten ist, so müssen diese nothwendigerweise sehr
gut gehallen werden. — Sie kommen eben so hoch zu stehen, »Is ^in
gleich guter durchs ganze Jahr beschäftigter Taglöhner. — Die Weib«-
leute kosten, sowohl als Mägde^ als auch als Taglöhnerinnen, zwe! Drittel
der Männer. — Die Löhnung der Dienstboten besteht ausser der Verpfle-
gung allenthalben in Geld und gewöhnlichen Kleidungsstücken.
Bezeichnend für die Alpen ist eine Unzahl von Feierlagen. Hier wer-
den nicht nur alle von Kaiser Josef, glorreichen Andenkens, lingvt Age-
schafilen kirdilichen Festtage noch pünktlich gehalten , sondern auch gar
viele andere Gedächtniss- und Gelegenheitstage zum Feiern derart Jb9-
nützt, dass das Jahr eigentlich nur Vtö — tSO ArbeitsUge zählt Grerne
möchten zwar die Bauern von diesem Ueberflasse etwas abzwacken, aber
sie scheiterten bisher immer noch an dem Wiederspruche der eben durch
ihre ungenügende Zahl starken Dienstbotenpartei.
99
Ackerwirthschaft.
Bei weitem das meiste Ackerland (im Hauptstocke mehr als die
Hälfte), wird in den Hochbergen als Eggart, d. i. als Acker Mundelt^
auf welchem der Getreidebau mit der Graskultur wechselt
Ohne Zweifel ist diese Wirthschaft in jenen hochgelegeneB Tlm-
lem, deren Klima die Aussaat oft nur V/t—^/^ fach wiedergibt, dagegen
(der reichlichen Mederschläge wegen,) dem OraswucbM adbr förderlich
ist, die zweckmässigste Wirthschaft; durch die Verbindung iMider K«i-
twen erzielt hier der Bauer gegenüber reiner Wiese tMid remem Acker
sowohl im Getreide, als auch im Grase höhere Eitriige» Die Eggart-
vrirthschaft wird sehr verschieden vom 3 jährigen hi» «um 8 jährigitn
Turnus betrieben ; sechsjähriger Turnus mit der folgenden Frudflfolfe :
1. Weizen oder Roggen oder beide ^ gedüngt; 2. Hafer; 3. Roggen, ge-
107
dfin^; 4, 5» 6 Wiese, ist einer der häufigsten und dankbarsten Betriebe»
Mmcfaenorts treibt man auch die etwas verschiedene Drischwirth-
Schaft, bei der auf eine zweimahiige Getreideernte i — 8 j&hrige Be-
weidung Iplgt.
In manclien Gegenden wird das Eggartland auch mit grossem Vor-
theil gebrandet
Auf dem reinen Ackerlartde trifft man gewöhnlich die Dreifelder-
wirthschaft; die reine Brache jedoch in der Regel nur in jenen wenige-
ren Fallen^ in welchen (ur den unausgesetsten Anbau nicht genug Dünger
herbeigeschafft werden kann.
In den Maisgegenden der Südalpen hingegen wird dieses herrliche
Korn häufig auf dem nämlichen Felde ununterbrochen fortgebaut.
Sehr mühsam und kostspielig ist die Bebauung der zahlreichen auf stei-
len oft 30—35 gradigen Hängen gelegenen Felder. Unendliche Mühe fordert
dort gewöhnlich schon das Auffuhren des Dungers ; sehr häufig muss dieser
auf lange Strecken in Körben in die Höhe getragen werden. Das Ackern ver-
langt 3—4 Personen, ja oft ist der Pflug gar nicht mehr verwendbar und es
muss das Feld stattdem mit d^ Haue bearbeitet werden. — ^ Auch hat
man dort von Jahr zu Jahr die von den Regenwässern abgeschwemmte
Erde am untern Rande auszuheben, um sie wieder afif dem oberen Rande
neu aufzutragen ; kurz die Arbeit ist auf solchen undankbaren Stellen so
gewaftig , dass sie zum gegendäilichen Taglohne angeschlagen, den Roh-
ertrag verschlingt, ja oft noch einen Verlust übrig lässt.
Saatkorn und Ernte In den Koclibersen.
Saatkorn
MetMa.
Ernte. 1
Ein jr • c h.
Sommer
Vieiraches
der Aussaat.
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9
9
8
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250
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35
30
25
40
20
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Kleeben ....
15 — 25
20
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20
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auf dem fifgart. •
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28
56
Das geerntete Stroh wird in den Hochberg^ durchaus verf&ttert.
S06
lo mnder Zdffer zn Geld mgeacil^en^ stellen mch die Ertrige der
Ackerkultnr im Durchschnitte der Hochborg^e aub Joch gewöhnlich
wie folg^:
•reuea. WM.
Rohertrag • . . • . 15 — ISO «0
Reinertrag . • • . Verlost — 50 8
was deutlich zeigt, wie wenig vortheilhaft im Allgemeinen hier der Ge-
treidebau gegenüber dem Flachlande ist« Gibt zwar das Ackerland der tie-
fergelegenen Thalsohlen auch in den Hochbergen ebenso dankbare Er-
träge, so sind doch diese besseren Lagen von bei weitem zu geringer
Ausdehnung; und die grosse Mehrzahl der Aecker liegt in Höhen, wo
selbst das Klima keine reichlichen Erträge mehr zulässt, oder auf stei-
len Hängen, welche einen unverhältnissmässig grossen Arbeitsaufwand
fordern«
99
Wieskvltsr.
Der starke und häufige sonmierliche Regenfall der Alpen ist dem
Graswuchse und somit auch der Wiesenkultur sehr j^unstig, er wirkt
gewissermassen gleich der künstlichen Bewässerung in den Flachländern.
Gleichwohl sind dreischürige Wiesen nur in den Tiefthäleim der
Vorberge zu treffen, da nur dort der Vegetationszeitraum lang genug ist,
um eine dritte Mahd zu gestatten« Derlei Wiesen geben einen Heuertrag
von 50—70 Zentner.
Die Wiesen der Vorberge , so wie jene der Sohlen der Hochthäler
sind zweischürige mit nachfolgender Beweidung. Ihr Ertrag schwankt
zwischen 15—60 Zenbier Heu, worunter ein Drittel Grummet Im Mittel
dürfte man denselben auf 85 Zentner anschlagen können.
Die Wiesen der Berge, welche über die Gretreideregion hinaaslie-
gen, aber jene des Waldes noch nicht überschritten haben (Bergmähder)
sind gewöhnlich einschürig, ihr ziemlich reichlicher Grasnachwachs wird
meistens abgeweidet — Ihr Heuertrag schwankt zwischen 3 — 15 und
dürfte im Durchschnitte auf 5 Zentner angeschlagen werden können.
Die Bergwiesen sind sehr häufig und besonders an den Schattenseiten
und in den Südalpen mit einzelnen Bäumen bestockt. Meistens wählt der
Aelpler die Lerche dazu, und im Süden bildet sie fast die ausschliessli-
che Wiesenbestockung*
Aber auch manche Flächen der Sennereiregion, welche ihrer Steil-
heit wegen nicht wohl vom Rindvieh abgeweidet werden können, oder wel-
che man überhaupt für die Winterfütterung verwenden will, werden als Wie-
sen benützt Man heisst sie Hochmähder und mäht sie gewöhnlich nur alle
zweite, zuweilen auch nur alle dritte Jahr. Sie geben dann 1 bis 3 Zntr.,
im Mittel etwa V/i Zentner Heu.
• Im M^emeinen wiordea-die Wiese« nur amin^hmnitrcjae bßwjipsert^
gctwMiAlkh I idtn^ iniin^siQ.aiiobtiiicktt,. midnQah.mr/^lg^ .pA^gÜ m^.m
au ühere^geiu -^ Dia Kukiir. beadirankt eich mteistens nur wif 4aai .1^-.
ntfca 'hnnFr&bjflhre: uid nackaiebttidi def.nQMlsQn Wie^eo; |iuf„€4nig^ E^^r
wiMeriuig«gräbMi. OairiiAi'ift «ucii d^r AwQrtrag.de/9,>W^fteii4eA iiqg^r
achtelt ideai. detn'.rOtaawuohse^ .sehr fAOiftigei^. lUime^. 4urcbspbnU^iQb)
nMit -groat^- . .•■ il ../' •. ;.,,; •■ : ;.'.,.. .i .. „ .n
'Die* Thal wieset tiiiid 'hfinfl^'nasa «iM'«rz6ugetiidaiin 'saurefei''Il6iü. •>
Das Öeu ;der ßei*g^niälider^*ist mägef^ b^i^onderis ma^^r ab^i^ jetre»
dbf Ito'chmShd^K Weli^h^ib liitfn dahitri aiAfch ttar 'i^iisiiählhWMsiä dem' Mefk^
viehe verfutifertr -" '''^' '"' • ' ■■-"'■ '■ ' - -'^ ' ^- " * "^•' '"^ ' ■ '-
j Das beste, Heu liefert darchschnjtUicfi ^as Eggartland ^ 'es entfällt
reichlich' (30 — 60 Ztr. vom Joche)« ist^ immer siiss, un(| Sem Grummet'
ist Qoch imnier so gut« dasa es dem Reii der ersten Schur völlig gleich-
cehaltcm wird. . '
^ ■ ' ' * '■ ' ' :r'M-,ni it .:( , .iM-.*«Mji. i I •»• ■ • / t '
Die Verschiedenheit der Heuffattung: spricht sich auch deutlich im Ge-
wicbte au<9./--.. Pip, ,fl^^g(][)kla)^er., zu^amin^ngj^^s^s^j^n^«^ <3?^res^ oder ;frob-
atengliges Thalheu wiegt gewöhnlich 4—5, das sfiss^^l^iei^e^h^u^der^
Gelrejdaregion^::T-.9| dae fllen .dt|i) 5€urgipft^9r,.jR7-:§ u#d.|jefles der Poch-
roäM«r.3.^a.Zflmppr. , .... .,-......,. • .., ..:..,,„. j .... iJV V;,... .^ .
• BHle kMöddere Wiese^Mung flind.di«>iAlinanger».H^ Ea sind fceß»*''
8eriBPamig& < Jilmfldckie ! in ddr Nabe 4ar «^^««iihi^ttm», iWiM^bß. loaoi.gegf^OH
das Vieh) einläiiit, gati düngt, lund; deren £rMrftg (jS-hlO ^)Ur^ Auf» 4<^b^);.
man dem'JMmviebei.bei'ifiithDadwelteDi nerfatteirti «n^. les: w ^i^ser.^^tfJiiC;/
nicht auf die Weide treiben zu dürfen. . : > . />...... i ... .
- G^vr^hiliefa wird« daa geerilletei.HQiit'tMr^ttiia W4ntßrMCh., Hause
gieCahren, sei) m , weil man da» übevbMij^t janir mit IKilfe der .^cbUtMü^boi
vermag; sei es» weil man erst dann Zieili4az«.ik«t, .jm ee,.m01ich,>;{w^ji|
imA 'bei Jlame nicht g^eung: Btädel ibesi!»), Um<dJQ gr^>ea^.IV]L(^ge.jHleM;
uneeraubringenj Welche im 'Laufe dea . langen iWinli^rA .verfinstert .w,^df$nf
niMBC' Auf den HoUuMUideraumrd daa Heu Ußei^iaff lavinenfre^jSt^oa,
nrn^eine ^Stiaiige bervto ixt Trieien jairfgefiichobertiiiAuf^ dQn.ßßrgi^jc^^Qq,,
trister maa eaairch an vielen. Otten <aufi;.ihäi4figpr.'abßp.bfiu^;ma|i;.a)} dear
sen einetWeiliger Untarbriiigung eigenet Stfidel»* 5^«^ .anph tidi«.,.dwß^
«eli6ittliche.Woh{feiUMit'des>IlolEes >eiala4al#. • ./ .- , .n -.im t ..>;
Ifelbec j& den« l^kalsoUen '«nd 4>ft in nacibeleniIiI&hei4eP^Qrt^„bewahr^
DVän daa Heu häufig bis • aum - Wi«Mr in Wieeenet|id^Q attf^ ^f^r.aber,
Mass darum > weil t^ie iiii staievischee^ (>bevettQj«haIe)'4ie^i.iia4B(^n^
sen dAs Abitilireii erst bei' geGhMwnem Bed«» lOrlMbeiWi. , i...i, .., ^^
»ÜifEäMIg sind' die Stadel» welebe auf deniAIpeovripaen.fuir $Ue ,einet*
wdlige^ IJnterbringM^ d^a^HeQaa erriobtftt. mA* SjeatfMl.ss^mmt j^p^^p«- -
dera nlit - Spaltaehisdel ^[«feekle Biookbfitten». ^ Auf inaqciiei^ Tnift^«,,
ateUenvaie so «ahkieick iMi8ammea> «das»' sie iji.:der.>Fe^na ^TAetiDwfi^ aAi.
zuschaueir sta4. 'f "'4 . j «
14
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In den waischen Alpen und besonders dort, wo die Landleote in
Dörfern iteisamnienwohnen, wird vieles Bergwiesenheu an Ort und Stelle
verf&ttert; zu welchem Zwecke der Bauer oder einige seiner Leute mit
dem ganzen Viehe dahin f5rmlich übersiedeln. Den strengen Winter
bringt man dort wohl bei Hause zu, sobald die Kälte aber nachgelassen
hat, zieht der Senne auf die nächste Bergwiese, und nachdem er deren
Heu verbraucht hat, wandert er auf die N&chste. — Hiezu setzt er sei-
nen Stadel auf den Stall auf, und baut sich dann noch eine kleine Käser-
hütte dazu« Diese Heubenützung ist in mancher Beziehung sehr vortheil-
haft; denn nicht nur erspart man dabei das Abfahren des Heues ^ sondern
man kommt auch in die Lage, die Wiesen düngen zu können.
Das Mähen der Bergwiesen, besonders aber jenes der Hochmähder,
ist in der Regel sehr beschwerlich, einerseits wegen der häufigen Un-
gleichheit und Rauhigkeit der Wiesfläche, weit mehr aber noch wegen
der gewöhnlichen Steilheit dieser Wiesen, die öfter so weit geht, dass
der Arbeiter die Fusseisen anlegen, ja manchmahl sich sogar anbinden
lassen muss.
Nicht wenig Mäher sind auf diesen jäh abschüssigen Alpenwiesen
schon verunglückt
Nicht minder beschwerlich ist das Abfahren des Heues, das gewöhn-
lich ganz oder streckenweise auf Handschlitten gezogen werden muss.
Schon die Auffahrt im bahnlosen tiefen Winterschnee ist keine Kleinig-
keit; oben angekommen, muss das Stadelthor oder die Triste ansge-
schaiifelt werden und alsdann folgt die im Abschnitte 36 beschriebene
A1)fahrt, bei welcher schon gar mancher Zug lebensfrischer Männer von
der Lawine verschüttet worden ist
Gleichwohl ist die Heuarbeit eine der lustigsten der Alpenvrirthschaft,
besonders aber die sommerliche Ernte. Ganze Familien ziehen dann auf
ihre Berge hinauf, und geben den weiten herrlichen Grastriften freudiges
Leben« Angeregt durch die grossartige Natur, die zu dieser Zeit (Juli
und August) in ihrem schönsten Schmucke prangt, ergriffen von dem fri-
schen Odem ungefesselter Freiheit, welcher durch die Bergeshöhen weht,
befriedigt durch die Fülle der Gaben, welche er eben zu ernten im Be-
griffe steht, wird der Aelpler dann unwillkürlich hingerissen zur unge-
zwungensten Lustigkeit; des Geschäckers und des Sanges der Jugend ist
dann kein Ende, und der Liebesgott feiert seine schönsten Siege. — Auf
den grossen meilenweiten Triften hat der fromme Aelpler sogar ein Kirch-,
lein gebaut, und der Priester steigt Sonntags hinauf, um seine gestiftete
Messe darin zu lesen. Ein oder der andere Wirth schlägt alsdann sein
gastlich Haus dort auf, und erquickt das weit und breit herzueilende Berg-
volk mit seinen Lekerbissen. Der Förster oder ein wohlhabender Schütze
veranstaltet ein kleines Freischiessen, musikalische Holzer oder Bauern-
bursche ziehen Geige, Zither, Pfeife und Klarinette hervor, und so kommt
ohne Mühe und fremdes Zuthun ein Fest zusammen, welchem rege Le-
benslust und zwangslose Hingebung an die Freude eine Würze verleihen.
Sil
wie sie der Grossstädter mit all* seinem kostbaren Luxus gar oft nicht
herbeizuzanbern vermag^-
Der Geldertrag eines Joches Alpenwiese ergibt sich nach Obigem
dorchschnittlich aller Hochberge mit Folgenden runden Ziffern:
Rohertrag Reinertrag
Grenzen Mittel Grenzen Mittel
Dreischürige Wiesen • • • 58 — 8*
Zweischtirige Thalwiesen 17 — 58
EinschQrige Bergwiesen . . 3 — 17
Hochmahden 1—4
70 50—85 55
S9 13 — 45 «3
6 0-18 2
S Verlust Verlust
101
r
Almen und SennereL
Unabsehbar sind die Grastriften, welche sich in den Hochbergen
ober der Wälderregion hinziehen; sie nehmen meist den vierten Theil
des tragbaren Bodens ein. Das eiserne Klima jener Höhen, welches nicht
einmal die ausdauernden Nadelwälder, geschweige denn die zärtlicheren
Gewächse des Ackerbaues aufkommen lässt, macht diese Triften zu ewi-
gen Grrasplätzen.
Aber auch diese Grasvegetazion ist hier eine äusserst schnell vor-
Qbergehende« Nur auf 90— 165 Tage ziehen die Hochalmen ihr dickes
Schneekleid aus, um durch kurze 7 — 14 Wochen im sommerlichen
Schmucke prangen zu können.
Wie sehr auch in dieser Zeit ihr schwellender Rasenteppich mit sei-
nen glühenden Blumen auf tiefgesättigtem Grün das Auge bezaubern mag»
wie warzig und nahrhaft auch seine Kräuter sein mögen, sein Grasertrag
ist gleichwohl nur äusserst gering; er wirft durchschnittlich kaum den
zehnten Theil dessen ab, was eine gutgelegene Wiese des Tieflandes zu
geben, vermag. — Hieran hat zuiorderst die kurze Vegetazionsdauer
Schuld^ und dann nicht viel minder die Unzahl Felsen und unwirthlicher
Stellen, welche die Grasnarbe oft auf weite Strecken unterbrechen.
Diese geringfügige Grasausbente eines kaum dreimonatlichen Som-
mers wird den Aelpler nie bewegen, dort oben etwa seine bleibende
Wohnstätte aufzuschlagen, seine schönen Thäler zu verlassen, in welchen
Ackerbau, Wies- und Waltkultur, Gewerbe und Verkehr ihm mit zwan-
zigfacher Arbeit auch zwanzigfachen Lohn versichern ; er wird das eben-
sowenig thun, als er sein reiches Gehöfte verkauft, um nach dem eisigen
Lappland auszuwandern.
Ewig werden diese Hochalmen nur von den Thälern aus benfitzt wer-
den; denn diese allein sind hier geschaffen zum Wohnsitze der Menschen.
Aber auch auf Heu kann man diese Grasflächen nicht wohl benfitzen.
Schon das Mähen wäre auf so unebenen Oberflächen und bei so unergiebi-
gen Erträgen sehr kostspielig; woher dann auch die Unzahl Hände neh-
14*
ipen,, ufB in. .8 —ß Wichen ^o mgfih^nre Fiäd^en ^^6il Art 4er Wiesen z\l
bewältigen?; der nasse Sommer, die Kürze der heiss9^i]9dtr,<;M^^e^Qifi. Ta-
geszeit . eifsf hw^j^ten . ausserordeptljich /las Df^rren des Griten j «od, da^ Ab-
fahren endHch .da^vHpii^s nach den^r-ß Stunden pntferntenJtlofen, dij«
Kosten dieses Abfahrens aliein ^^urden häufige schon dessen ganzen Werth
aufzehren.
JDuter d!ßs0n Umstanifen bleibt.* nur mehr eine Benutznngsart
übrig 'd. i. die' Ab^eidung^ und weil die Hochalmen viel^za'/weit entiejgetf.
sind, dass maOi dorthin tauglich -tfach'^ Art der Ii«twcMd8nttreibeti.lbdhnl«i>.
so übersiedelt' ider«Aelpler dein gUzes/Vieh dahin)<'iB>tteii>iit}dai|: WeU^'^'
gebiet; ditf nöthigeii.fi[öften erbauend, i ,' •,..>.. i
So passt das vortrefflich in seine ganze Wirthschaft. Er benützt mit
dem geringsten Kostenaufwande aufs vollständigste seine Hochalm, bringt sein
Vieh durch 3 Monate aus dem HeuAitter, gewährt ihm aufs Ausgiebigste
die so erspriessliche Bewe^Qtif^llEi^^iifilih/^^iMii'ilann während dieser Zeit
s^i^e .Ar^^tskrfiftei, f^ei^ un)e(^i:i))ind^^^ Adker-, .und li/^ie^^np zu-
, :Eiur' so viel .Vi^h^i i^)S| sei^ß Hoehalmea im ISomnet z^ ernalttfßn<vftivi.
tmg^ß ». spenden ßiich seine Wiesen^ dw WM, die Hutipeide ittnd der
Ack4^r.,da,i^.n?H|ig^ 'Hßrkbptnii ^inteor wd FniiibliogsftH;ler;'und. wo. die«e^i
demungeachtet nicht zureicht^ nun da nimmt er Vieh vom Flaohlaod^» auf«
oder Tie^rkauft sßina^ auf der SomrnwwcMe grosligeftagenrntNachiuruchs.
"- ^' So machen' diei Hdclid^en ifn KusambefiAhnge nft%l)eta'übi4gen' dtffa»^
gekilü(>ften'¥erbMtniMeii' dife S^mivviräiscbäft in dieSM LM4en' «ü mwto"
sehr Zweckmässigem, zu einer wahren Nothwei»tfg40it. > . ' . i« •: -*
l)Ie Kühe befd&i'fen'in der Hauptsache Veine 6ras[^tä^ei; sie brauchen
reichliche tVahrüng, danift sie viel IVBIcb erzeugen; dürfen' k^irie zd staV-'
ke Bexi^egung machen; damit ihnen die'Mflcti nicht vergehe; sie müissen
bbisammeti gehalten werden, da'ihit' man sie reg^elmfiäsig hielken kSnne.
Auch iiilgefähl*litl]l nifi)is6n ilii'e Gräsplätze sein; denii bei ihrer ScWere
stüi^üen sie leicht ab; und ihr Werth iisit zu' gross, als dass 'Bi(*h ihr Ver-
lust leicht Verschmerzen llesse. ' ' ' • ' ' ' *
Da nun aber die Hochalmen gar viele magere und gefahrliche Oras-
plalze haben, und da auch die Wälder ungeheure Weideflächen darbie-
ten, die, wenn sie sich auch wf nifi;er für die Melkkühe eignen , doch ie^
Zuchtrindern, <j[en Schafen und selbst den Ziegen /lebr wohl j^iisageii; so
rennt der A^penbauer in der Hegel diese Viehgattungen von den Melk-^
kühen, und' beutet die Sommerweiden mit beiden auf verschiedene
Weise aus. ,
, . Dpr Almbetrieb, welcher den Aufzi^.des J|i«g- m^ jK,i^nviehea» oder
die Mast zum Zwecke hat, gehört. ^igßntlich.Bicbt ziuc Senuerel ^^ ^i^ßß^.
eine Milchwirthschaft voraussetzt; ^r ist ,ab^r. doeb, so fj^hi* init.,ilir/ ver-
flocbten, dass er auch im Zuaai^^phaqg, init^. dieser. diM'S^^t^^'^^dflQ^.
muiüs. ...
'^ DlelNattir aet Gräfl^pl&tee iinfd ändeire' Umstähdef geben '5ilcir ä^i* Seii-
hei'ei Aflt 'Scliäfc^ und Zfegeo' fiberwiegenfle Vortheilfei ; WeÄsWgc^ ich
deüti aQfcU'di^sti lüteteren berd^ta nunmehr TolgendenAnl^eihälbdierset^iirigdh
in Beüracht ^iefreri wei-de. ' ' ' ' ' '
' 'Die S^nnerei' ürirff nicht b'Idsfl/ auf deAi feinen W^idebodeh' beirieben,
sondern' g^^ÖhAltch auch in Verfiinäüng gebi'ac^ht mit fler'Beweidan^ deir
an^eb^todeit-'WäfdiBiti welch' lieti^eire 'um so danäkharer vrird; alisi'^^e
KahUfchiagb' dder Verdorbene PlIiAerWst&ride vorhanden sinci. ' In' der Regel
lehnt sich jedoch jede eigentliche (mit der IMilchv^rt^seKaft verbühdi^ne) Sl^^il-
n^^i feitl eine Wökäei^ei öder kleiner^ rein^ Weide. ' • - m
" Dler käi^ der' '8fennW|Hhschäft 'liegt Immer in der riochklm. Ütt^a
i-^fr Wbtiieii TfiacA dem ABgäiigfedes Schnees und dem Erwacheri der
Vegetazion beginnt deren Beweidung; sie dauert bl^ zu 'deih mft'eVn'pfind-
üdheWKdllle; mit P^Meni* und' faSüfigfen SbhheeßTfen 'verbürfdenem Still-
^knd^'d^^Oi^sWAch^^s/al^ 'n^y^h'd^ iiiehr oder minrder ^^ihtstf^efn (Hb-
lren)f tage der Alm «J'—iöi Tage' äüf deti (tidferen)' Knh^; und 4«-!^0
Tägfeüuf den' (ÜÄKereif) iSdiäfalrfien. ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' "
' 'Vor-derii' Auftriebe Uuf die Rochalm und nal^h'denl Abtrieb von def-
silb^y Weide^lWÄ 'däs'M^fkvieh iif dtir tieferen Äegioni* isurii ^Theilaüf
i^inetn'Weidelaild', yelches man feinst dem Walde abgerungen 'hat,' zbm
ThelS'fh denMtf dir 'i^erfjfinguhgfc^grifren'en'HoIzscHIS^^ tferf'ficli-
tÖti'Flelit^i^Vrälflrim;- züm^Thea'ehdKch iul den Bergwi'eseti ; dles'e^stige-
nanute Vor- und Nachweide dauert jede 'fitf sich eiWa litf—ilö Tätd, So
'da^s '^ie'gfmz^ Weidezef^ des RlefkviehW je nach deir OWtifchkät IM
Ms'iÖtf'Tage-utaf&Äk ■"\'/'"- ;^" '""' ' " ' '' •■'■"■■''• •'**^ «'• '"'•••'••
' ^* DiW^übrfge Z^it werdferi^ die Kühe IhiSliÜe' gefltttert und' W'hibW
bei etwa auf die Haüswi'eseh oder auf iiabegfelegene HufWeiden geti^iebed*.
" *' ' Dtö reinen; filr die'Vot-^iihd TVachweide benutzten Almen' der 'Wald-
region in Verbindung mit der dazu passenden WaldweJde heisiät deir^enne
all^feiiielh'VoraWn:''* -; "'•'"; '' '■ "."V ;^- :'—^'- '■•■»-**
* ' fii äeri 'änHöchalmeri'sehi^'i'eicheh Stidalpeii^wh'd aber aücli'sihr vfe!
iWIcflkvieh aüÄ'dei- tintJegeiieti 'italienischen Ebene' blöste auf die ftocWwef-
d6n getrieben; indem rfie*'Vdtahnen jener Gebenden ftürmr das Keimische
Vieh zureichen. - ^
' ' ' 'Dein'' Ä'ncfiti^dCTri' Und* dem Kl^invlehe gönnt niän In'Äöi^ BPoctiregion
nur jene' tJebfete; welche fiir die Mtälkkfihe' ziil schleclit, Jiti eiiflegeri ödei^
zu gefeh'rlich'Äinär'im Üeb^^^^ mah'sie'in den'VV'Sl^^rri und 'auf
den Hutweideh'. Die ZüchtrlriÄer koihmen öfter selbst iln I^ödhsommer
nicht aus den Wafdel^rt' hinW ' ' ' ^ ' " '* '
' ' Ist erne ' Schaf-' oder Ziegen Weide gross und gut ^ gehng , so' treibt
i/haii mit'dfesferi'Thieren förmliche Sennerei cMilchwi'rthsdiaft). Ausserdem
WeirdeW die Ziegfeh Aur vereihzelf den IVf^lkkflhfen beigegeben/ orfer-dfeiÄ
IKüihtvitihe/ damit ihr Hirt die nöthlge MKlchlialie; und die fechafe'xrer^
denfg'är nicht auf Jüifch' bonulzt.
' Die SchWeihe iiind die ühzertfehnlichen Begleiterinnen jeder Sehne-
tl4
rei ; man m|8tet sie vortreffllich mit dem Käaewasser, und auf vielen deut-
schen Almen reicht man ihnen sogar die Buttermilch. Im Uebrigen wei-
den sie vor der Käserhätte; damit sie aber nicht wühlen können, zieht
man ihnen einen Messing^draht darch die Nase (man ringelt sie).
Die Grösse der einzel|[|an Almen ist ausserordentlich verschieden;
die kleinsten ernähren etwa 10 Stück Kühe; es gibt aber auch solche,
welche mit 200 — 300 Rindern belegt werden. -— Sehr ausgedehnte Trif-
ten sind zweckmäsigerweise in mehfe Cverschiedenen Eigenthümern oder
Pächtern angehörige) Almen abgetheilt.
Die kleineren Almen sind meist Privateigenthum, und gewöhnlich be-
treibt sie der Besitzer mit seinem eigenen Viehe, dem er höchstens noch
Einiges seiner Nachbarn beilegt. Sie sind dieserw^gen auch durchschnitt-
lich im besten Zustande.
Die grossen Almen gehören gewöhnlich den Gemeinden, oft auch den
ehemahligen Herrschaftsbesitzern oder dem k* k. Aerare; manchmal sind
sie gemeinschaftliches Eigenthum mehrerer Höfe« Erstere verpachten sie
gewöhnlich, letztere so wie manche Gemeinden benützen sie gemein-
schaftlich. Unter diesen Umständen ist es ganz natürlich, dass gerade die
grossen Almen häufig ganz verwahrlost sind; denn der Pächter thut nichts
fiir ihre dauernde Verbesserung, da er nicht auf den vollständigen Rück-
ersatz seiner Auslagen rechnen kann, und letztere thun nichts, weil sie
sich nicht leicht über die Ausfuhrung einigen können, und der Einzelne
nicht für die Anderen arbeiten mag«
Die Milchwirthschaft ist fast überall auf die Buttererzeugung (in den
deutschen Hochbergen auf das Schmalz) gerichtet. Aus der abgerahmten
Milch macJit man magere K^e und Schotten (Zieger). — Auf fette Kuh-
käse arbeitet man nur an wenigen Orten (Vorarlberg).
Nur die Schaf- und Ziegensennereien (meist in den Südalpen) erzeu-
gen allenthalben fette Käse und Schotten.
Die Buttererzeugung betreibt man unstreitig am besten in den Süd-
alpen und besonders in Welschtirol. — Hier schlägt mau die Butter in
vierzigpfündige Ballen, die man nur auf der Oberfläche etwas salzt, und
sendet sie in die italienische Ebene (meist nach Venedig) , woselbst sie
sich ein ganzes Jahr hindurch gesund erhalten*
Diese ungewöhnliche Haltbarkeit erwirkt man ganz einfach dadurch,
dass man die Butterbrocken, bevor man sie zum Ballen zusammenschlägt,
in reinem Wasser (gewöhnlich unter einem beständig zufliessenden Strahl)
walkt; wodurch die Milch ganz und gar daraus entfernt wird«
Der Kuhkäs wird am Vorzüglichsten in Vorarlberg erzeugt.
Schaf- und Ziegenkäse machen die Welschen ganz vortrefflich. —
Während der steirische Schafkäs nicht viel besser, wie eine Unschlittkerze
schmeckt, kommt der italienische dem Ausgezeichnetsten dieser Gattung
gleich* — UnübertrefiHich ist aber der frische süsse Schotten der Schafe
und der Ziegen (Buma) ; dieser und die halbgeschlagene Butter sind Le-
ckerbissen, welche auf kaiserlichen Tafeln aufgetragen werden können. -^
C15
Rechnet man noch die köatliche Br^eere dieser Höhen und die würzig^e
Himbeere der nahen Holzschläge hinzu ^ so vermag^ die Hochalm Erfri-
schungen aufzutischen, um welche uns die Götter beneiden würden —
wenn der Neid nicht unter ihrer Würde wäre.
Der Schotten der deutschen Almen wird gewöhnlich frisch oder halb-
frisch verspeist; der welsche Senne jedoch schlägt ihn in Formen und
räuchert ihn auf, wodann er sich — der von Ziegen und Schafen durch 7
Wochen« der von Kühen über ein Jahr gut erhält
Die Hochgebirgskühe wiegen gewöhnlich 230 — 350 Pfunde; starker
wären sie für den Almgang zu schwer. Sie geben jährlich 700 — ISOO,
gewöhnlich aber 800 — 900 Mass Milch. Solche» die unter die 700 sinken,
mustert man meistens aus, solche, mit mehr als ISOO Mass sind äusserst
selten.
Hundert Maas Kuh- oder Ziegeninilch wiegen SSO, Schafmilch jedoch
S61 Pfunde; oder 100 Pfunde Milch geben 38 Mass.
Auf der Alm geben die Kühe durchschnittlich der ganzen Almzeit
täglich 3—5 Mass einer Milch, von welcher 100 Mass 8 — IC, im Mittel
10 Pfunde Butter, dann 16~-26, im Mittel bei 20 Pfund Käse und 2—10
Pfunde Schotten liefern ; 100 Mass unabgerahmter süsser Kuhmilch geben
25 Pfund fetten Käse und 3V4~8 Pfunde Schotten; Gaismilch 26—27 Pfiind
Käse und 6—9 Pfimd Schotten.
Auf 2V2— 6 Kühe treibt man ein Schwein auf, wenn man diesem die
Buttermilch und weniger ausgekäste Molken zu Gute kommen lassen
will; strebt man aber der grössten Schottenerzeugung nach, so rechnet
man erst auf 6 — 10 Kühe ein Schwein. Schottenerzeugung und Mast*
Schweine stehen daher so ziemlich in umgekehrtem Verhältnisse*
Der welsche Senne käst die Molken aufs vollständigste aus, für ihn
hat der Zieger einen höheren Werth als die Schweinemast.
Die deutschen Sennereien werden meistens von Dirnen betrieben,
denen Knaben als Hirten beigegeben sind ; in den welschen Alpen ist jedoch
die gesammte Almwirthschaft in den Händen der Mannsleute.
Folgende Statick mehrerer Sennereien mag näheren Einblick ge-
währen in diesen Betrieb. Sie deutet auch die Vorzüge und Gebrechen an,
welche diese Wirthschaft örtlich an sich trägt
Salslinrgische Sennwirthscliafl;^
Eine der vorzüglicheren Almen in der Gemeinde Bucheben.
Alnttche iWel4Aielt Bdegnag
Joche Wochen Stücke
Voralm - - mT Frühlingsweide • • ^T^ Melkkühe < 30
Hechahn • • 289 Sommerweide • • • 10 Stier • 1
S39 Herbstweide • • • 3 Ziegen • • M
17 Schafe • • 65
Ein Kuhgras hat hier t-n Joche Voralm und 6-s Hochalm«
Milcherzeugung einer Kuh nnr'Ynit * Ufessörngönötniniew '^^fdiÄn/^eil'veii
deW- dFdrAlsi^ Kahfert, Vrtttehö aliif 'fliefife Alm gesteift wölken; tiiehr Alle die
b^iit^ Metks^eit blifl^n. -^ Es gibt sonai^h e1n6 Kuh hier 28 M&sir MHck jcMie
WöbHe," "^^M «rzöugt wel^den««, Mh^s Halftft and hievotl 3^V'Wiin*
Butter, oder 2.33 Pfund Schmalz und «.saMaa» Bntterrtiilch, dafin fr.^^ PWL
lüUfe, eriÄith 6.57 Pfahd Sdiottfeti/ /. . • ' .. . »« •!
•' Der Geldwerth dieaer Erzeugnisse beträgst dach *eii DarctechultM^
pi'cr8ffn'vötilÖ3«~l«43wiefölg1t: ;* " ' ' " '■ * '"' •'"'■'- '■'■'' •' '"
2. 9s Pfund Schmalz zu ley« kr. STA .,.,,: ^
5.7i Pfund saurer jp/su» zji 2.«/i,,tr-i, « •; . • .' i ., I*'/*..,,,,. j fi»
6»A ..
.Pah^ 4.e^ Rplfe/brag i»tn^i! l|:u|i 44 Cr. /wV* kr-
Milchnutzen aus 30 Kühen, jede zu 14 s^V* * - "•" '^ ' • ' ^- ''448
Hiilchniitzleri aus irZHegeh fder MifcHnülÄen eitter Zieg^ ver- '• ' '
'hält isidb iuih Niitiren ^XkH dWm tnäg^iMnKäAid^Mf-K'tAf' ' •' ' < >"^
i^i^-SO IM) jMezüt ,s'\'' ": ■'.•■•.'••:; -.= -^ ^ "- '-•8' 'al* '^
Nüli^en äüs d^ 65'Sdiaföri; jedear zrf'JOlür. • ' • ' * • '> '■'-■ 9» 'äö"
1 {:
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B ^,t ^lelb«liio.s««7«.
^rhallun^ d^r (Sepi^en. ¥an.M.eIker,;eiJn,GJ^^^s.^.^pl}^ip )^r^,^ ..;,
.. ,?^.^lch? t^ljcljL Igt, J2.iiifd.^kr,.!kp9t©n- • .;,,.•. H ■• f.i .?|} n^^..
Salz ÖOO Pfuq^ 7«.%,^.. :, , , • ..j- , :, ,' ,:y :..:.:. >...:/• .. ...W...-:.,t
Hplz^,Klfü3Se.;^.|p.. ..; .•-:.:......• .,:..,v ,• ^■.. T: ^- .^.. ..M^^'-
^inliaUuRg (iOT|8ßnng:eräAh^cl?ftft^ij^, . ..,.,,.. .., .. ... ^- ,;.. :^. . TT,,
Saumpferde zur Auf- und A^f^lmt.oV^ ^T^gp, i3iW A^^^fJffCTW ». ^i .. >! » ,.
des Schmalzes und Käses 9 Tage zu 1 G. . • • • 14 to
Nebenarbeiten.p|K|;.Tag^verke zum yerza^nen. der Aln^ SQ
zum Putzen derselben, 14 zur Ausbesserung der Alm-
hüttö; Ä)^ iUr' 'AtMAe^rfei^ürig* ' dd*- ' Wegfe, ' * ' ÄÜtti' MächW " ' ^
u%4r|P^ii|gen des Heues auf jci^miiAlmanger (der Hoch- -^r ui\n<ip,
•> ^ 'Um), zusammen 90, Tagewerke, jedes zu 15 kr.;;' •/ - 9t «o
WerthsvehnilbiMfung sdes Almvieh4s;'^ed8( Huh ^zu 5,<jede > :• ./
*■ Ziege zw- 1<<6. >•? • • • • .• » ;" ». ;i *«• •'. . *-••'..- i9(,..;-i*i:
Steuern .• r • -».* . v , . . . ••. '^ urti . «t-i. . 38 40
Es bleibt daher ein Reinertrag von
i'i
()v • -Seiiiilbeirieb mui fleliwefaerlLft«.
Vierhundert Mass Milch geben 100 Ff biid'8diW^!«erkls^'Qhd 1% Pfiinfl
sölisen 'Schotten ; und da der gesammte Milchertrag' der Kfihe i4.S80Ma«ft
beträg^svo steljt 0Jch<di9Jleidiiliit)g'*H^ie folgt:
'r • nmH^rirmm. "' " ' -'•.= < i
GL u. Kjt«
£kb'iriei^KkA9a.3&.to8teir..w 19hG* ;!.::• . %93 **
fl!^tr#^ dwiißkg^%,me^:(9kßn '• 1.-. M'.i \ ; • » .-, ,^ • ■ T:-. .68} . « ,
Ertrag der Schafe wie oben • . . ;•. ..^ ...; .,-. ^.. .•/•,,. . 3? «o
, , ., , . ü Rohertrag • • 589 —
^ ^ Keif leliftJiUBlASeii. '^
Da ein Schweizer besser beziahlt wird ^ wie ein gewöjinliclier .,
Melker» der Holz verbrauch um vier Klafter grösser
wird und auch mehr auf die Senngeräthsöhafken- «er* • _
wendet werden muss, so vermehren sich die obige« ...i..
Ausgaben vm S3 «s^* 4 »«tid .14 Grw» i belMgeti^ .also/ini)
- Ganzen.» I • • • * i-. :/ 443 —
Es bleibt daher ein Reinertrag von 155
.<J /*»*•>-'** • ;^ J-4 *• .» ,•* "f , wirf i? ,:'.-. r *»
Semtketrlek »uf ¥leluiuelit.
sammt Füllen, 2 Zugpferd^».,. ft», ^>r^yährigeql. ip^ 9. fEi^yp^prJl^eff Jf iUjfSi^
l«liRiw!^)||irig«9 Mn^Jii ^wUffig^a IUip4€ff».jup4 j(SQ.fi)^a^if , :. :. /
r-^ • '.* II *» M #1 I w II #
!1 Stute samn)|;,KWeia:Uh..t, .,.^./>i , .-//n. . ;; , W„.tt*. i
. 2 PfÄir(jQiJ€|4|ef 7<V2'ß-.. --..w »>' ••! !..•.-<./ 15 —
4 zweijährige Füllen,,, tft..(jk^. 4 . r n-, /J.h '" fife" ^'*
. 6 jährigftiROWen ja,G,.j-.>. <i „.. t,, ... ,i ,/ ...■7«..Tr/'
10 zweijährige Rinder .6 G* • i ifiO ,«■*"♦,' i
8 einjährige Rüider 4 G. • . ...... ^ ... S9 r- {
^ 65 Schafe, 30 Kr. Sj^ .. »a<
''-' Rohertl'a^ • * ' «8« ■^•'
Bin Huther und ein Rüther hübe 41 «o
Bifipujinb! 2 Klaftern • • . , 2 —
nß
Salz 400 Pfund • . . .
Nebenarbeiten wie beim Schinalzbetrieb
Steuern
Betriebaauslagen
Es bleibt somit ein Reinertrag von
Nach diesen einer der ?orzäglicheren Almen entnommenen Ergeb-
nissen , und in Rficksicht , dass auf ein Kuhgras für die achtwöchentliche
Vor- und Nach weide ly*— 2*/* Joche Voralm ^ und für die zehnwöchent-
liche Sommerweide 5— 6V4 Joche Hochalm nöthig sind, stellen sich die
salzburgischen Almerträge wie folgt :
Kahgras
JUmerirftse Voralm Hochalm
Rohertrag GewöhnK Grenze
Mittel. . • •
Reinertrag bei Selbstbe-
nutzung
Gewöhnl. Grenze
Mittel- • • •
l"ao — 1"86
1.«
l«o-«
l-»o
"43
Sfidtlroler Sennwlrthsctaaft.
(Primiero.)
Hundert mittlere Kühe geben während der neun Monate reichlicher
Stallfutterung täglich 800 Pfund Milch, woraus 26 Pfund Butter, 52 Pfund
Käse und 30 Pfund Schotten gewonnen werden.
Auf der Alm geben sie (während 3 Monaten) täglich 700 Pfimd Milch
und der ganze Sennbetrieb stellt sich wie folgt.
Löhnungen für zwei Käser und drei Hirten •
} 1150 Pfund Maismehl zu 3 kr. jedes
Deren kost \ ^^^ ^^^ g^^^^^^^ .....
Salz für das Vieh und zur Käsebereitung 6 Ztnr.
Holzbedarf •••...••••..
Pacht eines Stieres
Steuern •.•••.••.•...
Besondere Auslagen • •
Viehpacht für jedes Probepfund Milch, entweder i fl
oder 2V2 Pfund Butter, 6 Pfund Käse, 3 Pfund Schot-
ten, also für 700 Probepfund . • . • .
25 kr.
57
14
45
2
6
1055
so
28
80
tt
1353 —
»19
le^l n B • M nt e.
c tt95 Pfiind Botter» jedes zu 20 kr.
A» den Sennerzeug.) ^^^^ p^^ ^.^^ , , 9 „
mMen ^ ^^^j^ pf^^^j Schotten , „ 4 »
Weidepacht mr da»/ ^ 2«chtrinder 59
neben dem MelkvieheJ gjj g^^^fg j^,
weidende Zucht- undj g Schweine. ...... 81
Mastvieh ( * —
S5
1719 -
Rechnet man zum Rohertragpe der Sennwirthschaft» wie billig, auch
noch den Gewinn, welchen der Eigenthümer des neben dem Melkviehe
weidenden Zucht- und Mastviehes hat, hinzu, so ergibt sich :
Rohertrag der Almwirthschaft 1800 il «o
Reinertrag der Almwirthschaft 450 t 54
Auf Pachtalmen kommt dieser Reinertrag zu zwei Dritteln dem Alm-
eigenthümer und zu einem Drittel dem Pächter zu Guten.
Obemtelrlsclie Senuwlrtliscliaft.
(Lachalm bei Neuberg«)
Die Alm liegt 4914 Fuss über dem Meere, ist in Hinsicht ihrer La-
ge und Beschaffenheit eine der bessern im hiesigen Hochgebirge , und
begreift:
Reinen Almboden • • • 227.«
Waldboden 138.,
366 Joche
Sie wird von 13 Servitutsberechtigten Aelplern mit folgendem Viehe
betrieben :
Rühe • •
Zuchtkalber
Stiere • •
Schweine •
Schafe •
81
42
4
39
107
wozu 13 Senninnen und ein Schafhirt (ein grösserer Bub) erforderlich
sind.
BuUer 1844 Pfund zu 18 Kreuzer •
Buttermilch 1260 Mass (wird verfuttert) — ~
Kuhkäse 1118 Pfund zu 2 Kreuzer 37 t«
Schotten 780 Pfand ZU 1 Kreuzer . . ,, .^^ ... 13 —
Schafwoiie 88 Pfand zu 2k Kfeuzer * /' ,,^ *^ ", .^ w .« m. •>. tl . ^t»^
Schafkäfl^ 860 Stücke zu 6 Kreuzer! ^* ' ' . .^ ^,^' '^^ . . ..86 —
Werthsvermehruii'g *der Kälber . ". '. '. . T . . , 84 —
Werthsvermehrung der Schweine ..... . i. .kl •; liy-.-*-//
•.:, .. »,^, ,.. 8*8 —
Betrlebsauslas e'n. ' ' '^
13 Senninnen kosten jährlich 960 6.^ daher auf 3 Monate . 840 —
EiiiSchafliirt jährlich 56 Ö.". ". '. : , . '. " V . ". ^ ' W' -
Hofe/58KlÄft6r'AefltbbndKrummhote kt^Ki-euzer." . •"/' -^ J^' ',;••
Salz, 318 Pfand'' ä'5'Rre'uzfe'^ J-'V •.•".'".' ■■;•' ?*' V' .'\'''*-^ " »ß' '-"
Attffahvt und, Abfidirt von der Alm und Abbringung^ der Alm-
eir^eugn^e /,'. . - • • . • ••.•••.. ;.„••/•,•.. '>?^."7T.\
Putzuqg der Ajm^ Erhaltung der Almhütteiv.^er ,>Y9Sf^^"4 h •. .. h
andere Nebenarbeiten • , . ^. .• • • 90 —
Kinnaltung'dei' Sehiifferathe' • '• .' . ' ." .'".*'." .'".' * 4o —
Werthsverminderung der Ruhe ...•••.•• 81 . -^
Werthsverminderung der Stiere •.•••. 18 —
iSchm^ 45 Pfand a 88 Kreuzer • . , r 17 —
' Schafe, fBr V i^tück der ueidbetrag '•" *. 3 —
BaargeM : • .-^ i ! ;i >. .i«. ... l
s«
:i'i : M '... i ' ■. '•i ''s' . .* :n-.*}» "i' H' <
• H i'» I 1 ,-1. II. '6t4' —
I...I '.::''• •''■••' aJ. '•%♦•' l ,»'V »'• "j '•'•'' T''" •'.'•' •' ' ! ■ r. jl
^ , „ . i fiir ^le AlmWecYiüfi^ten . . . . ^.^
Daher Reinertrag j „^^^^ h^;«^.»*o^ «2^' "^ '
ö* gan^H. Reinertrag . . ,..,;. .^i, ; „• . .-, . 850 —
In Rücksicht, daös Uaut der vorausgegebi^hi&n^ FRcbe für jede Kuh
drei Joch Almgrund. «ei^farderlich sind, ergeben sich die Hochalmertrage
und Weidezinse wier fot^:
Rohertrag. . . .^^. . . . . . ...„.j^. 7- *-«•
Reinertrag bei Selbst^utzung • . • ..j.^f,^ r./\* *"* "^"
und da hier eine Kul^> (im mittleren Grewichte ^^mpiiSVs Zentner) auf sehr
gutem Grunde 3, au^C; mittlerem 3V4 und auC^f^bl^tem 4V» Joch reiner
Alm weide braucht, s^.iergeben sich die Hochi^lmPR^äge hiesiger Gegend
Rohertrag RelimiM
oder
Ein Joflk Uoshalfli -» rfi 4» 10 Gl* kr. Weidesias
1.^
SinJogk
bpfjler Gattung ••••.• i •>,.*, ,i.^.i .,.\ IiSh^'Ap'-I •*-^44- i
mittlerer Gattung • • • >. t« .«, Um/^, > w lMv«t - • *-^ä«*{
s<;|lilechter Gattung . • • • •:•.^ '^/i ^ m\ iMi.l4;^|^!! > «r^s''''
nt
V«iieslaiiil8«lie «eW^irel. - ' '
:■ • . .'■■..-.•l ^m}»,, i.i: ..| .-: II <;(^.QWy-)}. ,....1.....;^ .,u. ..i i i I . -. -i.
Weidezeit 100 Ta^e. Belegung^ 8S Stück Kühe, Ein Stier irtiA 8
., „ Ai^.Bfycli^i^gK^it, .,4^r.KAI|e Wfphjiirwkit .i|ii;fjsol|an ft -*;10 Wunde
taglich; im Durchschnitte betrug 'sie 6 Pfund, denn es wurden wähnend
der gaiiCli« 4V%ideasfelt 5S800 Phinde Milch erzeugt. Hundert Pfunde Milch
geben 4| ^J Pfimde Butter, 8 -IS Pfunde Käse und 4 Pfunde Schotten.
— Dm« ■rzeugniflftcdiift er Alm insbesondere betrug:
;|t306 Pfundß Bu^er zu 80 kr, .. <• si .;•..: jj. ' - » .768 40
5800 Pfiuidi Kä«& KU 9 kr. • • ., • 1 ^ . ^./ . '78ftj/—
SUO Pfm^^ Schotten zu e.kr.- ^. ..u....u m ...^ / -^ .< ^811 —
MastpÄChr-fiir dfe 8^chweine •..,^ *0 —
' — ^^ 1779 Z
Ml)^^fl|;,jBr,..^Wl B;ä^r,p.,.4fnJfejfift,,^den..Pi»liwWr^Pr.¥^^ : i .
den Feuerbnrpph^n>i«?»..W*t«fc >{» G%^4w t>- c> • '. ^ .» -8». —
D,ei;epypr|rfl9apnng}/ji.:, .7. •.•..•«..• r. i. , /•'t..;.'! .,.-".>' ?•<-*'" •• »5*'»«o
Sal».%,dv yiehi^nd 991^, JK^äsef^eireHufig. ,${)[) PjÜuiide.. •..♦ ,. . W .:m .
Holzbedaif ,..:.; :,....• ,-j,/, .r/'-.jr .N. -.. -,..f ?. •.•■ •: • A "''»o. .
Pacht des Stieres 8 so
Steuern ................ 5 «*
Besondere 4WNta^*iV».': >v'v^;t.'»-i.'-*^ . '^».5 >• ».l -5*-.'-** '.",f / . ** 88 «o
Viehpacht an die Viehje]g^mbuip^r„f&rJ<wlesPirpbepiuud Milch
(bei einmaligem Melken) 5 Pfunde Käs, 8Y«?f™*«B"V / - i
terWä Sy« iPfünde Schotten p(i«r äen Abl'ösungsprei's
vonlfl. 50kr. • • 'V^ V"V ^ ; ."= V ' r^ .:* ' . V' 884- -
M ! M . ,. ..\ i* .'... .!::/> ! ■
,;,,,., ,.,J .,> ^. I,, ,:^ I 1186
' tteinerti^ag . • '60*
Es gab daher jedes Kukgprat einen Roliettrag von 80 G«, und einen
Reiitertr«0^von 6 G. 45 kr.
"Diese ist eine deir allerbesten Xlmen! fo ^dortiger ^legend schwankt.
der Ertrag, welchen die Almpächter ' vom 'küligras' beziehen, zwischen 3^
bis 7 G, und mag im Mittel 5 G. betragen! fiievon liatien sie aber noch.
den Alpeifpacht init 1 6* 5o'~S G. »o» im Mittel mit 8 ä! zu berichtigen,^
SO- -dasa ihn^-^n Ge\rinn von ' durchschnittlich 3 G. vonri Kuhgras ver.
bleibe.
«..1
ttf
Der Viehpacht dieser Alm ist einer der geringsten« weil sie eine
der ungefahrh'chslen ist Er steigt öfter auch bis 6 Pfund Kas, 3 Pfunde
Butter und 3 Pfunde Schotten, d. u auf 8 Fl. 5 Kr. f&r jedes Probepfund
Milch.
Andere Almen aind weit weniger gut, so dass den Kühen, damit sie
vollständig benützt werden können ^ Riegen und Zuchtvieh beigegeben
werden müssen.
Im Allgemeinen stellen sich die Almertrlge in dortiger Gegend wie
folgt:
Eigentlicher Rohertrag (Volkseinkommen)
ides Vieheigenthümers .
des Almpächters- . •
des Almeigenthümers •
Summe
Tom Kthgras
GU md Kr.
10 — «0
-48 8 —
Die Gefahr von möglichen Verlusten wird von den Almpächtern auf
25 Prozente des Ertrages guter Jahre angeschlagen. Somit beziffert sich
deren Gewinn im Durchschnitte nur mit 1 G. 7 kr. — 3 G. t3 kr. , im
Mittel auf 8 G. 15 kr., und der gesammte Reinertrag eines Kuhgrases
sinkt auf 3 G. 80 kr. —6 G. SO kr, im Mittel auf 4 G« 5 kr«
Bei der Almbenutzung auf Viehzucht stellen sich die Rohertrage um
die Halbscheid und auch die Reinerträge um Etwas geringer; wesswegen
das Bestreben hier möglichst auf die Milchvidrthschaft gerichtet ist.
fJnterdstrelchlsche Sennwlrtlisehafft.
(Hochscheibenberg bei Göstling.)
Diese Alm ist eine der besten der Gegend, misst 60 Joche grössten-
theils reines Grasland, und wird betrieben mit
14 Kühen mit 4 Zuchtkälbern
1 Stiere und 3 Sdiweinen
wozu eine Sennerei erforderlich ist.
Butter 860 Pfunde zu 18 kr. • •
Buttermilch wird den Schweinen verfuttert.
Saurer Topfen 810 Pfunde zu 1 kr.
Werthsvermehrung der Kälber ....
Werthsvermehrung der Schweine .
105 M
Gl. u. Kr.
Senoiii jah)-lich 9S G«, daher auf SV» Menate ..... S6 so
Brennholz 9 Klafter z« 30 kr. ••••.•• •• 4 so
Salz 76 Pfiinde zu 5 kr. • • 3 «o
Auffahrt und Abfahrt von der Ahn und Abbringung der Alm-
erzeugnisse . ••..•••..•• 16 —
Putzung der Alm, Erhaltung der Almhütte^ der Wege und
andere Nebenarbeiten ••..•.•••• 1* —
Erhaltung der Senngerathschaften ••;•.••• 3 —
Werthsverminderung der Kühe . 14 —
Werthsverminderung des Stieres ••..••• _j 5 —
sJl tO
Reinertrag SS
Es stellen sich daher die Erträge dieser Hochalm wie folgt.
ttilahi^. IIa Jach.
Rohertrag 7 -— 1 «s
Reinertrag 1 ts — 2t
Eine Kuh wiegt hier SV» ~ SV« Zentner.
Aus diesen Daten, (welche ich rücksichüich der salzburgischen , der
steirischen und der unter österreichischen Alm wegen der in neuester
Zeit eingetretenen 10 prozentigen Geldwerthserhöhung der Almprodukte
noch berichtige,) so wie aus zahlreichen sonstigen Anhaltspunkten ergibt
sich für die österreichischen Hochberge der
Durchschnittsertrag & Hochalm ....
eines Kuhgrases. | Voralm (WaldregioD)
Ganze Weide • •
Da ferners nach grossartigen Erfahrungen aller Alpenkronländer, von
den allerbesten reinen Almenweiden bereits S Joche ein Kuhgras geben,
bei den allerschlechtesten jedoch 7 Joche erforderlich sind, im Mittel aber
4Vt Joche zureichen dürften, so stellt sich der
Ertrag eines Joches )*»?*f <^"»»« * '
reiner Hochalm. ««ttlere ««»«»g •
'schlechte Gattung
Das Verhältniss des Grasbedarfes der übrigen Viehgattungen zu
jenem der Kühe, rechnet man in den Alpen wie folgt:
MiKrtMr.
' . ;, 4> • b «. »• w I M i •. QrtkSzen. Mittel.
Stute mit einem Füllen IVb— * *-t
Pferd V •.'•'. •; '-I- • •■ '1^''^ '''».b: •'•"■'•"•
MaWthiep . . : : - • ' »-«•■'"'• *-l.^« •'••••' ■'
Füllen J«~«Jihrig ..... V^-^ - ' ' -«A ^ — '
Zugbchs 1— l'A - i Iw^'"
Stier . '':\ '-.'■'[ ':'' .•••.'•.'.-•.." ^'■•i* ." ^ 'l;o -"-•■'•
Juijgvieh j^r!f!'^^ • • • • %-^--^'(ri, ^
^ ^einjährig V»"^V* ^' ^ '0 :# » »
Kuh' ■ -'* '^ 1. »M-.i...(M'|;v ^'•' ^■'
Zufehtkalb. . -.;,- Yv-*V«" " ' '^-^ ^" '^
Eaer . . • Vt-V* ©••
Zi6^e . . . . , -, ,.,.., ..| .... Ve — V« 0.«
• 'Sctar^ ..... i ..... Va— V* 0.,
Die biedeutenden Unterschiede in der Grasbedarfsrechnung ein und
derselben Viehgattung rühren haüptsäit^liRdi Von deren äntei'M^hfediibhem
Gewichte . jier ; laiui djvd(,^, hiebei nur an die iLolossalen salzburgischen
Hengste und^nn die kleinen welschen Rösschen.
Die beiden Hauptbodenklassen der Alpen, -neralich die gew8hhl?6heri'
thonigen und die kalkig|en Böden scheinen mir einen sehr bed^tend^ti*
Einfluss auf die Eigenschaft^ deV Griser und dadiir(th'*äachi:aAf'JMk des
Viehes zu üben. Erstere erze^^ «aftigere, weichere , zartere Gräser
upd^ ein s^hr mvrb.es Fleisch, sie eignen. sich dal^er vorzüglich zur Mast;
d|e. Gräser der letzteren hjngegen amd härter » sie wirken auf st|ü:ke
K99cl}^D im^ Sehnen hin und machen, das Fleisch des Viehes fest, ja zatie-
-T- Diess habe jict^ sowohl beim Rindyiehe, als äuc^ bei den Schöpsen be-
merkt, und auf diesen Umstand mag sich wohl in iier Regel der Btuf*
grüiid#»9,:^elchea.gßMfisse Almen und Thäler rücksichtlich der [Mast',
und andere rücksichtlich ihres sehnigen Viehschlages erlangt haben.
Auch in der Milch gibt sich der Eihffi)^s'(r6i*'*Bod^bart liiMi auf fleii
kalkigen ' Krumen gewinnt mitfl iteni^err; ab^r^einfe fettreiche/* auf di9n
rein thoiligen hingegifeo viel, dagegen fettarme. Mikh.
'Die^österreichlsche Sennerei hat noch ein ungeheures Feld der Ver-
vo'nkomnung vor sich. ' '" ' ' *"'"' •'■: «'5 -: 'i'-. '-•..''- -i ■ -v-' .vi
'Pausende von Almen 'haben wedet' Stalftih^eti noch auch nur 'notbdüff-
tigst'e StändÄ' m^ das Weidevieh, dieses' idt den häiifigen iind g'e'wälti'gto
Unwettern dieser Hochregioh gänzfidi pi'eisgegebeh,''es bidbt ihm; '(^Veno'
sie fiberttaupt vorh^dli^ l^ind,) keine andere Zuflucht, als der naheliegen-
de Wald '(Schneefluchl), oder ein odoptinier' amdeihe VQrsjf ringende FeLf.
— Dieser Uebelstand ivirkt nicht BUP'^ktliQh naclitheilig aiff 4fn .Milch-
ertrag-, sondern auch iauf die Gesuiifth^it'^er'fFbiere, unstreitig ruft er
s^hr dft die Viehfifeuohen hervor und fitMievCi ihre* Verinreitudg^j / ^^ > >
Auch versehen lieh viele '8etaliersie»(ur> die'Zfdit der UiiitretMr iiiclit
mit Mähfutter, das Vieh muss dann hungern, muss im bittersten Wetter
weiden, und zieht sich nothg;edrongen in die tieferen Forste» was dann
^ar häufig Zerwürfniss mit dem Waldeigenthümer hervorruft.
Im Weileren ist die Gebahrung mit dem Dünger gar oft eine unver-
antwortlich nachlässige; statt durch zweckmässige Errichtung und Umstel-
lung der Sennhütten, durch Wasserleitungen« Wechselung der Viehruhen,
(Anger zur Uebernachtung des Viehes) und nöthigenfalls auch durch un-
mittelbare Verführung den Dünger gehdrig zu verbreiten, lässt man ihn oft
in ungeheuren Haufen beisammen» so dass er nicht einmahl der Stelle was
nützt, auf welcher er eben liegt
Auch die Art der Abweidung lässt manches zu wünschen übrig.
Nicht überall theilt man die Weide in wohlüberdachte in bestimmter
Reihenfolge abzuweidende Schläge.
Und was die Reinhaltung des Viehes betrifil, so ist sie leider fast
was Unbekanntes; man putzt die Rinder meist nur für die festliche Ab-
fahrt oder wenn sie etwa zu Markte getrieben werden sollen. ^
Dann überträgt man gar oft die winterliche Ueberstall ung auch auf
die Alm. Ich habe öfter gesehen, dass gute Almen schon mehrere Wo-
chen vor dem Schlüsse der Weidezeit bloss darum verlassen werden
mussten, weil man sie überladen hatte. Es ist zwar gewöhnlich ganz
richtig, dass es dem Viehzüchter besser Rechnung trägt, mehr auf die
Zahl, als auf die Stärke des Viehes zu sehen; aber das hat auch seine
Grenzen ; und dann ist ja bei gar vielen Almen die Milchwirthschaft denn
doch die Hauptsache.
Die bekannte Untugend des Bauers, mehr der Ausdehnung seiner
Wirthschaft, als der inneren Güte des Betriebes nachzutrachten , tritt
wirklich oft sehr grell in der Ueberstallung hervor. — Zuweilen kommt
das Vieh so ausgehungert und entkräftet auf die Alm, dass es längere
Tage dort kränkelt, an gefalirlichen Stellen sogar abstürzt; es ist That-
sache, dass Kühe schon zu Wagen nach der Alm geführt werden mussten.
Selbst die Milchwirthschaft lässt Erhebliches zu wünschen übrig,
nur an wenig Orten werden Buttererzeugung und Käserei so gediegen
betrieben, wie z. B. in der lombardischen Ebene. Am Meisten hat da
noch der Deutsche zu verbessern.
Die Hauptursache der minder vollkommenen Sennerei, das Pacht-
sistem und das gemeinschaftliche Eigenthum — habe ich schon angedeu-
tet. Eine zweite Ursache liegt in dem Mangel guter Beispiele, wie sie
intelligente und reiche Grossbesitzer geben könnten.
102
Hutweiden.
Auch in den Hochbergen findet man viele Hutweiden. Sie liegen
meistens in der Nähe der Höfe und Weiler und werden gewöhnlich für
das wenige Melkvieh benutzt, welches man der jGrischen Milch wegen
über Sommer bei Hause haben will (Heimvieh).
16
Die Bauernhutweiden sind aber hier in neaerer Zeit schon |^ten-
theils in andere Knlturg;alUuipeD mng'ewandelt worden, und derlei Um-
wandlungen haben noch tagtäglich statt
Bei Gremeindehutweiden ist es aber immer noch ein schwierig EKng,
denn da noch kein passendes Theilungsgesetz besteht, so kommt alles
auf die freie Uebereinstimmung der Theilhaber an, welche sich nicht
leicht ergiebt, indem die Kleinbesitzer im Vereine mit den Besitzlosen
nicht leicht die Grösse des Grundbesitzes als Theilungsmassstab erken-
nen wollen, da sie bisher thatsächlich ebenso viel und ojfk noch mehr
die Gemeindehntweide nutzten, als der grössere Besitzer.
Ungeheuer sind die Flächen, welche in den welschen Alpen im
Forstkataster zwar als Gemeindewald eingetragen sind, aber nach ihrem
wirklichen Bestände, so wie nach ihrer thatsächlichen Benutzung gleich-
wohl nichts anderes sind, als Hutweiden oder Oedungen. — Zwar be-
fahl im lomb. venezianischen Königreiche eine allerhöchste Entschliessung
schon 1839 den Verkauf oder die Auftheilung der Oedungen, den Ge-
meinden auch rücksichtlich der übrigen Grundstücke jede der Kultur zu-
trägliche V^erfligung gestattend; viele Gemeinden haben hiernach ihre Ein-
leitungen getroffen und manche haben Auftheiluug oder Verkauf auch
durchgeflihrt; viele Andere scheiterten aber an der Gegenrede der vene-
zianischen Staatsforstverwaltung, welche behauptete, dass diese Gründe
Forste seien, die im Interesse des Staates und der Gemeinden Wald
bleiben müssen.
Da gar nicht abzusehen ist, durch welche IMBttel die Staatsforst Ver-
waltung, (welche ja nicht einmahl im Stande war, die Verwüstung der
ehemahligen Wälder zu verhindern) diese Oedungen wieder aufforsten
könnte, so wäre es wohl besser, wenn sie zu ihrem Uebergang ins
Privateigenthum hülfreiche Hand reichen würde. Das könnte sie um so
eher, als in dortiger Gegend der Privatgrund mit Inbegriff des Waldes
entschieden gut kultivirt wird.
Von grosser Ausdehnung sind die Hutweiden im niederen Gebirge
des Ostabfalles der Alpen; sie thun dort fast dieselben Dienste, wie in
den Hochbergen die Hütweiden mehr der Almen, d. i. sie vermitteln fast
die ganze Sommerernährung des Viehes. Sie liegen in der Regel um die
Höfe herum.
Ihr Betrieb ist wie der aller Hutweiden selten wohl geordnet« Man
treibt das Vieh hinaus und gibt höchstens einen Knaben oder ein Mäd-
chen als Hirten bei, damit sich das Vieh nicht verlaufe oder allenfalls in
den Feldern Unheil stifte.
Zweifelsohne wird disi iortachreftenda Kultur viele dieser Hutwei-
den in Wiese und Acker umwandeln; dass bis jetzt hierin nicht viel ge-
schehen ist, hat seine guten Gründe.
Fürs erste sind viele dieser Weiden Gemeindeeigenthum und unter-
liegen als solches den bereits angedeuteten Schwierigkeiten.
FQrs »weite sind tauseiMle derselben nicht Eigenthum des Bauers,
sondern herrschaftliciier Waldg^mnd » den der Baaer , der darauf die Ser-
vitut der Waldweide g^enoss, niissbräuchlich zur Hulweide machte.
Ftrs dritte sind viele dieser Gründe so seicht und schlechtkrumi^,
dass ihre Wiesenbenutzung in Rüoksicbt auch auf den bisherigen Mangel
an arbeitenden Händen, gegenüber der Abweidung wenig oder iLeinen
Vortheil gebracht hatte.
Und selbst die ehemaligen Herrschaften waren in der Regel
der Umwandlung entgegen, denn da dort die meisten Bauern auf
ihren (unbezifferten) Bedarf an Holz, Streu und oft selbst an Weide
in den herrschaftlichen Wäldern eingeforstet sind, so wälzt jede Erweite-
rung einer Bauemwirthschaft ihren Forsten nur wieder neue Lasten zu,
und der Herrschaftsbesitzer konnte insbesondere ganz sicher darauf rech-
nen, dass der anrainende Bauer noch mehr Fläche, als er umwandelte, aufsi
neue dem Forste abgerissen hätte, um den Abgang an Hutweide zu ersetzen.
Endlich muss auch berücksichtigt werden, dass für manchen Bauer
Waldweiden, zu denen er in ehemals herrschaftUchen Forsten berechtigt
ist^ gar nicht wohl benutzbar wären, wenn er nicht auch einen Fleck
eigener Hutweide hätte«
Erst wenn die ungeheuren Servitutlasten, welche auf die grossen
Forste der Ostalpen drücken, abgelöst, sämmtliches Grundeigenthum ein
freies, unbeschränktes und sicheres geworden sein wird; erst dann wird
die Umwandlung der Hutweiden mächtige Fortsehritte machen«
Bellftufls^i^ Vjttrmt; eine« Jeehee Hutweide.
Grenzen. Mittel.
Rohertrag • . . . .
Reinertrag •••...•••
103
Ziegenweide.
Ich will hier nicht von der Ziege des Armeu sprechen, der sich
keine Kuh zu halten vermag, noch von jener, welche sich die Bäuerin
beilegt, um zur Sommerszeit, wo ihre Kühe auf der Alm sind, Milch Air
den Säugling zu haben, — denn deren Zahl ist so wenig bedeutend,
das« sie rücksichtlich der Landeskultur wenig entscheidet und f&r diese
Ziegen finden sich immerhin Weideplätze, wo sie ohne besonderen
Nachtheil geduldet werden können.
Aber sprechen muss ich hier von der in den Südalpen von Jahr zu Jahr
Überhandnehmeoden Sitte, mit den Ziegen förmliche Sennerei zu treiben,
ja ganze Almen damit zu belegen, eine Sitte, welche leider auch in den
übrigen Alpentheilen immer häufiger auftaucht»
Die Ziegensennerei stützt sich allenthalben auf den Wald, das
liegt schon in der Natur der Ziege, welche vom Grase nur nascht, hin-
gegen die jungen Triebe, das Blatt, die Knospen und selbst die Rinde
15*
MS
der IIoIzg;ewächse und besonders der Laubholzer mit Vorliebe verzehrt;
wobei ihr eine bewunderungswürdige Marschfahigkeit und Kletterkunst
und der unglaubliche Scharfsinn vortrefflich zu statten kommen^ mit wel-
chem sie sich jene Stangen , deren Zweige sie nicht sogleich mit dem
Maule zu erreichen vermag (durch Aufreiten) herabbiegt. — Dieserwe-
gen werden auch nur Wälder (meist Jung- oder Ausschlagholzer), mit
Ziegenheerden belegt, oder Almen, deren Weidekraft gröstentheils in
den umliegenden Forsten liegt.
Die Wirkung der sogestalteten Ziegenweide ist allenthalben in die
Augen springend* — Die schönsten Maisse verwandelt sie oft binnen
2 — 3 Jahren in schlechtes Buschwerk; gar mancher Bestand, der sonst
in Kurzem zum haubaren Wald herangewachsen wäre, bleibt ewiger
Kollerbusch; und ist er seichtkrumig , so sinkt er endlich unvermeidlich
zur Oedung herab.
Selbst Nadelbestände habe ich getroffen, denen es eben des unaus-
gesetzten Ziegenbisses wegen, innerhalb 30—50 Jahren noch immer nicht
gelingen konnte, dem Maule dieser unerbittlichen Waldverderberin zu
entwachsen.
Dabei darf nicht vergessen werden , dass man die Ziegen im Vorfrüh-
ling und im Vorwinter gleichfalls in die (liSub-) Wälder treibt, zu welcher
Zeit sie wegen Mangel an Gras ausschliesslich an die Knospen und Zweige
der Holzgewächse gewiesen sind.
Doch sie mögen unbeklagt dahinschwinden die Wälder; wenn sie
nur durch den Ertrag der Ziegenweide ersetzt werden!
Um das ans Licht zu bringen, will ich hier die Statik einer welsch-
tiroler Ziegensennerei entrollen und zwar einer der ertragreichsten, weil
im Grossen betriebenen.
Heerde von 100 Ziegen , 2 Böcken und 33 Zickeln.
E r 1 5 • : Gnldeo.
Erlös aus den 33 auszuschiessenden , im Herbste zum
Verkaufe kommenden Ziegen, jede zu 8 G. 36 kr. . 119
Erlös von 6iO im nächsten Frühjahre zu verkaufenden
Zickeln , jedes zu 48 kr 48
Milc^erzeugniss durch 6 Monate 9000 Mass zu 3.3 kr. . 540
Dünger erzeugt während der 5 Wintermonate, in wel-
clien die Ziegen im. Stalle stehen, 136 Tragen,
jede zu 36 kr. . . 86
WL • m t e n*
Kapitalsauslagen :
100 Ziegen jede zu 6 Gl. 24 kr. • 640
2 Böcke jeder zu 8 Gl. • . . • 16
Geräthschaften zur Sennerei. . • . 48
793
Gl. o. Kr.
9X9
Hievon 5 Prozente an Zinsen*
Löhnung des Käsers ••..••*.
Löhnung des Hirten
Kost dieser Beiden taglich 10 Kr. für jeden •
Erhaltung der Sennhötten . •
Verführung der Senngeräthschaflen und Erzeugnisse
Kosten des Winterunterstandes ......
Heu für die 5 Winterinonate täglich 153 Pfunde im Ganzen
2«9Va Zlnr. zu 1 G* 8 kr.
Gewinnung und Beistellung der für diese Z^it nöthigen Fut-
terlaubbündeL Täglich 153 Bündel im Ganzen also S30
Hunderte; jedes zu 40 Kr. ..*•••..•
Streu 50 Ztnr. jeden zu 1 G. 4 kr. • - . • • • .
Salz für die Ziegen und für die Milchprodukte 561 Pfiinde
zu 4 kr. •••..••.•••..•
Verlust von 3 Ziegen und 8 Zickeln durch Krankheit . .
Verlust durch das Verlaufen von 2 Ziegen
Erhaltung der Senngeräthschaften, Reisen und Verwaltungs-
kosten des Unternehmers *_
Summe « .
Gl. tt.
Kr.
35
ij
64
—
19
18
m
3
12
18
18
863
154
63
37
17
10
U
2C
815
Diese auf die dortigen thatsächlichen Ergebnisse gestützte Rechnung
zeigt, dass die Kosten des Sennereibetriebes den Erlös beiläufig aufzeh-
ren; so dass dabei sich nur insoferne kein baarer Verlust ergibt, als der
Unternehmer auf fremden Grund die Weide ausübt und auf fremdem Grunde
seine Futterlaubbündel erzeugt, ohne fiir beides bezahlen zu dürfen.
In letzterem Falle bleibt der nicht unbedeutende Arbeitsverdienst als
Gewinn, was für den thätigen, allenthalben nach Arbeit suchenden Welsch-
tiroler hinlänglicher Grund ist^ sich an diese Unternehmung zu machen.
Aus dieser Rechnung geht aber in Weiterem auch hervor, dass der
Unternehmer dem Waldeigenthümer keinen Ersatz zu bieten vermag, weder
für den Werth der Weide, noch für den Schaden , welchen die Ziegen im
Walde anrichten, noch endlich für daa Futterreisig, welthes sie im Win-
ter brauchen; dehn sonst würde er bei der Unternehmung verlieren, sie
also lieber aufgeben.
Der volle Ersatz wäre aber durchaus nicht unbedeutend. Er bstrfige
etwa für die vorausgesetzte Heerde von 135 Ziegen :
Werth des unschädlichen Theiles der Weide.
Man pflegt dort für die Weide einer Ziege aus-
ser dem Walde zu zahlen: Kreuzer
Vorweide von Anfangs April bis Ende Mai • S'A
Almweide von Anfangs Juni bis halben September • 9'/t
Nachweide von halbem Sept. bis Ende Oktober • 8
14
Also für 10t Stacke, wefl die Zickel unentgeltlich darein ^ehen Sl
Stockwerth des Fatterreisig^s.
Zur dauernden Erzeugung der nöthigen t3-000 Reisbünd^l sind
wenigsten« nöthig 60 Joche Ausschlagwald in 4— 6 jähri-
gem Umtriebe ; und da der Rohertrag eines Joches Nieder-
wald in jenem Landestheile im Mittel 2 6. 15 kr. betragt,
90 mnsste der Waldeigenthümer, um sich ganz vergütet zu
bekennen, für dieses Futterreisig w^enigstens beziehen • 135
Der Schade^ welcher dem Walde durch die Ziegenweide zugeht,
ist zwar sehr veränderlieh, daher auch nicht so genau an-
zugeben; im grossen Durchschnitte mag aber der Holz-
wuchs, falls der Wald nicht überladen wird, um ein Fünf-
tel zurückgesetzt werden , was bei 500 Joch Weideflache
und 8 GL Reinertrag vom Joche Wald ausmachen würde - fOO
Sunmie
Aus dem geht hervor, dass der Ziegensenne — mag er die Weide
auch immerhin so schonend ausüben, dass wenigstens der Wald dabei be-
stehen kann — dem Waldbesitzer auch nicht den zehnten Theil dessen zu
ersetzen vermöchte, was er ihm mit seiner Unternehmung entzieht; es
geht schlagend hervor, dass die auf Kosten des Waides betriebene Sen-
nerei mit Ziegen selbst dann noch bedeutende volkswirthschafUiche Ver-
luste nach sich zieht, wenn der Wald durchaus nicht überladen wird«
Und dass eine Ziegensennerei auf blossem reinen Grasland nichts
tauge, darüber war von jeher nur Eine Stimme«
Alles Obige wird auch durch die Thatsache bestätigt, dass in der
Regel jeder Grundbesitzer seine Ziegen sehr sorgfaltig von seinem eigenen
Walde ferne hält; dass er, insoferne es sich um seinen eigenen Grund
handelt, nur ein oder die andere Ziege dem übrigen Weidevieh beigibt
und dass er die Geisse heerdenweise nar in jene fremden Wälder treibt,
in welchen er weder die Weide noch den angerichteten Schaden zu be-
zahlen hat.
Die Wälder sind nun dort, wo Ziegensennerei betrieben wird: die
Gemeindewälder, die weidebelasteten Staats- oder ehe-
maligen Herrschaftsforste.
Dass die Ziegensennerei all' diese Verluste nichts weniger als durch
ein in Vergleich mit dem Walde weit grösseres mittelbares Volkseinkom-
men vergütet^ werde ich in der Abtheilung der „Forste"" zeigen.
10%
Älpenllndischer Yiehstand.
IJaffewAhnliche nehmns des Tiehstandes.
Atpmn
AlpentbellOberÖAt-
reicbs, UoterÖAt-
reichsdannSals-
barf . . .
Einstiger Stand
Stand m 1846
Proseite 1
RJDder
dm«NMM|l.
Pferde
Schafe
«kitlfaMMgl.
Rinder
eliMNuhiiil.
Pferde
Schafe
«kMNicbigl.
t
o
X
1818
427. 000
IS
64.000
137
342.000
498.000
08.000
413.000
6
7
mmSlm
13
Sieiermark . .
299.000
53.000
142.000
305.000
57.000
160.000
'V4^
8
13
Kirothen «. Krain
236.000
39.000
224 000
304.000
44.000
250000
10
^
11
Tirol n. Yorirlberr
234.000
21.000
430.000
408.000
22.500
491.000
26
7
14
Soodrf OyComo, Ber-
gaiso . . .
KehnJÜ
1823
183.000| — 144.000
157.000
18.700
109.400
- 6
—
-10
lirige Dnrehtcbnittamehniiig
10
«V«
10
Nordwestläuder d«
Reichs . . .
Lombard« Ebene
1818
1.226.0M
1837
278.000| 2.189.000
1.456.000
29O.OD0
2.341.t)00
*Vt
7
Wt
1823
239.200 — 37.000
259.000
68.000
22.300
3
—
lil-
17
Ist auch der obige den amtlichen Zählungen entnommene Hehstand
oicht genau (zu gering)^ 8o kann man daraus in Rücksicht auf den bei
der Zähhmg beobachteten gleichmassigen Vorgang demungeachtet die
Mehrung des Viehstandes mit zureichender Verlässlichkeit berechnen.
Die Mehrung des Viehstandes der Alpenländer ist auffallend stark,
besonders bei den Rindern und bei den Schafen; sie beträgt hier das
Doppelte dessen, was in den angrenzenden Ländern des Reiches statt
hatte.
Mag immerhin ein kleiner Theil dieser Mehrung dem verbesserten
Acker und Wiesbaue zu danken sein, so ist sie doch zum weit grossten
Theile dem Walde abgerungen; mittels Umwandlung von WaldflKchen in
Grasland, und durch Lichtung der Forste und Ausdehnung der Kahlschlage
in Fläche und Verjüngungszeit, -— Diess ist am Allerauffallendsten in Tirel
geschehen, wo denn auch thatsäcblich der Virtstand ganz unverhUtniss*
massig gewachsen ist.
Gegenwärtiger ¥iehstand im
Auf jeder Quadratmeile feldwirthschafüichen
durcbschnittlicb folgendes Vieh gehalten :
(Runde Zahlen«)
Einzelnen.
Grundes wird dermahlen
Pferde
In «an AI
pan
«raai
NifvWCfUtt*
dedeiBoflM
laida
lUÜMbe
Eben
.n^
WNlahfin
IMibfaU
Oitakfall
SiWiO
Brwacli«ene Pferde
18S
145
375
295
95
315
194
Füllen. . . .
17
15
20
33
10
15
153
Maulthlere . .
1
—
—
1
60
—
46
Bael ....
Rinder
-
160
396
1
330
60
215
—
78
200
330
470
Ochaen n. Stiere
330
70
400
630
530
360
625
Kflhe ....
1440
1250
1550
050
1250
1330
93S
JuDfyieb . . .
9eli»fe
1050
2820
840
850
840
680
250
280
2100
2900
2420
2460
1940
1790
Erwachs. Schafe
2600
950
1700
1090
2500
2540
900
L&mmer • . •
Kleben
500
3000
200
350
2050
220
500
3000
510
S050
180
1080
1150
1310
Geisse n. Böcke .
820
020
100
270
1450
88
—
Zickel. . . .
230
300
20
80
500
22
—
1050
1220
120
350
1950
110
fteliivelne
Somme .
570
430
700
800
300
550
650
76M
5120
6170
5210
7930
5970
3990
105
Eiiiige Betrachtungen «bar m Feldwirthschaft dar Alpen.
Obwohl das Ackerland der Alpen im Allgemeinen mit bewunderungs-
würdigem Fleisse und gutem Verstandnisse gebaut und auch die Wie-
senkaltur häufig mit vieler Sorgfalt betrieben wird, so lässt doch die
alplerische Feldwirthschaft im Durchschnitte noch einen grossen Auf-
schwung zu.
In Tielen Strichen sind es die ung^enügende Zahl der arbeitenden
Hände ^ die Höhe des Arbeitslohnes und die (für diese Berge) übermäs-
sige Grösse der Bauernwirthschaften » welche bisher einer noch tiefgrei-
fenderen Kultur entgegenstanden. — Die ersten dieser ungünstigen Fak«
toren sind eigentlich gleichbedeutend und zusammen nur Folge des letz-
ten Umstandest nemlich der Uebergrösse der Wirthschaften.
Zahlreiche Bauern besitzen 20 — 30 Joch Aecker, 30 — 60 Joch
Wiesen, dann 500—800 Joche Hochalm, worauf sie 80 — 100 Rinder,
8— 14 Pferde und 100—200 Stücke Kleinvieh erhalten. Hiezu kommen noch
50— 200 Joche Wald. — Die Aussenfelder dieser Guter sind 4—8 Stunden
TomHofe entfernt und Zu- und Abfahrt sind ausserdem noch sehr beschwer-
lich. 6ei dem grossen Arbeitsaufwand endlich, welchen Acker und Wiesbau
in diesen Bergen erfordern, übersteigt natürlich die Summe der gesamm-
ten Arbeit die Kraft auch der stärksten Familie um das 4—6 fache; Be-
weis an dem, dass auf solchen Besitzungen 20— 85 Dienstbothen gehalten
werden.
Die Dienstbothen sind aber bei der (eben wegen der grossen Wirth-
flchaften) überdünnen Bevölkerung sehr kostspielig, und ihre Feldarbeit
kommt um so höher zu stehen, als sie (bei der Kürze des Sommers)
während eines grossen Theil des Jahres nicht sehr lohnend beschäftigt
werden können. —
So zehren denn die Dienstbothen wieder den bei weitem grössten
Theil des* Gutsertrages auf; wie es denn Thatsache ist, dass manchem
grossen Bauer, wenn er nicht allenfalls aus dem Holzverkaufe oder aus
ausgiebigem Fuhrwerke was erlöste, von seiner Baareinnahme nach Be-
streitung aller Wirthschafts- und häuslichen Auslagen, wenig mehr übrig
bleibt, als der Betrag, den er dem Staate als Steuer hinzugeben hat.
Die mittleren Wirthschaften sind nun zwar bedeutend kleiner, aber
doch noch immer so gross, dass sie die 2 — 4 fache Arbeitskraft einer
Familie in Anspruch nehmen.
Die bei kleineren Wirthschaften weit ausgiebigere Selbstarbeit der
Eigenthümer wäre nun entschieden wohlfeiler ; denn erstens stehen die
wirklichen Bedürfnisse der genügsameren Familieuglieder unter dem jetzii-
gen Dienstbothenlohne, zweitens hätte diese nur das eigene .Interesse
fordernde Selbstarbeit jeden&lls grössere Erfolge, und drittens würde
der Arbeitsaufwand an und für sich geringer; weil sich dann die über-
grosse Entfernung der Aussenfelder ermässigte.
Berücksichtigt man dann auch , dass es weder Menschenglück, noch
Zucht und Sitte fördert, wenn eine so grosse Zahl kräftiger Menschen
f&r immer, oder wenigstens für die ganze Zeit ihrer Jugendkraft zur
Ehelosigkeit verurtheilt bleibt; so muss man sowohl im Interesse der
Menschheit» als auch in jenem der Landeskultur eine zweckmässige Auf-
theiluikg der übergrossen Bauernwirthschaften lebhaft wünschen*
Diese Auftheilung wäre auch schon längst erfolgt, wenn die Baueru-
wirlhschaften der deutschen und slovenischen Alpenlande bisher nicht
theils durch das Gesetz» theiis durch die Herrschaften gebunden gewe-
sen wären.
Ganz andere Erscheinungen zeigen sich im Gebiethe der welschen
Alpen; hier hat die unbeschränkte Theilbarkeit der Grundstücke eine bei
Weitem tiefgreifendere Kultur mit ungleich grösseren Roherträgen» eine
weit dichtere Bevölkerung» hie und da aber auch eine grosse Zertrüm-
merung der Grundstücke hervorgerufen. — Diese weitgehende Zerthei-
lung ist jedoch bei weitem nicht von jenen Nachtheilen begleitet» welche
ihr in den Flachländern zuweilen zur Seite gehen» denn die Natur
dieser Berge lässt den gleichförmigen und ineinandergreifenden Betrieb
grosser Flächen ohnehin nicht zu» oder verleiht ihm wenigstens keine
besonderen Vortheile,
Einzelne schreiben die theilweise Armuth mancher welscher Hoch-
gebirgsgaue der Grundzerstückelung zu» aber — wie mir scheint — mit
Unrecht — Ich sehe sie weitmehr in dem Mangel hinreichender Erwerbs-
quellen f&r den raahen Theil des Jahres und in den allzufrühen Heira-
then. — So viel wenigstens ist ganz gewiss » dass wenn all diese Paare»
welche dort» kaum ins männliche Alter getreten ^ unbeschränkt getraut
werden» nicht wenigstens ihren kleinen Grundbesitz hätten» der dem
Weibe und den Kindern dauernden Arbeitsverdienst gibt» dass alle diese
Paare gewiss noch ärmer wären» als sie dermahlen wirklich sind« —
Und dann ist das beschränkte Lieben jener welschen Aelpler meist nur
Armuth für den deutschen Hochgebirgler» der gewöhnt an reichliche Nahrung
und Auskommen, die natürliche Genügsamkeit des Welschen nicht begreift»
und daher auch nicht genug würdigt.
Wir finden in den Hochbergen gar manches Thal» in welchem zahl-
reiche Parzellen als Acker» und hie und da auch als Wiese mit einem
Arbeitsaufwande behandelt werden » welcher zum ortsüblichen freien
Taglohne angeschlagen, nicht nur den geringen Rohertrag gänzlich auf-
zehrt» sondern noch einen mehr oder minder grossen Verlust übrig lässt
— Es sind das in der Regel alle 5. und 6. und öfter auch die 4. Klasse
des Steuerkatasters. — Gleichwohl wird der fetdwirthschaftliche
Betrieb dieser Grundstücke fortgesetzt» ja wir sehen noch täglich neue
entstehen.
So befremdend es auf den ersten Augenblick erscheint» diese Ei-
genthümer sozusagen mit Verlust arbeiten zu sehen» so erklärt sich
die Thatsache ganz unschwer« — Die Möglichkeit dieser Kultur auf
scheinbaren Verlust liegt einzig nur in der bedeutenden Höhe des freien
Arbeitslohnes bei gleichzeitigem Ueberflusse an Arbeitskräften. — Weil
die wirkliche Nothdurft des Arbeiters bedeutend unter dem ortsüblichen
Tagelohne steht» so kann eme Familie sehr wohl auf ihren eigenen
Grundstücken um einen geringeren Tagefohn arbeiten » und sie zieht die-
sen sicheren Verdienst» an welchem auch die kleineren Kinder Antheil
fSS
nehmen können, sie zieht diesen sicheren Verdienst^ welcher die Aelteru
in ihrem häuslichen Kreise belässt, der fremden Ta^lohnsarbeit vor, die
wenn auch besser bezahlt, doch nur zu gewissen Zeiten und Tagen zu
haben ist, weiche die Kinder ausschliesst und die Aeltern der Familie
entreisflt.
Diese Kultur mit Verlust (gegenüber dem ortsüblichen Tagelohne)
oder was dasselbe ist, um eine schlechte Arheitsrente kommt sehr hftufig
▼or in den starkbevölkerten welschen Alpen; in den übrigen Landen aber
gewöhnlich nur dort, wo der Bergbau, das Hüttenwesen, oder der Forst-
betrieb eine grosse Zahl von Arbeitern zusammengedrängt hat, welche
ihren Weibern und Kindern durch den Betrieb einer kleinen Feldwirth-
schaft die Gelegenheit verschaffen wollen zur nützlichen Verwendung
ihrer Arbeitskraft (welche sonst brach liegen müsste).
In allen diesen Gegenden haben die nächstgelegenen feldwirthschaft-
hchen Grundstücke einen sehr hohen Kapitalswerth ; sie werden um un-
glaubliche Summen verkauft und gepachtet, aber nurim Kleinen,
weil sich Käufer und Pächter nur rücksichtlich ihrer Familie mit gering-
ster Arbeitsrente begnügen können.
Der Grund, warum in diesen Gegenden sich neben reichen und selbst
überflüssigen Arbeitskräften gleichwohl ein hoher Taglohn erhält, liegt
darin, dass der grössere Grundbesitz der Taglöhnerschaft keinen unun-
terbrochenen Verdienst zu geben vermag, während diese gleichwohl im
eigenen kleinen Besitzthume einen solchen findet, dass aber derselbe
grössere Grundbesitz zu Zeiten (Anbau, Heumahd und Ernte) wieder so
vieler Kräfte bedarf, dass er sogar die Männer in Anspruch nehmen muss,
welche sich bei den besser bezahlten Gewerben oder durch Arbeit in der
Fremde ihren Hauptunterhalt verdienen.
Viele Hochmähder betreibt der Bauer, ungeachtet scheinbaren Ver-
lustes, darum, weil er sie zu Zeiten arbeitet, wo seine zahlreichen Dienst-
bothen sonst nicht genügende Beschäftigung hätten, and weil er deren
Heu zur winterlichen Durchbringung jenes Viehstandes braucht, den er
zur Sommerszeit auf den Almen ernährt (Salzburg)«
In manchen Thälern (Tirols z. B.) haben die Grundslücke auch ei-
nen wirklichen Liebhaberpreis, indem dort Leute, welche durch Handel
oder auswärtigen Gewerbebetrieb reich oder wenigstens bemittelt ge-
worden sind, um jeden Preis Wirthschaften ankaufen, ohne hiebei auf
deren wahrscheinUchen Remertrag viel Rücksicht zu nehmen.
Die geringe Ausdehnung dann, welche die Grossgewerbe und der
Handel mit wenig Ausnahmen in den Hochhergen geniessen, bestimmen
auch die bemittelteren Bauern, ihre allfälb'gen Ersparnisse abermals in
Grundstücken anzulegen, was gleichfalls zur Erhöhung der] Kaufpreise
beiträgt • ^ *
So haben denn die feldwurthschaftlichen Grundstücke der Hochberge
meistentheils einen Kaufpreis, der zu ihrem wahren Reinertrage in mehr
oder weniger ungünstigem Verhältnisse steht
Erwägt man dann noch, dass ein guter Theil derselben eigent-
lich 80 viel wie keinen Reinertrag abwirft; daas sie VerbeMerungen
(wegen der Ungunst des Klimas) nur einen geringen Spielraum offen
lassen 9 so ist klar, dass die Bauern wir thschaften der Hochberge — mit
Ausnahme der bestgelegenen (in den Tiefthälern") — sich nur für jene eig-
nen, welche Grund und Boden selbst bearbeiten, also in der Hauptsache
von der Arbeitsrente leben; nicht aber für den eigentlichen Kapitalisten,
welchem um eine gute Kapitalsrente zu thun ist.
Diese Ansicht findet in den lebendigen Thatsachen auch allenthalben
ihre Bestätigung.
Wie das beim Walde ganz anders ist, wird in der Abtheilung
„Forste" erörtert werden.
»^
106
ErtrSge der Feldwirthschaft
Ertrag der verschiedenen Alpenstriehe in den Torsflg-
lielisten Feldflrflctaten.
Körner
Qeniüee
•°-i
Alpen
Qetreide, Hfll-
senfrQchte
ErdSpfeU Rflben,
Kraut
Wein
Heu
jeder Gattungr
Eimer
Zentner
iBfiauei
KflUnei
Auf eine
biGiizeB
Auf eine
IbGuui
lillitieB
Auf eine
ImGanei
Auf eine II
Heile
Kepf
KUitiei
Heüe
w
Meile
Kepf
lillieiei
H«Be
t¥
HaupUtock* •
*•»
7670
6-7S
—
—
—
16.,
24.5
21«
Westabfall • -
0'J37
3960
1 s
—
—
—
6-0355
810
0-3
1-6
36-4
1*.,
Nordabfall • •
8-34
26700
6-5
—
—
—
0-48
1630
0,
10.4
33.,
10-,
Ostabfall - •
12«
26200
8-4
—
-
—
1-72
3670
1-1
18*5
38-4
12-3
SfldabfoU . .
*-g3
8600
2-5
—
^
—
t-61
2780
0-8
13-8
23-8
«•»
31.0
16000
5-8
32
16600
Ö-o
3-85
1870
6-7
6O.0
29-1
16.,
Nordwestlande.
69.(5 •
42300
8-65
79
48000
Ö-8
2.n
1210
O-K
67-3
34^8
7-.
Italische Ebeae
iO'76
26000
3-0
3.,
8400
1-0
3.,
9070
1-1
12,5 28-5
3«
Rog^g^en und Hefer sind allenthalben in den Alpen die weit öberwie.
gende Kdrnerg'attung'; der Mais wird im Nordabfalle nur ausnahmsweise^
in nicht gana&t unbedeutender Menge im Hauptstocke, in grosser Aus-
dehnung jedoch im Ost- und Südabfalle gebaut » in welch letzterem AI-
penstricho insbesondere man ihm alle nur halbwegs geeigneten Standorte
widmet.^
n»
KliiBeldAi»»«ell«ns der K5i
ernte«
Weizen
Roirfen
Gerate .
Hafer .
Miiii .
Hirse u. Heide
HHIflenfrüchte.
Heia • . .
Upea
lordwost-
lande
lUttsebe
Ebene
MetzeD
4.000.000
7.500.000
2.000.000
9.800.000
4.800.000
2.500.000
600.000
0.240.000
23.000.000
12.630.000
23.380.000
25.000
124.000
1.200.000
31.000.000 60.600.000
3.500.000
400.000
30.000
400.000
5.000.000
380.000
180.000
898.000
10.760.000
BteBeMareiellunir der Ge-
Gemüse
ErdSpfel . .
Rüben . • •
Kraut • . .
Obst
Gewöbnliches.
Kastanien im
SOdabfalle •
Alpen
lordweit-
lande
Metzen
8.300.000
4.100.000
19.600.000
32.000 000
1.072000
128.000
1.200.000
29.000.000
9.000.000
41.000.000
79. 000.000
3.350.000
3.350.000
Ertrag der Meile feldwirthschaftUctaen Ornndes in den
▼orsflglichsten Frfletaten nnd ¥iehsaUnngen«
JTaKres-
FruelaterBeii-
Alpe
-a
er^nBlaiadel
Havpt-
atock
Word-
abfoU
OaUbM
Sftd-
ablaU
Alpen
Qber-
haopt
Word-
weat-
lande
Italiaehe
Ebene
Kömer ^
22-260
50.520
48.600
18. 400
33.020
62*800
32. 020
Gemfise >Mctzen •
26.700
31. 700
52.700
26. 400
35. 040
71300
10.720
Obst )
900
2*300
1.350
1*750
1*280
3-020
1.800
Wein Eimer •
2900
6.600
6.640
4*110
1.800
11.600
Heu 1
71000
63.000
71.400
51.500
63*900
51*700
86400
Stroh 1
14. 000
3'4.000
33*000
13.000
22. 100
54.100
23. 000
Spinnstofe f
Oehle r *
320
170
9
270
120
570
140
360
47
330
21
380
232
Haulberiaub.l
7540
2.150
22000
Hopfen )
TIelasten«.
4
0.3
32
Pferde .
200
895
330
215
285
330
470
Rinder IStflcke
2.820
2-900
2-420
2.460
2650
1-940
1-700
Schafe \ jeden
8-000
2.060
1*310
3*000
2.340
3.050
1-080
Ziegen 1 Alters
1-050
120
350
1950
070
HO
—
Schweine ^
570
700
800
300
590
550
650
neneclieii • •
3300
6.940
5-790
7.460
5*660
7.260
10. 770
t86
C^eldwerth der feMwfartliscIiafllieheB firseogvBg.
(Tolkflelnl&omaien »lui der FeMivlrtli0cltAf)l}«
Landesfläcbe
Meilen
Einwohner
Zahl
PeldwIrtheeliaffltUelies 1
TolkMinkommen |
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Auf Jede 11
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^\
fi 1 I d e 1 n
HaupUtock • •
Weatabfall • •
NordabfaU - -
riatahfall ...
•
642
44
313
481
580
729. 000
107.000
982-000
1-505-000
1-997.000
4t. e
36-,
78..
70..
65-000
145-000
115-000
163. 000
121. 000
57
43
37
52
35
JBfirfAhfall . • .
OUQaUlall •••«'-
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2-060
1-646
1-550
5601
430
309
5-320-000
8-048-000
5-331-000
14. 497-000
3-620-000
731-000
221
301
170Vs
267%
126
17
107000
183. 000
110000
48000
293. 000
55.000
41«/,
38
32
181/,
35
23
üaleenpeieH
' •
11-600
37-600.000
1100
95-000
29
107
Bin Bfld ans der Gartenregion Sfldtirols.
Die Aussicht ans den Fenstern der Burg^ Tirol ist bezaubernd. Be-
sonders schön gestaltet sich die perspektivische Verjüngung des Etsch-
landes gegen Bozen hin. Der Strom zieht in breiten Windungen durch
das burgenvolle Thal mit den mahierisch zerstreuten. Hausern , Kirchen
und Weinbergen. Am Fusse des Schlossberges, fast vergraben unter Nuss-
bäumen und Weinguirlanden liegt die kleine Kirche des Dorfes Gratach«
find daneben ein unscheinbares Bauernhaus» das wir im Vorbeigehen be-
treten wollen.
In der getäfelten Wohnstube steht der grosse Tisch fars MaU, und
zum Fenster schaut ein Feigenbaum herein. Durch sein Blätterwerk geht
der Blick hinuater über lange Weingärten ins Thal der Etsch und am
Flusse fort, fast so weit, als man auf dem Schlosse selber schauen kann.
— Der bäuerliche Hausherr gilt als einer von den Schlauen, als einer von
den Pfiffigen, deren es in Tirol noch mehrere geben soll^ die die Welt
kennen gelernt haben und mit den Menschen wohl umzugehen wissen. Er
nar achon Anno Nenn dabei» nnd bat %vm Waffenhandwerk von jeher
grosse Zaneig^n§f gezeigt, ao dass er «einer Zeit als der beste Sehütae
weit nnd breit in hohem Rufe stand , nnd auch jetzt noch die Schieasen
der Nachbarschaft nicht ohne Glück besucht. Er weiss viel an erzählen
und g^bt g^erne ein Witzchen zum Besten«
Die Sonne hat sich geneig^t» und das gesammte Hauswesen versam-
melt sich zum Abendessen. Der Bauer hat in seinem Erdenwalien sech-
sehn Kinder gezeugt, wovon ihm dreizehn am Leben geblieben sind. Diese
kommen allmählig hereingewandelt, und mit ihnen auch die Mutter« Die
Kleinen verlaufen sich schüchtern in einem Winkel und fangen an zu ki-
chern, was der Fremde, dem es gilt, nicht übel nehmen darf, denn es
ist gut gemeint Sofort erscheinen auch die Mädchen, und grüssen mit
Freundlichkeit, setzen sich zusammen und lachen auch, doch mit einiger
Zorückhaltung. — Nun sind auch die Buben da, welche einen ernsten
Willkomm sprechen, sich ebenfalls zusammensetzen, aber keine Miene
verziehen. Alle zusammen bilden eine der wohlgeschlachtesten Familien,
die in der Umgegend zu finden sind; die Buben gross, stark und wohlge-
baut, mit tüchtigen Gesichtern, die Mädchen hochgewachsen, schlank, voll
natürlichen Anstandes und mit feinen ausdrucksvollen Zügen.
Die Tochter stellt das Mahl auf, und dann fangen alle laut zu be-
ten an. Während sofort die Plente (geschmalzener Teig aus Mais) aus
der grossen Schüssel zum Munde geßhrt und mit rothem Wein hinabge»
leitet wird, sitzen wir am Fenster und freuen uns zum hundertsten Male
der reichen Landschaft, die jetzt« nachdem die Sonne hinter dem Tsche-
gat hinabgesunken, in stahlblauen Dnft leicht gehüllt, mehr und mehr in
Dämmerung versinkt. Wenn die Bauersleute zur Nacht gegessen, ist es
Zeit nach Hause zu gehen, und während cUe ganze Kiaderschaft sieh in die
Kirche begibt,' um dort den abendlichen Rosenkranz zu beten, beurlauben
wir uns von dem Hausherrn und ziehen freundlich eingeladen zur baldigen
Wiederkehr unsers schönen und stillen Weges in die Stadt Hie nnd da
begegnen uns heimkehrende L4indleute, mitimter Mädchen, die in grossen
Körben auf dem Rücken Hen nach Hanse tragen, oder auch ländliche Wa-
gen, von grossen wmssen Rindern gezogen und von schmucken Jungen
geleitet*
Da wir eben aus dem Bauernhause berauskoBunen, so wollen wir
noch etwas mehr über das Landvolk im Burggrafenamle beibringen. Vor
Allem bemerken wir, dass es dn überaus schöner Sciüag von Leuten ist
Die Männer zeigen nch als die rechten und wahren Erben der altgermani-
schen Riesenle&er, hoch aufgestreckt, brekschulcerig , stattlich anMsehen.
Sie tragen grosse Hüte , braune Lodei^aken mit rotlien Aufschlägen und ein
rothes Leibchen, über dem der breite grüne Hosenträger liegt. Durch eine
gewisse ernste Gesetztheit im Thun und Lassen ist die Bauernschaft dieser
Gr^end wohl noch eindrücklieber, als die leichten heweglichen ZiUerthaler.
In ihrem Feiertagsgewand sind diese grofsen CSesellen äusserst sorgfaltig
und reinlich, dabei auch streng bedacht auf gleichförmige Beibehaltung des
SM
herkömmlichen Scbnittea und der herkömmlichen Farben. Wie sie am Sonn-
tage nach dem Hochamte zu Meran vor der Kirche stehen , zu Hunderten^
einer wie der andere, so dürften sie nur die Stutzen in die Hand nehmen,
um schnurstraks vom Platze weg als schöngeschmückte Schlachthaufen ins
Feld ziehen zu können.
Wenn die jungen Manner an festlichen Tagen als Schützen ausrücken,
' so ersebeinen sie mit grossen grünen Hüten (dem festlichen Abzeichen der
Junggesellenschait), welche dann auf der einen Seite, um im Tragen der
Büchse nicht zu hindern , hoch aufgeschlagen , ferner mit grünen Bändern
und einem aufgesteckten Blumenstrauss verziert sind. Ein anderer Straoss
steckt dann auch in der Mündung des Gewehres. Ein solcher Schützenzug
wenn er stolz dahermarschirt, mit fliegender Fahne und klingendem Spiele,
wenn die Schwegelpfeifen den heimischen Schützenmarscb blasen, ist eine
prächtige Erscheinung , und weckt Erinnerung an kriegerische Zeiten , den
so sind die Wehrmänner des Aufgeboths an den Berg Isel und aufs Ster-
zinger-Moos gezogen. — Es ist ein anmuthiger Gebrauch, dass dabei zwei
Knaben zarten Alters, ganz so gekleidet wie die grossen Burschen, und
mit leichten Stutzen bewaffnet, an der Spitze gehen, als redendes Zeichen,
dass auch schon der Knabe berufen sei, ein Landes vertheiger zu werden.
Die kleinen Schützen geberden sich ernsthaft, nehmen die Sache viel
wichtiger als die grossen , werden auch von den Zuschauern viel neugieri-
ger betrachtet und sind stets die niedlichfiften Kerlchen der Plarrei, mit ih-
ren blauen Augen finsst kriegslustig aus den blonden Locken herauschauend.
Es ist eine erhebende Betrachtung das körnige Bauernvolk im Burg-
grafenamte , wie es , umgeben von einem Kranze hoher Scbneeberge, in der
warmen grünen Tiefe lebt, unter dem heissen italienischen Himmel , in der
Ebene, die imie ein Heerd erscheint um Hitze auszukochen — jetzig nach-
dem die Westgothen längst spanisch, die Burgunder französisch, die Lon-
gobarden italienisch geworden sind, der letzte Rest germanischer 2iUnge,
der unter Feigen- und Mandelbäumen Haus hält Von allen andern deutschen
Stämmen I die einst mit gezücktem Schwert übcar die hohe Wand der Al-
pen und der Pyrenäen nach den europäischen Südländern stiegen, von al-
len, die dort zu Ehren ^ Macht und Ansehen gekommen, ist keiner bei sei-
ner Sprache und seineu Sitten geblieben; aber hier an den Grenzen des
oberitalienischen Paradieses an der Etsch, sitzt noch die ganze Gefolg«
scbafk hochstämmiger Recken in urkräftiger Deutschheit beisammen, im-
mer noch abweisend und schroff gegen den wälschen Nachbar, wie vor
anderthalb tausend Jahren. Dieses Häuflein ist, nachdem die Mauer über-
sprungen, im ersten Vorhofe stehengeblieben. Hätte es sich weiterhinein
gewagt in den lockenden Feengarten, so wäre es wohl auch verzaubert
worden und für seine ursprüngliche Heimath verschollen. Desswegen hat
auch die Stellung des deutschen Bauers an der Etsch etwas Besonderes und
Ausgezeichnetes, weil er allein von Hundert- und Hunderttausend seiner
Stammverwandten das Land der altgermanischen Sehnsucht nicht allein ge-
funden, sondern sich auch nicht darin verloren hat; den der Orangenduft
ond die süfisen Feigen hindern nicht» dass der deutsche Bauer hier der näm-
liche mannhafte Kerl ist, wie im kühlen Norden, ehrlich, fest und tapfer,
still und ruhig , dabei auch sehr fromm und betlustig^. -r Er hat von sei-
nem wälschen Nachbar nichts entlehnt, als das was ihm su Statten kommt,
d. i. die Klugheit*
108
Bin dentschtiroler Ochsenhirt.
Der Galtoer (Ochsenhirt) war nicht in der Hütte, doch fanden wir
sein Trinkgeschirr, mit dem wir alsbald aus der Quelle schöpften, nach
mühsamer Reinigung, denn der einfache Aelpler hatte es augenscheinlich
die ganze Saison über noch nicht ausgespült — Die Galthütten fallen über-
haupt sehr stdrend in die prächtig idyllischen Illusionen der feinen Leute
aus den Städten. Dahin » verläuft sich keine junge Sennin , die dem Gast
zum Abschied mit rosigen Lippen einen Kuss aufdrückt, da gibts keine
Zither und keinen Gesang, keine Käskessel und überhaupt keine Senu-
wirthschaft, wohl aber einen alten eisbärtigen Ochsner, der in seinem
Schmutz erstickt, und nur zu oft schlechter Laune ist. — Im Hüttchen hat
er ein Heuiager und eine Wollendecke, und daneben in einem feuerge-
fährlichen WinlLel liegt ein breiter Stein, auf dem er seine Milchsuppe
kocht*. Neben dem Schlafgemache steht der dürftige Stall. -- Der Galtner
selbst hat nichts zu thuii, als etwa hin und wieder einen verirrten Och-
sen auf den rechten Weg zu fuhren , und die zwei Gaisse zu melken, die
«r sich mitgenommen hat, um ihre Milch für seine Küche zu haben« —
Jede Woche steigt ein Knabe aus dem Thale hinauf und bringt ihm Brot,
Mehl und Salz; damit fristet er sein Leben und mit dem letzteren sichert
er sich auch die Geneigtheit seiner Ochsen, und knüpft sie an seine Hütte.
Oben auf dem Joche fanden wir den greisen Hirten. Er sass auf ei-
nem Steine und schmauchte, und liess seinen Blick über den gelichteten
Wald sehweifen, in welchem seine Heerde weidete« „Wie gehts" rief
ihn mein Begleiter an^ und der Andere fuhr auf aus seinem Sinnen und
antwortete: „Mittela, Mittela'« (mittelmässig). Es hatte Tags vorher von
Morgen bis Abend geschneit und der Hirte sich kaum erwärmen können,
— „es sei gar so ein kalter Ort, ein Ochsner hat's übel, wenn das Wet-
ter nicht fein ist/' Ich glaubte es ihm gerne, und fragte ihn, ob er mich
denn nicht mehr kenne; ich bin ja derselbe , der ihm im vorigen Sommer
an derselben Stelle seinen Beutel mit gutem Tabak gefüllt und einen
Schhick von einem Schnaps (Rhum) hat thun lassen, wie er in seinem
Leben noch keinen gleichen getrunken hatte. — Aber er kannte mich nicht
mehr, und als ich ihn das Jahr drauf abermahls besuchte, kannte er mich
abermals nicht *
Der Ochsenhirt war ein alter Knecht, ein „Ableber^^ seines wohl-
habenden Herrn; die drückende Einsamkeit seines Geschäftes und seiner
Junggesellenschafk, und das Alter hatten ihn trübsinnig und blöde gemacht.
16
109
Eme sttdtiroler Hockalm.
Aus dem Taj^ebuche eine« Forst^ometer«.
Ende Juni ging endlich der Schnee vreg. Zuerst «chmols er ani den
sonnigen 8te|[len ab, etwa vierzehn Tag^e spater auf der Schattenseite, in
den Mulden und Schluchten liegt er noch wochenlang. Die brennende lang
am Hintmel stehende Johannisonne zehrt jedoch überall so gewaltig an ihm,
dass man das Wegschmelzen mit den Augen verfolgen kann; tiglich tritt
die weisse Decke um einige Klafter aurfick, und die mächtigen Schneenuia-
sen der Lawinen und Dfinen verlieren I — 8 Fass an Dicke.
Der allbelebenden Sonne freigegeben, entwickeln sich die herrUchea
ersten Alpenblumen mit Zauberschnelle; in wenig Tagen entfalten «e ihre
ganze FfiUe, ihre ganze Pracht. — Alsbald folgt auch das Qnm, abor kein
langes staudenartiges, keine Disteln und Zeitlosen, wie etwa auf den Wie*
sen des Tieflandes , sondern kurze dichte und feine Halme , ein herrlicher
mit Blumen tiefglfihender Farben übersater Rasenteppich der gleich einem
prächtigen Sammtpolster unter jedem Fusstritte aufschwillt
Nun folgt alsbald der Auftrieb des Viehes. Kiser, EDrten. und ihr Vieb^
alles ist ganz glQcklich , das magere , enge und finstere Stall-Leben nut (Lot-
tes freier Natur und der Fülle ihrer Graben vertauscht zu haben. Die ersteo
Wirkungen dieses Wechsels sind fast wunderbar, der Milchertrag der Kühe
verdoppelt, ja verdreifacht sich, und es ist keine Milch mehr, es ist Sahne;
an die Grossstadter wenigstens würde man sie reissend als solche absetzen.
Der Wohlgeschmack, die Würze dieser Butter übertrifil Alles, was man
mittelst StallAtterung je zu leisten vermöchte. Milch und Butterertrag ver-
mindern sich zwar nach dem ersten Abweiden der Alm , aber sie bleiben
immer noch grösser als im Winter. (Hier ist die winterliche 8tallf&t-
terung ürmlich.)
Die Beweidung geht nach einem wohlverstandenen Plane vor sich«
Die ganze Alm wird in Schlage getheilt, die in der Rande abgeweidet
werden, so dass das Gras Zeit hat, wieder gehörig nachzuwachsen > nnd
wenigst möglich vertreten wird. Das Vieh wird zur Nachtruhe in thnn-
liehst eben gelegene Verzinnungen (Viehruhen) getrieben, nicht nnr um
dort gemolken zu werden und bequem ruhen zu können, sondern, damit es
auch während der Zeit des Wiederkauens und der Ruhe nicht die Weide-
plätze zertritt und verliegt. Mit den Viehruhen wechselt man ab» um der
Alm allenthalben den Dünger zukommen zu lassen. Wo die steile Lage der
Alm diesen Wechsel nicht gestattet, zieht man von den znsammeagesoge-
neu Düngerhaufen Berieselungsfurchen weg, damit die Regen und Schnee-
wisser die Düngerverbreitung vermitteln ; steht ein kleines Wasser zu Ge-
bothe , so leitet man dieses durch die Düngerhaufen und in die Furchen. —
Wahrend den heissen Nachmittagsstunden treibt man gerne in die obersten
Hochwaldrander, damit das Vieh den Schatten der hief&r und für den Unter-
stand bei Scfaneewetter (Schneeflucht) sorgfaltig erhaltenen dichtbenadel-
ten Fichten geniesse. Verstandige Aeipler errichten (ur den Unterstand bei
Unwetter an der Sennhüte eigene Schoppen, und halten für diese Zeit ei-
niges Futter in Vorrath.
An sonnigen Tagen ist es ein herrliches Sejn auf der Alm. Die
Sonne wärrot die klaren Lüfte der Hochberge eben so gut; wie die trü-
ben unten im Thale; aber in dem Augenblicke, als sie unter den Hori-
zont hinabsinkt, wird es frisch und feucht, später empfindlich kühl, die
Nässe der Luft wird greifbar; es fällt ein äusserst ausgiebiger Thau, und
sehr gerne zieht man sich auch nach dem heissesten Augusttage beim Ein-
brüche der Nacht an das lustig aufwirbelnde Feuer der Sennhütte zurück.
Der äusserst reichliche Thau ersetzt die Tränke in so weit, dass
auf quellenlosen Almen das in den ausgehölten Baumstöcken oder in mit
Lehm bekleideten Vertiefungen aufgesammelte Regenwasser zur Durch-
bringung der Rinder zureicht
Jedes wenn auch nur vorübergehende Gewitter kühlt in diesen Hö-
hen di^ Luft empfindlich ab, und Verwandelt den Thau gar oft in Reif.
Längere Landregen gehen zuletzt meistens in Schnee über, und das Ende
vom Liede ist dann gewöhnlich ein formlicher Frost mit fusshohem Schnee,
an welchem die wiederkehrende Sonne nicht selten einen ganzen Tag zu
lecken hat.
Nichts ist überraschender, als wenn dieser plötzliche Wechsel über
Nacht eintritt. — Gestern prangte die ganze Natur im vollsten Sommer-
schmucke jener tiefgesättigten Farben, welche nur den Hochalpen eigen
sind; die brennenden Sonnenstrahlen sengten Hals und Arme eines un-
vorsichtigen Freundes, der zu mir auf Besuch heraufsteigend, das Halstuch
abzog und die Hemdärmel aufschlug, um nicht der Hitze zu unterliegen. —
Heute Morgens treten wir aus der Sennhütte und haben, wie durch einen Zau-
berschiag das prachtvollste Bild des tiefsten Winters vor uns. So weit
das Auge reicht, ist Alles Schnee. Die umliegenden Fichtenwälder sind
über und über mit blendend weissen Eiskristallen überzogen, welche die
Strahlen der darein scheinenden Sonne mit einem Schimmer widerspie*
geln, den unser Auge kaum vertragen kann; unser, Fuss tritt auf die
krachende fingerdicke Eisdecke der Pfützen ; unsere Finger fangen an vor
Kälte zu prickeln, und nur das rüstigste Darauflosschreiten vermag uns
die nöthige Wärme zu erhalten.
In dieser Höhe von 6000 Fuss treten Frost und Schnee zu jeder
Zeit des Sommers ein.
Ende August oder Anfangs September werden die Fröste jedoch
schon so häufig, dass der Graswuchs bald ganz stille steht, und dann la-
den die Senner ihre schwereren Geräthschaften einem Saumesel auf, bin-
den die leichteren den Rindern auf die Hörner und treiben von der Hoch-
Alm ab.
Die Sennhütte ist hier das Einfachste was man sich denken kann.
Abgerindete rohe Baumstämme, an den Ecken ineinander gefalzt, flach
16*
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g^edeckt mit g^roben Spaltschindeln, die durch queraberliegende mit Stei-
nen beschwerte Stangen zusammengehalten werden. Die Hätte hat nur
zwei Gelasse. Vorne Wohn-, Schlaf- und Arbeitskammer, hinten die
Milchkanmien ~ Die Arbeitsslube hat in der Mitte einön etwas vertieften
mit Steinen eingefassteh Feuerraum , auf welchem das Feuer nie ausgeht ;
herum stehen einige Dreifusse zum Niedersitzen. Ober dem Herde hangt
eine eiserne Kette oder eine gezahnte Holzleiste mit einem Hacken
zum Aufhängen des Kessels. — Ein gleicher Feuerraum ist an der Wand
für den grossen Käser und Ziegenkessel. — In der hinteren Ecke ist auf
einigen Pfählen die Schlafstelle aufgeschlagen, getrocknetes Gras, Far-
renkraut oder Heide sind das Unterbett, die Joppe, ein Sack, oder die
halbgegärbte Ziegenhaut, die der Hirt bei Regenwetter um die Schultern
bindet, die gewöhnliche Decke des unausgezogen zur Ruhe gehenden
Sennen. Damit jedoch die kalten Nachtwinde nicht zu sehr durchbis-
sen, verstopft man um die Schlafstelle herum die handbreiten Zwischen-
räume der Blockwand fleissig mit Moss,
Polenta mit etwas Käse oder Zieger ist hier die tägliche, keinem
Wechsel unterworfene Kost des Sennen, wie überhaupt des südtiroler
Landmannes: er schlingt ihre in der Hand zur Kugel gedrückten Bissen
mit demselben Wohlbehagen hinab, wie der reiche Kavalier seine Austern.
Der einsame Senne empfangt auf der Alm gleichwohl manchen Be-
such. Vorüberstreifende Jäger, Holzknechte und Köhler sprechen bei ihm
ein , der Alpenherr kommt öfter um nachzusehen, und hat er fremdes Vieh,
so erscheinen sämmtliche Vieheigenthümer zur Milchabwage , indem nach
dem Gewichte der probeweise gemolkenen Milch die Menge Käse und Geld
bestimmt wird, welche der Sennunternehmer den Viehbesitzern als Pacht
hinauszuzahlen hat.
Selbst die Weiber der verheiratheten Sennen, oder die Freundinnen
der ledigen lassen sich öfter auf der Alm sehen, versteht sich nur, um
ihnen irgend eine bedeutende Mittheilung zu machen , oder um deren Wä-
sche in Ordnung zu erhalten. Es ist noch nie der Fall vorgekommen, dass
diese Besuche zurückgewiesen oder unbefriedigt entlassen worden wären.
110
Bin Brlebnisss anf einer Osterreichischen Knhalm.
Ein Wirthshaus ist hier nicht auf der Alm , doch ist eine Schwai-
gerin CSennin)» bei der Brot und Branntwein zu haben ist
Ich hatte bald ihre stattliche und wohlgezimmerte Hütte erreicht,
die in einer schönen Mulde, unter grossen Felsblöcken liegt, zwischen
denen sich eine herrliche Quelle hervorschlängelt.
Unter dem grössten der Blocke ist der Stall angebracht,, und dabei
das Gestein als Wand benutzt
Auf dem Scheitel des Felsens erhebt sich eine prachtvolle Lerche^
deren mächtigen Schaft der fromme Alpenherr mit einem Heiligenbilde
»15
^esiert hat^ weaswegen man anch den uralten Baum die Bildlerche heiaat.
— In der Hotte traf ich Gäste > drei rüstige Holzknechte aus dem na-
hen Schlage, dazu die Sennin und ihren jüngeren Bruder» der ihr
als Hirt und Knecht an die Hand ging. — Die Holzer sassen auf der
Bank, die aich um die Feuerstelle herzieht, halb in Rauch verhüllt, und
schmauchten plaudernd; die Sennin ging ab und zu und redete wenig.
— Sie war eine sehr hübsche Dirne ^ zwar nicht mehr in der ersten
BIfithe, aber von lieblichem, ja feurigem Antlitz, wohlgebaut, voll, frisch
und kräftig, jedenfalls viel zu schön für diese Einsamkeit
Um über das Joch zu steigen, war es zu spät, es blieb also nichts
übrig « als bis zum Morgen zu warten. Ich war etwas besorgt, dass
sich das Mädchen die Einlagerung verbitten würde, aber der älteste der
Holzknechte, ein schalkhafter Kerl, sprach mir Muth zu, sagte, das
komme dfter vor und die Schwaigerin sei überhaupt nicht so ,,scheuch''
als sie thue. — Diess begleitete er mit einem bedeutenden Augenzwin-
kern, was die Alpenmaid dadurch bestrafte, dass sie ohne ein Wort zu
sagen, aufstand und davonlief.
Bald hatten auch die Holzknechte ihren Branntwein ausgetrun-
ken und gingen, so dass ich mit dem Mädchen allein blieb, denn ihr
Bruder war hinausgegangen, nm nach den Kühen zu sehen, die bereits
heimkommen sollten.
Dieses plötzliche Alleinsein brachte mich — ich weiss nicht warum, in
einige Verlegenheit ; ich brach jedoch ritterlich zuerst das Schweigen, und
frug sie, wie es heuer mit der Sennwirtlischaft gehe, und liess mir alles
weit und breit erklären.
Das Leben einer Sennin , — sagte sie — ist nichts weniger, als .
mühe und gefahrlos. Will sie in guten Ruf kommen und ihren Brotherrn
gewissenhaft Im Auge haben, so hat sie vom frühen Morgen bis zum
späten Abend vollauf zu thun.
Schon mit dem Hahnenrufe muss sie zur Heerde^ besonders wenn
diese ferne Weideplätze besucht und bei milder Witterung dort über-
nachtet. Mit dem Milchtopfe auf dem Kopfe, oder bei weiter Entfernung
mit der Butte auf dem Rücken, den Dreifuss (zum Niedersitzen) in der
Hand 5 und die Salztasche am Gürtel, begibt sie sich unter ihre Ange-
hörigen zum Frühmelken. Es kostet da nicht wenig Mühe, besonders das
naschhafte und zerstreuungssüchtige Volk der Ziegen wiederzufinden, um
sich zu versammeln und beim Melken ruhig zu erhalten. — Sorgsam ach-
tet dabei jede wackere Sennin auf das Benehmen, den Gang und die
Stimme jedes einzelnen Stückes , und fuhrt die kränkelnde Kuh , die
Ziege, die sich etwa beschädigt hat, oder das Motterschaf, welches
vielleicht heute noch zum Wurfe kommen dürfte, nach der Sennhütte
zurück. — Erst nachdem diese hier pfleglich untergebracht sind, kann
die Sennin ans Frühmahl denken.
Während dem muss aber bereits Anstalt gemacht werden zum But-
tern und zur Käsebereitung; die eben gewonnene Milch muss geseiht.
SM
und in reinlichen flachen Holzschüssehi in die Milchkammer oder in den
Keller g^ebracht werden.
Ist dann auch Käse- und Buttergeschaft — bei welch letzterem der
Hirtenbub das Rührfass dreht, besorgt, so geht es an ein Scheuern und
Fegen, Wischen und Waschen, dass selbst eine zankische Stadtfrau da-
ran nichts mehr zu tadeln fände. — Musterhafte Reinlichkeit der (Sefajlse
ist eine Grundbedingung guter Sennproduckte.
Ueber solcher Emsigkeit wirds Mittag und dieser Mittag bringt das
„Muss'' und eine kurze Rast.
Der Nachmittag ist den mancherlei häuslichen Beschäftigungen, vor
Allem aber dem Sammeln des „Geleckes'' gewidmet, d. i. jener Gräser,
welche man an Stellen, welche für die Kühe zu steil und gefahrlich sind,
mit der Sichel abschneidet, um sie denselben beim Abendmelken oder bei
Schneewetter vorzulegen, (damit sie zu solchen Zeiten gesundheitshal-
ber im Stalle behalten werden können).— Dieses Greleckschneiden ist be-
sonders mfihsam und gar oft auch gefahrlich.
Der Abend bringt dann wieder das Melken, das Milchversorgen,
nach dem einfachen Abendessen und dem darauffolgenden Scheuern, —
aber auch süsse Ruhe für die müden Glieder*
Bei günstiger A^tterang reicht wohl der Tag aus zur pünktli-
chen Besorgung all dieser Obliegenheiten, und es bleibt noch Zeit für
ein feines Liedchen oder für einen herausfordernden Jodler; aber hat
plötzliches Unwetter oder gar ein reissend Thier die Heerde erschreckt
und zerstreut, dann wohl ists wahrhaft verdriesslich , die verirrten Rin-
der oder gar die verlaufenen Schafe wieder zusammenzubringen. — Frei-
lich trifft letzteres hauptsächlich den Hirten; aber die verantwortliche
Sennin muss mithelfen und das Vieh allein zur Stelle schaffen, wenn der
zaghafte Bub etwa den Muth verloren hätte.
Manchmahl entschädigt bei der Rückkunft in die Sennhütte der un-
erwartete Besuch einer Freundin von der nächsten Alm, oder vom Tbale
herauf, und dann ists gar so gemüthlich, die Nem'gkeiten des Dorfes zu
vernehmen und den schönen Doppeljodler loszulassen.
Oft sprechen auch Holzknechte, Jäger und Forstbeamte ein, beson-
ders in dieser Hütte, wo der Herr — ein Wirth ~ auch gastlich Schnaps
ausschenkt, und mancher von diesen Gästen ist gar nicht „zwieder.'' Zu-
weilen verlieren sich sogar Wienerherren herauf, — aber man kann oft
nicht recht klug aus ihnen werden •— so sagte nemlich die Sennin — ob-
gleich sie alles schauderhaft schön finden; letzthin war aber gar ein ^»gspa-
siger Ding'' da heroben; der meinte, wenn die Leute hier gescheit wä-
ren, so würden sie ihre Almen lieber unten im Thale anlegen, damit
man nicht gar so entetzlich hoch zu steigen brauchte.
Dieses und ähnliches Geplauder und der glückliche Umstand, dass
ich ihre Mundart mit ziemlichem Geschicke zu sprechen verstand, schmol-
zen bald der Sennerin anfängliche Trutzlichkeit völlig hinweg, und sie
zeigte sich als das, was sie war, als ein Mädchen voll Lebenslust und
neckiachem fiinn»* die sich horslich freote» in mir einen g^leich^eeümmten
Gesellen g^efunden zn haben.
Ich lad sie natfirlich sum Singen ein^ Mit der Versicherung» dass ich
selbst das «Chrobe« (den Bass) übernehmen werde» überwand ich ihre Ein-
wendungen ^ und sie versprach nach Vollendung ihres Tagwerkes mit
ihrem Bruder und mit mir das Brombeerlied su singen.
Nun ging's an's Melken» das bald vorüber war; denn man sputete
sich über Hals und Kopf«
Um ihrer Bewirthung Ehre zu machen» bereitete mir meine Sennin
das lekere Rahmkoch (Gries in Sahne) zum Abendmahle.
Während sie am krachenden» lustig aufllakernden Feuer damit be-
schifUgt war» hatte ich Zeit sie naher zu betrachten. . Ich muss gestehen»
sie kam mir jetzt wirklich ausnehmend schön vor; sei es» dass mich ihre
anmuthigen Plaudereien oder die kraftigen» ja üppigen Formen bestochen
hatten» die bei den ungezwungenen Bewegungen ihres Geschäftes höchst
empfehlend hervortraten; sei es» dass die eigene Beleuchtung» welche die
halbe Gestalt immer in geheimnissvollem Schatten liess» so vortheilhaft
wirkte.
Nach einigen Bissen des ungemein sättigenden Rahmkoches war mein
Abendessen vorüber» und nun ging's nach einigen neuen Gegenvorstellun-
gen und einleitendem Räuspern an's Singen; wobei ich freilich nur mit-
brummte; denn mir waren weder Melodie noch Text des Brombeerliedes
bekannt«
Die Schwaigerin wendete sich dabei von mir ab» weil sie sonnt» wie
sie sagte» nicht singen könnte. Der Sang fiel überraschend gut aus; es
war eine jener wehmüthigen und doch neckischen Weisen» wie sie in den
östreichiscben und steirischen Bergen überall heimisch sind. Der nicht
ganz unzweideutige Text zeichnete ein Mädchen» welches Sonntags Brom-
beeren sammelnd von einem wohlgebildeten Jäger betreten wird» dessen
Schmeichelreden sie nicht zu widerstehen vermag» f^o dass sie das Brom-
beersvchen theuer bezahlen muss. Das Lied trug durchaus nicht bei» mich
kalter gegen die schöne Sängerin zu machefi*
Endlich musste man sich doch zur Ruhe begeben. Ich bat meine
sehtoe Wirthin» mir meine Schlafstelle anzuweisen ; sie schürte das Feuer
ein» nahm einen brennmiden Span und lührte mich in ein Gemach hurter
der Küche» das ich schon als ihre eigene Schlafkammer kannte« ^ Ich
legte feierliche Einsprache ein gegen die Abtretung ihres Stübchens und
versiclierte» mich mit dem wenigen Heue des Oberbodens zu begnüge«. —
Ich müssle mich doch schämen» antwortete sie» dnen Herrn und zudem
noch einen so feinen und lustigen» auf den Dachboden ^ schicken; über-
diess ist dort nur so viel Streu» als mein Bruder zur Lagerstatte braucht:,
und das Bett hier ist ein zweispänniges» also gross gmug für uns Beide;
^ch werde mich schon recht schmal machen» und Sie müssen halt recht
fromm sein.**
»8
Ich machte unendlich grosse Augen, denn so was war mir noch nieht
vorgekommen. — Doch, was war da zu thun ? die Furcht mich lächerlich
zu machen^ überwand die vielfaltigen Bedenken* Ich warf mich unaus-
gekleidet auf das Bett; sie warf den verlöschenden Span weg und that
desgleichen.
Umsonst schloss ich die Augen um den Schlaf herbeizuzwingen.
Selbst das dumpfe Rollen des Donners und das Brausen des Windes, ein
fernes Gewitter verkündend, verfehlten diessmal ihre erprobte einschläfernde
Wirkung. Meine Fantasie zauberte mir meine liebliche Nachbarin immer
reizender vor ; sie verlieh ihr die vollendeten Formen des Ideales, das mir
dazumal tief .im Herzen lag. Da lispelte eine Stimme neben mir: „Schlafen
Sie schon 7*^ Meiner nicht mehr mächtig, wendete ich mich rasch hin-
über ^ als ein furchtbarer Blitz die ganze Stube in Flammen setzt, und
ein schrecklicher Donnerstreich die Alpenhütte von unten bis oben erzit-
tern macht. „ Jesus^ Maria, ^ kreischt die Sennin auf, „es mnss in die
Bildlerche eingeschlagen haben ,^ und sie sprang auf und eilte hinaus, um
mit Hilfe ihres Bruders die Rinder zu beruhigen\ die wie rasend brüllend
sich mit aller Anstrengung loszureissen suchten.
Blitz folgte auf Blitz, Donnerschlag auf Donnerschlag; ein wüthen-
der Sturm riss einiBu Theil des steinbeschwerten Daches der Sennhütte
ab, und peitschte den in Strömen fallenden Regen weit in die Schlafkam-
mer hinein.
Ich sprang auch auf, tappte in die Küche hinaus, schürte instinkt-
artig die Gluth auf und machte Feuer an.
Ich weiss nicht, wie lange ich gedankenlos in die Flammen hinein-
stierte.
Endlich beruhigen sich die entfesselten Elemente » der letzte Donner
verhallt, der Sturm hat sich gelegt, der Regen aufgehört; ich mache die
Thüre auf und die kühlen Lüfte einer herrlichen Morgendämmerung weben
mir erfrischend entgegen.
Ich werde vollkommen nüchtern.
Nach einiger Zeit tritt meine schöne Sennin ein, jetzt, beim Tages-
licht zwar nicht mehr das zauberische Wesen, als welches sie mir meine
erhitzte Fantasie vor einigen Stunden vorgemahlt hatte; aber die Scham
hatte doch wieder einen unnennbaren Reiz über sie gegossen. — Sie wagt
nicht das Auge zu mir zu erheben, noch zu sprechen.
Ich wusste dazumal schon , dass aus gewissen Grefahren nur ein Ret-
tnngsweg fuhrt: die Flucht. Ich forderte daher den Bruder auf, mir den
Weg über's Joch zu zeigen ; sie erwiderte mit abgewandtem Gresichte
meinen Abschieds-Händedruck, und ich sah sie nie wieder.
Unten im Dorfe erfuhr ich , dass die Nandel — so hiess die Heldin
meines Abentheuers — eine Sennin sei, wie man keine zweite im ganzen
Gebirge trifft. — Sie ist das Kind der Alpenliebe eines geistreichen Mbjü-
nesy der als feuriger Jüngling in dortiger Gegend lebte ; Dank seiner Für-
sorge hat sie eine bessere Erziehung genossen; sie ist die erste Kirchen-
^n^erin ihre« freundiichen Dorfes, »nd Tersieht bei ihrem Dienstherm —
der zugleich Wirth ist -- im Winter die Stelle der Kellnerin.
Man flaggte mir auch, daacr ea in dieser Geg^end ziemlich aügemein
sei, dass die Senninnen einem achtbaren Fremden, der bei ihnen über^
nachten mnss, die Hälfte ihres Bettes überlassen. Diess geschieht in der
Re^el ohne alle Nebenabsicht, soll aber dfter entscheidende Folgen haben.
Als ich vor zwei Jahren wieder in dieselbe Gregend kam^ erfhhr ich,
dass die schöne Nandel eine stattliche Posfmdsterin geworden sei, recht
gificklich lebe, und eine zahlreiche Nachkommenschaft zn hoffen habe.
Lieber Leser ans dem Flachlande! Glaube ja nicht, dass du in die-
sen Bergen nur auf die nächstbeste Hochalm hinaufzusteigen brauchst, um
dein Gemüth an einer schönen Sennin zu erfrischen^ oder gar eine zweite
Nandel anzutreffen; wisse, dass es nur Eine Nandel gegeben hat, und dass
die Schwaigerinnen nur zu oft Dirnen sind, welche die Eitelkeiten der
Welt bereits hinter sich haben ; wisse , dass dann die harte Arbeit ihren
Formen die Rundung genommen, und Mangel an Umgang lähmend auf
ihren Geist, so wie auf ihre Laune wirken ; wisse endlich, dass die duf-
tenden Spuren ihres Handwerkes und eine gewisse kunstlose Verwirrung
in Flechten und Grewändern nicht das Geringste dazu beitragen, den Man-
gel der Reize, durch welche eineNandl bezauberte, vergessen zu machen*
So viel dir zu Nutz und Frommen und zur Hintanhaltung jeder Ge-
fährde. --
111
Eine welsche Sehafalm.
Aus dem Tagebuche eines Forstgeometers.
Aus Allem entnahm ich, dass der hohe und äusserst schroffe Sass-
mangano als Triangulierungspunkt benutzt werden müsse» Ich beschloss
daher ihn zu besteigen.
Mit dem Juni war schon längst die Zeit vorfiber, in wjelcher, weil die
Wplken so tief gehen, dass sie auch an schönen Tagen die Hochgipfel
im Nu auf viele Stunden dicht überlagern, die Triangulirung höchst un-
sicher ist Ich machte mich daher am nächsten Morgen unbedenklich auf
den Weg.
In vier starken Stunden hatten wir die obere Fichtenwaldgrenze er-
reicht und standen in den dichtverschlungenen schwarzgrünen Legföhren-
bestanden. Da es ohne Steig völlig unmöglich ist diese nach aufwärts zu
durchdringen, so zogen wir uns in das weite Rinnsal, in welchem zur
Regenzeit die diesseitigen Wässer des Sassmangano abschiessen. Wie
gewaltig dann auch die Fluthen darin heruntertosen mögen, zu dieser Zeit
war es völlig trocken. — In seiner fast blendenden Weisse (Dolomit)
stach es wunderbar ab von dem tiefen Schwarzgrün der sich beiderseits
weit bilizieheiiden LegfÖhrenhorste. Auf den Scheiteln der grossen zien-
lieh abgeriebenen BlSAe, aus welchen der Gh'und dieses Rinnsales besieht,
schritten wir ohne viel Beschwerde immer höher und höher hinauf.
Die Krammholshorste hatten linkst die strotzende Üppigkeit der
tieferen Lagen verloren, sie vereinseilen sich bereits nnd krochen nor
mehr als unscheinbares Gestriuch am Boden hin, kurz es gemahnte uns,
dass WUT dem Rande alles Holawuchses nahe seien.
Ich machte daher Halt nm ans RasI nnd Imbiss zu gönnen, denn
höher oben bitten wir kein Holz mehr zum Feuermachen gefunden.
Meine Handlanger rafften schnell einiges Asiwerk alterstrockener
Legßhren zusammen, und in wenig Minuten wirbellen die hellen Flammen
höchst einladend empor.
Das Krummholzfeuer ist das schönste, was ich kenne; es tummelt
sich ohne viel Prasseln und Spritzen und Rauch ausgiebig und wonnespen-
dend herum, wie ineine liebliche Braut unten im Thale, und seine Flamme
ist wunderschön karmoisinroth , wie ihre sammetnen Wangen , wenn sie
zu Zeiten in Purpur erglQhen.
Einige Brocken Lawinenschnee fQllten bald unseren kleine^ Kessel
mit Wasser; darein tbalen wir zwei Pfunde Maismehl, und in zehn Minu-
ten dampfte vor uns £e beste Polenta, die je in> dieser Höhe bereitet
wurde.
Nachdem der Hunger gestillt war, wandte ich der Gegend wieder
meine Aufmerksamkeit zu. Gegen Sitte und Brauch dieser Zeit war mitt-
lerweile ein Wolken - Ungethüm auf dem Sassmangano- Gipfel aufgefah-
ren, konnte sich nicht mehr losmachen von dieser zackigen Felsenkrone
und senkte sich stattdeip immer tiefer und tiefer an derselben herab,
nach allen Seiten sich ausbreitend und vergrössernd. Bald hatte es die
ganze im Halbkreise sich herumziehende Gebirgsgrate bis auf die tiefsten
Sättel herab umzogen, und den schönen tiefblauen Himmel ganzlich von
rnis abgeschlossen. — Wenige Minuten, und wir selbst waren in ein greif-
bar nasses Nebelmeer gehöllt, in welchem noch dichtere Nebelballen er-
kältend an uns vor überstrichen. Jetzt erst erschloss sich uns der Werth
des Feuers in seinem vollen Umfange, und wir genossen es mit aller In-
brunst von Frost geschQttelter Leute.
Dicht um dieses liebe Feuer geschart, schlQrften wir eine gute Weile
gewiasermassen seine Flammen ein, als ein gellender Pfiff die dicke Luft
durchschnitt, gleich darauf folgte ein ganz absonderlicher Schrei und hier-
auf vernahm man ein sehr leises und dumpfes Gretrampel, und einige Stein-
chen sehwirrten aus der Höhe an uns vorüber. Ein zweiter noch durch-
dringenderer Pfiff, der bffenbar gerade ober uns gethan wurde, schnitt
aufii neue in unser Ohr ; unwillkürlich wendeten Alle die Köpfe nach Otien
und siehe da: auf der Spitze eines ungeheuren Dolomitschrofens erblick-
ten whr in schwindelnder Höhe einen riesigen, in Ziegenfell gehüllten
Mann, der auf seinen langen Bergstock gelehnt auf uns herniederblidite.
In wirren Locken hing ihm das pechschwarze Haar des unbedeckten
Hauptes über Stirn und Ohr, ein dichter, gleichfalls schwarzer Bart um-
Sng den fibrig^eD Theil mines Gesichtes, und ans diesem flppigfwitden Haar-
wBchse und dem tief braunen Antlitze blitzten unter buschigen Braunen
ein Paar Augen toII der südlichen Giuth. •— Die aus den Ziegenfellen her-
vorragenden fast olivenfarbnen Arme und Beine waren dicht behaart und
zeigten eine herkulische Muskulatur.
Wie dieser Mann so dastand in völlig ungezwungene^ mahlerisch
antiker Stellung, war er der vollendetste Ausdruck riesiger Naturkraft
und vorsündfluthlicher Wildheit
»Friert dich da oben, Paolo?** — schrie einer meiner Handlanger
hinauf — und der Mann brach in ein schallendes Gelachter aus, dass die
Berge erzitterten, dabei zwei Reihen blendend weisser Zähne blicken las-
send, um welche ihn ein Adonis beneiden konnte.
„Noch nicht,** antwortete er endlich, „aber Zeit ist*s um die Polenia
zu machen, und darum treibe ich heim zu meiner Höhle.^
Dieser Mann war der vizentinische Schäfer Paolo Canin, Pächter
der dortigen Hochweide. — Mit seinen Pfiffen und dem Schrei lenkte er
seine Heerde^ deren leises Getrampel wir vernommen hatten, und die
Steine, welche an uns vorbei schwirrten, rührten eben von dieser Heerde
her« welche nun in gedrängter Masse über uns herabzog.
Ich rief den Wilden zu mir; in kühnen Sätzen liess er sich von sei-
nem Schrofen herab und in wenig Augenblicken stand er unter uns, wie
er leibte und lebte.
Der Riese war nichts weniger als blöde und sehr erfreut eine An-
sprache gefunden zu haben. Er meinte, dass der Gipfel des Sassmangano
immerhin wolkenfrei sein dürfte ; erbot sich uns hinaufzuführen, wenn wir
warten wollten, bis er seine Polenta gemacht habe» und lud uns ein, einst-
weilen in seine nahe Hohle einzutreten, um seinen süssen Schotten zu
verkosten.
Ein so vortheilhaftes gastlich Anerbiethen konnte nicht ausgeschla-
gen werden , und so folgten wir ihm denn auf dem Fusse nach.
Seine sogenannte Höhle war der etwa V/2— 2 Klafter tiele langge-
zogene Raum unter einem gewaltigem Felsenvorsprung, An einem Ende
hatte sich Paolo aus Felstrümmern gegen das Freie eine Wand aufge-
Eiaiiert« um dadurch eine kleine wind- und regensichere Milchkammer zu
gewinnen. Etwa in der Mitte hatte er den Feuerraum für den Käse- und
Polentakessel aufgerichtet und am anderen Ende, wo sich die Höhle tie-
fer ins Ciebirge hineinzog, war ein Lager von Heidekraut gebettet, seine,
und die Schlafstelle seines Sohnes, der ihn im Geschäfte unterstützte.
Als Kopfkissen diente dem Alten der Saumsattel des Esels , auf wel-
chem er die Geräthe und Erzeugnisse der Sennerei ab- und zubrachte. —
Die Senngeräthschaften , eine kleine Truhe und drei oder vier rohe
Dreifuflse machten die ganze Einrichtung dieses Hirtenpallastes aus. Oben
am Fels aber hatte Canin gleichwohl ein hölzernes Kruzifix befestigt, und
auch das Bild des heiligen Paulus zierte die schroffe Wand.
Paolo erzählte, daM er rieh da« ffir die kurze Weideseit nöthige
Maiamehl gleich mitbringe ^ «eine Schotten selbst verspeise und nach sie-
benwochentlicher Sennerei mit seinem Kaseerzeugniss vergnügt in die
venezianischen Vorberge abziehe.
Auf seiner Schlafstelle traf ich ein in Leder gebundenes, äusserst ab-
gegriffenes und schmieriges Buch; ich schlug es auf, es war Tasso's
Gerusalemme liberata.
Unser Freund hatte es oft und mit solchem Erfolge gelesen, dass
er viele Stellen dieser berühmten Dichtung auswendig wusste«
Er sagte , er fühle nichts weniger , als Langeweile auf der Alm ;
die Sennerei, die Besorgung seiner Schafe geben ihm sammt seinem
Sohne vollauf zu thun und die wildschönen Berge mit ihren bezaubern-
den Femsichten und grossen Naturerscheinungen seien reicher Stoff zur
Beschäftigung des (Seistes beim Schafhüthen. — Er freue sich schon im
Frühjahre auf die Almfahrt, und die Innigkeit, mit welcher er nach deren
Vollendung wieder die Heimath begrüsst, trägt viel dazu bei, sie ihm
werth zu machen.
Weniger zufrieden war der junge Canin ; ihm werde gar oft ganz
sonderbar zu Muthe, besonders, wenn ihn der Alte allein in der Höhle
zurücklässt; dann sehe man fast nie ein menschliches Antlitz, und auch
das Sammeln und Zubringen des Holzes sei ein lästig Ding; kurz bei
freier Wahl würde er nie das vizentinische Paradies mit dieser frosti-
gen Felsenwüste vertauschen. — Offenbar hat der Junge weniger Sinn für
die Natur und fühlt schwer den Mangel einer gleichgestimmten jugend-
lichen Seele.
Nach kurzem Mahle machten wir uns gefuhrt von Poalo Canin auf
den Weg nach der Höhe* Die Nebel hatten sich während dem gehoben,
und an der etwas lichteren Farbe der Wolken, welche gleichwohl noch
die ganze Gräte umlagerten, merkten wir, dass sie an Dicke abgenom-
men hatten; wahrscheinlich zehrte ein dauernder höherer Luftstrom an
ihren obersten Schichten.
Fort gings also durch die letzten Streifen Krummholz und dann
hinauf über eine steile Wand, in welche die Sohle des Thaies abstürzt.
Als wir den Rand des Absturzes erklommen hatten, stellte sich uns
ein Bild dar, welches an schauerlicher und dennoch prachtvoller Wild-
heit im ganzen Kaiserreiche seines Gleichen sucht. Wir hatten eine
jener langen Mulden vor uns, in welche die Thäler der Hochberge unter
den Jöchem zu enden pflegen. — Die Sohle war ziemlich flach, nur
nach hinten zu sanft sich erhebend; aber von allen Seiten steigen fast
senkrecht die nackten Dolomitwände in ihrer furchtbarsten Schroffheit em-
por, aber jetzt nicht mehr in der blendenden Weisse und mit den aus-
drucksvollen Lichtern und Schatten des hellen Sonnenscheins^ sondern
geisterhaft fahl und schattenlos; das graue Gewölk, welches ringsum
auf diesen Zinken lag, und welches sich von dort über uns herfiber-
wölbte, schien Eins geworden zu sein mit diesen pflanzenlosen Wänden,
S5S
wodurch e« den Anschein gewann» aU stiegen diese Felsenmanern
hinauf za endloser Höhe. Unter den Wänden lag allenthalben deren
Steinschutt aufgethiiruit und wo schluchtenartige Risse sich in die Winde
hineinzogen, kamen ungeheure» weit in die Sohle vorspringende
Schottwälle heraus.
Am Fusse dieser langen Schutthalden liegen die grösseren Fels-
trummer aufgehäuft^ darunter Blöcke von ungeheurer Grösse.
Im Hintergrunde der Mulde trat aas tiefer Schlucht ein machtiger
Lawinenfirn vor» aus dessen schmutziggrauem Fusse sich mühsam ein
Wasserfaden hervorwand» um alsbald wieder zwischen den Blöcken des
weiten Rinnsales zu versinken.
Keine Spur von Pflanzenwuchs unterbrach dieses schreckbare Bild
gewaltigster Zerstörung; nur in der eigentlichen Sohle zog sich zu bei*
den Seiten des Rinnsales einiger Graswuchs hin; aber kein zusammenhän-
gender Rasen mehr» virie in der Tiefe, sondern vereinzelte Halme» die
nur stellenweise so dicht wurden» dass sie den weissen Sand ganz-
bedeckten.
Kein Vogel zwitscherte hier» kein Insekt schwirrte mehr» nur ab-
stürzende Steine unterbrachen manchmahl die beklemmende Stille; wäre
ich allein gewesen» es würde mich das Geräusch meines eigenen Fuss-
trittes erschreckt haben.
Gleich beim Eintritte in diese ergreifende Oede erstarb uns Allen
das Wort auf den Lippen» und eine geraume Weile schritten wir sprach-
los vorwärts.
Canin» dem dieser AnblicJ^ nichts Neues war» kam zuerst wieder
zu Worten.
Er zeigte mir seitwärts eine Art Kasten» welchen er gleich vielen
anderen Sennen dieser hohen Schafalmen lorgerichtet hatte» um sich zur
Regenzeit» oder falls er hier mit den Schafen übernachten muss» darin
zurückzuziehen. Ich ging hin» ihn näher zu untersuchen. Es war eine
Art von Kotschenkasten aus Fichtenrinde verfertigt und auf eine Trage
aufgesetzt» gerade gross genug» dass ein Mensch sich hineinkanem oder
legen konnte. — Er hat ihn natürlich unten in der Hochwaldregion an«
gefertigt und mit seinem Sohne hier beraufgetragen. Wann er die Alm
verlässt» bringt er ihn in seine Höhle zurück» damit er weniger von der
Witterung leide» oder nicht etwa gar von den winterlichen Schnee«
massen zusammengedrückt werde.
Erwägen wir» dass es in dieser Höhe auch im Hochsommer gegen
Sonnenaufgang öfter friert» so können wir wohl begreifen, dass selbst
so abgehärtete Menschen» wie diese Schäfer» die Nacht nicht wohl im
Freien zuzubrii^en vermögen.
Auf meine Zweifel» ob es denn überhaupt der Mühe werth sei» die-
ser wenigen Gräser wegen hier heraufzutreiben» entgegnete mir Poalo»
dass er gleichwohl Emen Tag in der Woche genügende Weide fiir seine
Schafe finde, und dass er, wenn er £e«e Mulde nicht benutzen wfirde,
die Viehzahi Termindern niüsate.
Durch die hintere Schlucht führte uns Canin, zum Theil auf dem festen
Firn, zum Theil auf kaum betretbaren Steigen, die wahrscheinlich nur
ihm genau bekannt waren, auf den Gipfel. Seine Voraussagung* traf ein;
der Wind hatte den Scheitel dieses gewaltigen Berges völlig rein
gefegt
Ich besorgte so schnell als möglich meine Arbeiten, und alsdann
traten wir ohne Verzug wieder den Rfickweg an, dem freundlichen Canin
bei seiner Höhle ein herzliches Lebewohl sagend. — Als wir wieder die
Hochwaldregion erreicht hatten, begrnssten wir die schönen Bäume und
die reiche Vegetazion gleich ebensovielen wiedergefundenen Freunden;
wir fehlten uns freudig bewegt, wie der von einer langen Seereise zu-
rückgekehrte Familienrater beim langersehnten Anblick seiner Lieben,
und scJion dazumahl ward mir klar, dass jene Hochregionen nicht ge-
schaflfen sind far den dauernden Aufenthalt der Menschen. Sie erschüttern
das Gemüth und erheben den Geist; aber die Seele musste bald erliegen
der gewaltigen Wucht dieses Eindruckes. — Die höchsten Regionen mit
ihrer ertödtenden Einsamkeit sind wie die Arzeneien; zur rechten Zeit
und massig gebraucht erkräitigen sie, geben dem Kranken die Ge-
sundheit wieder; aber als tagliche Kost würden sie auch den Gesünde-
sten krank machen.
112
Bergbau der Älpea.
Die Alpen erfreuen sich unter allen Ländern nicht nur des Kaiser-
reiches, sondern des ganzen Erdballes des reichsten Bergsegens.
Sie erzeugen (dem Wer^he nach) ein Drittel der Bergprodukte des
Reiches, und während in. den übrigen Landen ein Bergsegen von 8450 G.
und von O-? G. auf die Meile und den Bewohner erfiiessen, ergeben sich
in den Alpen statt dem 6930 G« und 2*» G., also etwa drei mal so vieL
Aber nirgends gilt das Sprichwort: »Nicht Alles ist Gold, was gleasst*^
so sehr, als eben beim Bergbaue. Nicht das kostbare Gold und das Silber
sind es, welche diesen reichen Segen spenden, sondern gerade die ge-
meinsten Bergerzeugnisse, nämlich das Eisen und das Salz. — Das Eisen
liefert 6'/t Millionen Ertrag, und somit die Halbscheid des montanistischen
Volkseinkommens, das Salz 3 Millionen, also ein weiteres Viertel; so dass
alle übrigen Produkte zusammengenommen nur erst das vierte Viertel aus-
machen. Unter diesen letzteren sind noch von Bedeutung: Quecksilber,
Blei, Steinkohle und Kupfer; Gold und Silber schaffen kaum das Einkom-
men von 70 Tausend Gulden, also nur ein halbes Prozent des ganzen
Bergbauertrages,
»5
Dia rddio Bifeneneuf aD|; ifll bagrftndet einerseits in dem Ueber-
fl^BBe Tortrefflicher Eisensteine nnd andererseits in dem gössen Waid-
reiclithome der Gegenden, in welclien diese Steine eben vorkommen, Steier-
mark mit seinem anbezahlbaren Erzberge, und Kärnthen mit den soge-
nannten Eisenwurzen ragen bierin fiber Alles hervor. Aus ersterem allein
schon erschmilzt man j&hrlich 550,000, und aus dem letzteren 400,000 Ztnr.
des trefflichsten Roheisens, aus einem Erze, das nur etwa steinbruehartig
(also mit den geringsten Kosten) gewonnen werden darf, und Cbei ausge-
zeichnetem Betriebe) kaum 9 — It Raumfuss Weichkohl (auf den Ztnr.
Eisen) erfordert
Den reichen Salzban dankt man den ausgiebigen Salzlagem Ober-
östreichs, Salzburgs und Nordtirols, aber nicht minder auch dem dortigen
Wiiderreichthume, der die ungeheuren Holzmassen abgibt, die dort uöthig
fallen , um die Salzlauge zu verkochen (eine Klafter auf 81 Ztnr. Koch-
salz.) —
Auch die übrigen Metallschmelzen danken ihren Flor mehr oder we-
niger dem Walde, nur der Steinkohlenbau steht in dieser Beziehung
ganz unabhängig da; im Gegentheil tritt er immer ausgedehnter für den
Waid selber auf, der Volkswirthschaft jenen Theil des Brennstofies lie-
fernd, welchen die Forste heutzutage nimmermehr abzugeben vermöchten.
Wie enge Eisen- und Salzerzeugung an die Forste geknQpft sind,
geht am besten daraus hervor, dass erstere dermalen bei SU Millionen
Raumfusse Holzkohlen d. i. nahezu eine halbe Million Klaftern Holz und
ebensoviel Joche Forst braucht^ und letztere gegen 80 Tauaend Klaftern
Hotz und Joche Wald; wobei nicht vergessen werden darf, dass Mineral-
kohlen und Torf zwar sehr wohl beim Salzsieden, nicht aber bei der
Roheisenerzeiignng verwendet werden kdnuen«
Die folgenden Tafeln mögen den Umfang, die Einzelheiten und den
▼4dk«wirthschaftlichen Ertrag des alpiniscben Bergbaues andeuten.
Sie enthalten zwar nur die Ergebnisse d. J. 1M8; da aber der Berg-
bau der einzelnen Jahre keinen wesentlichen Schwankungen unterworfen
ist, so dürften sie den gegenwSrtigen Stand desselben immerhin, darstel-
len können.
t56
Bersbaa-BraeiiciiiiiP Aes Jahres 1848
Unterst-
Oborjitt-
reich
reich
Salibug
Sttforaark
Tirol
Ilntlhfli
Gold • . • .
Ai^dMJt
AlpeiliNa
Zentner
_
.
Ö.f7
0.0S6
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0.«
Silber . • .
—
—
1.43
2. ip
3.«
0.0»
Quecbiilber . .
—
-*
Kupfer . . •
—
—
1.400
610
2.200
—
Ziok ....
-.
470
4.300
—
Zinn ....
.^
.._
—
Roheisen . • .
22.000
—
32.000
863.000
49.000
689.000
Gusfleisen • •
^
„—
2.300
20.000
7.300
18.000
Alaun. . • •
700
..
20
900
—
—
Eisenvitrioi . .
600
.~
— .
Kupfervitriol •
—
—
—
600
—
—
Antimon . . .
— .
—
600
-»
—
180
Kobalt . . .
.»
...
-^
260
—
.»
Blei ....
..
2.100
63.600
Bleierze . . .
—
—
.—
—
—
—
Giette • • •
.^
—
-^
«.
60
—
Gallmei . • .
..
«»
4.900
00
Zinkblende . .
..
—
500
..
60
—
Schwefel • • .
»
—
1.000
30
_
40
Araenik • . .
_
_
^
—
Grafit. . . •
200
—
240
_
1.000
Steinkohlen . •
1.113.000
220.000
2.000
847.000
62.000
678.000
Steinaala • •
..
6.400
—
2.700
300
—
Meeraals. • •
—
—
263.000
~.
—
—
Sudaals . <, ^
1 Zentner
Summei
—
806.000
228.000
241.000
—
1.136.000
1.033.000
303.000
1.964.000
373.000
1. 200.000
IGeldwertli
261.000
1.630.000
790.000
3.903.000
920.000
2.S68.000
Rfickaiehtlich dea Reichea iat die Erzeuiping der Kronlünder Ungarn » Siebes-
bürgen, Kroatien, Slavonien und Serbobanat dem J. 1847 entnommen worden.
Sammtliche Angaben aind genau, mit Ausnahme Jener Ober die EiaenerxengUBf
dea Reichea y indem hierfiber Ana Ungarn und dem Serbobanate nur unvollaUlDdige
BeHchte einliefen.
Die Erzeugniaae aind nach den Preiaen bewerthet, um welche aie durchachallU
lieh wirklich verkauft wurden. «— Nur beim Salz wurde von den inlindiachen Ver«
kaufapreiaen ganz abgeaehen , weil aie Monopolpreiae aind. Statt dieaen Iat daa Mit-
tel aua den höchaten Preiaen genommen worden, um welche die Regierung daa Salz
Ina Aualand verkauft (60 kr. daa Stein-, 2 G. 16 kr. daa Sied -, und 1 G. 65 kr. daa
Meeraalz), und jenen, weiche aich herauaatelien , wenn aie bloaa die geaammten Ko-
aten der Erzeugung und dea Verachleiaaea rückaichtüch Stein- und Sud-, und jene
dea eigenen Einkanfea rfickaiehtlich dea Meeraalzea vergütet haben wollte (42 kr.,
1 G. 46 kr. und 23 kr« aUtt 63 kr.) Die in aolcher Weiae abgeleiteten Preiae aiad
Jene, welche daa Salz wahracheinlich bitte, wenn ea kein Monopol wfire; aie atehen
in genauem Verh<niaae zu den Erzeugungakoaten der vemchiedenen Salzgattungea
(22 kr. beim Stein-, 66 kr. beim Sud-, und 28 kr. beim Meeraalze), und würden der
Regierung immer noch einen Reinertrag von etwa einer Million Gulden oder 16 Proa.
der Regieaualagen alcheratellen.
«67
tai leBtaem md Golden Geldwerth.
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15.600
1.300
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732.600
500
2.400
30
5.000
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6.000
3.080.000
2
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13
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30.000
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563.000
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2.724000
2^927.000
974.000
2.844.000
276.000
46000
11.063.000
2.712.000
166.000
52.000
76.000
36.000
121.000
623.000
122.000
337.000
13.000
30
144. 000
12.000
59.000
2.514.000
2.464.000
647.000
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6.662.000
25
27.150.000
228.000 12.210.000
12.210-000
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35.500.000
35.500.000
Roliertrac (TollLseinkoiiiiiieii) des Rergbaaes
der Terschiedenen Lkndergrnppen des Reiches.
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2.194000
2.470.000
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2-063.000
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731.000
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0.»
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37.600.000
36.500.000
3060
0-9S
17
K»
113
Steinkohlen.
Die ung^emein rasche Steigerung der Holzpreise hat den Steinkohlen-
bau auch der Alpen in neuester Zeit in hotien Flor gebracht , denn sie
zwang die Industriellen, diesen Brennstoff in grösserer Ausdehnung an
Holzesstatt zu verwenden, vermehrte also ausserordentlich die Nachfrage,
sie gestattete eine weitere Verfuhrung dieser Kohlen, und sicherte den
Kohlenwerken reichlicheren Ertrag.
Steinkohlenerzeagaiig der Alpen.
UnterSstreich •
i8«0
1840
1849 1
Taueode
TfB
Zeitien.
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UUe.
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1
ZaaammeD |
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Zahl 4er
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Oberöatreich . .
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62.4
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Steiermark. . .
390.0
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KraiD ....
2.0
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760.
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Veneaien . • .
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AlpeD.
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195.0
2
454
208
1.908
2.116
60
260
8020
8280
80
^^^^^^^^^^
^maam
i
^^^^
Die Brennstoff verbrauchende Industrie der Alpen verdankt den Auf-
schwang, welchen sie in neuester Zeit gewonnen hat, gröostenliieils den
Steinkohlen^ ja man kann fftglich behaupten, dass sie ohne diese nicht ein-
mahl in der Ausdehnung der früheren Jahre fortbelriebeai werden könnte,
was in der Abtbeilung „Forste'' noch näher auseinandergesetzt wer-
den wird.
Von grossem Einflüsse aber auf die Volkswirtbschaft der Alpenlftn-
der bleibt es, dass alle Kohlenbaue nur in den Vorbergen vorkommen, ond
dass die eigentlichen Hochbeirg^ und insbedondere der Hauptstock der
Alpen völlig kohlenlos sind.
S5i
KoU-PTi^ise.
Jeder Zentr. kostet
an der Grube
Kreuser
fikb«rarakoble B rannkoble
Unteröstreich
Oberöfttreicfa
Steiermark
Kariithen •
Krain
Tirol . .
Lotfibardie
Venedigs •
Alpen .
85
85
80
80
18
11
8
6
16
11
17
84
li
■Itskrafit der Kohlen.
Biner Klafter Weicbholzes kommen
gleich t Z<*niner
Schwarzkohle unter öster-
reichische • . . 9—10
beste steiriacbe von
Loeben, Eibiawald
Fuhnadorf • • 9—18
Braun- Jmittlere ans
kohle. \ Unter&streich . 14—15
Lignit (bitnminöa.
Holz) Glockniz
Zillin^rad. Neufeid 15—80
Mittel der Alpen 14
Die in den Alpen erbauten Steinkohlen ersetzen daher 834.000 Klaf-
ter Weichholz, leisten also die Dienste von eben so viel Jochen Forst
Die Steinkohle hat nun geg'enuber dem Holze jedenfalls das für sich,
dass sie nur halb so viel wiegt^ als das Holz gleicher Hitzkraft, sich also
auch zu Lande etwa doppelt so weit vom Erzeugungsorte weg verfuh-
ren lässL
Hingegen lässt sie sich nicht wie dieses triften; es kann also für
sie auch nicht diese wohlfeilste all^r Bringungsarten angewandt werden,
fdn Transport, durch weit'hen es öfter gelingt« das Holz ungeachtet sei-
ner Schwere wieder doppelt so weit zu bringen, als die Steinkohle.
In sehr bedeutendem Nachtheile steht aber die Mineralkohle in Ver-
gleich mit dem Holze dadurch» dass sie nur an wenigen Orten erbaut
werden kann, während Holz auf allen Punkten der Alpenlande erzeugt
wird. Die Forste sind allenthalben über die Alpen zerstreut; die Stein-
kohle hingegen kommt in den eigentlichen Hochbergen gar nicht vor,
und selbst in den Vorbergen nur an 38 Orten in beträchtlicher Menge.
Der Mineralkohlenreichthum kommt also in der Regel nur dem nicht sehr
ausgedehnten Umkreise der 38 Hauptbaue zu Guten, und nur das Erzeug-
niss jener Baue, welche in der Nähe der schiffbaren Ströme, also in
den Alpen nahe der Donau — gelegen sind (wie die meisten unterösterrei-
chischen Gruben) kann stromabwärts sehr wohlfeil und somit auch
in sehr ferne Gegenden gebracht werden.
Thatsächlich verdoppeln die Transportkosten den Steinkohlenpreis
beiläuGg: bei Flössung nach 88, bei Verschiffung nach Thal bei 14, bei
Eisenbahnverfrachtung nach 11, und beim Axtransporte gar schon nach
10—7 Meilen Fracht
Ueberdiess zieht die Verfrachtung der Mineralkohle je nach der Be-
schaffenheit derselben und des Transportmittels einen Schwand von 8—10
Prozenten nach sich; und Steinkohlenvorräthe müssen in der Regel unter
Dach gehalten werden, während Brennholz im Freien gelagert wer-
den kann.
17 ♦
MO
Endlich hat anch die Steinkohle bei Weitem nicht den G^ad der
Verwendbarkeit des Brennholzes und der Hohkohle; zur Schmelzung^
der Metalle kann sie nicht verwendet werden, und selbst zur Umwand-
lung des Roheisens in Schmiedeeisen fordert sie eine völlige Umsraltung
des Huttenbetriebes; ihr Schwefelgehalt macht sie minder tauglich zur
Heitzung der Dampfmaschinen, ihr starker Aschengehalt schadet ihr bei
anderen Prozessen, und in den Haushaltungen wird sie ewig tief unter
dem Holze stehen.
Das Alles muss berücksichtigt werden bei der Beurtheilung der
Mineralkohle ah» Ersatzstoff des Holzes und der Holzkohlen.
Gleichwohl steigt der Verbrauch der Steinkohle von Tag zu Tag.
Die Industrie sinnt alle Mittel aus, um durch ihre möglichste Verwen-
dung den eigenen Betrieb weiter auszudehnen und zu verwohlfeilern ,
wozu sie durch die aussergewöhnlich steigenden Preise, ja durch den
theilweisen wirklichen Mangel des Holzes auch aufs Mächtigste gespornt
wird ; und so kann man denn der Mineralkohle auch in den Alpen eine
rasch wachsende Ausbeutung voraussagen.
Man wolle sich aber nicht täuschen und dieserwegen auf ein Her-
abgehen der Holzpreise hoffen; die Mineralkohle wird neben dem Holze
kaum hinreichen, den wachsenden Brennstoffverbrauch zu befriedigen;
die Mineralkohle wird die Fortfuhrung des jetzigen Industriebetriebes und
seine noch weitere Ausdehnung ermöglichen, sie wird uns vor vollends
unerschwinglichen Brennstoffpreisen bewahren, aber Holz- und Steinkob-
lenpreise werden im Allgemeinen nicht fallen, sondern noch fortwährend,
weun gleich massig steigen.
Dazu wirken die Steinkohlengrubenbesitzer auch mit, denn sie
fahren mit ihren Preisen jenen des Holzes kläglich nach.
(01
11*
Industrie.
Wertli der Indastrieerjseugnifi^fi^e
(VolkseinkommeD aus dep Gewerben.)
der verschiedenen Ländergrappen des Kaiserreiches.
Beiliu6gpe Angaben nach den Tafeln der k* k. Direktion der administ. StatiaUk«
Vnteröatreich, Alpentheil
Geldwerth d* Kneng.
Landes-
i&€lie.
Meilen,
Bewohner.
Zahl.
Gewerbsein-
kommen
auf Jede
rabrikiD.
UiiMie fiewirk
mwvnra» ■vciwiapi
Millionen Gulden.
Meile
Kopf
18
61/,
24%
173
646.000
142.000
46
Salzbarg y Alpentheil
Oberöfitreicha . • •
121/,
7
191/,
240
624.000
81.000
37
Steiermark • . • .
15%
9
2ii/,
391
1/023.000
63.000
24
Kärnthen und lürain .
16%
8%
24
353
796.000
68.000
30
Tirol
18
8
26
492
864.000
54.000
30
Bergland der Lombardie
u. Venezlena dann Görz
35
20
55
412
1/570.000
133i000
36
iW/i
69
173%
2060
5/320.000
84.000
33
Nordweatiande • . .
246
84
330
1646
8/048.000
201.000
Nordoatlande • • .
40
16
56
1560
6/331.000
36.000
Oat- und SQdoatiande •
87
76
163
5601
14/497.900' ^
29.000
luliache Ebene . . .
106
60
156
430
3/620.000
360.000
Karatlande ....
Kalserrelcli . .
7Vs
5
12%
309
731.000
40.000
600
290
890
11.600
37,600.000
77.000
23%
Der sehr theure Tagelohn , die mit ihm in V^bindung stehende
Dünne der Bevölkerung, dann auch die Schwierigkeit und- somit Kostbar-
keit der Transporte, sind in den Hochbergen der Industrie nichts weni-
ger als günstig. Daher bestehen dort auch (mit der alleinigen allsogleich
erwfthnten Ausnahme) fast gar keine Fabriken, und nur die gewöhnlichen
Kleingewerbe werden allenthalben betrieben, aber selbst diese nicht im-
mer in der Ausdehnung der übrigen auf gleicher Entwicklungsstufe
stehenden Kronländer.
Nur ein Haupts weig der Industrie steht in den Alpen in grösster Blüthe,
d. i. die Verarbeitung des eigenen Metallreichthums in Halb- und Ganz-
iabrikate.
Der ungeheure Relchthum und die verhältnissmässige Wohlfeilheit
des von diesen Industriezweigen in grosser Menge geforderten Brenn-
stolfes; dann das Vorhandensein des rohen Metalles und selbst der lieber-
te9
fluM an Wasserkraft sind diesen Gewerben so günstig, dass sie an-
standslos die hohen Tagelöline bezahlen können, und dadurch sehr we-
sentlich das Volkseinkommen dieser Berge erhöhen.
Von sonstigen Gewerben spielt in den Hochbergen nur etwa noch
die Holzwaarenerzeogung eifte Rolle, denn Anr diese liefert Einiges in
die Neb(*.nländer und selbst ins Ausland.
Anders ist es jedoch am Fusse der Alpen.
Wie hier Land und Leute überhaupt immer mel.r das Gepräge der
angrenzenden Flachländer annehmen, so auch in der Industrie. Darum
zahlen auch die Vorberge schon zahlreiche Fabriken jeder Art, die nörd-
lichen insbesondere Baumwoll- und Flachsspinnereien und Webereien, die.
südlichen Seidespinnereien und Manufakturen.
115
Eisenindügtrie der Alpen.
Halbfabrikate des JT. 1941
lausende ?ea Zentnern.
Geldwertb
dieser
Stabelaen 1
Stahl
1
Vfein-
Schvtn-
Zus.
Waaren:
Gulden
UalerÖAtreich
Gew.
Will.
Wieli.
W«A
leMl-
Gh.
Simk-
Girb-
Bik-
80.,
10.5
- 18.,
—
2.5
—
••4
107 6
1/OO0.2OO
Oberöttreich
Salzburg
Ö2.,
6-0
•*
10.9
—
—
—
—
20.3
8S.4
759.500
Steiermark .
305.6
22.0
1.0
42.0
—
0.7
3.,
2Ut
70. „
• 440.4
4,221.400
üaratbeD
182.9
71.3
0.,
*.4
—
0.7
19.,
—
«8.«
436.5
2/147 jm
Krain •
«7.6
—
—
—
0..
—
19.5
—
3.,
51.«
454 000
Tirol . .
37. e
—
—
—
—
0.«
*—
0^
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46.3
447.700
■Lombardie
Alpen.
101.«
3.0
—
—
1.0
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—
U
—
104..
1/089.000
788.,
112.8
l.«
76.4
li
4.1
W.3
»2-3
13S.7
1009.9
10/177.300
§earb
Ditetes
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fUrikatioB.
TenrendeU
Roke
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Halbfal
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Tausende
Werth
Tausende
Werth
Tausende
von
in
von
in
Gulden.
von
Unteröstreicb
Zentnern
Gulden.
Zentnern.
Gulden.
128.$
385 600
107. s
1,060.200
674.700
7215
Oberöstreicb
Salzburg
100.8
3.35.300
83.4
757.500
422.260
6098
Steieroiark .
642.4
1^8.000
440.4
4;»1.400
2^13.400
17891
KSrnlhen
3W5
990.300
236,$
2447.500
1/157.200
11415
Kraln
68.0
190.400
61. s
454.000
263.600
3011
[Tirol . . ^
61.9
206.500
46.3
447.700
241.200
1784
Lombardie
130.,
433.700
104.,
1,089.000
655.300
5010
Alpen
1.381.0
4/349.700
1069.,
10/177.300
5,827.600
42424
Kohtoaaiifwaad auf JedMi Zentner Waaro. |
Unter- u. Oberöatreich
Raumfusae.
RthMiea.
Priidi-
eitel.
Stnek-
liiao.
Raiutabl.
fiirbeitaU
Ziiaammen. H
Biber-
wagoDfr
Rafliii.
mag.
Sinaei.
Steiermark. . . .
16-20
30-36
39—42
23
18V«
40
59
Kärothen ....
18
35
9V,
45
—
18
48
66
Krain ......
18
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12
48
—
18
58
76
Tirol
17
36
4%
46
17
89
56
Lombardie
16
35
9
—
—
16
48
61
Salzburg
Alpen Ina niftel .
23
47
V/t
—
—
23
Ö4«A
77
19
35
t
9
40
2^
19
40
59
Clansfabrikate des J. 1841.
IMerdOreleh . . .
Oberöatreich, Salzburg
Steieriaark «...
Kärnthen
Kr^in . . . . . .
Tirol . . . . .
Lombardie ....
Venedig ....
Alpen*
lausende Tan Zentnem.
Geld-
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dieser
Erzeug-
nisse.
Gulden.
Tirrea-
4tlt
Kohlen
Taateade
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fussen
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SidielB,
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SeBfü'fei
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3.0
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1-0
75
80
36
17
21
8
22
4
t/800.000
1,600.000
800.000
300.000
25#.00O
350.000
50^.000
200.000
4.000
4.000
3.300
900
1.600
800
2.000
300
79.5
21.,
60-,
44.3
67.0
263
5,800.000
16.800
Diegeaammte Elaenindnatrie fordert dah,er einen Kohlenaufvi^and von ettva
60 MillfO^en Raumfiisaen, zu deren Erzeq^ung gegen eine Million Klaftern
Holz nothwendig fallen. Berückaicktigt man aber, daas auch 310.000 Zentner
mineralische Kohle und Torf verwendet worden sind, ao erglebt sich das Holz-
erfofdefiilBa Ton bloaaen 970.000 Klaflem.
.0er WeHIk der zum achlieaalichen (anderweitigen) Verbrauch« kommen-
I3en Erzeugnisse der Eisenindustrie dfirfte etwa auf 12Vs Million angeschlagen
werdeft--k&n«ea , und da das hiezu verwendete Roheisen gegen 4% Million
werth ist, so wird daa Volkseinkommen durch weitere Verarbeitung des Roh-
eisens um eVwa 8 Millionen Gulden erhöbt.
Seit 1841 hat die Eisenindustrie neuerdings bedeutenile Fortsdiritta
gemacht^ sie dürfte beute gleich der Eisen-Urproduktion gegen ein Drittel
mehr erzeugen; wonach die obigen Hauptdaten durchaus erhöht werden
müssen.
Hiezu ist aber zu bemerken , dass der Brennstoffverbrauch (auf den
Zentner) Dank mancher durch die steigenden Kohienpreise hervorgerufe-
ner Betriebsverbesserungen geringer geworden ist, und dass auch die Ver-
wendung der Miueralkohlen und des Torfes bedeutend zugenommen hat,
so dass die von der Eisenindustrie dermal verbrauchte Holsmasse Eine
Million Klaftern nicht sehr viel übersteigen dürfte.
116
Seidenban un« Seidenindiutrie.
Der reiche Segen, welchen der herrliche Seidenbau über die öster-
reichisch-italischen Lande ausgiesst, flUlt auch über den ganzen Südabfall
der Alpen.
Dieser erzeugt folgende Menge GaletCen :
Hodiboir|o Torfcergo
Zentner
Südtirol
Lombardisches Bergland
Venezianisches Bergland
Görz
1^.600
15.400
90.000
6.000
stooo
88000
3-500
54.500
860M
—
tooo
«WO
SfidAb- i Ganze Galettenerzeugung S4100 153.900 178.000
fall der ^Meilen- Fläche 333 Stt 557
Alpen. ^Erzeugung einer Meile • 7% 700 380
Da der Werth eines Pfundes Galetten zwischen 48 Kr. und 1 Gulden
schwankt und im Mittel vielleicht auf 54 Kr. angenommen werden könnte,
so gibt der Seidenbau der Südalpen die ungeheure Rente von ]• MilKo-
nen Gulden, oder auf jede Meile Landesfläche in den Vorbergen 63.000,
in den Hochbergeu 7000 Gulden.
Hlevou entfallen etwa 46 Prozente auf die Kosten der Blätter und
54 auf die Raupenarbeit.
Der Ertrag des Seidenbaues vertheilt sich auf die Meile Landes bei-
läufig wie folgt:
Hocilorgs /^rtsifs^
Gulden
Reute der Maulbeerbaume (Werth des unfesammelteii
Laubes) • . . . . C.660 BS.900
Laubsanunlungskosten . . • 560 5.100
Raupenarbeit 3.780 34.000
7.000 63.000
Dft wach die lUapennrlmt vom Landwirthe verrichtet vrird, bo kommt
e^entlieh die ganze Seidenbaurente der Feldwirthechaft zu Oate» und da
die Maolbeerliaamsacht nur eine ganz unbedeutende Arbeit erfordert, so
bleibt davon mehr ab ein Drittel als reiner Grunder trag zurück; was
AUes beweist» welch' unerschöpfliche Quelle des Reichthums durch den
Seidenbau erschlossen wird.
Das österreichische Italien verdankt unstreitig seinen ungeheuren
Reichthum hochüberwiegend eben dem Seidenbaue.
Im richtigen Verständnisse dieser Thatsache mehren sich von Jahr
zu Jahr die Maolbeerbaumpflanznngen» und man steigt mit ihnen immer
höher und höher in die Vorberge hinauf; denn, ist auch der Ertrag hier
ein iTreit geringerer, so bleibt er doch noch immer gross genug, um dieser
Kultur, gegenüber allen übrigen Bodenbenutzungen, gewichtige Vortheile
zu sichern.
Leider setzt die Rauhigkeit des Klima's der Hochlagen endlich der
Maolbeerbaumzucht ihre Grenzen. Der Winterfrost friert die Zweige
anfaBg» auf die erste und zweite, und endlich auch auf die vierte und
f&nfte Knospe zurück ab, und hier brechen selbst am Schafte schon Frost*
beulen auf.
An den grossen Vortheilen der Maulbeerbanmzucht hat ausser der
Milde des Klima's auch die weit grössere Reinheit des südlichen Him-
mels einen sehr gewichtigen Antheil; denn weil sie die Wirkung der
Sonne betr&chtlich verstärkt, so mildert sie auch in gleichem Masse die
Nacblheile der Beschattung, wesswegen denn hier die (in die Felder ge«
pflanzten) Maulbeerbäume den Kömer-, Frucht- und Grasertrag bei wei-
tem nicht in jenem Grade vermindern , wie das im Norden unausweich*
Hch der Fall sein würde.
Dieser ertragreiche Seidenbau begründet auch die dankbare Seiden-
hasplerei und Spinnerei.
Obiger Galettenertrag der Südalpen dürfte an Rohseide abwerfen :
JeatosT^ Yorth In Mdea
Vom Zentner Im Ganzen
Rohseide • 14.950 1.S50 18.700.000
Abfalle . . . S.S50 kk 100.000
17.200 18.800.000
so dass die Seidenhasplerei etwa 8. & Millionen Gulden eintragt.
. Durch die Spinnerei wird der Werth des Zentners Rohseide um
150 Gulden erhöht, daher denn der Seidenbau der Südalpen ein weiteres
Einkommen von C.ss Millionen in der Spinnerei begründet. Thatsachlich
ist dieses aber grösser, weil dort auch sehr viel Rohseide aus der Ebene
versponnen wird.
Man dürfte das gesammte Volkseinkommen, welches die Seide« bis sie
endlich an die Webereien oder an den Handel abgegeben wird, den Süd-
alpen liefert, auf 2t Millionen Gulden anschlagen können*
An ier Verarbeitung der gefirponheDen SeMe sn GanzfUbrikaten nimmt
nur Como einen hervorragenden Antheil: ea erzenst um f.« Millionen Sei*
denstoffe» Sonst sind noch Welachtirol und Görz nennenarweitb. Im Gau*
aen dürften in den Sudalpen um 3 Millionen Seidenstofle eneugpi werden»
wa« ein Arbeitaeinkommen von etwa 700.<Wd Gulden abwirft.
117
Holzwaaren - Industrie.
Ich verstehe hier nicht jene gemeinen Holzwaaren, Welche mit Hacke
und Sage erzengt werden, und in der Regel nur Halbfabrikate sind /son-
dern die feineren Ganzfabrikate.
Vor Allem sind hier die Kinderspielwnaren zu nennen, welche gan^
zen Gemeinden Erwerb geben und einen nicht unbedeutenden Handel be<^-
gründen.
Das tiroler Thal Gröden beschäftigt «500 Schnitzer und Dreher,
welche jährlich 2S00 — 3000 Zentner Berchtesgadner Waaren im Werlhe'
von. 100.000 Gulden erzeugen, wovon Vs ^<>^ Ausland abgesetzt werden.»
Die grödner Schnitzerei fordert vorzugsweise Zirbenholz. — Auch in den-
oberöslerreidiischen und aalzbnrgiscfaen Bergen beschäftigt die Holz-
schnitzerei viele Leute und belebt den Handel.
In den Sudalpen und in Krain werden für den Bedarf der welschen
Bbene und btriens; Siebe (Buchenholz), WaJssergeschirreCTanneniioln nie
buohenen Reifen), Peitschenstiele (Zirgelhofab), RegenschirniBtöcke (Jüchen-
hob) und sonstige Klein^^Holzwaaren emeugt
118
Handel
i: • • • ' ■
Abgesehen von dem inneren Waaren verkehre fthred die Alpenlande
vor Allem ihre reichen Bergbauerzeugnisne und die aus ihnen gefertigten
Waaren aus, dann Werk- und Brennholz, Vieh und einige Mflcherzeug-
nisse, endlich Seide (aus'^clen Sudalpen). — Dagegen fuhren aie viel Ge-
treide, Branntwein, Oel und Manufakturwaaren ein, indem sie^ diese nicht
in hinlänglichem Masse selber erzeugen.
Am grossen Handel mit dem Auslande können sie sich vermöge ihrer
Lage bor wenig unmittelbar betheiligen , bloss Botsen macht hieritt Ge-
schäfte. Dagegen nehmen sie wesentlich Theil am Speditionshandel zwi-
schen Triest und Italien und d^tti Norden des Reiches, indem der grossd
Triester Handelsweg nach Wien mitten dnrch Krain und Steiermark führte
und die grosse veroneser Handelsstrasse mitten durch Tirol.
Wie gross jedoch der Waarenumsatz sei, was er dem VoMtseinkom-'
men liefere, vermag dermalen nochBßemand in bestimmter Ziffer ankugeben.
' So viel iflt aber gewiss, dass die Alpen im österrelehischen Handel
keine grosse Rolle spMen»
Die Forste der Alpen.
119
WaldflildieB der Mpenlaiide.
Hawptstock.
Salzbarf. Hochberge
Obersteier
Nordlirol
OberkarntJien ....
Westebfiill.
Vorarlberg ....
Salzburg, Thalgau . .
Unteröjitreicb. Alpentheil.
0«t*bAiU.
UnUralfler . • • .
Unterkärnthen ....
Krain
Sadabfall.
SOdtirol
Venezlaniacbe« Bergland
Lombardisches Bergland
05rs .......
Fllfilie In MfiUeii:
Bewohner.
DleForstlllilM
hetrigt Pro-
seile ?om
Anfjilfli
jMk«
WtM.
4n
km
Mtü.
Ui^
tr^htrca
Uim.
lÖO
167
280
95
77
144
160
78
30-6
82.,
93.4
34.
83.000
184.000.
332.000
t30.600
30
49 .
34
37
40
57
58
45
s..
«•8.
44
37
Wi
107.000
27
•
33
i-.3
25
173
115
23
167
105
»•6
70.8
47.4
72-000
546.000
369 000
38
41
41
42
42
45
«30
223
85
174
215
82
165
94.5
38.,
69.4
830.000
198.000
468.000
42
45
40
44
47
42
168
173
188
51
115
116
136
46
62.,
39
54
9*
427.000
565-000
811-000
194.000
37
18
29
19
54
27
47
21
1-48
0.«
0...
0.«,
Ito« Alpenland versUelien ml« den ilbrisen ItAndersrappenll
des HrlcHea. |
\ Hauptfllock .
Alpen- T Westabfall .
land \ Wordabfall .
J Ostabfall .
f Sfidabfall .
Im Ganzen .
Ifordiveslianda ....
Ilalifiche Ebene ....
TVordostlande .....
Ostlande •....•
SiebenbQrren .....
Sfld ostlande ....
SMHche KaratlaBde , . .
Halserreleb • •
642
44
813
482
580
460
37
294
462
413
241
12
128
203
156
729.000
107.000
982.000
1.505.000
1.997.000
38
27
^1
42
28
53
33
43
44
38
iL"
«•3
2061
1625
430
1550
3734
955
912
809
1622
1571
413
1365
3090
712.,
744
296
740
463
16
429
1036
450
295
99
5.320.000
8.048.000
3-620.000
5.331-000
10.220-000
2.194*000
2.083.000
731.000
37
28
4
27
28
47
32
32
45
29
4
32
38
63
40
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11.600
9830
3520
37.600.000
. 30
36
0.9*
M8
Ungeheuere Fl&chen der österreichischen Alpen sind dem Silvan ge-
weiht Die Forste dieser Berge sind allein so g'ross» wie die 31 Gross-
herzogthümer« Herzogthümer» Fürstenthumer und freien Stadtgebiethe des
deutschen Bundes zusammengenommen.
Mit Forsten von 45 Prozenten des tragbaren Bodens siqd die Alpen
' die waldreichste Ländergruppe des Kaiserreiches. — Die auf gleicher Bo-
denkulturstufe stehenden Nordwestlander « obgleich auch Gebirgslander
und sehr wohl versehen mit Forst, haben gleichwohl nur 29 Prozente
des tragbaren Bodens der Holzzucht gewidmet. Selbst die auf einer weit
tieferen Stufe der Bodenkultur stehenden östlichen Länder, so wie die
vernachlässigten Kärstlande bleiben hierin weit hinter den Alpen zurück;
sie haben nur zwischen 3t— 40 Prozente.
Bloss die wenig kultivirte Hochgebirgsprovinz Siebenbirgen steht
über den Alpen; wobei aber nicht übersehen werden darf, dass ein sehr
grosser Theil der von diesem Lande als Wald aufgeführten Flächen ei-
gentlich nur Sehr vereinzelt mit Holz bestockte Weiden sind.
Der hervorragende Waldreichthum der Alpen ist ganz in ihrer Na-
tur gegründet.
Die Flachländer erheben sich nirgends, oder nur in wenigen verein-
zelten Punkten über jenen Höhengürtel, in welchem Acker- und Wiesbau
noch Vortheile biethen; die Flächen, welche wegen Steilheit oder Fels-
gründigkeit nicht hiezu taugen, sind weit kleiner, als der unumgängliche
Landesbedarf an Forst, und so hat man denn der Holzzucht nur so viel
Bodens vorbehalten, als nöthig ist, um einerseits den eigenen Bedarf zu
befriedigen und andererseits der Industrie und dem Handel jene Holz-
menge zuzuführen, welche sie noch um gute, d- i. um Preise zu bezah-
len vermögen, welche den Waldbau vortheiUiafter machen, ak Acker
und Wieskultur« Und weil letztere hier allenthalben dunkbare Erträge ab-
werfen, so sind diese Mindest - Holzpreise verhältnissmässig bedeuUmd;
m» beschränken also jedenfalls die Holzzucht.
Ganz anders ist es in den Alpen. Hier erhebt sieb der grössere
Theil des Landes hoch über den Gürtel des Acker- und Wiesbaues ; ja
unabsehbare Flächen selbst noch über den um anderthalbtausend Fuss hö-
her steigenden des Baurawuchses. In diesem letzteren Höhenstreif nun bat
der Wald gar keinen Kampf mehr zu bestehen mit dem Ackerbaue , und
nur die Sennerei könnte ihm dieses sein ureigentliches Gebieth streitig
machen. Da er aber seit der Zeit, als überhaupt ein solcher Streit
hätte beginnen können, meist schon mehr einträgt, als diese, so
ist ihm denn hier mit wenigen Ausnahmen die unbedingte Herrschaft
verblieben.
Zu diesem ausschliesslichen Waldgebiethe gesellen sich dann noch
jene bedeutenden Flächen der feldwirtbschaftlichen Region, welche wegen
übergrosser Steilheit oder seichten und felsigen Grundes oder wegen
gar zu schattiger Lage, dann zum blossen Schutze der darunterliegenden
Gebäude (Bannwälder), als Wald belassen werden. — Diese Flächen
sind zahlreich, denn die Alpen sind darchschmtdich weit «chroffer» als
die sanften Berge des Flachlandes.
Während in den wohlkultivirten Flachländern der heutige Wald«
stand mehr nach dem Holzbedarfe hemessen ist und der Holzzucbt die-
serwegen auch Flächen gewidmet bleiben, welche anter anderen Umstan-
den noch ganz gut ak Feld genutzt werden könnten; ist der grosse
Waldstand der Alpen nichts weniger^ als etwa in einem ursprünglich
gleich grossen Holzbedfirfnisse gegründet, sondern man dankt ihn den
der Feldwirthschaft ungüns^tigen Naturverhältnissen; der Waldstand ist
hier gewissermassen ein gegebener und man sachte erst nach Ver-
brauchsquellen f&r ibn und schuf sie durch Errichtung holzverzehrender
Gewerbe, durch Eröffnung der kostspieligsten und scharfsinnigsten Aus-
bringungswege. *) Es ist also hier in den Alpen, wie in den noch halb
unknltivirten Flachländern; nur dafis hier der grosse Waldstand nur in
dem ungünstigen Bevölkerungsverhältnisse liegt, mithin sich mit diesem
gänzlich ändern kann, während er dort mehr naturnothwendig, also
bleibend ist.
Darum ist in den Alpen gewöhnlich auch aller Boden, der nur ei-
niger massen als Feld verwendbar ist, auch als solches benützt, selbst
30—35 gradige Hänge betreibt man noch als Acker, 35—45 gradige noch
als Wiese, während man in den Flachländern die Abdachungen schon
zu Wald liegen lässt, wenn sie nur zwei Drittel dieser Neigung haben.
Die verschiedenen Alpengruppen sind auffallend ungleich stark be-
waldet Mögen hierauf auch die bedeutend verschiedenen Bedürfnisse der
Volks wir thschaft einen erheblichen Einfluss nehmen, so Kegt doch diese
Verschiedenheit auch gutentheils wieder in den Naturverhältnissen. —
Zweifelsohne ist die Bewaldung des HauptstoCkes auch darum eine so
ungleich ausgedehntere, weil hier Luft und Erdwärme nach Oben zu viel
minder rasch abnehmen, als in den Senkungen, somit also der Wald-
region ein breiterer Höhengfirtel verbleibt — Unstreitig ist der Wald*
stand des Nord- und des Ostabfalles der Alpen zum Theil darum ungleich
grösser, als jener des Südabfalles, weil im ersten das Vorwiegen der
schattigen nördlichen Abdachungen und im zweiten jenes der rauhen Ost-
seiten dem Forste günstig oder unnachtheilig, der Feldwirthschaft hingegen
ungünstig ist
Vergleicht man überhaupt die einzelneu Bewaldungsziffem der obigen
Tafel sowohl rucksichtlich des Prozentsatzes C^on der tragbaren Boden-
fläche) als auch rücksichtlich der auf den Kopf entfallenden Waldmenge»
so offenbart sich darin sichtlich eine Art Gesetz. Einige scheinbare Wie-
dersprüche lassen sich sehr wohl lösen. Ober Steiermark z. B. ist un-
streitig, darum viel stärker bewaldet, als alle übrigen Striche des Alpen-
*} A n m e r k II D 1^. Ich will hier Dicht den bisher QblicheD Ausdrack : „absoluter
WaJdboden*' gebrauchen, denn meines Erachtens gibt es eigentlich keinen
solchen, da der schlechteste Waldboden noch svr Weide taugt
htnptitocke«, weil dort die bHlheode EtseninditBtrie schon sdt ISßßgeret
Zeit mehr Wald fordert, als die Feldwirdisdiaft sa beiaasen penei^
wire; Beweis an dem, dass in den dortige gössen Staatsforsten unter
keiner Bedin^ng eine Rodong- g^estattet wird, dass Grewerken zahlreiche
Biuemg^er aofgekanft haben, nm deren Grondstiicke vorzog'sweise cor
Holzznefat f&r ihre Hfitten zn verwenden. Die welschen nnd besonders
die venezianischen Alpen haben dämm verhiltnissmassig- weniger Wald,
weil eine (.relativ) sehr dichte Bevölkerang- nm jeden Preis nach Grund-
besitz, nach Feldern nnd Weide ringend, die dortigen unabsehbaren Gre-
meindewSlder fiber die 6eb6hr angriff und sie unbedingt umwandelte, in-
dem das der einzige Weg war, sich kostenlos in den Besitz dieser FH-
eben oder ihrer Nutzung zu setzen.
120
F e 1 d k 9 1 X e r.
Nicht ohne Bedeutung sind in den Alpen die Feldhölzer.
Im nördlichen Theile begünstigt zwar das Klima keineswegs die Feld-
wirthschaftliche Holzzucht; gleichwohl aber laden in den Kalkbergen die
zahlreichen felsigen und steinigen Stellen der Felder zur Holzzucht ein,
odw vielmehr, sie ergibt sich dort von selbst.
Am unergiebigsten ist sie im Hauptstocke der Alpen, woselbst die
Ungunst des Klima's gewöhnlich sogar die Obstbäume verscheucht
Von einiger Bedeutung ist sie in den Vorbergen des Ostabfalles,
woselbst die ausgedehnten Hutweiden sie begünstigen und der grosse Be-
darf an Hackstreu den Landmann far sie stimmt.
In namhafter Ausdehnung wird sie jedoch in den Südalpen betrieben ;
woselbst die hohe Gunst des Klimans sie ohne wesentliche Beeinträchti-
gung der Feldernte möglich macht und eine Unzahl schlechtkrumiger Stel-
len sie von selbst hervorruft. Dort sind die meisten Weiden und selbst
sehr viele Wiesen mit Holz bestockt; sei es mit Buschwerk zu Futter-
laub und zur. Verzäuaung, sei es mit hochstämmigen Bäumen zur Nutz-
holzerzeugung.
Am Fusse der Südalpen treten dann noch die Unzahl lebendiger
Hecken und die zahlreichen Alleebäume hinzu, dann die Stützbäume für
die Reben ; die Maulbeer-, Kastanien-, Obst-, Oliven- und Lorbeerpflanzun-
gen; selbst die Rebe wird dort baumartig; und so sind denn jene herr-
lichen Gelände gleich der grossen italischen Ebene gewissermassen ein
ununterbrochenes Feldholz.
in
121
Holzarten der Alpen.
naeheiiTeraaitiiimi der Haupt -WaldKattan^en.
(Anoäbernde SaUea.)
JLlpen
Hauptfltock ....
Weatabfall . . • •
Nordabfall ....
Ostabfall
SQdabfall
Alpen
LavkwiUer
Hfchwilder
lUelwUddr 1
Dtvioiiitner
HiAwiM
Ai«
fiewfhnlielier
niHnirira
HMinfdd
Niederwild fl
Prozente des ganzen Waldstandes 1
1
9
25
6
1
6
%
2
7
4
7
9
18
2
84
7ft
78
50
41
6
1
10
7
—
14
9
67
3
Die Holzart aller Hol^rteo ist in den Alpen dieFichte; in des
eigentlichen Hochbergen bildet sie aosusagen alleiD alle Forste; was man
hier schlechthin „Holz'' heisst», ist jederzeit Fichte-
Dieser unschätzbare Waldhaum ist in diesen Hocbgebirgsforsten» wai
der schlichte Landmann im Staate: der pronklose» aber unenlbehrliche
„gemeine Mann«^, der, im Einzelnen zwar wenig beachtet und dmrcb Nichts
bervorragendy — darum auch öfter vornehm über die Achsel, angesehen, gleich-
wohl durch seine vielseitige Branchbarkeit wie durch seine ungebeiire Zahl
dia Grundkraft der ganzen Gesellschaft bildet.
Besch^en aber kaufest nimmt dieser Baum im Hauptstocke. alle
Schollen ein, kommt in allen Lagen fort. Hier finden wir ihn anf den
Sumpfe, zwar im kümmerlichen Wuclise, aber noch mmer zum g^snügen-
den Stamm erwachsend; dort auf dem ärmaten Kalkiela- oder Kalksand»
bodeo, zwar früh den Hauptwuebs abachMessend , aber noch immer ge-
schlössen und ertragreich ; hier auf der sturmbewegten Widdseite, zwar
die i ganze Krone nach Einer Seite gedrängt, aber noch immer ein starker
Stamqo; dort an der Baumgrenze, zwar kümmerlich und gebroohen, aber
immer noch seine Stelle ausfallend. — In ihrer grössten Vellk^Mamenheit
entwickelt sich die Fichte ai|f den sandigen Lehm- und anl den. Schiefer
höden windfreier, sanftabdachender Bergseiten, Kessel und Thaler in dem
etwa 500 Fuss von den Grenzen ihres geschlossenen Waldes abstehen»
den Höhengürtel.
In den Vorbergen wird sie zwar öfter durch die Buche, und aus-
nahmsweise selbst durch die Schwarzföhre verdrängt; freiwillig meidet
sie jedoch nur die der ganzen Wnth der Stürme biossgestellten ungeschütz-
ten Westseiten des Nordabfalles der Alpen, so wie die über ihre untere
Verbreitungsgrenze ' hinausgehenden Tieflagen des südlichen Alpen-
fiisses. —
Die Buche zeigt in den Alpen eine entschiedene Vorliebe für den
Kalk-Thonboden; weniger dass sie gerade vollkommener wüchse (als
z. B. auf den gemeinen Lehm- und Scbieferbddea)» sondern vielmehr da«
durch y dass sie auf den kalkigen Krumen in zusagenden Lagen häufig
Fichte und Föhre verdrängt, und die eigene Verbreitungsgrenze entschie-
den höher ausdehnt. — Diese Vorliebe geht so weit, dass sie dort, wo
sie wegen Bodenseichte, Windanfall oder Meereshöhe nicht mehr als
Baum leben kann, wenigstens als Strauch den Standort fest behauptet
Sie meidet zwar nur Eine Lage d. i. die den Stürmen völlig bioss-
gestellten Bergseiten, jedoch sagen ihr auch die weniger sturmbewegten
Stellen minder zu. Sie bleibt an solchen Orten sehr im Wachsthume zu-
rück und stellt sich sehr licht Die Buche ist zweifelsohne empfindlicher
für die Windbewegung als die Fichte.
Diese Eigenthümüchkeiten haben ohne Zweifel ihre dermalige Ver-
breitung vermittelt
Im Hauptstocke der Alpen, so wie im Westabfalle (sehr wenig kaL
kige Böden) bildet sie fast nirgends ganze Bestände, sondern kommt nur
zuweilen horstweise oder vereinzelt zwischen den Fichten vor. — Be-
standweise jedoch tritt sie schon im Nordabfalle auf (fast durchaus kal«
kige Böden) sich in windigen Thälern auffallend auf die sturmgeschützten
Ostseiten der Riegel siebend; an Ausdehnung gegen Osten fort und fort
zunehmend, bis sie in den Vorbergen Unteröstreichs (im Wienerwalde)
die weit überwiegende Bestockung bildet
Völlig herrscht sie in den Vorbergen des Ostabfalles (Kalkthonbö-
den), bildet hier wette Forste und sieht sich bestand weise und vereinzelt
auch zwischen, und mit der Fichte hoch in die Hochberge hinauf. In Un-
terkrain ist sie fast der ausschliessliche Waldbaum, in Mittelkrain nimmt
sie die Hälfte der Forstfläche ein*
Völlig heimisch ist die Buche auch im Südabfalle der Alpen (gröss-
tentheils kalkige Böden), auch hier ganze Forste zusammensetzend; das
häufige Vorkommen dürrer Kalkschuttböden beengt aber sichtlich ihre
allgemeine Verbreitung zu Gunsten der Fichte; und das felsig -flachgrün-
dige der dortigen (steilen) Hänge, ihr sehr hoheit Steigen, und der Um-
stand, dass die Mehrzahl der Abdachungen der herrschenden Windströ-
mung (Süd ^Südwest) offen liegt, nicht minder auch die barbarische Be-
handlung , welcher daselbst gar so viele Wälder verfallen, sind ihrem
baumartigen Aufwüchse entgegen, wesswegen denn die weiten Buchen-
wälder des Südens gewöhnlich nur Schlaghölzer sind.
Somit ivrinen Aeam bereits 4w HtupIfbhifUiiMe) .d. l JeiM ab^ehan-
Mi» am welchen die unabsehbareki Alpenfilrate gewihnlich ansaclilieMlich
oder doeh in ihrer Haiqi^lJnaMe beateteo.
Die L^fohre aeUieaal sich in ^laen Beat&«4e4i aa die Hodiwaldre*
gion an. Sie kommt zwar auf aUeti KrunMm iiad sogar attf den Moaern
vor, angleich besser sagea ihr aber die kalkigeu Böden und iiisbeseiadiwe
der SehttU eud der Fels des OolomilM suii Auf dieeen Kramen erscheini
ai« daher in viel auig^edehnlerem Masse und bildet insbesondere anf den
Doiomitböden manchmal sog^ar formliche Forete; diess am so leichter, als
alle fibrif en Holzarten sich ohnehin von diesen ScboUeü ^erne zur&cksie-
hen. Besonders auf diesen Böden sieigl sje zuweilen (auf Schutthalden,
Folaenriffen und Lawinenbahnen) bis in die Thaler herab. — Die |«ef-
(fthre scheint sehr wrajg vom fiUirme zu leiden j wenigstens weidKl eis
demselben nirgends.
Unter diesen Umstanden ist es sehr erkJarücb» warum da« Krummholz
Im Hauptalpenstocke nicht in grosser AusdehwuHg auftritt, dagegen im W<wi-
und im NoritobfaUe schon sehr bemarkenswerthe Flachen einnimmt; warpn
es «ndlieh im Südabfaile einen bedeutenden Thetf d#s Walds^odes bildet
Ihr eigenthümlicher Bodengeschmack» ihre UAempündlichkeit geg-e«
Sturm und Lawine und die ungewöhnliche laothermei auf wdch^ aie
nocJi steigt I machen die Legföhre zu .^iner, sehr an^kenwn|r^werth.en
Holzart, indem sie einen schätzbaren Waldwucbe auf fitelleo vermittelt,
anl welchen kein anderes Holzgewachs forUmkomnuen vermochte.
Die wenige Beachtung, welche man derLegßhire tiis vor. Kurzem aM
Holzgewachs schenkte, ist der Grund, warum Jfrqe jSestlmd^ gew<lhfplich
weder in der Volkawirthschaft, noch bei Gelegenheit der Ka^astrfilschltzuu-
gen als e%entlicher Wald betrachtet wurden; daher sie denn auch jn de^
Kntnstralhüchern ziAmeist unter deu ^Weiden.mpt Holzwuchsr vorkommen«
Dia Schwarz fdhre bildet auch Forste, aber,, ausschliesslich nur
i« .östlicbsteii Tbeile dea Nqrdabfalles.; in den übrigen ^If^nf trieben kommt
sie nicht einmal in Beßtftnden, sondern nur zu^ireilen vereinzelt vor. ~-
Diese niltzUdie Holzart liebt so hervorragend diß dofo^nUt^ohen Kai|ksoh|itt«
bMen, iIms sie fast ausschliesslich nur auf difMien erscheint. Hier begnügt
sie sich auch mit dem blossen Fels. — Gleichwohl m«wdet.|ijie den ausgepräg-
ten Dolomit. Die SchwarzlShre widersteht, da jedem .9jturme; siekonvnt in
nUeo Lsigen fort, liebt aber verzins weise die i^onmgen Hange; wesswegen'
de aufderSctoiatenseite der Serge, in den engen Thälern, so wie auf den
Hochebenen Weniger hoch wid nur vereinzelt vorkonMut und in den Scbinciv;
ten ganz fehlt
Wie gesagt, erscheint sie in bedeutender Ausdehnung nur im Ost*
lieheten unierftstceichischen Alpentibttle, hier ei^e Flacjl^e von eitwa tOJDO
Jochen einnehmend* Mit grossem Erfolge ist fiie ih auch auf dem nn?.
finioblberen (Kalk«) GeröBboden doff Steinfrldes (auf j^iebr .^fl tana/o^ Jocb
Fliehe) angenogen worden. In den öbrigen AJIpemitrjichen ist sie. ein seU
r^ im 'Htuptfetocke und im Westabfalle ein .fiiat nie gesehener Gast, ,
18
Die Erlen, unten die Schwara- und höher die WeiMerlen, siamen
sehr zahlreich die Ufer der B&che ein und bedecken die Sohlen vieler
Thäler, welche der Feldwirthschaft zu achmal sind; auch auf den quelli-
gen Hän|;en der Schiefergehirge bilden sie ganze Bestände. Ihr Vorkom-
men ist in dieser Weise gar nicht unbedeutend; diese Bestände mögen
vielleicht Einem Prozente der ganzen Waldfl&che nahe kommen. — Auf
den Schiefer- und den thonigen Böden tritt dann auch die Bergerle (AI*
penerie A. mridU) öfter zahlreich auf, hier dieselbe Rolle spielend wie
die Legföhre auf den Kalkbergen.
Die Erlen wuchern zuweilen inFichtenkahlschlagen^ deren Oertlich*
keit ihnen besonders zusagt, anfangs die herrschende Holzart bildend,
werden aber spiter von den dazwischen aufwachsenden Fichten ftber-
wachsen und bis zum n&chsten Abtriebe wieder völUg verdrangt
^ Die Weiss föhre erscheint zuweilen auf den sonnigen Hingen der
niederen Bergzfige in ganzen Beständen^ sich auch mit dem felsigsten Bo-
den oder mit dem Dolomitschutte begnügend* Höher hinauf steigt sie nur
sehr einzeln. Sie hSlt auch auf den Sturmseiten aus, meidet aber auffal-
lend die Schattenseiten der Berge und die schmalen Th&ler und Schluch-
ten» obwohl sie ausnahmsweise auch hier erscheint. •— Offenbar sagen
ihr die lehmigen Sandböden der Porfire, Sandsteine und gewisser Grau-
wackeabSnderungen am besten zu« — Manchmal bemerkt man sie auch
auf den Mosern der Hauptthäler.
Bei diesen Eigenthömlichkeiten ist es erklärlich, dass sie im Haupt-
stocke selten, dagegen oft in den Vorbergen auftritt, namentlich im san-
digen Hügellande von Untersteiermark und Unterkärnthen.
Die Tanne begleitet in der Regel nur vereinzelt Fichte und Buche,
in erwähnenswertherer Menge aber bloss auf den kräftigen Böden des
Mergeiscbiefers oder des bituminösen Alpenkalkes. In ganzen Bestanden
tritt sie ausnahmsweise in den unteröstreichischen Vorbergen (Wiener-
wald), häufiger aber in jenen Krains auf. -— Unzweifelhaft war die Tanne
vor Zeiten viel häufiger, und ist durch die immer mehr überhand neh-
mende Kahlschlagwirthschaft dann durch die grössere Lichtung der Plen-
terwälder (weiche das Eindrängen der Buche begünstigte) in ihrer Verbrei-
tung sehr beschränkt worden.
Die Lerche würde in Rücksicht auf Verbreitung eigentlich gleich die
Stelle nach der Buche verdienen. — Dieser herrliche Baum ist in den Hoch-
bergen der östreichischen Alpen in seiner ureigentlichen Heimath und ent-
wickelt daher auch hier seine ganze frische Kernigkeit und Ausdauer ; mit
vollem Rechte heisst man ihn die Eiche der Alpen.
Die Lerche liebt einerseits die lehmigen Sandböden, besonders aber die
kalkigen Krumen; auf den Kalkbergen wächst sie gar oft auf blossem Schutt
und Fels wunderbar freudig empor. Nasse Gründe aber flieht sie stets. —
Sie ist etwas empfindlich gegen die Stürme und meidet gerne die sturmbe«
wegten Lagen. -^Auffallend zieht sie sich auch auf die Schattenseiten der
Berge und tritt nur in der Hochregion auch zahlreich auf die SonnenseileQ«
f95
Die Lerche ist allenthalben in den Fichtenforst eingesprengt; im West-
ahfalle in geringster Menge, im Hauptstocke und in den Hochbergen des
\ordabf alles schon in grösserer Zahl» noch häufiger in der Hochregion des
Ostabfalles , am allerhaufigsten jedoch in den südlichen Hochaipen. Hier
bildet sie zuweilen 80 und mehr Prozente des Nadelhochwaldes und erscheint
•ehr oft in ganzen Bestanden. — In vielen Gegenden ist sie in Jungmaissen
sogar die herrschende Holzart, aber nur, 'bis diese Mittelhölzer werden.
Die Häufigkeit ihrer Samenjahre und der weite Flug ihres leichten Samens
(gegenfiber jenem der Fichte), bewirken nemlich, dass offene Böden sich
alsbald mit ihr anfliegen, wodurch sie bei der Ueppigkeit ihres jugendlichen
Wuchses natürlich der Fichte den Vorsprung abgewinnt. Diese jedoch hott
sie In der Folge wieder ein, und da erstere den dichten Schluss nicht wohl
vertragen kann, so gewinnt zuletzt diese denn doch wieder die Oberhand.
In den Südalpen wird die Lerche auch sehr zahfareich und mit vollstem
Erfolge auf den Bergwiesen , besonders an den Schattenseiten und auf stei-
nigen Stellen gezogen.
Die Kastanie wird in den Vorbergen der Sudalpen nicht nur ein-
zeln, sondern auch in ganzen Beständen sowohl als kolossaler Baum, als
auch als Schlagholz gezogen, weniger aber ihres Holzes als ihrer Früchte
wegen. Die Kastanienwälder nehmen dort etwa 60.000 Joche ein, betragen
also 4 Prozente des ganzen Waldstandes« In den Vorbergen de« Ostabial-
les und besonders im warmen Unterkrain kommt sie zwar auch vor, bil-
det aber nirgends ganze Bestände.
Und somit wäre denn die Reihe der in ganzen Beständen vorkommen-
den Hölzer geschlossen, und es wären nun jene zu besprechen, welche ge-
wöhnlich nur zwischen den Hauptholzarten eingesprengt erscheinen.
Der Bergahorn begleitet als stattlicher Baum vereinzelt die Fichte und
die Buche bis in die höchsten Höhen» In erwähnenswerther Zahl kommt er
jedoch nur auf den Kalkthonböden^ besonders im Ostabfalle der Ailpen vor.
In nicht uubeträchüicher Menge wird er auch auf den Wiesen und an
den Feldrainen zu Futterlaub gezogen, oder als Zier der Höfe und Weiler,
gleich der Linde im Xorden des Reiches. Auf den felsigen Hängen der
Kalkberge erscheint der Ahorn auch als Stockausschlag im Buchennieder-
walde und selbst auf Lawinenbahnen.
Die Zirbe, dieser Prachtbaum des alpinischen Waldstimdes ziert
allenthalben die Hochregionen der östreichischen Alpen. Wo Fichte und
Lerche schon längst zurückgewichen sind und selbst die Legföhre schon den
Alpenrosen Platz zu machen beginnt, wächst diese herrüche Kiefer noch in
ungebeugter Kraft stattlich und markig empor« Auf den Hochjöchern kni-
cken und zerreissen zwar Sturmeswuth und Blitzstrahl ihre Krone, beugen sie
oft tief darnieder, aber zu brechen oder zu vernichten vermögen sie sie nicht;
sie bietet ihnen Trot^, wie der selbstbewusste Biedermann den unverdien-
ten Schlägen eines unerbittlichen Schicksals.
Die Zirbe liebt die Schiefer- und die Lehmböden, besonders wenn
sie etwas tiefgründig sind oder Felstrümmer aum Untergrunde haben, sie
kommt jedoch auch auf den Kalkthonbdden — wenn gleich bei weitem
minder häufig vor; nur die KalkachuUböden (des Dolomites) meidet
•ie gan'ifi.
Als Baum der höchsten Region kommt sie natürlich nur in deu Hoch«
bergen vor, und bei ihren Eigenthümlichkeiten überhaupt tritt sie häufig
nur im Hauptstocke der Alpen auf, hier sogar einealne ganv kleine aber
lichte Bestände bildend. Im Uebrigen erscheint sie nur' einzeln oder hdch-
stens in Horsten unter der Legföhre oder ober oder mit den letzten Fichten
und Lerchen»
Die Zirbe hat unzweifelhaft an Verbreitung verloren, weil man ihrem
werthvollen Holze und ihren essbaren Nfissen zu schonungslos nachstrebte,
ohne für ihre Wiedernachzucht nur das Geringste zu thun ; die Sagen jedoch
von den ehemaligen grossen Zirbenwäldern, von den 160»0M Klaftern Zir-
benholz, welche die salzkammergutischen Salinen — ich weiss nicht zu
welcher Zeit des vorigen Jahrhundertes — zum Salzaieden aus den dortigen
Forsten bezogen haben sollen , gehören jedenfalls in das Reich der Fabeln.
Der geschlossene Stand der grossen Forste widerstrebt ganz der Natur der
Zirbe und offenbar müssten von jenen Forsten noch die Spuren zu finden
sein^. indem sich die 2Urbenstöcke vermög der eigenthümlichen Dauer dieses
Holzes und der ungemeinen Kurze des Soihmers jener Höhen ausserordent«
lieh lang erhalten.
Die Eiche (Stieleiche) erscheint im Hauptstocke der Alpen nur sehr
.einzeln in den Thälern, in den Vorbergen jedoch zahlreicher; im Ost- imd
Sudjbange selbst in kleinen Beständen , in letzterem jedoch gewöhnlich als
Schlagholz ; jedoch nie auf Dolomitböden. — In den Vorbergen des Südhan*
ges und Krains tritt sogar die weichhaarige Eiche einzeln auf und wächst
auf den seichten , trockenen und steinigen Kalkthonböden der dortigen Sfid-
hänge zum achtbaren Baum empor, der Bora Trotz bietend, wie ausser der
Schwarzpappel kein anderer Baum. In den warmen Lagen trifft man zu-
weilen auch die Zerreiche.
Die Brrke erscheint auf den Dolomitböden nie und auf den übrigen
k^alkigeu Krumen nur sehr selten« es wäre denn auf den Mergelschiefern;
auf den thonigen Böden jedoch mengt sie sich häufig in den Forsten ein. —
Sie erscheint daher vorzugsweise im Hauptalpenstocke.
Die Esche zieht der Aelpler noch lieber als den Bergahorn auf den
Hauswiesen und an den Feldrainen zur Futterlaubgewinnung. In den Forsten
kommt sie als Baum selten vor; als Strauch jedoch im Ost- und Sudabfalle
auf den sonnigen steinigen Hängen der Kalkberge.
Die Aspe, die Schwarzpappel, die Linde^ die Rüster« die
Hainbuche, die Weiden spielen in. den Alpen eine sehr untergeord-
nete Rolle denn sie erheben sich nicht zu grosser Meereshöhe; ihr Vor-
kommen ist dort, wo sie erscheinen, minder wesentlich, wie in den nord-
westlichen Flachländern. — Nur die Schwarzpappel und die Rüster werden
in der Gartenregion der Südalpen weit häufiger als Feldholz und zum Theil
auch als Stützbaum für die Reben gezogen.
tn
Die Vojgpelbeere koaimt in den Forsten selten als Baum, aber häu-
üfT als Strauch, besonder» in der höchsten Region vor. In den Hochthä.
lern , woselbst kein anderer Laubbaum fortzukommen vermag , zieht man
sie oft als freundlichen Zierbaum oder anstatt der Obstbäume, ihre Beeren
vom Branntweinbrennen verwendend.
Der Hase Inussstr auch ist auf den Wiesen und Hiitweiden
der Kalkberge sowohl, als auch in den Busch wäldern der Südalpen nicht
•hae Wicbtigkeil.
Von forstlicher Bedeutung sind noch :
Der Bohnenbaum, die Hopfenbuche, die Blumenesche,
und der Zirgelbaum, welche in den südlichen und zuweilen auch in den
südöstlichen Kalkalpen, die letzteren zwei jedoch nur auf den sonnigen stei-
nigen Hängen der Vorberge häufig einen bedeutenden Theil der dortigen
Schlaghölzer ausmachen; dann die Eibe, welche in den aüdlichen Kalkalpeu
häufig erscheint; das Epheu, welches in den südlichen und südöstlichen
Kaikbergen zahlreich auftritt, zu seltener Stärke gelangt und zuweilen iiist
sammtliche Schäfte ganzer Bestände dicht aberzieht, der Perrucken-
SU mach, welcher in der sonnigen Lage der südlichen Kalkberge Ge-
genstand eifriger Saaunlung ist.
Bezeichnend, wenn auch von keiner forstlichen Bedeutung sind :
in den nördlichen Kalkalpen der baumartige Wachholder,
in den südlichen Kalkalpen, der die Sai^bänke der Wildstromme^
und die Schutthalden bedeckende Sanddorn (Weidendorn) , die an' den
Bächen vorkommende Tamariske; der Seegenstrauch, der Flieder und
die Stechpalme der oberen feidwirthschafUichen Region; die Eltsche,
(immergrüne Steineiche), der Bux, der wohlriechende Pfeifengtraueh, die
Mabalebkirsche, die Felsenbirne, die Quittenmispel und der Erdbeer-
baurn der letzten Bergausläufer.
Eigenthümlich den Hochalpen sind die Alpenröslein (Rhododendra)
und als letztes Holzgewächs der höchsten Region die krautartige Weide.
178
122
Der Äipenwaldstand nach der Eigenschaft der Besitzer.
■•■<le ZiUilen.
lIa6upt«6o0lL.
iitelsbarr ....
ObersteTermark . .
Nordtirol ....
Oberkarntben . .
Vorariberjp . . .
Salzburgs Tbalfau .
Unterdsterrelch. .
Oberdfltreich . .
Ilnterstelermark
irnterkarnthen . .
Krain
Südtirol . . . .
Veneziflche Ber^ e .
Lombardlach. Berre
Mrz
6 r 6 6 li
06lt X.
tor
Wftld-
6taBd.
Das fteich.
Gemeinden
und
Stiftungen.
Sonstiger
Grossbesitz*
Zusauimeu.
Kl6llb66ttt
Me 1 Pr.
Jm«« Pr. 1
M« |Pr. 1
Ml.
PI.
Me 1 Pr.
jHht
861.000
655.000
16S.O0O
101.000
86
61
17
18
6000
66.000
665.000
l.«00
1
5
67
6.000
58.000
«5.000
1
7
16
665.000
656.000
788.000
167.000
87
«3
8«
«8
«O.ÜOO
«70.000
f«6.000
200.000
13
57
16
57
865.000
S68.060
664.060
347.000
A.60
4
60.000
50
_
05.000
5«
55.000
46
160.008
16.000
85.000
175.000
14
16
67
18.000
76.000
«8.000
16
11
10
18.000
1«7.000
55.000
16
61
16
16
«1
86
«6.000
806.000
278.000
61
«6
50
66
«6
«6
«7.000
«oo.ooo
166.000
49
57
41
66.600
708.060
«74.000
6.600
7.600
66.000
6
5
«0.000
1.800
61.000
«
«
175.000
158.000
280.000
666.600
167.000
666.000
768.060
620.000
«00.000
77
67
58
065.000
887.000
064.000
16.800
66.000
«1.800
6
7
««
«05.000
617.000
660.000
«1.000
65
66
07
«8
^8000
6
«66.000
6«1.000
360.000
85.000
68
70
67
00
iOO.OOO
106.000
180.000
10.000
86
SO
66
10
08e.ooo
844.000
540.000
66.000
Hanptatock . . .
Westabflill . . .
Nordabfall. . . .
OsUbfall . . . .
Südabfall . . . .
AlpeiUande.
780.000
«.600
678.000
«7.000
86.000
86
«
61
6
6
607.000
60.000
143.000
73.000
1.036.000
68
50
11
«
6«
105.000
660.000
563.000
6.000
«
17
68
1.556.000
65.000
665.000
683.000
1.108.000
6«
54
49
34
66
856.000
56.000
646.000
1.646.000
406.000
66
46
51
66
61
6.608.000
180.000
1.678.000
2.026.000
1.601.000
1.187.000
16
1.665.000
66
861.000
16
«.046.000
5«
3.060.000
46
7.66S.OO0
B6hmen, Mähren
und Schlesien
106.000
t*4
780.000
16
6.6U.000
50
6.170.006
81
770.000
16
8.016.000
Diese Ziffern sind nfrösstentheils mehr oder wenig^er schwankend (indem es
bis Jetzt nicht einmahl der Reg^ierungr g^elunfen Ist, sich g^enaue Nachweisun^en Ober
die Vertheilun^ des Waldlandes nach der Eig^enschaft der Besitzer zu 'verschaffen) ;
demun^eachtet gestatten sie einige Schlussfolg^erung^en.
Den Grad ihrer Verlässlichkeit werde ich welter Unten Im Allfemeinen, und
In der Foratatatistik der einzelnen KronlSnder Im Einzelnen andeuten.
m
Besits äle»
Cremelnäleii u« Stifte.
SoiMtlirer
«roMnliesltB.
Prosente
▼om Lande« •
WaldsUnde.
Prosente
vom Lande«-
WaldsUnde.
Prosente .
▼om Lande«-
WaldsUnde
Salsbnrf . • . . 69
66rs • • . • . 44
OberöatreiGh ... 37
Hauptalpenstook . . 32
Obercteier . • . -31
Alpennordabfall • . 21
Nordtirol .... 17
Alpenlande • * 10
Oberkarnthen ... 13
Unteröatrelob ... 12
VeDesiache Berge 7
Krftln 5
Alpensfidabfall • 5
Vorarlberg. ... 4
SAdtirol .... 3
Alpenoatabfall 2
I7nterk2rnthen . . 2
Unterateier ... %
Lombardiacbe Berge.
Lombardiache Berge 6?
Nordtirol .... 67
S&dtlrol .... 65
Venesiacbe Berge 63
Alpenafidabfall . . 64
Vorarlberg. . . . ^
Görs 43
Hauplalpenatock . . 28
Alpenlande . . 26
Saisburg .... 25
Unteröatreicb ... II
Alpennordabfall . 11
Oberöstrelcb ... 10
Oberateier .... 5
Unterateier ... 4
Krain 4
Alpenoatabfall . . 4
Vnterkarnthen 41
ILraln .... 33
AlpenoaUbfall. . 28
Unterdaireicb • . 21
Unterateier . . lO
Alpennordabfall . 17
Oberkarnthen . . 13
Oberöstrelcb • . 12
Alpenlande 12
Oberateier ... 7
Saisburg ... 5
Hauplalpenatock . 4
Görs .... 3
Nordtirol
Vorarlberg
Bfidtlrol )
Venesien
Lombardle
Vnterkftrnthen •
Vi
Dieae Angaben aind ge-
nügend genau. -> Sie begrei-
fen auch jene Forste (Steier-
marka und Oberöatrelcha)
In welchen der Suat nicht
Eigenthflmer» Jedoch fQr
ewige Zeiten auf die Hols-
nntsung für seine MonUn-
swecke berechtigt iat.
Der Staat ist in den AI-
pen bei Weitem der gröaste
Waldbesitser $ in den ei-
gentlichen Hochbergen ge-
hört ihm sogar ein Drittel
des gansen Waldstandes.
Durch die Ablösung der
Binforstungen werden aber
diese Ziffern rficksichtüch
Obersteiers, Krains, Kärn-
thensjvor allem aber bei Sais-
burg gewaltige Minderungen
erfahren.
Der Waldbesits des
Staates bellult sich dfiher ;
Diese Angaben sind we-
nig genau. Sie begreifen aus-
ser den Gemeindewäidern
auch die der Klöster, so
wie Jener Stiftungen, wel-
che nicht Staatsswecke be-
treff'en, indem die Wälder
der letzteren als „Reichs-
fondsforste<< unter den
Staatswaidern begriff'en sind.
In Ober- und Unteröst-
reich und in Saisburg sind
die Gemeindewalder von kei-
ner Bedeutung, und obige
Ziifern rfihren vorsugswei-
se vom Waldbesitse der
dortigen reichen Abteien
und sonstigen geistlichen
moralischen Personen her.
Von. verhältnissmässig
ungeheurer Ausdehnung sind
die Gemeindewalder Jedoch
in Nord- und SQdtirol, In den
lombardlscben und vepesin-
Diese Ziifern sind nur
sehr beiläufige denn erstens
liegt ihnen keine bestio^m-
te Minimalgrense fQr das su
Grunde, waa noch als Gross-
slts betrachtet werden soll,
und sweitens ist die Aus«
Scheidung selten nach dep
Besitsbogen der einseinen
BigenlhQmer gemacht wor-
den. — In der Regel habe
Ich ffir die Kronländer, wo
früher die Herrschaften be-
atanden, das angesetsl, was
nach Absug der Reicha-Ge-
meinde und Stiflforste noch
von den sogenannten Domi-
nlkalwäldern übrig blieb.
Auch diese Wälder wer-
den durch die Ablösung der
Ißinforslungen besonders in
Krain, Kärnthen und Steier-
mark eine namhafte Ver^
liiinderung effi^hreiit
aaf
Proseole
Haupt«|lp^natQcH
• 32
Nordabfall . .
. 21
SfidiAAill .
5
OaUValt . . .
2
Alpe» fiberhMipt-
. 16
machen Bergen und in Vor-
arlberg*
Bn WaMke^ta der
Geioeinden kann angeachlar
gen werden« anf
^ Prosenie
Ob#r* vk Vnterdatreich
SIelernitfvky KSrnthen,
Krain • . . . . 2-4
Tirol, Lomb^rdia» Ve-
nedig 60
Alpen überhaupt . . 20
Da«6 in Sfidtirol und in
den lombardiaGh venezSani-
achen Bergen wenig oder
kein groaaef Prlvalwaidbe-
aiU vorhanden iai, liegt
groaaMilheila in der dorti-
gen Preiheit zur Grund-
theilung.
CIro«»«!' <^i>»<lie«lte*
Prosente
vom Landea-
WaMatande.
Görs • . • . .
Nordtirol ....
Salzburg ....
Sftdtirol
Lombardiache Berge
Veneziache Berge
Oberöatreich • •
Vorarlberg • • .
Alpenlande. .
Oberateier \
Oberk&mthen f
Vnterkarnthen )
VnUröatreich )
Krain
ünteraieler . • .
90
84
70
60
54
64
42
23
Prozente
vom Landea-
WaldaluBde.
Vnterateiermark
Oberateier
OberMrnthen
Vnterl^9mthen
IJnteroMtreirh
lUain
Vorarlberg . . .
Alpenlande . .
Oberöatreich . .
SadUrol
l^eombiardiache Berge
Veneziache Berge
Salzburg • • • .
Nordtirol • . . •
G6rz . • • . •
76
67
4«.
40
23
21
16
10
Stdabfall 69
Hauptalpenatock .... 64
Weatabfall 64
Alpenlande 64
Nordabfall 49
OaUbfall 34
OaUbfoll
Nordabfall . .
Alpenlande .
WeaUbfall . .
Hauptalpenatock •
Sfidabfall
d6
61
46
46
36
31
Pieae Ziflfem alnd nur aehr beiläufige ^ denn eratena liegt ihnen keine beatimm-
te Minimalgrense fßr daa zu Grunde , waa noch ala Groaabeaits betrachtet werden
aolly und zweitena iat d^e Auaächeidung aelten nach den BealtzbÖgen der einzelnen
Eigentbfimer geipacbt forden. — In der Regel habe Ich bei den KronISndem, wo
vonnahla die Herrachaftei^ beatanden, die aogenannten Dominikalwllder ala Groaa-
bealtz ani^eaetzl.
Vom Groaabeaitze iat allenthalben und Inabeaondere In Krain, Kämthen und
Steiermark ein Theii i^treltig. —
Die Ablöaung; der EInforatungen wird in KSmthen, Krain, Steiermark und
Salzburg, und aelbat auch in Oberöatreich noch aehr viel Waldllicbe aua dem Groaa-
beaitz in den Kleinbeaitz bringen.
Im Angemeinen kann man annehmen, daaft die Bauern allenthalben aich der
nächatgel^genen (alao tieftten und bieten) VITIlder In einer Auadehnung bemSchtigt
haben, dM zur Gröaae ihrer Wirthachafleti und 2um Klima in einem gewiaaen Ver-
b91tniaae ateht, daa Uebrige den Groaabealtzem tiberlaaaend. Dieae Anneignun^ iat
fb«r mehr 9d«r Heiliger ht^acKriakt geworden, in ftalsbiirg » Tirol and Oheri^treich
fliireh da» landeal&railiche Foralhoheitarechl und die gleichseilige Hinforalang in
Regalwälder, \n KarnHien , Krain und Untersteier durch die Einforatung in die
HerrachaftawSlder, nnd in den italienischen Alpen durch die Einforatung In die
eiferen Gemehideforate.
123
Ber Alpeiwald lach Regioara.
Entocheidend ist der Einfluss der Region auf den Wald, Von der Re-
gion hängen grösstentheiU die Holzarten und die Waidformen ab> sie modelt
hauptsächlich den Wuchs des einzelnen Baumes sowohl, als jenep der
Wälder.
Wer je das Gebiet der Alpen durchstreift hat , ja wem es nur ein ein-
ziges Mahl gegönnt war» die Hochregion an welch immer für einem Punkte
zu besteigen » dem sind die gewaltigen Unterschiede in die Augen gesprun-
gen , zwischen dem Baum- und Walderwuchse des südlichen und des nörd-
lichen Alpenfusses, der Thalregion und der oberen Baumgränze, Unter-
schiede^ deren letzter Grund vorzüglich nur in der Seehöhe zu Sachen ist.
Gleichwie die wärmeren Landstriche reicher sind an PRanzenarten
überhaupt, ebenso ist auch ihre Holzvegetazion weit mannigfacher. Den
grössten Reichthiim zeigt hiejrin der Fuss der Alpen und am allerreichsten
sind die italischen Vorberge. Nach Oben zu wird die Holzvegetazion Im-
mer einförmiger, bis sie endlich an der Grenze des Waldes auf 4 Baum-,.
7 Strauch- und 19 Erdstraucharten herabsinkt und an der Grenze des nen-
nenswerthen Pflanzenwuchses in 3 krautartigen Brdstrauchern erstirbt
\
Zahl der
Phanerof*-
Blum«
45
40
11
4
Zahl «Ur Holurl,eB
Erd-
nrineher atriactor
85 70
70 50
40 89
7 19
- 10
3
Zaaam
me».
., g, \ südlicher . .
Obere Getreide^renze . . .
Obere Waldgrenze . . .
Obere SennereigrenEe . .
EisregioD
. 3500
S850
950
. 550
. SSO
30
SOO
160
80
25
10
3
In der Erscheinung findet «ich die obige Zahl von Gewaohaen mvr
hie und da auf kalkigen Krumen beisammen > im Allgemeinen je49ch ist fUe
Zahl der in einer Gegend von massigem Umfange %. Bt in ein wd diems«;!*
ben Thalgebiethe vorkommenden Arten insonderheit auf den picht kal]dgen
Böden und in den. Höhen bedeutend unter den Angaben dieser Tafel; was
den Unterschied im Artenreichthum zwischep dem. Alj^nfasse (meiat kalkige
Krumen) und der Hochregion ^noeist thonige Böden) gewöhnlich noch auf-
fallender macht«
Ausser dem Reichthume an Arten fallt uns in der Tiefregion auch die
dichte Fülle von Yegetazion auf.
In den italischen Vorbergeu ist jedes Fleckchen Boden » welches nicht
etwa in ewige Nacht begraben wäre, von Pflanzen wuchs überkleidet, Fel-
sen und Steine überziehen sich mit Gewächsen» sobald nur in einem kleinen
Ritze einige Atome Erde sich zu sammeln und darin ein Samenkorn Platz zu
finden vermag ; jede sich selbst uberlassene Mauer wird zuletzt zum Stand-
orte einer reichen Vegetazion« — Schon am Nordfusse der Alpen treffen
wir nicht mehr so reiche Fülle ; alle stark beschatteten oder überschirmten
so wie die vielbetretenen Stellen (an Häusern^ Mauern, Zäunen, Wegen
und Felsen) sind pflanzenlos, und die Trümmer der seit Jahrhunderten ver-
lassenen Burgen unserer Väter schauen gewöhnlich öde und kahl auf die
Wohnstätten der Jetztzeit herab.
In der Region der Kuhalmen sind schon zahlreiche Stellen nahezu völ-
lig pflanzenlos; gegen die Schneelinie zu hört sogar der (Zusammenbau*
geude) Rasen auf, und die wenigen Pflanzen dieser Höhen kommen nur
mehr vereinzelt oder als sparsame Bündel vor.
Die Vegitazionsfulle der warmen Tiefregioueu tritt nicht minder auf-
fallend in den Wäldern hervor.
In der Gartenregion des Südens wuchert auch in den wohlgeschlosse-
nen Hochwäldern noch ein zweiter Wald von Unterholz , darunter nicht nur
geringere Sträucher (Kornelkirsche^ rother Hartriegel , Haseinuss , Schnee-
ball , wolliger Schiingstrauch , Liguster , Gaisblatt, Sauerdorn, Weiss- und
Schwarzdorn, Pimpernuss, Spindelbaum , Bohnenstrauch, Felsenbirnen,
Hollunder und viele Rosenarten) sondern auch Hain- und Hopfenbuchen,
Feldahorne, Eichen und selbst Rothbuchen; ein Unterholz, welches au
Dichte und Höhe sich dem reinen Niederwaide des Nordens ungescheut an
die 9cite stellen kann. Mehrere Schlinggewächse (darunter Epheu und
Waldrebe) ranken allenthalben über das Unterholz hinüber, und am Hoch-
hoize und an den Felsen hinauf, nicht selten fast sämmtliche Schäfte ganze
Bestände verschlingend oder überdeckend.
In der Gartenregion des Nordens und Ostens der Alpen treffen wir
zwar auch noch manigfaltiges Unterholz , aber nur mehr im jüngeren Hoch-
walde; im hohen Holze ist es auf die schütteren Eichen und Schwarzföh-
renwälder beschränkt, und auch hier von weit minderer Fülle, Höbe und
Artenreichthum.
In der Getreidezone ist das Unterholz verschwunden, aber mehrere
Erdstraucher und zahlreiche Kräuter und Gräser bedecken noch den Boden
der nicht allzudicht g^eschiossenen hochstämmigen Wälder, dem Landwir-
the eine dankbare Weide biethend.
In der Waldregion erstirbt der Gras- und Kräuterwuchs der geschlos-
senen Althölzer auf vereinzelte Halme, und macht mehr und mehr den schat-
tenvertragenden Heidelbeeren und Moosen Platz.
Nicht minder findet die Fülle des Pflanzenlebens in der Höhe des
Wuchses ihren Ausdruck.
Während in der, Gartenregion die Fürsten der Pflanzenwelt, nemlich
die Bäume, meist bei tW, das Volk der Sträucher W — 90, und die Purja«
der Holsgewaclise ^ iiemlich die Brdatriucher, 3—5 Fum Höhe erlangen,
während dort viele krautartige Gew&chae 5 — 6 Fuss hoch emporschiea«
sen und selbst das gemeine Gras der Wiesen und der Holsachl&ge au
t — 4 Fuss sich erhebt, können die StSmme der oberen Baumgrenze nicht
über 8 — SO Fuss hinaus, die Sträucher werden nicht höher als 4 — 8
Fuss, und Gras und Kräuter finden in der Regel in Vt — S Fuss ihre Hd-
hengrenae. Zunächst ober der Baumgränze ist der Holzwuchs nur mehr
durch die Bergföhre vertreten , deren am Boden fortkriechender Stamm
seine Aeste nur 8 — 5 Fuss erhebt, durch die 1— tVi Fuss hohen Alpen-
rosen und andere Brdsträucher, und die grössten Kräuter und Gräser
fiberschreiten dort gewöhnlich nicht V» — IV« Fuss.
Im höhereren Theile der Sennereiregion fehlen sogar die Holzge-
wächse gänzlich ; zwar kommen dort noch drei holzige Sträuche vor , (zu
höchst Salix herbacea) aber sie sind zu völlig unscheinbaren krautarligen
Gewächsen zusammengeschrumpft« — Die übrigen Pflanzenarten bestehen
aus mehrjährigen Kräutern (denn einjährige können im dortigen kurzen
Sommer ihre Samen nicht mehr ausreifen) mit äusserst kurzem oft kaum
über den Boden sich erhebendem Stengel.
Schon fai den Absätzen 74 — 77 sind die Regionen der einzelnen Al-
penholzgewächse und die Veränderungen im Wüchse näher bezeichnet
worden, welche an den Regionsgrenzen statthaben; daher ich hier nur
noch Einiges ergänzend beifugen will.
In vollendeter Grösse und Fülle entwickeln sich die Holzgewächse
nur in den mittleren Räumen ihrer Regionen, denn hier allein gesellt sich
SU üppigem Wüchse auch die grösste Ausdauer. So üppig sie auch an
der unteren Regionsgränze oft in der Jugend emporwachsen, so schlies-
sen sie doch ihr Wachsthum sehr bald ab, und gelangen daher auch zu
keiner namhaften Grösse. Gegen die obere Regionsgrenze zu mindert sich
zwar weniger die Ausdauer, auffallend jedoch der Zuwachs und vorzüg-
lich der Höhenwuchs. Holzarten, welche im tiefen Theile ihrer Region
als stattliche Bäume auftreten, kommen im oberen Theile nur mehr strauch-
artig vor, und andere, welche dort ansehnliche Sträucher waren, |ver*
krüppeln hier zu niedrigen Erdsträuchem.
Je näher überhaupt der oberen Regionsgrenze, desto mehr klam-
mert sich der Wuchs der Holzarten an den Boden; es ist, als wenn die
Wachsthumsbedingungen sich mit der steigenden Entfernung vom Brdbo-
den immer rascher und rascher verminderten, so dass über eine gewisse
Entfernung hinaus gar kein Wachsthum mehr statthaben kamt. Je näher
diesem Punkte desto geringer nicht nur die Längentriebe, sondern nicht
minder auch der Zuwachs in der Stärke« — Darum werden die Schäfte
nicht nur immer kürzer, sondern auch immer kegelförmiger, das ist der
Grund, warum die Verästelung sich immer tiefer herabzieht, und die
Kronen immer piramidaler werden, warum endlich auch die sonst bäum*
art^en Holsgewächse immer mehr stockausschlagende Sträucher werden
und mit ihren Trieben zuletzt völlig am Boden hinkriechen«
«Mfc
ku( der UnkewiitniM dieser eigenthdmlicheo WachsUimQisverMitniMe
btmlKii» die Fabeln von einstig^en prachtvollen Wäldern der höchsten He-
gten , welche fremde Reisende h&ufig in die Weh i^esendet haben. Sie fan-
den dort sehr starke Stöcke vor» and statt sich durch die Nachbarschaft
über die Form belehren zu lassen , welche die dazu gehörigen Schäfte
haben mochten, setzten sie in ihrer Phantasie jene Koloase darauf« welche
nur in der Tiefregion auf solchen Stöcken vorzukommen vermögen.
Höchst bezeichnend für den obersten Regionstheil ist auch der schüt-
tere (Uchte) Stand der Bestände» Hier ist kein völliger Waldesschluss mehr
möglich y und über die Linie hinaus» bis zu welcher man noch von einem
Walde sprechen kann/ vereinzeln sich die Holzpflanzen immer noch mehr
und mehr, bis ihre letzten Exemplare fast unbemerkt verschwinden.
Die Wachsthumsabnahme der einzelnen Holzpflanzen und der Wälder
nach der steigenden Seehöhe ist aber keine durchaus gleichförmige. In den
mittleren Räumen der Region mag sie gleichförmig vor sich gehen» ent-
schieden aber ist sie hier sehr massig. — Dort» wo sich die Holzarten ihrer
oberen Regionsgrenze nähern» wird die Wachsthumsabnahme auffallend
stärker» und sie erreicht ihr Maximum in dem Streifen zwischen der Grenze
des geschlossenen Waldes und jener des letzten vereinzelten Vorkommens.
So mächtig nun der Einfluss der Seehöhe auf den Baum- und Wälder-
wttchs allenthalben hervortritt» so sind doch bei weitem noch nicht genug
Untersuchungen angestellt worden» um diesen Einfluss in jeder Richtung
mit bestimmter Ziffer angeben» um gewissermassen das Gesetz darstellen
zn können » nach welchem sich der Wnchs jeder Holzart und jeder Haupte
waldgattung von tausend zu tausend Fuss» oder wenigstens von Region zu
Region ändert
Nicht dass in den österreichischen Alpen der Wälderzuwachs nie be-
stimmt wqrde« wäre » im Gegentheile ist das namentlich in den Reichsfor-
sten fast aUenthalben geschehen» um die Ertragskraft dieser Forste zu er-
kunden, und zvreckmässige Hiebspläne für sie zu entwerfen; aber man be-
gniHgte sich dabei » aus den bisherigen Hiebsergebnissen den Zuwachs im
grossen Durchschnitte zu ermitteln. Dass zum grossen Verluste für die Wis-
I senschaft htebei noch nie eigene Erhebungen über den Einfluss der Seehöhe
auf 4ejn Wl^chstbumsgang der Bäume und der Wälder gemacht worden sind»
Iag> weniger im Mangel an Einsicht von Seite der Schätzmänner» als viel-
mehr ii der Unzulänglichkeit der ihnen gewährten Mittel. — Denn allen in
den Hochbergen bisher vollführten Schätzungen war es aufgegeben den
Ha^ip^zwfck -r- die Ermittlung der Ertragskraft der Forstfläche — inaUer-
kürs^ftster Zeit und mit den allergeringsten Kostenaufwande zu erreichen; ja
die meisten Schätzungen sind nur ganz überschläglich vollführt worden» um
den Verwaltungen filur den Augenblick eine Uebersicht über die oben sto-
ckßü^ Hol»vq^iÜfkt und über die in nächster Zeit fallbaren Holzmengen
zn. g(^enu.
Mögen, sich die InteUigens^en » welche dermahlei^ un der Sfiüz» dber
Forstverwaltungjen, dfa Hf9cbg:ehirgea stehen ip^d der atre)wapie na« ent-
standene Alpdnfordtvereki kewogto flMiiM, diasenitrkwanii^eErscheuiiing^
der grossen Alpeniiatur baldiger wiasenachaftlicher Untersuchung- zu un-
terziehen^ zu welch schöner und dankbarer Unternebmung sie. mnaomehr
berufen schienen , als diese Aufgabe die Kraft des einzelnen, von den lau-
fenden Geschäften gänzlich in Anspruch genommenen Betriebsbeamten
weit übersteigt
Vor der Hand will ich im Folgenden einige Erhebungen auffuhren,
welche, ohne den Gegenstand im Geringsten zu erschöpfen , gleichwohl
Manches bereits andeutea
CtewMiBlicIier ((Mgenannter) richtenarwald in Ober-
steiermarlL.
"Obere
Feldwirthtfch. Wald* Hoekmild-
Region. regrion« ^ grenze.
Durchschnittliche
Stammlänge in Füssen . • • • •
Holzmasse bis auf 6'' in Massenklaftern
Stanimstarke in der Brusthöhe in !&>lleD
Stammzahl
Holzgehalt eines Stammes in Füssen •
Seehöbe io
Füssen
3B00-4500 80
4500-5S00 70
5500-6000 M
6000-6600 Waldgrenze 20
Cleicliälteriger richtenwaM im ateiriselien %9^n
100
70
30
M
M
10
14
\%
10
400
aee
300
S7
Sl
7V.
siothale
Sffldtirols.
OarehscbnitlsBOwacha
«inea Joch«« In
FnMeo
Holzgehalt des Joches Dnrchschnllts'
Meereshöhe in I20jähr. Waldes Zuwachs
Füssen Massenklafter Massenfnsse
Feldwirthschaftliche Region 1700— S500 73 66
An der oberen Hochwald-
grenze • • • . 4000—5800 14-7 13*3
Bin lierehemwald Itt Venexiett.
Mittlerer Jahressnwachs
m • » i I II
Seehöhe , Hauharieits- StammiSufe Stammst&rke UfasseagehaU -.
in Füssen alter in Füssen in Zollen des Jocnes
» ^ > V \\\^ ^^ »I U I m i*^ ^ III ^m ^\\w iJi'^.v
Sa00-3MM> 40 1*4 »«sf IfiO
3500-480(1 60 O,* 0^ 75
4800-5500 100 0», Om« 46
18B
Bin Bneheniiiederwald in Tenesieii.
Mittlerer Jahreasnwachs
Seehöhe
in F11M611
HanbarkeiU-
alter
Stammlänfe StammstSrke Maasengehalt
in Faoaen in ZoUen dea Jochea
SSOO— 3100
30
1.7. Om 107
3100-4000
40
0-88 0« 69
4000-4850
50
Om 0-08 45
Gin liegfVlireiiwald in Tenezien,
Haubarkeits-
alter
Mittlerer Jahreazuwachs
SeehShe
in FuMen
SUmmlänge StammAtärke Maaaeofirehaii
in Füssen iti Zollen dea Jochea
S500— 3800
50
0«. 0..> 56
3800-4600
. 100
0„ 0-0» 18
4600-5500
150
0„ 0.0, 10
Hittterer atämmstari&eanwachs einzelner atämme.
Deutschtirol.
Bei einer SeeiiShe
von Faaaen
SOOO
S500-^3000
3000-4000
4000-5000
5000-6000
Fichte
0«
«
0„
Lerche
in Zollen
Ou
0-,4
O'to
0-04
LegfOhre
0-04
0-0»
6000—6400 —
So wenig' umfassend diese Erhebimg'en nun sind, so zeigen sie doch,
dass in den Hocbbergen die blosse Seehöhe bei Fichte und Lerche über
das4— Sfache, beim Buchenschlag^holze Aber das 8— 3fache, bei der Bergföhre
sogar über das 5 — 6fache des Wälderzuwachses entscheidet, ja dass wenn
man von der Art absteht und (die Erdsträucher ausschliessend) nur über-
haupt Wald und Wald gegenüberstellt, die Erhebung des Standortes den
Zuwachs auf das Siebentel bis Zehntel niederzudrücken vermag.
124
Der Wftiderwaelui auf den verschiedenen BOden.
Schon in den Absatzen 63—73» dann 181, ist der EinHuss des Bo-^
dens auf den Wälderwucha in der Hauptsache angedeutet worden , wess-
wegen hier nur einige Ergänzungen erübrigen.
In der Ebene und im Hügeilande« wo das, was man Erdschicht
nennt, gewöhnlich weit mächtiger ist, als selbst die am tiefsten greifenden
Bäume erfordern, kommt die Bodentiefe in der Regel gar nicht in Frage
IST
und 60 hangt die Bodentauglichkeit in der Hauptsache nur Ton der mine-
raUachen Zuaammenaetzung der Krume ab«
Im Mittelgebirge hingegen und noch mehr in den Hochbergen besteht
das Holzland nahezu ausschliesslich aus Feisbdden, es entscheidet daher
die Bodentiefe in erster Linie über den WSIderwuchs.
Auf dem tiefgründigea Boden ungünstigster mineralischer Zusammen-
aetsung, d.i. auf dem Kaiksande, ist der Wälderzuwachs nur halb bis drei-
viertel so gross, wie auf den durchschnittlich guten Krumen, gleichwohl
gedeihen auf ihm noch alle gewöhdlichen Holzarten in Baumform und ge-
schlossenem Wüchse.
Auf dem seichtesten Boden bester mineralischer Kraft dagegen, d. h.
auf den Klippen des bituminösen Alpenkalkes (Kalkthonkrume), wachsen
zwar fast alle Holzarten, aber abgesehen von ihrem kümmerlichen Wüchse
(die Laubbäume nur in Sirauchform) sind sie so vereinzelt, dass sie lange
nicht einen Kronenschluss herstellen, so dass der Wälderzuwachs gar oft
nur auf Ein bis zwei Zehntel dessen herabsinkt, was gute Krumen zu
erzeugen vermögen«
Wer sollte nun nicht begierig sein, in bestimmter Ziffer den Gang
kennen zu lernen, welchen das Wachsthum der Hauptwaldformen auf den
gewöhnlichen Krumen der Alpen nimmt? Höhen- und Starkenzuwachs,
Schaft- und Kronenform, Stammzahl, zeitlichen und durcbnittlichen Zu-
wachs vom Joche, Ausdauer u. a. vr.f Wer sollte nicht die Grenzen
kennen wollen, innerhalb welcher diese WachsthumszifTern zu schwanken
pflegen, und die Mittel, welche sich gewöhnlich ergeben?
Aber leider sind diese Einflüsse der Krume noch eben so wenig
mit Ziffersehärfe erhoben worden, wie jene der Seehöhe, und die nem-
lichen Klagelaute, welche mir der Absatz 1S3 auspresste, kannn ich auch
hier nicht unterdrücken.
Einstweilen — geneigter Leser — nimm die folgenden Angaben,
grösatentheils Früchte meiner eigenen Bemühungen — hin« — Decken sie
zwar nur die ungeheure Kluft auf, welche noch unausgefüllt vor Uns liegt,
so sind sie doch vor der Hand — besser, wie Nichts.
Alle diese Wachsthumstafeln beziehen sich auf geschlossenen Wald
und Böden von gewöhnlicher Tiefe. Die dargestellte Wachathumsver-
sehiedenheit ist also ziemlich reine Folge der mineralischen BeschafTenbeit
der Krume.
Waehstliuinsgaiig des LerchenwaMes
In den priniörer Reichaforaten WeluchUrola
auf Rallksehatt und Sehieferboden.
KalkBchuttboden ans aua^epräirtetti Dolomit (Canali» Assinozza, Neva)
Schiefetrbodeti des Glimmerschiefer (Ta^ola) Seehölie 8500 — 4500 Pubs.
Mittlere Mittlere
Be- StammatSrke Stammhöhe
•tan- > ^ ^
dea Kalk- Scbie^ Kalk* Schie- Kalk-
alter acfaiUt fer achutt fer achutt
10
SO
30
Stammcalil
auf dem Joche
8ch{e«
fer
Jahreazuwactaa anf das Joch
Leister
Mittlerer
Kalk. Sehie- Kalk- Schle-
achutt fer achutt fer
6 9600 10000 n 48 4S
48
8.5 18 11
4-5 88 88
5400
8310
5600 48 5t 45 50
8460 77 77 55
59
S8
90
1850
1S80
83
83
63
65
3»
38
770
800
74
60
65
68
38
44
510
510
51
54
68
66
40
48
480
480
4«
45
60
63
4S
50
450
450
4t
45
57
66
50 8.0 7.,
60 9«o 9»o
70 10.0 lOo
80 11.0 Ho
nfihr Ast- und Gipfelhols mit 8 Proaeoten von der DarbholKmaave.
Wachsthomsf ang des fichtenwiüdes
in dea prlmörer Reichaforsten Welscbtirol«
auf JK^aÜLScIuia, ILattLtlioD nad Sdüeferboden.
~ Kalkschuttboden de« ausg^eprägten Dolomites (Balzoneda , Canal! , Pra-
vidali) Kalkthonboden des Jurakalkes (Valplana) Schieferboden des Glim-
mersciuefers (St. Mardno, Tog^azza). Alle Bestünde ans der Plenterung^
hervorgegangen. SeehÖhe 3500 — 4500 Fuss.
Mittiere Stammstarke
Be-
atMi* '' I I
des KaUi.
alter sehtiU
10
80
30
40
50
60
0.«
t.«
4.0
6..
8..
10«
70 11..
80 18..
Kalte
thon
0.|
8.5
4.5
7.0
9»o
10.S
18.0
13.0
Scliie-
fer
0.,
8..
4..
6..
8..
9.8
Uo
18.0
StamuihBlie
Kalk- Kalk- Sehte- bei-
sctintt thon fer ISufl|r
Stammeahl Mittlerer
V. Joche Jahrestuwacha V. Joche
Kalk-
aehtttt
Kalk-
ihon
5
9
80
30
48
50
6
10
88
45
51
54
6 9000
18 5500
84 8700
34 1300
48
49
56
830
510
480
480
mehr Ast- and Gipfelhols mit 10 Prozenten von der Derbhol«masse.
(Sogeaannter) Fiehten-VrwaM in ObersteiermarlL.
Seehöhe 2700 — 3700 Fasa.
Gewöhnlich.
Slammzahl ..........
Derbholemaflse MaeuseDklafter . . .
Stamoiatarke im Mittel Zolle . . .
Stammlänge im Mittel Fusse . . .
Mittl. Holzgehalt Einea Stammes Fasse
Asthoiz, Prozente der Derbmasse
Kalkschull
boden
l- Kalkthon.
boden
Schiefer un4
Lehmboden
540
360
360
30
36
40
10
IS
il«A
55
55
75
IS
siv.
Vi
9
6V.
«
WacluithaiiiSi^Mig des Bochenliocliwaldies
In den oiederftcterreiobtechen Reichaforsten des WieDervaldes
auf lielmi- und l&idkschattbodeii.
Der Lehmboden ist jener gewöhnfiche des Wienersandateine« mit be-
merkenswertbem Kaikgebalte. Der Schottboden ist aas doiomitischem Kalke
enstanden. Gleichalterige geschlossene, aas dem Samenhieb hervorgegan-
gene erst spät durchforstete Bestände, deren Bodendecke durch Streure-
chen nur wenig geschmälert wurde. Seehöhe 1600 — 1800 Fuss.
Bestandes-
alter
Holzmaase dea
Hauplbestandea
Lehm-
boden
Kalkschutt-
boden
Jahressuwaeh« vom Joche Wald
Leister
Lehm- Kalkschatt-
boden boden
DurchschnitUicber
Lehm-
boden
Kalkschatt-
boden
10
SO
30
40
50
60
70
80
90
100
110
ISO
180
SSO
600
1300
SOSO
S940
51S0
6810
8410
98S0
10940
11650
11840
700
1090
1560
SllO
S670
8860
3850
4S90
M80
5300
48
65
79
91.,
101.,
183
168
157
185
104
39..
5
38.,
39.,
5S
56
36
61
58.,
30.4
31
S5
34.,
43
51.,
59
65.,
78..
85..
93.,
98
97
91
33
35
wDsft
39
4S
44.,
46.,
48.,
47..
47
45..
44
19
190
Wachsthamsgang des Baclienhocliwirfdes
In den primSrer Reichaforsten WeUchtfroU
•af Kalkthon und RalkschoMbodenu
Kalkthonboden des Jura, Kalkschuttboden des ausgeprl^ten Dolomites.
Bestände aus dem Plenterbetriebe hervorg;eganj[^en. SeehSbe 9000 — 4000
Fuss.
Jahressnwseha auf dem Joch/e
Mittlere Mittlere StammMhl auf dem
Be> StammalSrke SUmmbSbe Joche LetEter
alan- > . ' > . ■ ^ ' ^
Mittlerer
dea Kalii- Kalk- Kalk- Kalk-
Alter thon acbutt thon aghutt
10
SO
30
40
50
60
70
80
0..
i.8
3..
4..
5.5
6.>
7.,
0.,
l.>
t.5
4.0
5.*
6..
7..
8h,
4
10
18
26
31
35
38
41
4
9
16
t»
S7
30
33
35
Kalk-
thon
9600
6400
3100
1550
1095
865
740
640
Kalk-
achutt
10000
7000
3600
1900
1950
600
735
Kalk-
thon
98
39
38
51
70
86
90
76
Kalk. Kalk« Kalk-
•chatt tbon achvtt
99
99
35
54
64
67
70
61
98
30
33
40
46
53
58
61
99
99
31
37
49
46
50
51
mehr Ast- und Gipfelhols mit 15 Prosenten von der Derbholsmasae.
Wachsthniiissaiig d«« ScliwarBflHurenwaldes
im anterSsterrelchiaehen Wienerwalde
auf Iiehm- und Kalkschattboden.
Lehmboden des Wiener-Sandsteines mit bemerkenswerthem Kalkte-
halt. Kaikschnttboden des deiomitischen Kalkes. SeehShe 1300 — 1800 Fuss.
Jahreasuwacha vom Joche
Holamaaa« dea '^^^■~~— — ^^ » ^— -^^ ■ '
HauptbeaUndea Leister Mittlerer
Beatan»
deaaller
10
90
30
40
50
60
70
80
90
100
110
190
Lehm-
boden
960
940
1690
9480
3410
4990
4900
5340
5640
5860
6070
6980
K«ikaeh«itt-
boden
. 990
700
1110
1530
1950
9400
9670
36S0
4000
4300
4550
Lehm-
boden
96
71
76
81..
97
60..
55
40..
97
91
«0.,
90
Kalkactott-
boden
99
41
41
49
43
45..
48
36..
36
35
98
94
Lehm-
boden
96
47
56
68
68..
71..
70
58.,
55
5t
Kalkacbutt-
boden
99
35
37
40
41
41
40..
40
39
88
»i
BachenschlagholjB
im VenezianischeD Hoch^^ebiriire (Campo toroiid«)
anf KaULthon und Kalkschattboden.
Meereshöhe 8500 — 3500 Fuss.
Kalkthon- Kalkichatl-
Bestandesalter 40 Jahre boden boden
herrtehende S60 610
Stang^enzahl auf dem Joche \ gedrückte
Mittlerer Jahreswuchs
\ Zusammen -- M80 — SlOO
Stammhdhe . . 0.n O.««
Stammslarke. . 0.io O^^i
Hobmasse vom
Joche . . . S5 1»
125
Hanpt-Waldformen in des Alpen.
Der Wald aller Alpenwilder ist der Pichtenforst — In den elg^nttiih^n
Hochhergen ist fast der ganze Waldstand nur ein einsiger unflbei*4ehba-
rer Fichtenforst, thatsftchiich hegreift er hier vier Fünftel des geüflmttl-
ten Hoklandes.
Ungeheure Flächen davon sind reine Fichte, bftufig Aber sflrMgen
sich (besonders auf kalkigen Krumen), hier einzelne Tannen, Buchen und
Ahorne, dort wieder Lerchen ein. Seltener ist diese Beimischung ib Mark,
dass man die Bestände als ^gemengt" bezeichnen müsste.
Den n&chsten Rang nehmen die Buchenforste ein, zwar nicht ili den
Uochbergen, denn hier sind sie sehr seiten, wohl aber im Ntyrd* und
Oslabfalle und im Südhange der Alpen; in erst«ren Strieheh gewöhn-
lich als Hochwald, im letzteren als Schlagholz ; das, was in der Tafel Iffl
als Laohhoch- und Laubniederwald bezeichnet erscheint, ist gettfMlnlich
Buchenforst.
Alle übrigen Waldformen suid im grossen GtfnAen Ten sdd^ ^iMr-
geordneter Bedeutung.
Erwihnenswerth sind gleichwohl:
Der Bergföhren (Nieder) wald der höchsten Regloin.
Der Erlen (Nieder) waM der Bachufer, der Auen und der qtlMligefn
Bergh&nge, dann der Bergerlenwald auf den Ihonigen und Schiefei'bOden
der höchsten Region«
Der Lerchenwald der Sidalpen^ und endlich
Der Scbwarzf&hreirwaltf des nordöstlichen AIpeirfiMa^^.
Die Art der Benützung drückt dann noch ein eiigenthümüches Ge-
prlg)S auf:
19*
Dem Streuwalde,
Dem Brande, und
Dem Bannwalde.
126.
Der Fiebtenplenter- und der Bannwald.
Hier in den Hochberg^en , wo die Gebothe der Natur und der gege^
benea Verhältnisse so klar und mächtig vortreten, erringen sie sich bei
den Menschen auch entschiedenere 'Geltung.
Die ersten Ansiedler fanden überall den wirklichen oder sogenann-
ten Urwald vor, Gehölze, in welchen absterbende mit reifen Stämmen,
mit Stangen und mit Jungwfichsen beisammen stehen. Sie schieden sich
die bestgelegenen Strecken zur dauernden Befriedigung ihrer häuslichen
Holzbedürfnisse aus, und griffen bei ihrer Benützung natürlich nach den
starken und reifen Stämmen, welche die nimraerrastende Natur nie aus-
gehen liess. So entstand die Plenterwirthschaft der Alpen.
Bilden wir uns recht lebhaft ein^ wir wüssten noch gar nichts,
weder über die Aufforstung noch über die Selbstverjüngung der Schläge,
so begreifen wir recht gut, wie in den Urzeiten, in welchen über das
Schicksal der Kahlschläge noch keine beruhigende Erfahrung vorlag, jeder
gute Hauswirth vor dem kahlen Abtriebe seines Waldes zurückschreckte
und sich nothwendigerweise an den Plenterhieb anklammerte, als den ein-
zigen, der ihm in dem zurückbleibenden Stamnivorrathe sichere Bürg-
schaft both für die künftige Deckung seiner Bedürfnisse.
Die Menschen sahen dann auch bald, dass sich ihr Fichtenwald bei
dieser Hiebsweise ganz von selber nicht nur wohlbestockt, sondern auch
in unvermindertem Holzvorratbe, kurz ganz in seinem anfänglichen Stan-
de erhielt^ diese Waldform both ihnen auch Stämme von jeder gewünsch-
ten Stärke; und so blieb es denn beim Plenterbetriebe.
Der Plenterhieb ging natürlich auch in die grossen mit Einfor-
stungen belasteten Forste über* Die Einforstung lautete auf Abgabe auf
dem Stocke. Beide Theile sahen in der Plenterung der belasteten Wälder
nicht nur das sicherste Mittel zu deren Erhaltung, sondern auch die ein-
zige Möglichkeit zur Befriedigung der Servitutansprüche. Denn der Einge-
forstete konnte seine Rechtshölzer, soUteXdie Servitut nicht allen Werth
verlieren, nicht aus weiter Ferne hohlen, der Forsteigen thümer musste da-
her billigerweise jedem Einzelnen den Hausbedarf in der Nähe seines Ho-
fes anweisen, was bei der Zerstreutheit der Höfe um so mehr immer
wieder zur Plenterung führte, als der Berechtigte für einzelne Wirtb-
schaftszwecke besondere Hölzer brauchte (Bau-, Zeug-, Schindel-, Bin-
derholz) ^ welche in keinem Walde alle beisammen zu finden sind«
Die abgelegenen grossen Forste wurden auf Holz nur sehr wenig
benützt Die demungeachtet vorkommenden Holznutzungen d. i. die Pot-
aschenbrennerei, die Binderholz- und Schindelmacherei, die Erzeugung
iNMioDders itarker Werkhdlzer (Mfihlwellen u* s. w«) rief aber auch dort
den Plenterhieb ins Leben.
Zweifelsohne entstanden die Kahlschläge erst später, nachdem sich
die kohl- oder holzverbrauchenden Montanwerke (besonders Eisenhütten
und Salinen) zu grosser Ausdehnung* erhoben. Diese mussten, um die
grossen Holzmassen beizustellen, welche sie nunmehr brauchten, noth-
wendigerweise zu den abgelegen Porsten greifen, welche noch fast unbe-
nätzt ober und hinter den für den Hausbedarf der Bevölkerung vorbehal-
tenen Wäldern lagen; hiebei tjAugte ihnen aber der Plenterhieb nicht
mehr, denn die Zustellung der Hölzer wfirde dadei (aus diesen abgelege-
nen Strecken) weit mehr gekostet haben, als sie aufzuwenden im Stande
oder geneigt waren; nur mit Riese und Klaustrift konnten sie aus so ent-
legenen Strecken die Hölzer zu annehmbaren Preisen beistellen, und auch
die Anlage dieser kostbaren Werke zahlte sich nur dann aus^ wenn die
möglichst grössten Holzmassen in kurzer Zeit auf selbe gebracht wer»
den konnten.
Sie hieben daher die Wälder um so unbedenklicher und auch im Ein-
verständnisse mit dem allfälligen fremden Forsteigenthümer kahl herunter ,
als dabd nichts gewagt war; denn ohne diese Benützung hatte der Wald
ohnehin keinen Werth und im Falle er sich auch nicht wieder verjüng-
te, gaben die abgetriebenen Flächen noch immer eine dankbare Vieh-
weide (Alm).
So entstand die KahlschlagwirthschafL
Auch wo der Holzhandel grosse Holzmassen für weite Verfrachtung
suchte (wie z. B. im Nordabfalle der Alpen und besonders in Cnteröstreich
fftr die Holzbedeckung der Reichshauptstadt Wien) hieb man die nahezu
unangegriiTenen Forste aus gleichen Gründen allsogleich im Kahlschlage.
Die Sr&hrung zeigte dann bald, dass sich der Fichtenwald auch selbst
verjüngt, sie lehrte, dass diese Selbstverjüngung in den tieferen und bes-
serkruraigen Lagen bei kleinen vereinzelten Schlägen bald genug und vor-
trefiBich erfolge.
Das brachte nun auch solche Gemeinden , welche ihren Holzbedarf ge-
meinschaftlich beistellten, dann die kleinen Waldbesitzer (Bauern), welche
bedeutendere Holzüberschüsse in Kohlen oder Brennholz an die Montanwerke
oder an den Holzhandel abgeben konnten , dazu , in derlei guten Lagen kahl
zu hauen, sobald die Beistellungskosten dadurch wesentlich vermindert wer-
den konnten.
Die dankbare Weide, welche alle Kahlschläge, und die zeitweisen
Gretreidernten, welche viele derselben gaben, wirkte dann mit zur weite-
ren Verbreitung des Kahlhiebes.
Andererseits sprachen wieder ganz entgegengesetzte Gründe mit vol-
lem Erfolge für die Beibehaltung des alten Plenterhiebes.
Wo bedeutender Werkholzhandel «ststanden war^ (Südabftll der Al-
pen) konnte man die Plenterwii^thschaft nicht ohne grosse zeitliche Ver-
luste au%eben, weji man nor starke Hölzer vortheilhaft verwerthen konnte^
Wie solHe man die bisherigen Pleaterwalder kahl hauen^ da man ihre
schwachereo Hölzer gar nicht oder nur um da« halbe Geld ansuhrbgen
vermocht hatte, da man dann auch nicht wuaate» was mit den starken
S(taw»en jener Bestände anfangen, welche nach der neuen Schlagordnunf
ejrat in spater Zukunft zum Hiebe kommen sollten?
In den vielen mit Einforstungen belasteten W&ldern blieb es in der
Regel fiberall beim Plenterhiebe , denn selbst in den wenigen Fallen, in
wichen es mägUch gewesen wäre, f&r eine grössere Zahl Etingeforsteter
fjne vollständige Reihe von Gesammtschlägen herauszufind^i > aus wel*
cfien die Zustellung der Rechtshölzer nicht höher als bisher kommen mus-
sie 9 konnten sieh die Berechtigten nicht 'über die gemeinschaftliche An-
Uge der nöthigen Bringungswerke vereinigen.
In vielen Gemeindew&ldern hatte es ein iUinliches Bewandtnisse Wür-
de auch die KahlscUagwirthschaft zulässig oder selbst vorrheilhaft gewe-
s^ seiflbk aQ konnten sich die Insassen doch nicht über die Errichtung der
unumgänglichen Bringungsanlagen einverstehen.
BHanchen Gemeinden od^ den sie beürsternden Staatsforstbehörden
(Tür^A Lomhardie, Venezien) zeigten die traurigen Erfahrungen ihrer
Gegend, wie gefährlich die Kahlschlagwirthschaft der Verjüngung der
Wäl4er s^> Wyonö^ die Beweidung der Schläge nicht gehörig in Schran-
ken gehaltep Nrird. — Um nun die Erhaltung des noch vorhandenen Wald-
standes nicht weiter zu geßhrden, blieben sie beim hergebrachten Plen-
terbetriebe.
Dam Hat auch die Eriahrung dem Aelpler schon zu Genüge gezeigt,
an wie zahlreichen fiUelien der Wald die wohlfeilste und oft die einzige
Schuta^wehr gen die gewaltigen Verwüstungen seiner Bergnatur ist, sie
hat ihn seit jeher bestinunt an diesen Orten den Wald gegen die Axt zu
bannra. -- AU diese Bannwälder können nothwendigerweise nur geplen-
tert werden
Endlich waren und sind noch immer auch im Forstbetriebe das Bei-
spiel besonders der grossen Besitzer, die Gewohnheit und die Mode nicht
ohne Einflnas. — Wo nothwendiger- oder vortheilhafterweise in der Haupt*
saohe kaU gehauen wird, schlägt man auch solche Strecken kahl, wel-
che eben so gut oder besser zu plentern wären, und umgekehrt plentert
man i» Gegenden , wo der Plenterhieb allgemeiner angezeigt ist , auch
öfter doHy wo der Kahlhieb besser am Platze sein würde.
Unwillkürlich habe ich jetzt schon eine kurze Geschichte des Fich-
tenplenterwatdes der Alpen gegeben und aogedeutet, woselbst sich der
Plenterbetrieb bis in unsere Zut erhalten hat.
Wir finden ihn zur Stunde fast in allen Fichtenwäldern des Sfldab-
falles der Al^^e, wo ihn der UiUiende Werkhoh&handel erhält Wir fin-
den ihn in den meisten mit Einforstungen belastet^i Wäldern von Käm-
then und Krau», wir finden ihn als Regel in jenen^ Odmeinwäldern Salz-
burgs« Tirols und Kärnthens, in welchen den Innasseii der BWk&biedarf
auf dem Sleeke angewiesen wird» wir finden ihn fast überall in den
Bauernwäldern aller Alpen-Kronlinder, welche die Eif^enthümer der De-
ckung ihres eigenen Hobbedarfee gewidmet haben, wir finden ihn endlich
in allen Bannwiildem.
Die Südalpen haben gar manche aehr gut betriebene Plenterforste
aa&ttweiaen» welche schon seit Jahrhunderten nach gleichen wohlver-
standenen Grundsitzen behandelt werden ; und daher vortreffliche Anhalts-
pttokte sur Beurtheilung des Wachsthumsganges ^nd des Ertrages regel-
miflsig bewirthschafteter Plenterwilder geben.
Bevor ich den allgemeinen Wachsthumsgang des regelmissigen Fich-
tenplenterwaldes der Alpen beleuchte, kann ich mir nicht versagen einige
Erliebungen vorauszuschicken, welche in dieser Richtung im südtiroler
Reichsforste Paneveggio gemacht wurden, und welche um so mehr Werth
besitsen, als derlei Unteraachungett ihrer gsns eigenthfimlichen Schwie-
rigkeiten wegen im Plenterwalde nw sehr selten angestellt werden.
896
Waehsthnmggaiig des Fichtoi-
des Reichsforste«
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WSre es möglich in diesen Plenterwäldern aus den im Plenterbe-
triebe aufgewachsenen gleichalterigen Stimmen regelm&ssige Bestände
zusammenzusetzen, so würden sie folgende Gestalt und Erträge haben:
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S^rteBTerliMtBiss und deldwertli üem Holsertrage«.
Vom Jocke durchschniUlicIi.
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Prozentsatz
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Holzaorten fasse Fasses Ganzen
(Gesunde 14fuMige 5t tS •— u 5«
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A««.Kix^k^ J Aneertecbene 14fa8«iee 6 3*/* — ♦
»agDiöcne j ußg^jg^ ohne Unterschied 30 I6V4 -a
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Brenn- und Kohlholz (Abhölzer) • 18 6'/« — 1.7 —u
100 54 627
Die Schafte werden bis auf 6 Zoll zu fiagblöchen au%earbeiti»t
Venezianer
Um Tausend 14fussige SagUdche (taglie) m eraeugen . Massenfasse
mfisaen gefallt werden 1980Q
Aus der gefällten Holzmasse werden entfallen:
Starke in Holzgehalt v. Passe,
venez. Zollen Anzahl Das Stück Zusam.
i&ffiMiirA r'^'*''^'*» • 16 und mehr 131 19.7» 8586
S^rtllcleJ*^^"^ «-" 308 18.SC 396«
^" K^?^ 1 piccole 10-12 324 9.„ 2975
^ * ^ isoltomisure 6-10 «87 5-« 1404
1000 1M«7
llfiissige Sagblöche 5652
Brenn- oder Kohlholz 2260
Arbeitsschwand 361
19200
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Holsgate.
Das Fichtenholz von Paaeveggio hat bis Verona und Venedig den
wohlverdiemen Ruf ganz vorzüglicher Güte.
Es zeichnet sich aus durch besondere Dichte bei gleichwohl sehr
scbfwaehen (JaJbres*) Ringwliiden, durch ungewöhnliche GloicM&rmigkeit
(gleicUBrraige Mmringe) uad Astlosigkeit, dann durch hervorragende
Ausdauer.
Meine eigene» Untersuehungeii haben seine Dichte heraufgesieUt
wie folgt:
Zahi der Jahrringe auf Spi^zlfische« Oewieht in
Jeden Zoll Breite taasendtheflen V» H
In lufltrockensitt Sbistande jSkhwankang Mitlei gLChwankanj;^ Büt tel _
GeuutidesKemlMilz . . . 8«^e KS 852^4»! 415
Rothianles Kernholz • • • fr-^lft » 414^514 461
AMholz ^ 99 Wh-T» MI
Wer noch keinen regelnAsaigen Fichtenplenterwald gesehen hat,
dürfte sich i^on ihm kaum eine richtig^e Vorstellung machen. Man darf da
nicht glauben, er bestünde ans abwechselnd nebeneinanderstehenden Flecken
oder Gruppen von Maiss, Jung-, Mittel- und Altholz, gewissermassen ans
einer Unzahl äusserst kleiner regelmässiger Bestände allen Alters. Nichts
weniger als das. Der wohlbetriebene Plenterwald ist ein nahezu völlig ge-
schlossenes Hochholz, welches sich von den gewöhnlichen gleicbalterigen
Altbeständen nur dadurch unterscheidet, dass seine Stämme nicht so gleich
stark sind und dass dazwischen auch einzelne Reidel und Stangen stehen
und stellenweise auch spärlicher Jungwuchs anzutreffen ist.
Bringt man die Stämme des Fichtenplenterwaldes nach ihrer Stärke
in mehrere Abtheilungen, von welchen jede um eine gleiche Zahl von Zol-
len steigt (z. B. 1—6, 6—12, 18—18, 18—24 Zoll), so zeigt sich zwar, dass
jede Stärke durch eine ziemlich gleiche Zahl von Stämmen vertreten ist;
bei der einfachen Beschauung treten aber alle schwachen Stammklassen
so «ehr vor den starken zurück, dass sie fast ganz der Beobachtung ent-
gehen , offenbar weil sie von den starken Schäften verdeckt und gedrückt
werden.
Der Jungwuchs insbesondere entgeht öfter gänzlich der Beobachtung,
Aills man nicht etwa besonderes Augenmerk auf ihn richtete.
Im wohlerhaltenen regelmässigen Fichtenplenterwalde ist der Boden,
wie in den geschlossenen gleicbalterigen Althölzern, bei Kalkthonknune
mit kurzen Mosen und sehr spärlichen Gräsern und Kräutern, bei Kalk-
schuttkmme auch mit krautartiger Heide , bei gemeinen Lehm- und Sand-
krumen hingegen ohne Graswnchs mit Moos und gemeiner Heidelbeere be-
deckt — Keimt hier auch der fallende Same mehr oder weniger gut, so
gehen doch die Keimlinge, ganz so wie im gleicbalterigen Altholze regel-
mässig wieder ein; nur an jenen Stellen, über welchen durch die jüngste
Herausnahme Eines oder mehrerer Stämme ein Loch in das hohe Kronen-
gewölbe geschlagen wurde, erhalten sich einige und wachsen zu Jungholz
heran. Der Jungwuchs erscheint auf diesen Stellen auffallend schneller und
reichlicher (besonders auf dem Heidelbeerfilze) , wenn durch die Aufarbei-
tung des früher dortgestandenen Stammes, oder gar durch dessen Windsturz
der Boden verwundet wurde.
Der Keimling ist nun zur mehrjährigen Pflanze gediehen, diese wächst
auch endlich zur Stango heran , aber es ist eine arme freudenlose Jugend,
ihr ist die üppige Frische, die markige Fülle des freiaufwachsenden Fichten-
jfinglings für immer versagt, im steten, niederdrückenden Kampfe um das
nackte Dasein fristet sie auch im besten Falle eben nur das nackte Leben.
' Die Stange wiird endlich Mittelholz. Bereits abgehärtet und daher min-
der empfindlich gegen den unvermeidlichen Druck der Verhältnisse , strebt
sie jetzt mit wachsender Kraft dem Urquell alles pflanzlichen Wohlseins,
dem Lichte m, und wie im Menschenleben die rastlose vernünftige Beharr-
lichkeit doch meist zum Ziele führt, so arbeitet sich auch hier das Reidel
gewöhnlich lu Althols [empor und geniesst nun am Abende seines vielg«'»
prüften Leben« mit vollen Zfigien all die kastbaren Gfiter dea Lichte« , der
Sonne, de« Thaue« und de« Regens« welche seiner Jugend nahezu versagt
waren.
Gleich dem entschlossenen kraftigen Manne, der sich nach langen
Schicksalsprüfungen doch endlich ein behagliches Alter erkämpft, ist der
Altstamm zwar schon verdorben für die gewaltigen Kraftausserungen, welche
nur der ungetrübten Jugend vorbehalten sind, aber ihm ist dafür ein langes
Alter von solcher Rüstigkeit beschieden , dass er in der letzten Stunde , wo
endlich die Axt an ihn gelegt wird, auf Leistungen zurückschauen 'kann,
welche den Thaten des zeitlebens frei Gewesenen nur selten nachstehen.
Aber ich fürchte, diese, Sprache der Dichter ist wenig geeignet zur
klaren Darstellung so materieller Dinge, wesswegen ich denn zurückkehre
zur kalten aber desto bezeichnenderen Prosa.
Vermog des Druckes des umgebenden Hochholzes kann der Jung-
wuchs im Plenterwalde nie zu jener Kraftentwickluag gelangen, welche
ihn im freien Stande auszeichnet, er kann, ganz abgesehen von der reichen,
kräftigen und tiefgrünen Benadelung, hier nicht zu jenem Maximum von
Kraftansserung in Längen, Starken und Massenwuchs, dann in Schaft und
KronenfBlIe gelangen, welche den gleichalterigen Fichtenbestand um 40—
60 Jahre herum auszeichnet Zwar. unterliegt die Fichte ihrer eigenthüm«
liehen Natur nach nicht leidit diesem Drucke, aber sie wächst in jeder
Beziehung ungleich minder rasch vorwärts.
Zeitweise durch nachbarliche Fällungen hervorgerufene Lichterstel-
lung beschleunigt zwar oft auf einige Jahre den Wuchs; aber gleichwohl
ist das Wachsthum im Allgemeinen bis zumAitholze hinauf stau-
nenswerth gleichförmig. Diess ist nicht minder auch mit dem Längen-
wüchse der Fall, obgleich der Längenwuchs überhaupt verhältnissmässig
stärker ist, wie alle übrigen Wachsthumsäusserungen, was offenbar im
Streben nach dem Lichte liegt, und eine auffallende Abholzigkeit der
SduUfte nach sich zieht.
Ist endlich der Stamm Altholz geworden und in das Kronengewölbe
an's Licht emporgedrungen, so setzt ihn eben vielleicht die zurückgehal-
tene jugendliche Kraftiiusserung in die Lage, bedeutend länger in gutem und
weit besserem Zuwachse auszudauern, als die frei aufgewachsenen gleich-
alterigen Althölzer ; erst jetzt gelangt er in jeder Richtung in seinen Ma-
ximalzuwachs und zwar in einem Alter, wo diese den Zuwachs schon
theilweise oder ganz versagen, wenn gleich diese Maxima in der Regel
nicht so auffallend sind.
Der Gewöhnung an Ober- und Seitendruck dürfte es auch zuzuschrei-
ben sein^ dass eine entschieden grössere Stammzahl bis in*s höhere Alter
aushält, als beim gleichalterigen Walde.
Unter diesen Umständen können natürlch die Aeste nie stark wer-
den und die Schäfte werfen sie bis in's höhere Alter früh ab^ daher die
ungewöhnliche Astreinheit der Stämme; die Holzzollen bilden sich kleiner
aber weit gleichmässiger aus, daher die weit grössere Dichte und die
Ml
g^Ieichwohl tfchwadbel*eti RingfwSiide de« HoltM, dttm die dünnere Rinde
der Plenterstlmme. ^ In diesen, wie in den meisten Waehstfanmabenie-
hungen nähern sich die Plenterstamme mit alleiniger Ausnahme ihres lets*
ten Lebenszeitraumes sehr den Durchforstnngfsstan^n, mit Welchen sie
ja auch die Wachsthumsbeding^nn^en ziemlich gemein haben.
Dieser ganz eigene Wachsthnmsgang des regelmassigen Fichtenplen-
terwaldes liegt nun hauptsachlich in der Bigenthümlichkeit dieser Holzart,
in der Beschattung des höheren Holzes bis in's hohe Alter aiisdaaern
zu können und dabei die Fähigkeit zu behalten, nach endlicher Freistei-
lung noch immer die Kraft zu entMrickeln, welche sie in der Jugend sa
äussern verhindert war.
Nun bleibt mir noch die Kardinalfrage zu beantworten , wie sich
nemlich im Allgemeinen und im Besondren der Zuwachs, oder was das-
selbe ist, der Holzertrag nicht des einzelnen Stammes, sondern des gan-
zen Waldes zu jenem des gleialterigen frei aufgewachsenen Bestandes
verhält
Hier aber muss ich meinem geehrten Leser die Antwort schuldig biei-
ben. — Die Seltenheit des Beisammenseins regelmässiger Plenterwälder
mit frei aufgewachsenen Beständen, die Schwierigkeit alier Wachsthams-
erhebungen in den ersteren haben in den Alpen, wo die Forste erst seit ge-
stern angefangen haben , Gegenstand wissenschaftlicher Forschmig zu sein,
noch so wenig verlässliche Erhebnngen hierüber zu Tage gefördert , dass
diese Antworten jedenfalls der Zukunft überlassen bleiben müssen.
So viel aber glaube ich selbst überzeagend erhoben zq haben, dass
der Ficfatenplenterwald vergleichungsweise besser zuwächst (also in dieser
Richtung eher am Platze ist) auf Standorten , auf welchen die Fichte über-
haupt besser und länger auszudauern vermag. Auf solchen Standorten habe
ich seinen Zuwachs öfter zum mindesten eben so gross gefunden , wie den
unter gleichen Ortsverhiltnissen frei aufgewachsener Bestände.
Unzweifelhaft gebührt dem Plenterwalde auf sonst geeignetem Standorte
an nndftr sich der Vorzug dort, wo die Erzeugung vorzugsweise auf starke
Werkhölzer gerichtet sein muss; denn er gibt seinen Ertrag in weit stär»
keren Hölzern von fiberdiess vorzüglicherer Güte und hat weniger Abhotz.
Einen Umstand jedoch hat die Plentemng dem Kahlschlage gegenüber
auch hier gegen sich d. h. die meistens grösseren Abbringungskosten. Wird
audi nur in zwanzigjährigen Zeitabschnitten geschlagen , so ist doch das
Holzergebniss, welches sich beim Kahlhiebe auf Einem Joche beisammen
findet 9 im Plenterwalde stattdem auf 5—10 Jochen zerstreut, wesswegen
denn dessen Abbringung liier iiesonders dann thenrer zu stehen kommt,
wenn hiezn — wie es in den Hochbergen so häufig der Fall ist — Rie-
sen gebaut werden müssen. Nur dann stehen sich die Kosten so ziem-
lich gleich, wenn die Hölzer schon von der Fällungsstelle aus mit Zugkraft
abgeführt, oder (auf steilen Lehnen) ohne weiters abgeschossen werden
können. — Der steigende Holzpreis verringert jedoch diese Arbeftskosten-
unterscluede immer mehr und mehr , denn er drängt immer h&ufiger am
Anfgehea der RieMn » die n«r insolange die Aiibiring^ng sehr wohlföil ma-
chen, als das Holz^ welche« durch sie verbraucht wird, noch Weidg Werth
beailst
Aber ~ um wieder zu den Vorzügen zurückzukehren — noch gar
Viele« empfiehlt den Plenterhieb.
Auch dort» wo der Holzwerth die allaogleiche Aufforstung der Kahl-
schlage bereits vortheflhaft machte, müssen diese sehr häufig der Selbst-
verjüngung überlassen werden. Hier, weil es sich um Lagen handelt,
wo die Aufforstung (wenigstens zur Stunde) gar nicht gelingt, dort, weil
man zum Aufforsten kein (beschick hat, wo anders, weil man zeitlicher
Sparung halber diese Vorauslage scheut und auch die Einnahme aus der
Weidenutzung nicht geschmälert wissen will, an anderen Orten endlich,
weil die Ganz- oder Halbservitut der Weide die künstliche Verjüngung
ohnediess vereiteln würde. In allen diesen Füllen bleiben die Kahlschlage
nun nothwendigerwetse der Seibstverjüngung überlassen. Diese lasst je-
doch im grossen Durchschnitte ganzer Forste 25—30 Jahre auf sich war-
ten, man verliert also ihretwegen alle 100—150 Jahre das Holzerzeugniss
von S5— 80 Jahren, oder was dasselbe ist, die Forste werfen ihretwegen
im grossen Ganzen um ein Fünftel weniger Holz ab. Diesem Holzer-
tragsverluste nun entgeht man gänzlich beim Plenterbetriebe, und man
kann füglich sagen, dass all die grossen Forstbezirke der Alpen, in wel-
chen bisher Kahlsclagwirthschaft getrieben wurde ^ beim Plenterbetriebe
der Volkswirthschaft nur em Viertel mehr Holz zugeführt hätten.
Ist denn dann in den Alpen durch die Kahlschlagwirthschaft nicht
sehr oft schon die Verjüngung höchlich gefährdet, ja gänzlich vereitelt
worden? Wie oft gesellten sich zu den Naturhiiidernissen , welche der
Selbstverjüngung entgegenstanden, die nicht hintanhaltbaren Unbilden
von Seite der Weideniesser , die Verwüstungen des entblössten Waldbo-
dens durch die ElemAite mit einem Erfolge, der die Schläge zur ewigen
Blosse oder den spätem Wiederwuchs zum schlechten Krüppelbestande
verurtheilten ? Die meisten der zahlreichen grossen und kleinen Blossen,
Weideplätze und Almen der Waldregion sind ganz gegen den Willen der
Eigenthümer mittelst derKahlschlagwirthschaft dem Holzwuchse entrissen
worden.
Der Plenterbetrieb hätte diesen Verwüstungen vorgebeugt!
Ich will damit nicht sagen, dass nicht auch Plenterwälder völlig ver*
dorben werden können, denn den uaunterbrochenen Angriffen der Hacke
und des Viehes unterliegen zuletzt auch sie — was gar viele Gemeinde*
Wälder der italienischen Alpen beweisen — aber sie widerstehen ihnen
noch inmier, wo der Kahlschlag schon längst unterlegen wäre, wie njohrt
minder tausende von Hochgefairgswäldern beweisen.
Und is< denn der Plenterbetrieb nicht völlig unausweichlich in den
zahlreichen Gehölzen, welche als Schutzwald ununterbree^n hober Be-
stookung bedOrfea?
VnA wie ander« liesaen mch unter den geg:ebeiien Umsduiden die
HolsoDgarechte der metaten Einf^eforateten dieser Ber^e abthun^ wie an-
der« könnte aus dem kleinen Bauernwald der Hansbedarf eines Besitzers
i^efriedi^ werden« als eben durch die Plenterung^?
Ich glaube nun g^enug^ gesagt zu haben, um auch jene, welchen es
nicht gegönnt ist, unsere Hochberge von Angesicht zu Angesicht zu
schauen, zu überzeugen, dass die Plenterung hier für zahllose Waider
eine unschätzbare und gar oft die einzig ausfuhrbare Betriebsweise sei.
Wahrhaftig, jene, welche die Plenterwirthschaft als einen unserer
vorgeschrittenen Zeit unwürdigen Betrieb darstellen, welcher nur etwa
ausnahmsweise im Bannwalde oder in Cregenden geduldet werden kann,
wo der Wald noch keinen Werth hat, all diese mögen zwar die Land-
forste ihres Bezirkes ganz vortrefflich kennen, aber von dem Verhaltnisse
unserer Hochberge haben sie wahrlich kaum eine Ahnung.
Der Fichtenplenterwald ist dann auch der künstlichen Wachsthums-
ffirderung gar nicht unzugänglich, — Auf den stark verfilzten Böden
kann man durch Aufreissung der Bodenschwarte auf den Fällungsstellen
den Nachwuchs wesentlich begünstigen, und auch durchforsten kann man
den Plenterwald, wobei freilich nach anderen Gesichtspunkten vorgegan-
gen werden muss, als beim frei erwachsenen Holze.
Bis jetzt habe ich den regelmässigen wohlbetriebenen Fichlenplen-
terwald geschildert. — Aber die grosse Mehrzahl dieser Wälder ist bei
weitem nicht so regelmässig.
In den mit der Einforstung belasteten Forsttheilen werden die Stämme
häufig mehr gruppenweise als einzeln herausgenommen. Hie und da füh-
ren auch Sturmschäden eine gruppenweise Stellung herbei.
Namentlich in den vielen Gemeindewäldern, wo sich die einzelnen
Insassen ihr Holz selbst aufSairbeiten, dann in jenen zahlreichen Plenter-
wäldern , welche dem Frevel stark ausgesetzt sinc^ kann natürlich von
strenger Regelmässigkeit keine Rede sein.
Wir finden daher in den Alpen alle möglichen Abänderungen vom
regelmässigsten dicht bestockten Plenterwalde bis zu jenem zweifelhaften
Holzlande herab, welches nur mehr mit einzelneu Stämmen und Stamm-
gruppen allen Alters sehr licht bestockt ist und manchmal ebensogut als
bestockte Viehweide angesprochen werden könnte.
Der Plenterwald letzterer Art ist namentlich in Tirol sehr stark
vertreten.
Die unberechtigXe Axt des Gemeindeinsassen und des Holzdiebes,
das Scharreisen des Harzsammlers, die Hacke des Streumachers, vor Al-
lem aber die Hoppe des Hirten und der Zahn seines Weideviehes haben
dort gar viele Plenterwälder besonders in der Nähe der Ortschaften und
der Almen in Bestände verwandelt, in welchen der vieljährig verbissene
Nachwuchs sich zwar endlich auch zum Reidel erhebt, aber zu keiner
Zeit in eine dichte Stellung geräth. Aus der Ferne betrachtet, scheinen
viele dieser Bestände zwar wohl bestockt, aber es ist das meist Qur-Täu-
80&
scbung» denn allerdingfs stellen die von Jugend an licht gestandenen, da-
her schirmreiohen St&mme einen ertrSglicheu Kronenschluss her » aber es
fehlt an Schäften und mithin an Derbholzmasse. Gar manche andere Plen-
terwälder stehen so lichr, dass sich der Boden sogar mit einer förmlichen
Grasnarbe überzogen hat. In dieser Gattung von Plenterwald sind daher
Wachsthumsgang und Holzertrag völlig anders und nähern sich mehr oder
weniger jenen frei erwachsener Wälder oder vereinzelter Baumgruppen.
Ich habe gesagt, dass die häufigen Bannwälder durchaus mittels
Plenternng benutzt werden. Diese Benützung beschränkt sich aber ge-
wöhnUch bloss auf die Hinwegnahme der abgestorbenen oder vom Sturme
zerrissenen Stämme^ ja öfter fallt auch diese weg und der Bestand bleibt
gleich einem Urwalde sich gänzlich selbst überlassen.
Fasst man den Zweck des Schutzwaldes ins Auge (gewöhnlich un*
unterbrochene Erhaltung möglichst vollständiger Bestockung mit sehr star-
ken Stämmen), so ist klar, dass derselbe viel besser erreicht würde, wenn
der gebannte Wald zwar erst in hohem Alter, im Uebrigen aber wie jeder
andere geplentert und genutzt würde. Hiebei könnte man immer aueh die
gewöhnlichen Vorsichten beobachten, z. B. dort, wo Lawinen aufgehalten
werden soiien, sehr hohe Stöcke lassen; man könnte diese Stöcke, damit
sie möglichst lange der Vermoderung entzogen werden, schräg und glatt
hacken oder gar mit einem Dache versehen (damit das Regenwasser ab-
laufe oder sie gar nicht treue).
Gleichwohl hat aber die bisherige nahezu Nichtbenutzung der Bann-
wälder unter den gegebenen Verhältnissen ihren sehr guten Sinn.
Bei der üblichen geringen Achtung des Forsteigenthumes kennt nem-
lieh die Axt, wo sie einmal zugelassen wird, nur zu oft nicht die gehörige
Grenze. Um daher den unschätzbaren Bannwald und damit sein Gehöft
und sein Leben völlig sicher zu stellen, hat der Aelpler bisher ganz wohl
gethan^ den Schutzwald gänzlich gegen die Axt, gegen jeden EingriiT zu
bannen. Und tief hat sich diese Nothwendigkeit dem Volke eingeprägt.
Eine fast heilige Scheu hält selbst den kecken Holzdieb vom Bannwalde
fern, wesswegen diese Schutzwälder die schönsten und wohlbestocktesten
der ganzen Gegend sind; Haine, deren schauerliches Dunkel' allsogleich
verkündet, dass dem Silvan hier ein Altar aufgeschlagen wurde.
Selbst inmitten völlig verwüsteter Gemeinwälder sieht man öfter
den gebannten Streifen in vollster Majestät ungestörter Naturkraft hervor-
ragen, und den Beweis liefern, was die daneben liegenden Gedungen
vermöchten, wären sie eben so gut vor der frevlen Menschenhand gesichert.
127
Der sogenannte Urwald.
In den deutschen und slovenischen Hochberg^en hört man allenthalben
von Urwäldern sprechen; oft ganz nahe an Werksorten, die schon seit
Jahrhunderten g;rosse Holzmassen verbrauchen, trifft man sogenannte Ur-
SO
906
Wälder, die «o eben gehauen werden , so das« der Fremde gar nicht begrei«
len kann, wie denn der Wald sich in solchen Lagen so lange unangetastet
erhalten konnte.
Der Urzustand ist aber hier nichts als Täuschung* Die eigentli-
chen Urwälder sind in diesen Bergen schon lange auf wenige unbedeutende
Reste zusammengeschmolzen, und selbst der Böhmerwald birgt w«t
grössere Waldstrecken , in denen noch nie die Axt erklungen hat, als an*
sere Alpen.
Das , was man in den österreichischen Hochbergen Urwald heisst«
sind gewöhnlich nichts anderes, als überständige, undurchforstete Wälder
von ungleichzeitiger Entstehung ^ deren älteste Horste schon lange ihr
Haubarkeitsalter überschritten haben, in denen einzelne Gruppen auch
schon Tom Sturme geworfen wurden ; zuweilen sind es auch alte Plenter-
wälder, in welchen man die Plenterung zu Gunsten der Kahlschlagwirth-
schaft aufgegeben hat. — Allerdings errinnern darin die zahlreichen abge-
storbenen Durchforstungsreidel , einzelne vom Alter vertrocknete Abstan-
der, .die^ modernden Windwfirfe, kurz der ziemlich vollendete Ausdruck
der unangetasteten Naturerzeugung in vieler Beziehung an den wirklichen
Urwald; aber diese Bestände sind nicht minder aus früheren Schlägen
hervorgegangen, wie die wohlgescbuiegelten Flachlandswälder unserer Zeit
Sie ergaben sich etwa also.
Die Hölzer, welche einst an ihrer Stelle dastanden, sind in ununter-
brochen aneinander gereihten Schlägen gehauen worden, wodurch unge-
heure Schlagsflächen entstanden, welche sich nach der Darstellung des Ab-
satzes 1S9 erst im Laufe der Jahrzehente, in der Regel aus dem Samen der
ersten Pflanzenhorste selbstverjüngten, welche dort entstanden. Daher das
ungleiche Alter und die verschiedene Stärke der Stammgruppeu , welch
letztere um so auffallender hervortritt, als darin noch alle später ausge-
schiedenen (Durchforstungs) Reidel vorhanden sind, und in manchen Ge-
genden auch noch die verwitterten Altväter dazwischen vorkommen, welche
die Holzer beim letzten Abtriebe darum stehen gelassen haben, weil ihnen
ihre Aufarbeitung dazumal zu mühsam vorkam.
Da die in den Hochbergen übliche Bringungsweise (mit Riese und
Klaustrift) starke Hölzer verlangt, so liess man die Bestände zweck-
mässigerweise von jeher ein höheres Alter erreichen. Weil man aber bis
in die Neuzeit in den meisten grossen Forsten weniger Holz schlug, als
im Ganzen zuwuchs, so wurde man hierin sogar zum Aeussersten ge-
drängt, ganz unwillkürlich musste man zahlreiche Bestände über und ab-
ständig werden lassen; insolange das zu Viel der stockenden Vorräthe
nicht vollends aufgezehrt war oder werden wird, kann man nothwendi-
gerweise den Abgabesatz nur in überständigen Hölzern hauen.
Die ehemaligen Material&berschfisBe der grossen Forste sind noch nicht
überall ganz aufgezehrt, an vielen Orten sind daher noch zur Stunde so-
genannte Urwälder vorhanden.
307
Durch das übermässige Altwerdenlassen der Bestände bat man den
Forsten nnzweifelbaft einen geringferen Holzertrag: abgewonnen, als sie
Termög ihrer Wachsthnmsverhältnisse hätten abwerfen Icönnen, denn ganz
abgesehen von der bedeutenden Holzmasse, welche in den Stämmen ver-
loren gieng, die schon früh absterbend nicht mehr bis zur Zeit der end-
lichen Eintegung des Kahlschlages aushielten, ganz abgesehen Ton diese))
Verlusten , setzt der immer mehr rückgehende Zuwachs solch über^lter
Bestände den Wälderdurchsctmittszuwachs und mithin auch den Wälder-
Holzertrag namhaft herab.
Dagegen hatte man durch dieses Verfahren das Aeusserste an stocken-
den Holzvorräthen aufgespeichert, worin nun der sogenannte Urwald aber-
mals dem wirklichen gleicht. — Die Abtriebserträge des uneigentlichen
Urwaldes deuten daher nahezu das Maximum des Holzes an, welches
sich auf einer bestimmten Fläche , auf ein und demselben Stocke heran-
ziehen Hsst.
Die gewöhnlichen Abtriebserträge des sogenaimten' Urwaldes fähre
ich in den Absätzen 123 und 1>4 an.
Ueber seinen Wachsthnmsgang , so wie über seinen Durcbschnitfs-
zuwachs sind mir noeli zu wenig genaue Erhebungen bekannt geworden,
als dass ich darüber zusagende Zift*ern geben könnte; so viel abei* ist
ganz sicher, dass sein Durchschnittszuwacbs bedeutend unter jenem gleich-
alteriger Bestände steht, welche um die Zeit des grössten Zuwachses
gefällt werden.
128
Der eigentliche Drwald.
Wer — verfahrt vom ungewöhnlichen Reichthum an Forsten, von
niederen Holzwerthe, von der sichtlichen Holz Verschwendung — meinte
in den österreichischen Hochgebirgen seien noch ausgedehnte Urwälder
zu 6nden, der täuscht sich sehr.
Immerhin tragen viele hoch und abseitig gelegene Alpenforste noch
das Gepräge unangetasteter Naturerzeugung ; ausser einigen Steigen^
welche sich nothdürßig durch diese endlosen Hochhölzer winden, erblickt
man dort nur wenige Spuren menschlichen Waltens, und noch seltener
Zeugen dessen , was man gewöhnlich Holzzucht oder Forstkultur nerait^
gleichwohl sind die eigentlichen Urwälder d* i. Strecken, in welchen noch'
nie die Axt erklungen hat, hier minder ausgedehnt, als (mit Ausnahme der
Sfidwestländer) in allen übrigen Kronlandsgruppen.
Kleinere Bestände, die wegen Unzugänglichkeit bis zur Stunde vom
Hiebe verschont blieben, trifft man zwar^ besonders an der oberen Wald-
grense^ noch öfter, auch solche Abtheiliuigen, in welchen bisher nur Spalt-
hölzer (zur Schindelerzeugung , dann Binder- oder Schaohtelbölzer) oder
einzelne Banstämme für nahegelegene Sennhütten herausgeplenter t wur-
den; von ausgedehnteren Urwäldern ist mir aber nur Einer bekannt; es
W
808
ist der berühmte niederösterreichische im obersten Thalgebiethe der März
gelegene Neuwald, welcher seinen Ruf einestheils der Nähe der Reichs-
hauptstadt und andern theils dem Genie verdankt, mit welchem der HoIsk-
meister Georg Hubmer in den Jahren 1882 — 25 seine bis dorthin unver-
werthbaren Hölzer bis nach Wien bringlich machte, und dadurch sich
und dem Eigenthümer (Grafen von Hojos) eine glänzende Einnahmsquelie
eröffnete.
Aber auch von diesem Urwalde standen 1851 nur mehr bei 2000
Joche und binnen wenig Jahren wird dieses letzte Ueberbleibsel ursprüng-
lich ungestörter Waldespracht für immer vom Schauplatze verschwunden,
für immer der Gier der Menschen verfallen sein.
Der Neuwald hatte eine Strecke — es war die letzte unter dem
Jochsattel liegende Thalmulde — in welcher die tiefere allseitig geschützte
und völlig flache Lage, der ungewöhnlich tiefe und reiche Boden jene
riesige Vegetaziou hervorzauberte, welche man irrigerweise iinmer mit
dem Urwalde verbunden glaubt
Es war mir gegönnt in meinen Jugendjahren die schauerliche Herr-
lichkeit dieses gewaltigen Urwaldkessels zu schauen, eines Naturtempeis,
der mich erschütterte, wie noch kein von Menschenhand erbautes Got-
teshaus.
Ich suchte damals den mächtigen Eindruck in meinem Tagebuche
mit folgenden Worten wiederzugeben;
^Höchst merkwürdig ist der grosse, üppige und wohlgeschützte Kes-
sel dieser unabsehbaren Waldwüste. Ein Bild grossartiger Schöpfung und
prachtvoller Wildniss überwältigt er auch das starrste Gemüth mit scheuer
Ehrfurcht vor den gewaltigen Werken Gottes. — Die Natur> welche hier
seit den Tagen der jetzigen Weltgestaltung allein und ungestört waltete,
hat da ein Unglaubliches an vegetativer Kraft und Erzeugung zusammen-
gehäuft, sie hat hier Anfang und Vollendung, pflanzliches Leben und Tod
in riesenhaften Formen überraschend nebeneinander geordnet"
y,Die Fichten, die Tannen und selbst die Lerchen dieses Kessels er-
reichen eine Länge von 150 -^200, eine untere Stammstarke von 5—8 und
einen Massengehalt von 1000~-2000 Fuss, die Buchen auch 120—150 Fuss
Länge, 3—5 Schuh untere Stärke und 300-— 1000 Fuss Holzmasse, und
lassen somit all das weit hinter sich, was wir in unseren modernen Holz-
beständen zu sehen gewohnt sind. An diesen Baumkolossen schätzen sich
die geübtesten Massenschätzer des Flachlandes zu Schanden/'
„Die Majestät dieses gewaltigen Hochholzes ist aber eine schauer^
liehe, denn inmitten der Stämme höchster Lebenskraft stehen allenthalben
die abgestorbenen Zeugen früherer Jahrhunderte umher, mit gebrochenen
Aesten und Gipfeln, die rindenlosen Schafte geisterbleich und vieifoch
durchlöchert von den Insekten suchenden Spechten, öfter auch in langge-
streckte Splittern endende Strünke vom Sturme gebrochener Fichten."
„Das Riesenhafte dieser Vegetazion rührt nicht bloss daher, dass die
Stämme bis zu ihrem natürlichen Absterben, also über das gewöhnliche
80»
HaubarkeiUalter hinaus fortwachsen und ihre Masse mehren kdnnen, son«
dern ganz besonders auch vom Vorhandensein aller Umstände» welche
eben das Lebensalter der Bäume auf die ansserste Grenze hinausznrücken
geeignet sind. — Das rauhere Klima, die mehr gleichmässig feuchte At-
mosphäre , der äusserst humose Boden , der eigenthumliche gewisser«
messen nie unterbrochene Waldesschluss, welcher das Wachsthum der
Stämme in der Jugend zurückhält, und ihren Fuss beständig schützt, das
alles zusammengenommen fördert so absonderlich die Lebensdauer, dass
diese Baumriesen, wenn sie nicht etwa früher vom Sturme getroffen
werden, meist ein Alter von 300 — 400, öfter sogar von 600 Jahren
erreichen."
„Tausende von kolossalen Schäften, wie sie Alter und Orkane nach
und nach übereinander geworfen haben, bedecken kreuz und quer — oft
als wirrer Verhau — den graslosen Boden. Hier ein frischer eben vom
Sturme in der Fülle seiner Kraft gerissener Stamm, mit seiner ganzen
markigen tiefgrünen Benadlung; daneben der rindenlose bleiche Schaft
eines heimgegangenen in sich zusammengebrochenen Altvaters astlos mit
geknicktem Gipfel; wieder daneben und darunter die Ueberreste früherer
Generationen, dicht mit grünem Moosfilze manigfacher Schattirung über-
zogen, in allen Stadien der Verwesung."
„Wo Stämme über^ den einzigen Pfad geworfen wurden, welcher
sich durch diese Wildniss windet^ hat man Stufen in die Schäfte gehauen,
auf dass man sie überschreiten könne , denn es hätte eines ungeheuren
Kraftaufwandes bedurft, sie aus dem Wege zu räumen. Etwa in der
Mitte des Forstes trafen wir auf einen eben gestürzten Fichtkoloss. Der
sechsfussige Schaft lag gleich einem Wall quer über den Steig, die
grössten unter uns vermochten nicht über ihn herüberzuschauen; die ge-
wandte Jugend hieb umsonst ihre Bergstöcke (Griesbeile) ein, um sich
im kühnen Satz hinaufzuschwingen, sie musste endlich dem besonnenen
Alter folgen und den Baum umgehen.''
„Merkwürdig ist die Fülle neuer Vegetazion, welche sich auf den alten
Lagerstämmen entwickelt. Ein dichter Pelz des üppigsten Mooses über-
zieht sie nach allen Seiten 5 darin finden die fallenden Baumsamen vortreff-
liches Keiinbett und in dem darunter sich bildenden Humus die jungen
Pflänzchen geeigneten Boden. >— So haben in den Leichen der hinge-
schwundenen Baumgenerazionen Millionen nachwachsender Pflänzlinge
Wurzel geschlagen und streben nunmehr rüstig zu den spärlichen Licht-
löchern hinan, welche diese Leichen durch ihren Sturz in das hohe Laub-
gewölbe des riesigen Forstes schlugen. — Auf einigen solcher Baumka-
davern fanden wir mehrere hundert neuer Fichten und einzelne davon
schon zu ansehnlichen 60 — 70 jährigen Reideln erwachsen. — Die moos-
bedeckten Lagerschäfte eignen sich gegenüber dem mit einer dicken
Schwarte überzogenen Erdboden so vor^süglicb für den neuen Nachwuchs,
dass dieser oft auch nur auf diesen erscheint. Vielen alten Horsten sieht
man diese Rntstehungsweise jetzt noch an, denn sie dtehen in den geraden
SlO
Linien dea l&ugstv ergangenen Schaftes da , auf welchem sie ursprünglich
gekeimt haben. — Nicht selten trifit man auch Altstämme, deren Wursel-
knoien mehrere Fusse ober dem Boden steht. Sie sind eben auf starken
Baumleichen entstanden, ihre Wurzeln haben dann über die Seiten die-
ser letzteren in den Erdboden hinabgegriffen und weil der von ihnen um-
fasste Schaft in der Folge ganz zusammenfaulte , so stehen sie nunmehr
mit einem Theile der Wurzeln in der Luft«^'
y^Ohne Uuterlass zog es uns vom Steige ab, den wir verfolgen sollten ;
dieses Eindringen in die anscheinend noch unbetretene Wildniss hatte einen
unnennbaren Reiz, dem Keiner zu widerstehen vermochte» es war das
Gefühl, welches die grossen Weltumsegler bewegt haben mag, als sie neue
Erdtheile entdeckten/^
„Aber was war im Grunde unser Vordringen ! Wenige Schritte und
gewaltige Lagerholzmassen traten uns entgegen* Mit ungeheurer Anstren-
gung schwangen wir uns über einen oder den anderen Schaft hinüber^
mühsam durchkrochen wir andernorts die Gipfel oder zwängten uns zwi-
schen dem Boden und dem Schaft durch; öfter sprangen wir auf ein dicht-
bemoostes Stammstück, aber es brach unter uns ein und wir versanken bis
über die Kniee in Holzmoder. — Es waren das völlig vermooste Schaftei
welche nur mehr durch den dichten Moosüiz zusammengehalten wurden.
Kaum war Ein Verhau überwunden, so stellte sich wieder ein neuer entge-
gen und nach halbstündiger Anstrengung aller Kräfte hatten wir nicht viel über
hundert Klafter Wegs zurückgelegt. Gleichwohl befanden wir uns schon
in einer völlig neuen Gegend, offenbar, weil uns die überstiegenen Lager-
hoizmassen den Rückblick auf den Steig abschlössen. Noch einige hundert
Schritte , und wir waren nicht nur alle unbewusst von einander abgekom-
men, sondern hatten auch ungeachtet der gespanntesten Aufmerksamkeit
einer wie der andere gänzlich die Orientirung verloren. Zum erstenmale
machte mir der Wald, sonst der trauteste Freund meiner schönen wie mei-
ner schmerzlichen Stunden — wahrhaftig bange. Mit klopfendem Herzen
und zurückgehaltenem Athem harrte ich voll Angst aber vergeblich auf den
Ruf unseres Führers.'*
^,Nun erst begriff ich die schauerlichen Geschichten, welche mein
alter Oheim , der seine Jugend in hiesiger Gegend verbracht hatte , in der
Spinnstube meines Grossvaters öfter zum Besten gab/'
„ „Ein Wiener Apotheker, erzählte er unter Anderem, kam botanisiren
hieher. Auf der Hnbmerischen Kolonie im Nasswald, wo er übernaclitete,
erzählte man ihm wohl, wie gefahrlich es für einen Fremden sei, den Neu-
wald allein zu besuchen und besonders vom Steige abzuweichen , indem
selbst die beimischen Holzknechte sich dort gar oft nicht zurecht finden
können. Vergebens. Er verlachte alle Warnungen und glaubte wahrschein-
lich , man wolle ihm nur einen kostbaren Führer aufdringen. Am nächsten
Morgen überstieg er allein das Gscheid und vertiefte sich dann in die
Waldwüste."«
811
„„AIb er nach Verlauf der f&r seinen Ausflag* anberaamten Zeit
nicht wieder zu den Seinen zurückkam, stellten diese Naehforchungen an,
sie verfolgten ihn leicht bis in den Nasswald, wo man ihnen roittheilte,
dass der Vermisste sich vor etwa drei Wochen von hier aus auf den
W^g machte, um den Neuwald in der Richtung der Terz durchzu-
machen.**'*
„„Aber weder in der Terz^ noch in der Frein wollte man
diesen Fremden haben ankommen sehen, seine weitere Spur war nirgends
aufzufinden. Es unterlag keinem Zweifel, er war aus dem Neuwalde
nicht mehr herausgekommen. — Man bot die Holzknechte auf^ den viel-
leicht schon Verhungerten aufzusuchen, aber alles Suchen war nutzlos. —
Jetzt erst wurde diesen Leuten klar, was das dumpfe Schreien und Wim-
mern zu bedeuten hatte, das sie vor einigen Wochen zwei Stunden vor
Mitternacht aus dem Kessel dieses Urwaldes bis in ihren Holzschlag hin-
auf vernahmen, und was sie — abergläubisch , wie sie sind — für Gei-
sterspuck gehalten hatten. Es war der Todesschrei des nnglQcklichen
Botanikers.""
„„Als nach einigen Jahren die Holzschläge auch in diesem Kessel
vorruckten, trafen die Holzknechte ein zwischen zwei über einander ge-
stfirzten Baumschäften eingezwängtes menschliches Grerippe, daneben eine
ganz verrostete Botanisirbfichse , zweifelsohne die Reste des botanisiren-
den Apothekers aus Wien/'"
„Um nicht vielleichtnochweiter vom Steige abzukommen^ Hess ich mich
auf einen bemosten Baumstamm nieder und beschloss geduldig das Rufen ab-
zuwarten, das denn doch endlich erfolgen musste. Ich zog die Uhr, sie
wiess auf ein viertel auf Eins. Draussen schien -* wie ich mich später
fiberzeugte — die Sonne in hellstem Mittagsglanze. Aber nicht Ein Strahl
dieser heissen Augustsonne drang in das ewige Dunkel, noch störte er
die unwandelbare feuchte Kühlung unter dem hohen Laubgewölbe dieses
Forstes. Schwermüthig starrte ich in seine düsteren, schattenlosen Säu-
lenhallen, welche grau auf grün und vrieder grau sich nach allen Seiten
in's Endlose zu erstrecken schienen."
„Alle Bewegung schien weit und breit erstorben, es schwirrte kein
Vogel, es flatterte kein Schmetterling, und selbst die Lüfte ^ welche hoch
oben die Baumgipfel in sanften Schwingungen wiegten, drangen nicht mehr
in den Bereich der Schäfte herab. — Lautlose Stille ringsumher; destomehr
schreckte plötzlich der schneidende Schrei eines einsamen Spechtes und
ein andermal das geisterhafte Knarren zweier sich reibender windbeweg-
ter Sdiäfte."
„Keine Spur menschlicheu Waltens milderte den bangen Eindruck
dieser schauerlichen Oede."
„Ich wusste, dass ich nicht ferne sein könne von meinen Freunden und
gleichwohl fibermannte mich das Gefühl drückendster Einsamkeit, unwider*
stehliches Bangen."
Sit
,»WaB ist der Mensch in seiner eingebildeten Herrlichkeit geg^endber
der wahrhaft grossen Schöpfung Gottes!? Uebermüthiger Thor» du faselst
in deinem Rausche, die Menschheit sei Alles, du selbst seist Gott! — Es gab
ja doch eine fast ewige Zeit, wo der Erdball ganz ohne dich bestand, und
die Welt, ohne diese Lücke zu bemerken, ruhig ihre Bahn verfolgte. —
Wenn du kraft deiner Erstgeburt dich für göttlich hältst, so ist die Mn-
schel längere Zeit vorhanden, als du; wenn du pochst auf deine Zahl , so
fibertrifft dich der Sand des Meeres, wenn auf das Recht des Besitzes, so
macht dir der Warm die Herrschaft streitig. — Du sprichst von deiner Herr-
schaft über die Natur ? ! Setze vorerst aus seinen Elementen das Grras zu-
sammen, welches dein übermüthiger Fuss zertritt, banne die Krankheit, die
deinen schwachen Körper zernagt, fessle die Welle, welche das gebrech-
liche Schiff* verschlingt, mit dem du vorgibst das Weltmeer zu bemeistern!"
„Flitterkönig der Natur ! tritt in die Tempel , wo sie ihre ganze Maje-
stät entfaltet, in die Tempel, die ja doch deine Residenz sem sollten , tritt
ein in die schauerliche Herrlichkeit dieses Urwaldes, tritt allein ein, wie es
dem gebührt, der allein auf sich bauen will, und du fliehst von einem Schau-
plätze^ dessen Erhabenheit viel zu gross ist für deine kleine Seele!''
.Zur Vervollständigung des Bildes muss ich jener jugendlichen Auf*
Schreibung noch hinzufügen, dass der beschriebene Urwaldkessel gewöhn-
lich 60 — 150 Klafter Lagerholz aufs Joch barg, von welchem etwa die
Hälfte wenigstens noch im Kernholze brauchbar war. — Das Kernholz
blieb hier 800 — 1000 Jahr gesund und die gefallenen Stämme brauchten
150—800 Jahre zu ihrer völligen Verwesung. — Um das zu begreifen, möge
man sich der ausgezeichneten Beschaffenheit des Holzes, des langen Win-
ters und der fortwährenden feuchten Kühle des kurzen Sommers erin-
nern, man wolle bedenken, dass kein Sonnenstrahl auf die Lagerhölzer
fallt, und dass jedes von ihnen durch eine dichte Decke von Moos gegen
pie Einwirkungen der Atmosphäre geschützt ist.
Aber man möge ja nicht glauben , dass die riesige Majestät des
eben dargestellten Kessels überall im Urwalde zu treffen sei. Nichts
weniger, als das. — Dieselben minder günstigen Einflüsse des Bodens
und der Lage, welche den Wuchs des gewöhnlichen Waldes gar so häu-
fig herabsetzen, wirken nicht viel minder stark auch im Urwalde. — Es
gab daher auch, und gibt noch heute Urwälder mit ganz vereinzelter und
winziger Bestockung, Wälder, welche nicht den zehnten Theil des obigen
Ertrages geben«
In dieser Beziehung, so wie in seiner äusseren Erscheinung über-
haupt gleicht der wirckliche Urwald fast ganz den bloss sogenannteil Ur*
Wäldern und unterscheidet sich von diesen hauptsächlich nur durch eine
weit grössere Masse von Lagerholz.
Die Wachsthumsverhältnisse hat der eigentliche Urwald sowohl im
einzelnen Stamme, als im ganzen Bestand nahezu mit dem dichtgehälte-
nen Plenterwalde gemein.
SIS
129
Selbstverjibigug der FichtenkaliLBehlllge.
(Die Fichtenwalder der Alpen sind nicht immer un^emengt, häufig sind
darin mehr oder weniger Lerchen, Tannen oder Buchen meist in dem
Masse eingesprengt, als die Oertlichkeit diesen Holzarten zusagt.)
Samenjahre.
Durch Untersuchung des Alters der in selbstverjöngten Schlägen
vorhandenen Ptlanzenklassen habe ich gefunden, dass ein reifer Fichten-
bestand nach der untenstehenden Abstufung so viel Samen trägt, als zur
genügenden Verjüngung sowohl seiner selbst, als auch eines nebenlie*
genden Kahlschlages unter sonst günstigen Umständen hinreicht.
Erfolf^t ein feDfifpender SameDfall innerhalb
Jahren
In einer Meereshöhe
von Fassen
Im Nordabfalle und im
HaapUtocke der Alpen
Im Sfidabfalle
der Alpen
1000
3
_-
2000
4
3
3000
6
4
4000
8
5
4500
11
6
5000
—
7
5500
—
8
6000
—
11
In einem dazwischenliegenden Jahre ergibt sich dann auch ein min-
der ausgiebiger Samenfall.
(Die Samenjahre der in den Fichtenforst eingesprengten Lerche fallen ins-
besondere in der Hochregion häufiger. Die Buche und die Tanne
hingegen scheinen in den TieOagen alle fünf Jahre und auch in den
Höhen seltener als die Fichte reichlichen Samen zu tragen)«
Obige Stufenleiter trifil zwar keineswegs in jedem einzelnen Falle
zu, denn die Naturwirkungen erfolgen nicht nach mathematischen Ge-
setzen, ja ich kann nicht einmal verbürgen, ob sie ganz genau dem Durch-
schnitte eines Jahrhunderts entspricht, beiläufig jedoch ist sie richtig und
genau genug, um die Geschichte der Selbstverjüngung der Fichtenkahl-
schlage aufzuklären.
Samenflngt
Da die Samen der Fichte und Lerche in der Hauptsache bei schö-
nem Wetter aus&ilen; so werden, sie in grösserer Menge nur von den
regelmässigen und besonders von den abendlichen Luftströmungen über
31%
die Schläge geführt, welche tagtäglich die Hochgebirgsthäler nach der
Thalrichtung durchstreichen.
Da nun die Kahlschläge der Holzabbringung wegen auf den Lehnen
nicht leicht anders als in Streifen vom Rücken zum Thal herab, also mehr
oder weniger senkrecht auf die Richtung der Hauptluftströraung angelegt
werden, so können die Schläge recht wohl vom vorstehenden Holze aus
besamt werden.
Vortheilhaft auf die Besamung wirkt es dann avch, wenn die Rücken
(und Gräthen) bewaldet bleiben ; denn weil von jedem Rücken regelmässig
Luftströmungen nach Unten erfolgen (welche dann häufig mit dem nach
der Hauptthalrichtung ziehenden Luftstrom zusammenstossend eine schief
gegen den Thalausgang gerichtete Bewegung annehmen) so fliegen sich
die Schläge auch von Oben aus an.
Zur Besamung von Oben herab wirkt dann auch wesentlich der
Schnee mit, denn er trägt die Samen auf bedeutende Strecken in die
Tiefe, theils durch den Schub, theils durch grössere oder kleinere Ab-
rutschungen^ theils endlich durch seine Schmelzwässer. (Der Schnee al-
lein ist es, der manchmal einigen Buchensamen auf die Kahlschläge bringt.)
So wesentlich nun die Bewaldung der Rücken zur Besamung der
auf ihren Gehängen liegenden Schläge beiträgt, so fliegen sich diese doch
nur von den Seitenvorständen mit Hilfe der Thalluftströmungen vollstän-
dig und leicht an, wesswegen denn diese letzteren hierin den Ausschlag
geben.
Zu dieser Besamung helfen oft auch jene Luftströme mit, welche ge-
gen die Vorstände hin wehen. Denn weil die Ränder der letzteren in
der Regel als glatte hohe Holzwand dastehen, so bringen sie den auf sie
zukommenden Luftstrom nicht wie andere mit niederem Holze beginnende
und erst allmählig sich hebende Waldränder zum Absterbeu, sondern sie
beugen ihn oder werfen ihn sogar zurück, so dass der Luftstrom, wel-
cher nach seiner ursprünglichen Richtung in das hohe Holz hineinwehen
sollte, stattdem von der Schlageswand wieder zurückweht und dadurch
für den vorstehenden Schlag auch zum Samenträger wird.
Durch Abschreitung vieler selbst entstandener Maisse habe ich gefun-
den, dass die Winde den Fichtensamen nicht leicht über zwei (jene der
Lerche selten über fünf, den der Tanne hingegen kaum auf eine) Stamm-
länge in einer Menge über die Schläge tragen, welche zur alsbaldigen
Verjüngung vollkommen genügt
Weiter hinaus bedarf es zu solch voller Besamung schon mehrerer
Samenjahre und über fünf Stammlängen hinaus dürfte die gewöhnliche
Luftströmung gar nicht mehr wirken.
Ich will damit nicht sagen, dass in grösserer Entfernung keine Be-
samung mehr statthaben könne; im Gegentheile habe ich zahlreiche Fälle
gefunden, wo sich Schläge sogar von der gegenüberliegenden Thalseite
ans besamten, aber es sind dann nicht mehr die regelmässigen LQfl;strö-
piungen, welche solches bewirken, sondern die heftigen Winde «iid die
315
aussergewöhnlichen Stürme^ die aber dann auch viele Jahre arbeiten niüa-
aen, um nach und nach einen vollständigen Anflug zu Stande zu bringen.
Die gewöhnliche Beaamung (mittels der regelmässigen Luftströmun-
gen) hat sowohl thaleinwärts als thalanswärU statt, jedoch scheint es mir,
das« sie nach Aussen reichlicher erfolge.
(Der geringe Fhig des schweren Tannensaroens ist zusammen mit der
minderen Fähigkeit dieser Holzart, ohne allen Schirm aufzukommen,
der Grund» warum die Tanne in den grossen Hocbgebirgsforsten,
wo sie vor Zeiten (insolange der Plenterfaieb bestand) besonders
auf den Kalkthonböden reichlich eingesprengt war , seit Einffihrung
der Kahlschlagwirthschaft so sichtlich an Verbreitung verloren hat
In den Plenterwäldern finden wir sie noch heute in grosser Anzahl»
auf den Kahlschlagen hingegen erscheint sie in der Regel nur dort,
wo sie schon unter dem letzten dortgestandenen HochboUe als Nach-
wuchs gestanden ist* Die Lerche hingegen hat durch die Kahl-
schlagwirthschaft sichtlich an Verbreitung gewonnen» denn der weite
Flug ihres leichten Samens» dann auch ihre häuflgeren Samenjahre
geben ihr vor der Fichte bedeutenden Vorsprung.)
Gang der anbeirrten 9elbstTer jflngaiig.
Der nabeliegendste Fall der Selbstverjungung ist jener» in welchem
der Schlag bereits von dem Bestände verjüngt worden ist» durch dessen
Abtrieb eben der Kahlschlag entsteht.
Wie schon in den Absätzen über die Waldböden dargestellt wurde,
ist der Boden der geschlossenen Fichtenbestände gewöhnlich mit dem Na-
delabfalle» mit Moos und mit spärlichem Grase bedeckt; erstere sind för
den fallenden Samen ein vortreffliches Keimbett» und letzteres hindert das
Aufkommen der jungen Pflanzen nicht
Auf allen diesen der Verjüngung offenen Böden erscheint
nach jedem Samen&lle ein reichlicher Nachwuchs» der jedoch, je nach dem
mehr oder weniger dichtem Schlüsse des Bestandes (und je nach der
Holzart) gleich im ersten Winter oder in den nachfolgenden Jahren ein-
geht. (Die Lerche dauert da am allerwenigsten aus» länger hält sich die
Fichte^ hierauf folgt die Buche und am längsten widersteht die Tanne.)
Aber nicht allenthalben ist der Boden der Verjüngung so offen. In
den minder geschlossenen Beständen der Kalkschutt- und Sandböden ist
es oft der dichte Heideüberzng» und in dem vollkommen geschlossenen Holze
der sandigen Lehm- oder der quarzigen Schieferböden» dann der gemei-
nen Lehm- und Schieferböden der Hocbregion ist es zuweilen eine mäch-
tige Moos- und Heidelbeerdecke» welche den Nachwuchs von vorne her-
ein vereiteln (im letzteren Falle» weil die Herzwurzeln der jungen Pflan-
zen die Schwarte nicht zeitlich genug zu durchdringen vermögen).
Trifft nun der Kahlschlag einen schon mit Nachwuchs versehenen
Bestand, so wird allerdings ein bedeutender Theil der jungen Pflanzen
durch die Aufarbeitung der Hölzer und durch die Ueberlagerong mit die-
816
sen und dem zurückbleibenden Rinden- und Aatwerke, dann durch die Ab«
bringung gänzlich zerstört, ein grosser Theil bleibt aber dennoch unver-
letzt, oder erholt sich wenigstens von der erlittenen Unbill.
Dass hingegen die plötzliche Freistellung der Fichte geschadet hätte,
hat man noch nirgends bemerkt; (selbst der Buche wird sie nicht häufig
tödtlich, wenigstens sind zahlreiche Horste aus derlei Nachwüciisen her-
vorgegangen; die Tanne jedoch geht häufig ein^ es wäre denn, dass sie
hart am Vorstande stehend noch dessen Schutz genösse, oder dass sie
ans minder geschlossi^nem Oberholze herrührte).
Berücksichtigt man, dass die der Verjüngung offenen Böden in den
besten Lagen vielleicht nicht die Hälfte, in den schlechteren aber kaum
ein Viertel der ganzen Waldfläche betragen, dass im Mittel nur alle 5—6
Jahre ein Samenjahr eintreten mag, dass sich der Anflug unter dem völ-
lig geschlossenen Oberholze selten über Ein Jahr hält, so wie endlich,
dass hie und da doch der beim Abtriebe vorhandene Nachwuchs ganz der
Zerstörung anheimfällt, so begreift man sehr wohl, dass nur ein sehr ge-
ringer Theil der Kahlschläge seinen Nachwuchs dem früher dortgestan-
denen Hochholze zu verdanken hat.
Somit bleibt der bei weitem grösste Theil der Fichtenkahlschläge
fiir die Verjüngung nach vollendetem Abtriebe.
Sie können sich aber dann nur insoferne anstandslos bestocken, als
ihr Boden für die Verjüngung offen ist
Welche Böden zur Zeit, als sie noch mit schlagbarem Holze be-
standen sind, der Verjüngung offen sind, ist eben dargethan worden. —
An dieser Eigenschaft ändert der vollführte Abtrieb nur wenig. — Starke
Bodenschwarten weVden zwar durch die Aufarbeitung und insbesondere
durch das Abbringen der Hölzer vielfaltig aufgerissen und dadurch mehr
oder weniger geöffnet, aber nur dort, wo der Bodenüberzug bloss stel-
lenweise vorkommt oder weniger dicht ist, reicht das hin, um eine als-
baldige Bemaissung zu ermöglichen; bei sehr dichtem Ueberznge hat sich
dieses Aufritzen völlig ungenügend erwiesen.
Stark bemooste sandige Lehm- oder Schieferböden (und in der Hoch-
region auch gemeine Lehm- oder Schieferkrumen), die insolange sie noch
bestockt waren, die Verjüngung immerhin zugelassen hätten, werden so-
gar manchmal eben durch die Blosslegung völlig ungeeignet zum Anfluge,
indem die jetzt der Ueberschirmung beraubte starke Moosdecke sich nicht
mehr feucht genug zu erhalten vermag, um die Samen keimen und die
Herzwurzeln der Pflänzchen noch zeitlich genug die eigentliche Krume
erreichen zu lassen.
Man dürfte also annehmen können, dass von sämmtlichen neuen
Kahlschlägen in den bessten Lagen kaum die Hälfte und in den schlechten
vielleicht nicht ein Viertel der Verjüngung offen liegt
Diese Verjüngung würde nun in der oben angedeuteten Breite des
reichlichen Samenfluges wohl schon mit dem nächsten Samenjahre erfol-
gen, wenn der Boden so offen bliebe; wie er gleich nach dem Hiebe war.
317
Wie aber schon in den Absätzen über die Waldböden anf^edeutet
worden 18t» beginnt auf allen besseren (Kalkthon, Lehm und Schiefer) Bö-
den bereits im zweiten Jahre nach der Fällung eine ganz neue Vegetazion
▼on manigfaltigen Gräsern » Kräutern und Stauden, welche schon im drit-
ten oder längstens im vierten Jahre den Schlag so völlig beherrschen» dass
sie jede keimende Holzpflanze ersticken. Diese Unkräuter wuchern dann
5 — 15 Jahre, bis sie endlich dem kurzen Grase Platz machen , welches den
Anflug zulässt und fördert» und somit den Schlag neuerdings der Verjün-
g«ng öfihet
Die kleinen Schläge nun» welche in den Banemwaldungen gefährt
werden» besamen sich dann schon mit dem nächsten Samenjahre» denn
ihre Breite überschreitet selten jene des reichlichen Samenfluges. Wir
finden daher» dass die Verjüngung der Bauernholzschläge (welche fast
durchaus in der untern Region liegen) auch gewöhnlich schon nach 6—18
im Mittel etwa nach 18 Jahren eintritt.
Anders ist es aber in den Schlägen der grossen Forste. Obwohl man
auch hier fast allenthalben auf die Selbstverjüngung rechnet, so beachtet
man da keinen Samenflug» sondern einzig nur die wohlfeilste Bringung
der Hölzer» welche nicht nur zu an und für sich grossen Schlägen son«
dern im Weiteren noch zur ununterbrochenen Aneinanderreihung der ein-
zelnen Jahresschläge verführt
Die Hanung in schmäleren Streifen und in Springschlägen würde
zwar sehr ofk die Abbringung der Hölzer nur um ein Unbedeutendes then-
rer machen» gleiwohl scheut man aber auch diese unbedeutende Mehr-
analage oder kann sich wenigstens nicht von der eisernen Macht der Gre-
wobnheit loswickeln.
Schon die Jahresschläge der grossen Forste überschreiten mit we-
nig Ausnahme die Breite des reichlichen Samenfluges; durch deren un-
unterbrochene Aneinanderreihung werden aber öfter ganze Berghänge zu
einem einzigen Schlag » ja ausgedehnte Thäler sind schon in dem kurzen
Zeiträume von 10 — 15 Jahren auf diese Weise völlig entwaldet worden.
In diesen Schlägen kann sich nun — ihr Boden mag noch so offen
liegen» nur ein sehr kleiner Theil mit dem ersten Samenjahre anfliegen^
ein daranstossender Streifen braucht hiezu 3-4 Samenfälle» und die Be-
maissung der übrigen bei weitem grösseren (über den gewöhnlichen Sa-
menflug hinausliegenden) Flächen liegt so zu sagen über alle Berech-
nung hinaus.
Die Natur aber» welche allenthalben die Wunden zu verwischen
strebt, welche der Mensch ihren Schöpfungen schlägt» tritt auch hier wie-
der wohlthätig ein und zwar vor Allem mittelst der Lerche. — Der leich-
tere Same dieser Holzart fliegt 8% Mahl so weit» als jener der Fich-
te» sie trägt dann auch häufiger Samen als diese; da sie nun in den
meisten Gauen der Fichte beigemengt ist» so übernimmt sie mit um so
besserem Erfolge die ganze oder hilfsweise Besamung gar vieler Kahl-
schläge» als sie namentlich die Höhen der Berge zu zieren pflegt.
318
Zahlreiche Kahischlag^e fliegen sich daher mit der Lerche an. Oft
ist sie gewissermaasen nur ein Vorwachs, denn gleichseitig oder später
besamen sich die Flächen auch mit der Fichte, diese' kämpft anfangs zwar
ohne Erfolg mit der in der Jugend geil aufschiessenden Nebenbuhlerin,
aber späterhin gewinnt sie meist denn doch die Oberhand, und der Waid,
weicher als Jungholz Lerche mit beigemengten Fichten war, kommt noch
immer als Fichtenbestand mit eingesprengten Lerchen zur Fällung. Aber
häufig dankt man ihr allein die baldige WiederbewaMung. — Das Ueber*
handnehmen der Lerche in den Forsten unserer Hochberge ist eine be-
kannte, von der Kahlschlagwirthschaft sich dadrende Thatsache.
In anderer aber doch ähnlicher Weise tritt die Weiss- und hoch
oben manchmahl auch die Bergerle auf. Sobald das Ficbtenhoehhelz, in
welchem keine Spur von Erlen vorhanden war, abgetrieben ist, schiesst
überall üppiger Erlenwuchs in die Höhe (wahrscheinlicfa aus Samen ent«
stehend, welche einem früheren Erlenbestand entfallen, bisher schlafend
im Boden ruhten, und durch den Abtrieb jetzt ins Leben gerufen wur-
den). — Häufig kämpft sich die später sich ansamende Fichte darin wie-
der zur Oberherrschaft empor, manchmahl aber hat die Fichte versagt,
und man dankt es allein der Erle ^ dass der Boden dem Holzwuchse ver-
blieb. — Diese Aushilfe der Erlen ist jedoch im grossen Ganzen von kei-
nem besonderen Gewichte, denn sie beschränkt sich gewöhnlich auf die
quelligen Stellen der Schieferböden der Tiefregion, und in der Hochre-
gion (Bergerle) auf einzelne Flecken mit Schiefer oder Lehmkrune.
Von noch minderer Erheblichkeit aber doch wenigstens erwähnens-
werth ist endlich das Eingreifen der Legföhre. Diese zieht sich zuweilen
horstweise in unverjüngte Fichtenorte herab, ohne dem Wiederaufkom-
men des Hochholzes Schwierigkeiten entgegenzustellen, indem dieses in
seinen Lücken recht wohl Platz zu fassen vermag.
Nach den nun gegebenen Andeutungen würde die Verjüngung der
offenen Böden allenthalben vor sich gehen, wenn nicht vier Dinge we-
sentlich günstig oder ungünstig auf sie einwirken würden ; es sind diese :
der Abraum y das Branden mit oder ohne zeitliche Ackerbestellung > die
Viehweide und die Witterongsunbilden.
EinfloMü des Abraumes der Sehlftge auf ihre Selbst-
weriüngang.
Bei der bisherigen Ausnutznngsweise bleiben in den grossen For-
sten das Astwerk, die Gipfel, und stark morsche Stammtheile ond sämmt-
liche Rinden zumeist im Schlage zurück ; nicht gerade weil sich ihre Mit-
benützung an und für sich nicht lohnen würde, als vielmehr weil sie mit-
tels Riese und Klause nicht abgebracht werden können. -*- Dieser Abraum
ist von solcher Bedeutung, dass er auf vollbestockten Flächen, insoferne
er nicht auf Streifen oder in Haufen zusammengebracht wird, den ganzen
Schlag ziemlich vollständig überdeckt Hiebei spielen die Rinden eine
SM
Hauptrolle« da sie (weil g^ewohDlich in der Saftzeit g^eschiäg-ert wird) in
ihrer ganzen Breite von den Klötzen abgezognen werden; es wäre denn,
daaa es sich um eine Scheitholzarbeit handelte. —
Der Abraum ist unter diesen Umständen ein mächtiges Hinderniss
für das allsogleiche Anfliegen der Schläge ^ und weil er wenigstens
S — 3 Jahre braucht, um soweit zu vermodern und zusammenzubrechen,
dass er nur mehr wenig hindert, so kann man in diesem Falle rechnen,
dass bei der Halbscheid der Schläge das erste Ssmenjahr nutzlos Torüber-
geht, und weil bis zum Eintritte des zweiten bereits der Unkräuterwuchs
die Herrschaft errungen hat, so kann dann die Verjüngung erst nach dem
Nachlassen des dichten Grasswuchses also nach 8 — 15 Jahren erfolgen.
Der nachtheiligen Wirkung des Abraumes wird allerdings sehr häu-
fig dadurch begegnet, dass man ihn — der leichteren Abbringimg der Höl-
zer wegen — in Streifen (nach dem Hange hinab) zusamraenhäuft, und
dass man manchmahl die jüngeren und dünneren Rinden zu Lohe weg-
bringt; demuageachtet nimmt er dann immer noch ein Viertel bis ein Drit-
tel der Schla§^äche ein^ und vereitelt in demselben Masse das allsoglei-
che Anfliegen.
Auf den schlecht bestockten Schlägen fällt der Abraum freilich nicht
so sehr ins Gewicht; von diesen jedoch ist hier nicht die Rede, weil ihr
Boden gewöhnlich der Verjüngung ohnediess nicht ofien ist
BinfliuNS der Brandims Auf die •ekläi^e.
Oefter aber entledigt man sich des Abraumes ganz einfach dadurch,
daBs man ihn verbrennt.
Das geschieht jedoch selten wegen der Vl^aldverjüngung, als viel-
mehr, um dem Schlage eine einmahlige Getreideernte oder wenigstens ei-
nen besseren Graswuchs abzugewinnen.
Für den Getreidebau brandet man gewöhnlich nur bessere , also Trü-
ber vollbestockte Vl^aldböden der feldwirtbschaftlichen Region, weil sich
nur auf solchen eine ausgiebige Ernte erwarten lässt.
Zum Behufe der Brandung wird der Abraum über den ganzen Schlag
ausgebreitet^ und in dem auf die Fällung folgendem Jahre bei dauernder
Trockniss entweder von unten angezündet, wo dann das Abbrennen ohne
viel Nachhilfe von selbst vor sich geht, oder von Oben, in welchem Falle
Glut und Brände mit Rechen oder Gabelhacken fort und fort nach Unten
gesogen werden müssen, indem sich das Feuer (auf den Abhängen) zwar
nach Oben, nicht aber nach Unten von selber verbreitet.
Der Forstarbeiter und der Bauer , d. i. jene , welche gewöhnlich zu
branden pflegen , zünden den Schlag am Liebsten von unten an , weil sie
dann am wenigsten Arbeit haben, sorgsame Forstbeamte hingegen gestat-
ten nur das Anzünden von oben, um die Gefahr des Waldbrandes zu ver-
meiden, oder wenigstens zu verringern, indem man beim Anzünden von
unten das Feuer nicht mehr ganz in seiner Gewalt hat, was zahlreiche
und furchtbare Waldbrande hinlänglich bewiesen haben, die durdi dieses
Verfahren, insbesondere dann enUnndet worden sind, wann sich während
der Brandung ein Wiod erhoben hatte«
Der Nutzen der Brandung, sowohl rücksichtlich des Getreidebaues
und des Graswnchses , als auch in Bezug auf die Waldyerjöngung ist zu
auifaUend, als dass er je geläugnet werden könnte.
Während der ungebrandete Waldboden gar keine Ernte, oder kaum
den ausgesäeten Samen gibt, spendet der gebrandete denselben Ertrag,
wie ein gleicbgelegener wohlgedüngter Acker, wesswegen der Land-
mann für die einjährige \utzung eines Joches Brandschlag sehr gerne
1 — 8 fl. Pacht bezahlt
Gleichwohl war das Branden und ist gewissermassen noch jetzt
durch alte Regierungsverordnungen verbotheu. Offenbar waren es die trau-
rigen Erfahrungen über dessen Feuergeßhrlichkeit, welche die Staatsge-
walt auf dieses Verboth leitetete. Auffallender aber ist es, dass selbst ein-
sichtige Forstmänner noch immer ihre Stimmen gegen die Brandung er-
heben, unter Hinweisung auf mannigfache Schläge, welche eben durch
diese Massregel so sehr der fruchtbaren Bodenschicht beraubt worden sind,
dass stellenweise wirklich der blosse Gebirgschutt zu Tage liegt
Dass auf diesen Schlägen durch das Branden gewiss mehr verdor*
ben, als genützt worden ist^ kann gar nicht widersprochen werden; £e
nähere Untersuchung belehrt aber, dass hieran nicht die Brandung an
und für sich, sondern bloss ihr völlig unpassender Vollzug die Schuld trägt
Die bezüglichen Böden sind nemlich Kalkschuttböden, auf denen sehr
häufig unter der wenig mächtigen Humusschicht allsogleich der unfrucht-
bare Gebirgschutt, ja öfter sogar der blosse Fels zu liegen pflegt. — Es
ist leicht begreiflich , dass wenn auf lehmigen oder Schieferböden auch
die ganze Humusdecke verzehrt, der Boden also förmlich durchgebrannt
wird, er dadurch nicht verdirbt, da immer noch die zur Vegetazion ganz
geeignete und eben durch die Brandung vortrefflich aufgeschlossene und
gedüngte mineralische Erdschicht zurückbleibt; dass die oberwähnten Kalk-
schuttböden hingegen ganz verdorben werden müssen, wenn man ihre Hu-
musdecke gänzlich wegbrennt, indem der dann allein zurückbleibende
Schutt nach dem sehr schnellen Verbrauche der durch die Brandung er-
zeugten Salze für eine gedeihliche Vegetazion völlig ungeeignet bleibt, ja
eben durch diese Salze anfangs noch hitziger, d. i. noch schlechter wird«
— Ein gleiches Bewandtniss hat es mit den eigentlichen Felsböden, die
nichts anders sind, als mit einer Humusschicht bedeckte Felsriffe und Blö-
cke« — Hätte man diese Böden, statt sie gedankenlos durchzubrennen«
bloss oberflächlich, also so gebrannt, dass nur der oberste Theil der Hu-
musschicht in Asche verwandelt oder gar nur gesengt worden wäre » bo
hätte hier die Brandung ganz ähnliche günstige Erfolge gegeben, wie auf
den Lehm- oder Schieferböden.
Das oberflächliche Brennen, welches ich im GegensaUse zum Durch«
brennen, Ueberbrennen heissen will, hätte sich leicht bewerkstelligen
»1
laMen, wenn man die Schlag^e oben angezündet hatte, indem man es dann
uro 80 mehr in seiner Gewalt gehabt baUe, das Feuer ganz nach Ermes-
sen wirken zu lassen, als der Abraum auf derlei Böden ohnehin nur in
geringerer Menge entf&llr.
Aber auch fftr die Wald Verjüngung ist die Ternünftige Brandung von
VOTtreffficher Wirkung : Einerseits wird der nachtheilige Abraum und die
auf den besten Bdden nie ganz fehlenden Uokränter hinweggeräumt und
stattdem in mineralischen Dünger umgewandelt; anderseits erleidet der
(auf schlechten Böden hiufig vorkommende) für die Vegetazion minder
geeignete überkohiige oder saure Humus die gleiche vorlheilhafte Ver-
wandlung. — Dadurch wird der Schlag fftr den Anflug aufs Vollständig-
ste geöflhet und dem Boden jene Bestandtheile bereitet, welche am mei*
sten geeignet sind , das Anschlagen der jungen Pflfaizcben zu fiSrdern. —
Durch die Brandung vrird wirklich ganz dasselbe erreicht, was man mit
der jetzt im ungeheueren Ruf gekommenen Rasenasche erzweckt«
Es ist ganz natürlich, dass man in den sorgfaltig ausgenutzten Land-
forsten, wo auch noch das feinste Reisig vom Schlage weg verkauft wird,
die Branderde ans getroknetem Rasen abseits in Meilern erzeugt, und nur
in homöopathischen Dosen allenfalls als blosse Beigabe zur Pflanzerde ver-
wendet. — Aber nicht minder natürlich ist es, wenn man in den grossen
Schlügen unsers Hochgebirges, wo so viel unverwerthbarer Abraum zu«
rückbleibt, dass man damit die ganze obere Bodenschicht in Branderde
umwandeln kann, um so lieber das letztere thut, als es ungleich weniger
Mühe und Geld kostet
In so ferne man also das eigenthümliche des neueren Aufforstungs-
verfahrens mit der Branderde weniger iii den gewissen örtlichen Verhalt-
nissen angepassten Form, als vielmehr in dem zu Grunde liegenden Prin-
sipe erkennen will , haben unsere österreichischen Aelpler vollgültige Mit-
ansprüche auf dessen Erfindung , denn sie üben die Brandung schon seit
vielen Jahrhunderten.
Es ist nicht zu verkennen, dass die Brandung dort, wo der zur
Feuerung benützte Abraum nicht zureicht, um einen erklecklichen Theit
des Bodenschwiels theils in Asche zu verwandeln, theils zu verkohlen —
was gerade auf den stark mit Heide oder .Heidelbeeren überzogenen Böden
öfter der Fall ist -- dass hier die Brandung grössere Erfolge sichern wür-
de, wenn man (nach Art der Siegen'schen Hauberge) den Boden schalen,
den geschälten Schwiel trocknen, und in Meilern brennen, und die Brand-
erde alsdann wieder über den Schlag ausbreiten würde; kurz wenn man
den Schwiel nicht brennen sondern schmoden würde. Da man aber auch
durch das gewöhnliche Verfahren den eigentlichen Zweck d. i. die sichere
Waldverjüngung ~ mit weit minderen Kosten erreicht, so scheint es nicht .
angezeigt von demselben in so lange abzulassen, als die.anfiangs etwas
grössere Fülle oder Wüchsigkeit des neuen Maisses noch keinen gar so
hohen Werth besiut
Geg'en das Branden der fik^hllge hat man anwenden wolkn, dtM
die Holspflanzen auf den Bränden nur während der ersten Jalire anag^e*
zeicbaeter wachsen, und dann so nachlassen, dass gleiohteiti^e Attfwüchse
ungehrannter Schläge sehr wohl nachzukommen vermögen* — Aber das
ist ja eben der Vortheil des Brandens» dass gerade die Erzeugang und
das anfangliche Leben des Maisses, also genau dasjenige gesickert wird»
was unter gewöhnlichen Umständen nur gar zu häufig zu nilssIiDgen pflogt
Gelingt es dann auch manchmahi nicht, den Schlag gleich nach der
Brandung , also in so lange zu verjüngen , als er noch oflfen i^t, so bleibt
^ch noch immer der Vortheil, dass er schneller aufs Neue offen wird,
als ein ungebrandeter, weil darch die Brandung die DBngstoffe vollkom*
men aufgeschlossen und also durch den Graswuchs (mit oder ohne vor-
ausgegangenem Getreidebau) auch schneller verbrancht werdeil, indem
die Unkräuter viel üppiger wuchern, aber dieserwegen auch nicht so
lange dauern.
Das Branden der grossen Kahlschläge kommt zwar in unseren Hoch-
bergen fast überall vor, wo die Forste überhaupt in Kahlschlagen abge-
trieben werden, aber häufiger wird es nur in den unter- und oberöster-
reichischen Hochbergen, dann in Kärnthen, vorzüglich aber in Steier-
mark geübt, kurz in den Gegenden der in einem eigenen Abschnitte be-
leuchteten Brandwirthschaft Oflfonbar hat hiese letztere auch darauf ge-
führt und tbatsächlich brandete man bisher fast immer nur der Getreide-
ernte wegem
Wirkung der Viehweide auf die TerJOngiinv der
Selilfti^e«
Das weidende Vieh, welches in den österraichischen Hochbergen, wo
im Allgemeinen noch nie ein Weidebann geltend gemacht wurde, vorzugs-
weise in die Kahlschläge getrieben wird, übt mit Ausnahme der Ziege,
welche fest immer nur schadet , auf die Verfüngung theiiweise einen nach-
theiligen, anderntheils jedoch wieder einen sichtlich günstigen Einfluss.
Zuvörderst ist es der Tritt des schwe^n Hornviehes, welcher zer*
störend auf den Nachwuchs wirkt, hauptsachlich darum, weil fast sämmlB^
che Schläge hier mehr oder weniger steile Lehnen sind.
Ist nun der Boden weich, was doch in den an Sommerregen so rei«
eben Hochbergen meistens der Fall ist, so biethet er dem Fasse des Vie*
hes keinen festen Halt, dieses rutscht bei jedem Tritte, und jeder Fuss
zieht dabei einen bedeutenden Streifen der oberen Bodenschicht mit sich,
und begräbt darunter die dortgestandenen zarten Pflänzchen meistens für
immer*
In neuen, noch unverrasten und mit einer bedeutenden Humoslage
versehenen Schlägen , oder auf noch nicht gesetzten und daher auch noc|i
anbenarbten Bränden, bei ganz schwerem Viehe und bei länger dauerndem
Regenwetter erreicht diese nachtheiüge Wirkung auf den steilen Hängen
ihren liffchsten Grad, und sie ist dann wirklich so starke dass schon 4—5
Rinder einen Schlage von mehreren Jochen fast fSrrolich sserstanipfen. —
Grössere Pflanzen würden zwar unter dem Viehtritte nicht so bedeutend
leiden, aber auf diesen Bdden kömihien ja nur Keimpflanzen und Jahrlingfe
oder höchstens zweijährige Pflanzen vor.
In dem Masse, als sich der Boden setzt und mit Gras benarbt, lei-
det er auch weniger von dem Tritte des Viehes, so dass vollkommen
verraste Schlage bei miissiger Viehzahl nur wenig mehr verdorben
werden.
Durch das Abfressen leidet unbedingt und bedeutend nur der Bu-
chenaufschlag. — Die aufsprossenden Buchen mid die jungen, weichen
Triebe der älteren Pflanzen sind für das Hornvieh und die Pferde eine
sehr leckere Rost, der sie umsomehr nachstreben, als es im Beginne der
Weidezeit (gewöhnlich Ende Mai bis halber Juni) insbesondere in den
höheren Lagen öfter noch an zureichendem Grase fehlt. — Abgefressene
Koimpflanzen sind flir immer verloren, altere werden nur im Wüchse
mehr oder weniger zurückgesetzt
Nadelholzpflanzen geht das Vieh in der Regel nur wenig an, kleinere
(S~> 4jährige) Pflanzen werden vom Hornviehe öfter nur darum sanmit dem
Grase abgebissen, weil es sie nicht gehörig von dem in's Maul gefassten
Grasbttsche auszuscheiden vermag. — Da jedoch das Rind die Gräser
mehrere Finger hoch über dem Boden abbeisst, so sind ein- und oft auch
zweijährige Pflanzen vor dem Verbeissen eben so sicher, wie ganz
grosse.
Nur sehr hmigeriges Vieh, und insbesondere jenes , welches wegen
der in den Alpen so häufig vorkommenden Ueberstallung bereits gezwun-
gen war, Grass zu fressen (was sie im Winter aus der Streu aufnehmen)
und dabei den Nadeln und frischen Trieben Geschmack abgewonnen hati
verbeisst auch den Nadelholzmaiss. — Dieses Verbeissen wird jedoch
bei massiger Viehzahl nur in den Mulden und auf jenen weniger abschüssigen
Stellen wirklich zerstörend^ auf welchen das Vieh seine Ruhe zu halten
pflegt. — Hier wird der Anwuchs wirklich so nachhaltig verbissen, dass
die nächsten Pflanzen häufig zu Kollerbüschen ausarten.
Auf allen verrasten Schlägen hingegen wirkt das weidende Vieh ge-
wöhnlich nur vortheilhaft auf die Verjüngung, indem es die Holzpflanzen
von dem überschirmenden Grase befreit, unter welchem sie sonst ersti-
cken« oder wenigstens in so lange kümmern würden, bis sie nicht end-
lich doöh dem Grase entwachsen wären. Tausende von Anwüchsen sind
schön jurch die Viehweide vom Verderben gerettet worden ', ja viele
Maisse wären gar nicht entstanden, wenn das Vieh nicht das wuchernde
Gras beständig kurz gehalten hätte.
Im (dem Grase bereits entwachsenen) JungMrudhse wirkt die Weide
weder nützlich noch merkbar schädlich.
Das, was ich bisher über dieBeweidung anfgefilhrt habe, gilt eigent-
lich nur vom Rindviehe, denn in der Hauptsache wird nur dieses hi die
«1*
8S4
groBaen Schlafe unaerer Hochberge getrieben. — Nur mehr nebenbei
treibt man auch Pferde mit auf, welche jedoch sichtb'ch nachtbeiliger wir«
ken, sowohl im Vertreten, als im Verbeissen; wesswegen denn die mei<>
sten alten Waldordnungen, ihren Eintritt in die Schlage f5rmlich ver-
bieten.
Die unter verschiedenen Umstanden ganz entgegengesetzte Wffkung
der Weide ist es , welche unter den minder scharf beobachtenden Al-
penbewohnern rücksichtlich der Schädlichkeit oder Nützlichkeit der Wald-
weide von jeher die Meinungen gespalten hat; hiezu kam dann noch das
eigene Interesse^ welches die Weideniesser auf die eine, und die grossen
Waldbesitzer und ihre Forstleute auf die andere Seite drängte.
Uebte man die Waldweide in diesen Bergen mit gehöriger Vorsicht,
so würde sie unstreitig, ganz abgesehen von der Vermehrung des Erwer-
bes — dem Holzwuchse zum mindesten nicht mehr schaden, als sie ihm
nützt.
Aber eben darin liegt es, dass man ganz rücksichtlos weidet. — Der
Bauer, sei er nun Servitutberechtigter oder blosser Pächter, verzäunt
zwar seine Felder und Wiesen gegen das Weidevieh, damit er in ihrem
Ertrage keinen Schaden leide, er verzäunt seine Weidegrenze, damit sein
Vieh sie nicht überschreite und vom Nachbar etwa gepfändet werde, er
verzäunt auch die Abgründe, damit die Rmder nicht abstürzen, er ver-
zäunt die Almanger, damit dort ungehindert Gras für die etwaigen Schnee-
tage wachse, — aber die neuen Holzschläge, welche gegen das Vieh gebannt
sein sollen, verzäunt er um keinen Preis, denn er will ihr Gras nicht ent-
behren und sich die Ausgabe dafür ersparen. Stattdem reisst er allenfalls
die Verhegungen nieder, welche der Waldbesitzer auf eigene Kosten an-
gelegt hat
Der Bauer stellt zwar dort, wo er den Weidebezirk nicht verzäunt
hat, einen alten Knecht oder Knaben als Hirten auf, damit das Zuchtvieh
sich nicht verlaufe und verunglücke, und damit das Melkvieh die rechten
Weideplätze besuche und zur rechten Zeit zur Sennhütte zurückkehre,
aber diese können und dürfen ihr Vieh nicht von den Schlägen abhalten,
welche der Waldbesitzer etwa schonen wollte.
Die Rücksicht auf den Holzwuchs forderte, dass die Schläge und
Maisse erst dann betrieben würden, nachdem hinreichend Gras aufgespros-
sen isr, und dass man nie mehr Vieh einlege, als sich mit dem blossen
Grase sattsam ernähren könne. Aber der Bauer vermehrt seinen Vieh-
stand so viel er nur kann und fast allenthalben weit über die Zahl, wel-
che er mit dem Ertrage seiner Wiesen anskönmlich zu überwintern ver-
möchte. Und so treibt er nun aus Mangel an Trokenfutter schon auf die
Alm, wann in den Schlägen kaum erst einige Halme aufgesprossen sind^
und alles Vieh muss hinauf, es mag nun oben reichliche oder ärmliche
Nahrung finden ; denn den Ertrag seiner Wiesen will er ungemindert flir
den Winter aufbewahren.
3S5
Unter flolchen Umständen wird natürlich noch weniger an die feine*
ren Vorsichten gedacht, als z. B. wären, das Vieh nicht lange in den
Maissen und am allerwenigsten lagern zu lassen, es erst dann hineinzutrei-
ben, nachdem es schon den ersten Hunger gestillt hat ü. s. w«
So wird im Allgemeinen die Weide in unseren Hochgebirgsschlagen
geübt, und daher kommt es auch, dasfa sie der Verjüngung derselben oft
so nachtheilig wird. — So ist sie auch von jeher geübt worden, nur hatte
man in alten Zeiten keinen so starken Viehstand, dagegen aber weniger
Schläge.
Die ganze Wald weide, insbesondere jene des Melkviehes, ist von
jeher auf die Beweidung der Holzschläge gegründet gewesen; ohne diese
hätte sie oft gar keinen Werth. — Sie wurde aber nicht selten mit
einer solchen Rücksichtslosigkeit geübt, dass gar viele Schläge sich nur
mehr unvollständig und manche gar nicht mehr verjüngten. Fast alle in
der Waldregion liegenden Sennereieu sind mit ihren jetzigen reinen
Grasflächen aus Holzschlägen hervorgegangen, wobei freilich auch Hacke,
Heppe und Messer mitgeholfen haben. Gar viele jetzige Althölzer bewei-
sen durch ihre Lückigkeit und durch ihren eigenthümlichen Schaft und
Holzwuchs die Unbill, welche sie in ihrer Jugend erlitten haben, und die
alten Waldordnungen und zahlreichen Regierungseriässe geben Z^^ogniss
von den Wunden, welche die rücksichtslose Wald weide schon vor mehr
als einem Jahrhunderte dem Holzwuchse geschlagen hat
Selbst der Ziegenweide entgehen die Hochgebirgskahlschlage nicht
ganz. Ist auch die verderbliche Sitte, mit den Ziegen förmlich Sennerei
zu treiben, in der Regel noch nicht in die Gegenden derKahlscbhgwirth-
schaft gedrungen, so gibt doch der Almherr, die Sennerin oder ihr Hir-
tenbub den Kühen meist einige Ziegen bei, der Zuchtviehhirt, der Holzer
und der Köhler halten sich ein Paar, um während ihres Sommeraufent-
haltes im Forste Milch zu haben. Diese grossentheils sich selbst über-
lassenen Ziegen wandern nun vorzugsweise auch in die Schläge und
MaissC; um dort ihren leckeren Gaumen zu kitzeln.
Die Ziege wirkt hier so verderblich, wie überall; und dass ihreZer-
stönmgen weniger auflfallen, liegt nur in ihrer meist geringen Zahl.
Es stände zwar zuletzt in der Macht der Forstverwaltuogen , ihren
eigenen Arbeitern die Ziegen zu nehnien, aber wo die Weide überhaupt
mit so wenig Rücksicht auf den Wald geübt wird, ist es fast unmöglich,
dem unbemittelten Arbeiter diese für ihn so schätzbare Wohlthat zu ver-
sagen. Und was den Hölzer betrifft, so muss ihm die Ziegenmilch in den
gar nicht so seltenen Schlägen, welche naher Quellen entbehren, das
Wasser ersetzen.
Frost and Dflrre in ihrem Wiriien auf die Ter jOngnns
der Ki^il^eUäse,
So kräftig die Holzarten 4es Fichtenwaldeis im Allgemeinen den Wit-
le^ongsunhiMen widerstehen, so ist das doch eine Tugend, welche sie
in ihrer allerersten Ju^^nd noch nicht io vollem Masfe beaitsen. — Aller-
dings ist ihre Empfindlichkeit auch in diesem zartesten Altar so gering«
dass schoB der Schuts, welchen ein geringer Gras- oder Mooswuclui,
einiges Astwerk, ja selbst blosse Stöcke oder zu Tage stellende Felsen
zu bieten vermögen, bereits zu ihrer Sicherung hinreicht; gaai& bloss ge-
stellt unterliegen sie aber unter ungünstigen Umstanden denn doch dem
Froste und der Dürre.
Der Frost tödtet zwar manchmal auch die Keimpflanzen durch Ver-
nichtung ihrer Keimblätter, seine gewöhnliche verderbliche Wirkung b^
steht jedoch im Ausziehen der jungen Pflanzen. Der Vorgang ist hiebe!
folgender: Je geschwängerter der Boden mit Wasser ist, destomebr ver-
mehrt er beim Gefrieren seinen Raum, was erklärlicherweise nur nach
Oben statthaben kann. — Das Gefrieren beginnt ao der Oberfläche und
schreitet von hier langsam in die Tiefe, so dass, wenn man sich den Bo*
den aus lauter dünnen Schichten bestehend denkt» der Frost von Schicht
zu Schicht nach unten steigt. — Durch das Gefrieren wird die obere
Bodenschicht fest und wächst mit der Pflanze in einen Körper zusammen.
Wenn nun der Frost die nächste Schicht ergreift, so dehnt er sie aus
und sie hebt dann die darüberliegende bereits gefrorne Schicht. Weü
nun kleine Pflanzen gewöhnlich mit dieser Schicht viel fester zusammen-
gewachsen sind, als sie mit ihren unteren Wurzel theilen in de«i noch un-
gefrornen Boden stecken, so werden letztere nach Maßgabe der fortschrei-
tenden Hebung der gefrornen Erdschicht aus der ungeirornen Erde immer
mehr herausgezogen, wobei jedoch einzelne Wurzeln und öfter sogar die
Hauptwurael zu zerreissen pflegen.
Das Auflhauen des Bodens geht auch von Oben nach Unten. Die
oberste Schicht thaut auf und die Erde sinkt zusammen ; die Pflanz^ kann
jedoch nicht mitsioken, da ihr unterer Wurzeltheil ganz fest in der noch
gefrornen unteren Bodenschicht steckt. So schreitet mit dem Aiifthanen
auch das Zusammensinken des Bodens immer weiter vpr , ohne dass aber
je die Pflanze mitsinken könnte , daher sie denn zuletzt gerade um so viel
mit der Wurzel über dem Boden stehen bleibt, als sie bei dessen Gefrieren
nach und nach gehoben wurde. *
Ganz anders ist der Vorgang bei grossen Pflanzen. Die Hauptwurzel
ist hier schon so stark und so fest im Boden verzweigt, d|uis sie sieh beim
Heben des gefrornen Bodentheils, statt zu zerreissen oder statt den untern
Theil aus dem ungefrornen Boden nachzuziehen , lieber von deir gefrornen
Bodenschicht lostrennt; wesswegen denn auch diefe gröaieren Pflanzen
vom Froste nicht mehr ausgezogen werden, Xu dißser entsprechenden
Grösse gelangt die Fichte schon nach S— 4 (die Lerche schon na<A 1--9,
die Buche nach l-~2) Jahren, besonders üppige Fichten aber auch schon im
ersten Sommer.
Das Ausziehen durch einen einzigen Hartfrost ist manchmal so stark,
(s/^^iy^ Zoll) dass ganzkldne Pflinachea» insbesondere» wem aueh ihre
Hauptwdl^el abgerissen wurde, beim Aufthauen gan« oder m» grüisMrtea
«87
Theii ober dem 3odeu bleibeo', uinfaUeu und absterben. Eine minder be-
deutende Hebung hat zwar nicht den Tod , aber doch ein sichtbares Küm-
mern zur Folge, woran wohl offenbar auch das Zerreissen der feinen
Wurmelfasern viel Schuid trägt Solche Kümmerer verstärken dann im
nacbiiten Sommer ilure Wurzel n^ir so wenig« dass «e im zweiten Wioier
auch noch aufgesogen werden und nach diesem oder selbst noch im dritten
Jahre endlich doch als Opfer des Frostes fallen.
Auf benarbten Böden können die Pflänzchen darum nicht ausgezogen
werden« weil ihre Wurz^bi zusammen mit jenen der Graser oder Str&u-
eher, weiche die Benarbung büdea« einen dichten FiU ausmachen^ welche
dem Ausziehen vollkommen widersieht.
Auch anf festen Böden werden diePflatizen wenig oder gar nicht aus-
gezogen,^ weil erstens diese Krumen wenig Wasser und dieses wenige Qur
in der Oberfläche aufnehmen , sich daher auch beim Gefrieren vi^ weniger
ausdehnen» und weil zweitens die Pflanzen hier vidi fester wurzeln.
Wircklich sind es nur die unbenai4)ten und zugleich oberflächlich sehr
leckeren^ also die Böden ganz frischer Schläge» aufweichen der Nachwuchs
gar so gerne ausgezogen wird; dann Böden» deren oberste Schicht aua
Humus oder stellenweise aus Holzmoder besteht» oder eben ausgebaute» also
nodhung^«tzle Brände» weil diese alle wenig benarbt sind und grosse Menge
Wassers in sich aufnehmen.' (Endlich auch die Saat- und Pflanzkämpe»)
Diese Wirkungen des Hartirostes sind am grössten auf den Sonnen-
seiten der Bej^ge» dann im Südäbfalle der Alpen, weil hier die Böden öfter
gefriiSren und wieder aufthai^en» als auf dsn Schattenseiten oder in den Ge*
genden mit rauhem Winter. — In der Hochregion wären sie des äusserst
vasehen Ein- nnd Austritts des Winters wegen zweifelsohne geringer» wenn
dort nicht wieder die. Sommerfrösle einträten.
Im Südabfieüle wirkt dana noch dar Vn^atand Ungünnlig » dass dort die
Regem^eit in den Herbst f&llt» der Boden also nässer «nfariert
Mehrmalige» GefrioTen und Außhauen zieht die Pflanze« öfter seihsl
auf 3—4 Zoll aus*
Die nemlicben oberflächlich sehr ioekeren und unbenarbtea Böden
vermögen dann zur Sommerszeit die Pflänschen auch öfter nidit vor dem
Vertrocknen zu schützen» indem sie bei lange ausbleibendem Regen aucl^
fiiastief gänzlich austrocknen » ungeachtet benarbte oder feste Böden sich,
meh immer genfigend feucht erkalten. — Auch der AnstroCknung unter*
liegen <&e Pflanzen häufiger anf den Sonnenseiten und im Südabfalle der
Alpen.
Gi&ddicherweise bewahren die häufigen und ausgiebigen Sommer-
regen der nördlichen Alp^n gewöhnlich vor bededteoden Schäden dieser
Art.
Weiteres Aber den Gang der SelbstTer jflnsiuis der
Rahteeliläse.
Würdigen wir nun die eben dargestellten verderblichen Einflüsse des
Abraumes, der Viehweide, des Frostes und der Dürre auf die allsogleicbe
Verjüngung ganz frischer offener Schläge, so werden wir uns nicht mehr
wundern, warum die ausgiebigsten Samenjahre öfter erfolglos an ihnen
vorübergehen; berücksichtigen wir dann weiters» dass all diese Einflüsse
auf den benarbten Böden gar nichts oder nur in viel geringerem Masse
zu schaden vermögen, so wird es erklärlich, warum endlich der Nach-
wuchs nach dem Eintritte der leichten Benarbung nicht mehr fehlschlägt
— Darum fliegen denn auch die ofienen Schläge in der Breite des reich-
lichen Samenfluges doch meist erst nach vorübergegangenem Gras«
Wucher an.
Dort, wo der Boden durch einen dichten Ueberzug von Heide,
Preusselbeer oder Alpenrosen der alsbaldigen Verjüngung verschlossen ist,
bedürfte es zu erträglicher Bemaissung auch in der Breite des reichlichen
Samenfluges mehrerer Samenjahre ; weil aber mittlerweile mit der Schlä*
gerung weiter gerückt wird, so fallen diese Flächen gewöhnlich schon
lange vor ihrem gänzlichen Anfliegen ausser den regelmässigen Samenflug.
Ganz eigen ist das Schicksal der unzähligen Schläge, weiche über den
gewöhnlichen Samenflug hinausliegen.
Hieher vermögen nur mehr heftige Vi^inde und Stürme, Schneelawinen,
Thau und Regenfluthen, kurz nur die aassergewöhulichen Träger einigen
Samen zu bringen. Der Nachwuchs erscheint daher auf diesen allen samen-
tragenden Beständen weit entlegenen Beständen nur sehr spärlich , beson-
ders dann, wenn ihr Boden überdiess noch verwildert (mit Heide, Preussel-
beeren und Alpenrosen überzogen) ist. Es bedarf da öfter 10 — 90 Jahre,
bis nur einige vereinzelte Pflanzengruppen zu Stande kommen. — Manch-
mal dankt man diese Gruppen auch nur dem wenigen Nachwüchse, der aus
den abgeholzten Beständen zurückgeblieben isL
Das Anfliegen dieser Flächen macht so wenig Fortschritte, dass die
erstentstandenen Pflanzengmppen schon zum Samentragen gelangen und die
Schläge gleichwohl noch nahezu als Blosse daliegen. — Nun aber überneh-
men eben diese erstentstandenen Horste die endliche Besamung und die
stufenweise auch ins Samentragen kommenden späteren Aufwüchse unter-
stützen sie; so dass die allgemeine Verjüngung dieser Schläge nach 30—70
Jahren endlich dennoch zu Stande kommt.
Den vollgiltigsten Beweis für die Richtigkeit dieser Thatsaohe liefern
nicht nur derlei eben im letzterwähnten Verjüjigungsstadiam begriffene
Schläge, sondern auch unzählige Altbestände, zwischen deren den Hauptbe-
staud bildenden jüngeren Hölzern man allenthalben vereinzelt oder gruppen-
weise auffallend ältere Stämme antrifft, deren Schaftform und tiefe Beastung
unwiderleglich darthut, dass sie lange Jahre freigestanden sind. Die gleiche
Stärke und Astreinheit des jüngeren Hauptbestandes beweist seine gleich«
zeiüge Entotehung^, die deon doch nur von den iMeren Horsten her denk-
bar ist
Die in dieser Art auf verwilderten Böden entstandenen Bestände sind
aber fast immer lückenhaft.
Diese endliche Verjüng^un^ von den zum Samentragen gelangten ersten
Pflansengruppen her« ist auch der Vorgang»^ mittelst welchen die nnver*
gleichliche Mutter -Natur allmählich auch ganze Liknder bewalden würde»
welche« ihrer sammtlichen Forste beraubt, von den Menschen verlassen wer-
den müssten.
Durchselmittlielier Zeitbedarf der SelbstTer jflngiins.
Nach dem so eben Dargestellten kann man sich die Erfabrungsthat-
sachen erklaren: dass in unseren Hochbergen die kleinen Fichtenkahi-
schlage besserer Lage (meist Bauern- oder Gemeinwälder) sich in 6-- 18»
im Mittel in IS Jahren« die ausgedehntesten Kahlschläge der grossen Forste
jedoch erst in 6—70 und durchschnittlich etwa in 30 Jahren selbst verjün-
gen ; dass jedoch einzelne Schlage unter ganz besonders ungünstigen Ver-
hältnissen auch einige Menschenalter hiezu brauclien.
' Zur Vollendung des Bildes über die Folgen der jetzigen Kahlschlag-
wirthschaft muss ich noch darauf hinweisen« dass die späte Verjüngung
auf allen minderkräftigen Böden wegen vorausgegangener Aufzehrung des
Humus anfinglich geringeren Wuchs der neuen Bestände im Gefolge
hat« so wie dass auf allen ärmeren und zugleich verwilderten Böden
durch die Selbstverjüngung nur eine unvollständige Wiederbestockung
erzielt wird« eine Bestockung^ welche erheblich geringer ist« als die durch
wohlverstandene Aufforstung erreichbare.
130
Das Änfforstuigswesen der Hochberge.
In Ländern « wo man noch vor Kurzem die grossen Kahlschläge mit
Recht der Selbstverjfingung überliess, und diess mit gleichem Fuge theil-
weise noch jetzt thut« wo ausserdem der Plenterhau in bedeutender Uebung
ist« kann von weit ausgedehnten Aufforstungen keine Rede sein.
Unzweifelhaft vidrd zwar die künstliche Waldverjüngung von nun an
auch hier sich rasch in immer weiteren Kreisen verbreiten; bis jetzt aber
war sie grossentheils nur auf Versuche beschränkt^ und unsere Erfahrungen
hierüber sind noch so gering« oder wenigstens so wenig wissenschaftlich er-
fasst und bekannt gemacht« dass ich die Lehre von der Aufforstung der
österreichischen Alpen« eine Lehre« welche natürlich eine ganz andere
sicherlich aber reichere werden wird « als die der Flachländer — fugUch mit
eben den grossen Schlägen dieser Hochberge vergleichen kann« in welchen ein-
zelne rüstig aufstrebende Baumgruppen zwar schon den Anbau des weiten
Feldes sicherstellen« dieser volle Anbau jedoch der Zukunft überlM-
sen bleibt
Dieser Absthnitl muss daher, ao viek«rspr^iead aiuch sein Titel sein
mag — nothwendigerweise sehr, dürftig ausfallen.
Da in diesen Hoehbergen der Wald in der HauptAaehe immer nnr
Fichtenforst ist, so hat man bis jetzt auch meist nur die Fichte künstlich
aug€)zogen. Vielenorts hat man diese Holzart swar auch gepflanat» meist
jedoch nur in sehr günstigen Lagen der Tiefregioo» mehr versucheweise
oder der blossen Schaustellung wegen» und nirgends in solcher Ausdeh-
nung» dasa diese Aufforstungen und ihre Ergebnisse besondere Beach-
tung verdienten. Dagegen finden sich in Steiermark» in Unter« und Ober-
österreich» in Kärnthen» und selbst in Nordtirol Saaten von beträchtlicher
Ausdehnung vor, hie und da sind dort bereits ganze Sehßge durch Saat
aufgeforstet worden» gar manche Stangenhölzer schon daraus hervorge-
gangen und anderwärts hat man diese AufTorstungsweise wenigstens
versucht.
Die allgemeine Wahl der Saat beweist» dass. die österreichischen
Hochgebirgs-Forstwirthe diese Verjüngungsweise im Allgemeinen far die
angezeigteste halten, und die vorliegenden Ergebnisse sind zahlreich
und günstig genug» um sagen zu können» der Fichtenforst lasse sich hier
mittels Saat im Allgemeinen sicher und wohlfeil nachziehen.
Saat mittels Getreidebau*
Die zahlreichsten» wenn gleich im Einzelnen sehr kleinen Saaten
dieser Art sind unter MOO Fuss Seeböhe auf Flächen von besserem Boden
gemacht worden» den man nach vorausgegangener Brandung eine Ernte
von Roggen oder Hafer» oder auch eine zweite Getreide- oder Bübenernte
abgewonnen hatte.
Man überstreute im Frühjahre die bereits mit Feldfrucht bestellte
Fläche ganz einfach noch mit 10 — 16 Pfund (abgeflügeltem) Fichtensamen,
oder säte den Waldsamen auch auf den Schnee» falls der Ort im voraus-
gegangenem Herbste schon mit Wintergetreide bestellt worden wäre.
Hiermit war die Aufforstung beendet.
Die Brandung und der Feldbau wurden in der Regel von jenen vor-
genommen, denen man diese fddwirthscbaftliche Zwischennutzung über-
lassen hatte» die Waldsaat hingegen führte das Forstpersona}e» meist der
Aufseher des Bezirkes» mit Samen aus» den er häufig selber gesammelt
oder wenigstens ansgeklengt hatte.
Zu dieser Feldbesl;eUuiig Usj^n sich in der Regel die Bauern nicht
herbei» denn sie haben kaum Hände genug zur Bebnun^ ihrer eigenen
Grundstücke. Wohl aber ist sie sehr erwünscht den verheiraiheten Arbei-
tern , welche damit ihren Weiberi| und Kindern eine lohnende Beschäfti-
gung geben. -^ Dort» wo viele Arbeiter ^nsä^sig sind — und des ist in
diesen Hochbergen in allen grossen (MoQtan) Werkserten der Fall ^
wjrd diese Zwischennutzung von fhnen, sogar oft sehr gesucht und sie
jKahlen dann einen Pacht von 1 — ^ Gulden vqm Joche ^ ja aut sehr i^tep
und wohlgeiagenen Granden auch ym flmid mehrGulden, falb ihnea deren '
Nataaog^ anf t Jahre geatattet nviid.
Her gröaaere Theil der 8chl&f e verapricht jedoch keine genügeada
Erntie, aei ea wegen der Unmichligkeit der Krame (Feia- and Schüttböden),
aei ea wegen der zu hohen Lage— von den übrigen ist dann auch ein guter
Theil den Wohnorten dieaer Leute au entlegen. Hier unternimmt nur
höchstens ein oder der andere in der Nahe arbeitende Holzer oder Köhler»
oft mehr verauchaweiae, die FeldheateUuog und in Brwögung der Uuaicher-
hei) und GeringAgigkeit der Ernte kann ar naiüriich keinen oder nur einen
Packt von wenigen Kreuzern sahlen.
In der Regel gelingt dieae Aaflforatuiig imner gut, nur darf ein Um-
atand nicht dabei übersehen werden» daa iat» daa auf daa Getreide folgende
Unkraut. Dean häujfig achieast dieaea iat nächstfolgenden Jahre aait solcher
Ueppigkeit in die Höhe, daaa ea die jungen Fichten jedeofaUs ersticken
wftrda, schnitte man ea im Laufe dea Sommera nicht Ein oder awei Mal
ab. -< Eine solche Vernichtung der bereite gelungenen Saat ist aber leicht
zu vermeiden , denn wo es die Leute der Muke werth finden , aich um die
Getreidebestellung zu bewerben , nehmen sie auch gerne die Gräser der
daraai folgenden Jahre. Und gelange ea auch manchmal nichi, sie hiezu zu
bewegen, so. ist ea beaaer, daa Unkraut durch eigene Leute ahaehneiden zu
laaaes, als die fiaat dem Verderben preiszugeben. Und im achlimmaten FaUe
brauisht man nur den Hag (dieae Orte sind meist mii leichten Slangen und
Zäunen verbogt) einige Male dem Weidevieh zu öffnen , waa man um ao
anbedenklicher thun kann , ala es ja ganz in der Gewalt dea betreffenden
FQratvdrthes ateht, hiefiir den rechten Augenblick anszuwählen und daa
Gehege nach erreichtem Zwecke wieder zu verachlieaaen. — Sten wählt
zu dieaer Abweidung trockenea Wetter^ Uisat weder viel noch sehr hunger
riges Vieh ein, und gestattet unter keiner Bedingung dessen Lagemag. .
Dieae Aufforstungsweiae empfiehlt sich in jeder Beziehung^ denn sie
sichert nicht nur die Abchaucht dea Waldea mit den geringaten Kräften,
aoodern vermehrt aitck die Produkzion und daa Arbeitaeinkommen dea Vol-
ke« zu Guttaten jener, welche deaaen am meialen bedürfen; sie verbindet
apch daa Intereaae gerade jener MenschenkJaaae mit dem Walde, welche
öfter am meisten zu dessen Gefahrdung geneigt sind. — Auch rfickaichtlich
dea Kostenpunktes empfiehlt sie sich dem Waldeigenthfimer; denn da die
Saat mit aelbsterzeugtem Samen etwa auf 3—4 Gu&den zu atehen kommt, ao
eracheinen die Aufforatungskosten durch den erzielten Pacht groasentbeila
und öfter reichlich gedeckt.
Leider aber wird diese Verfüngangsweiae in unseren .Hochbergen nie
den Ajaaachlag geben; denn gerade jene Wälder, in denen aie am meiaten
nützen würde, d.i. die groaaen Porste, bestehen überwiegejid a«a steitea^
felsigen oder .seichtkrumigen Hängen, kurz aus Böden, deren Ackerbestel-
hing gar nicht möglich iat, oder doch mehr kosten würde als sie eintrüge,
oder sie stodao hoch gelegen, dMa an ein aicherea.Auareileü des Gtlreidea
nicht zu denken iatt
Auch kann ein starker Beg^ehr nach dieser Zwischennatzuog^ mir im
nächsten Umkreise der starkbevölkerten (Montan) Industrieorte eintreten,
and gerade im Bereiche der grossen entlegenen Forste ist ein solcher Mangel
an Arbeitskräften , dass man schon dieserhalb auf diese VeijQogungsweise
versichten müssle.
Tollsaat nach worau^sesangenev Brandung«
Ich habe beträchtliche Schläge gefunden, in welchen man durch die
Brandung mittels des rückgebliebenen Abraumes vorerst den Boden aufge-
schlossen und hierauf die Verjüngung mittels Vollsaat erwirkt hatte. —
Die Saat nahm mau aber nicht gerne in dem auf die Brandung folgenden
Frühjahre, sondern ein Jahr später vor, indem man zu bemerken glaubte,
dass im ersteren Falle die Pflanzen weniger zahlreich gediehen, was dort
sicher stattzuhaben scheint, wo völlig durcbgebraimt wurde.
Man säte gewöhnlich 10 — 16 Pfiind Samen aufs Joch und bewirkte
seine Unterbringung durch blosses Ueberfafaren des Bodens mit eisernen
Rechen, öfter unterbrachte man ihn gar nicht
Da die unausgelaugte Asche nicht vorteilhaft auf die Keimlinge
wirkt, so kann man sich wohl das Missling^A der Saaten auf frischen,
durchgebrannten Stellen erklären, wenn man erwagt, dass hier die Asche
durch keine vorangehende Bodenbearbeitung mit der Krume verm^igt
wurde , sondern sammt den übrigen Brandresten ausschliesslich auf de^
Oberfläche verblieb«
Die sogemachten Saaten schlugen allenthalben recht gut an, die
Jährlinge wuchsen schnell zu kräftigen, stufigen Pflanzen heran und herr-
liche und vollgeschossene Maisse und StangenbSIzw beweisen, dass auch
ihr spateres Gedeihen nicht zu bezweifeln sei.
Die Vollsaat eines Joches kostet auf diese Weise 8—5 Gulden.
Anfangs säte man fast überall viel dichter und verwendete 90 und
mehr Pfunde Samen aufs Joch. Aber abgesehen von den grösseren Kosten
zeigen manche aus solchen Saaten hervorgegangene Maisse schon klar die
Nachtheile dieses Verfahrens. Denn schon 3 — 7 Jahre vach der Saat
kam der Maiss in einen äusserst dichten Schluss, ohne dass es — beson-
ders auf den Kalkscbuttböden — einer hinlänglichen Zahl von Pflanzen
gelingen konnte, die Oberhand zu erringen. Es trat also für längere Zieii
eine nachtheilige äpannang ein, welche den Wuchs des ganzen Maisses
zurückhielt.
In der Nähe der Höfe Uesse sich freilich kostenlos dadurch helfen^
dass man den Maiss in schmalen Streifen nach dem Berghange herunter
ausbaut, denn die ausgehauenen Fichten geben vortreffliche Hackstreu,
deren AUnringung eben nach dem Streifen herab sehr leicht wird.
Binnensaat
Hie und da und besonders aufanglich hat man auf den Hängen die
Kinnensaat versucht
Der Erfolg war auf den Abdachnngen in der Regel ein ungünstiger.
Zur Ereparung überm&aalger kosten, wegen der d&anen Krume,
nnd um nicht ins todte Erdreich zu säen, zog man hiezu wagrecht am
Hange herum ununterbrochene oder stückweise Furchen, ebnete deren
Sohle so gut als mögh'ch und zog den Abraum an den äussern Rand
hinaus, damit er dort einen kleinen Wall bilde, und der Saat das Regen-^
waaaer möglichst erhielte.
Jene Samen, welche auf den Abraum des äusseren Randes kamen,
keimten gar nlchtj oder die Keimlinge vertrockneten, denn dieser Abraum
ist viel zu locker und hat viel zu wenig mineralische Erde, als dass die
Saat dort anschlagen könnte.
Die auf den festen Roden gesäten Samen keimten zwar , aber die
Erde und der Schutt, welche nach jedem Regengusse (und in der Folge
beim frQhjahrlichen Aufthauen des Bodens) von der oberen Wand reich-
lich herabfielen, verschütteten einen guten Theil der Keimlinge, und be-
nachtheiligten die dennoch aufwachsenden Pflanzen so nachhaltig, dass ein
anderer Theil noch später einging, und die übrigen nicht eben freudig
aufwuchsen. Die älteren Aufibrstungen dieser Art zeigen ganz klar, wie
widerlich den Pflanzen die herabgeschnittene Wand war, denn diese beu«
gen sich säbelförmig nach Aussen und setzen nach Innen gar keinen
Zweig an.
Um die Grösse dieser Verscbüttung zu begreifen, wolle man erwä-
gen, dass man es hier nicht mit den sanften Abdachungen des niederen
Gebirges, sondern fast durchaus mit steilen Hängen von 20 — 45 Graden
zu thun hat. Um hier eine schuhbreite Rinne im festen Roden zu erlangen,
muss man so tief in den Hang hineinschneiden , dass dadurch eine Wand
von l — V/t Fuss Höhe entsteht Man wolle ferner erwägen, dass der
Regen in den Hochbergen S— 3 Mal so dicht fällt, also auch in gleichem
Masse stärker wirkt, als im Flachlande.
In den Alpen, in welchen die Verjungungsflächeu in der Regel nicht
gegen die Weide gebannt werden , kommt dann noch ein Umstand hinzu,
der an und für sich schon die Rinnensaat im Allgemeinen verwerflich
machen würde, d. i. das Weidevieh. — Eingeladen nemlich durch dieRequem-
lichkeit> und gewissermassen auch gezwungen durch die Steilheit der Hänge,
benutzt das Vieh die Rinnen ausschliesslich als Stdg und vertritt auf diese
Weise fort und fort die jungen Pflanzen, was natürlich um so verderbli-
cher wird, als die Wälder fast durchaus nur mit Hornvieh betrieben
werden.
Auch das Wild und selbst die Mäuse erkiesen sich die Rinnen zum
gewöhnlichen Weg und letztere häufig auch zum Winteraufenthalte, wo-
durch sie den jungen Pflanzen nicht minder nachtheilig ^^iferden.
Man könnte meinen, dass diesen Nacbtheilen begegnet werden konnte,
dass man die Rinnen entweder sehr breit oder sehr scjimal zieht. Ersteres
jedoch wäre manchmal wegen der dünnen Krume ganz unmöglich, und wo
es auch anginge , viel zu kostspielig, und letzteres wäre noch schlechter.
weil 8o schmale Rinnen » ^ila man denn 4e»cfa bia anf die nnnerai«elie Erd-
ccMcht einachneiden mfiaate» verhiltQiaBmiaai^ ao tief würden^ daaa die
Keimling'e aielier fiberachuttet oder apäler dnrch die darfiber aich acMieaaen-
den Unkräuter eratici^t würden.
Die Rinnenaaat empfiehlt aich daher för die steilen Hin^e dieaer Hoch-
berg^e am so weniger, ala der VoHheil der Brhaltimg der Feachtigfceit, wel-
cher ihr im Fiachlande nachgerühmt wird , bei der hieaigen gewaltigen Re*
genmenge (Absatz 3>) in Nichte zusammensinkt
Selbst für die flacheren Abs&tze und Ar die Rücken und Kuppen scheint
die Rinnensaat gegenüber den nüchatfolgenden Saatweisen keinen Vortheil
darzubieten.
Platiensaat
Den grösseren Theil der Saaten hat man auf Platten voUffthrL
Hiebei hat aich Folgendea ergeben.
Sichtlich schlug es am Besten aus (auf den Hingen) , nicht etwa tief
iiKden Abhang hineinzugraben, um eine beiiSufig wagrechte Platte zu er*
langen, sondern die Platte hinzunehmen , wie sie sich durch Abriiumung der
Bodendecke eben ergab ; nicht bloss der Kosten halber, sondern auch rück-
sichtlich des Erfolges — Dass in dieaen Bergen dabd der Mangel hinrei-
chender Feuchtigkeit nicht zu besorgen sei , habe ich bereits oben gezeigt
Aber anch die Hinw^gwaschung der Krume ist nicht ^u Archten^ sobald
der Boden feat erhalten wird. Denn die Krume besteht hier entweder aus
bindigem Lehm oder aus mehr oder weniger grobsandiger oder schotteri*
ger Erde. Ersterer unterliegt nur wenig der Abspülung, und auf den letz-
teren Bdden werden allerdings die auf der Oberfl&che vorkommenden feinen
Erdthelle bald weggewaschen ; der (wegen seiner Schwere) rfickbleibende
grobe Sand deckt jedoch die Krume dann mit solchem Erfolge , daas eine
weitere Abspülung nicht mehr leicht statthaben kann.
Wagrechte Platten hatten so ziemlich die nemlichen Nadfatheile wie
die Rinnensaat
Des Viehtrittes wegen hat es sich selbst als unzweckn/iissig bewiesen»
jene wagrechten Stellen als Platten zu benützen, welche sich häufig auf den
Hingen schon Torfinden , Stellen» welche in der Regel eben durch daa Wei-
devieh ausgetreten worden sind.
Die zweckmSssige Grösse der Platte richtet sich nach der LSnge
und der Ueppigkeit der Unkräuter» und mag zwischen 1—6 Quadratfnsa
schwanken.
Fordert auch ein besonders starker und schnell um sich greifender Un-
kr&uterwuchs grosse Platten von 4-6 Fusa , so folgt hieraus noeh dicht,
dass man auch diese ganze Flache besäen müsse; im Gegentheile beschränkt
man aich der Ersparung wegen hierin nur auf den mittleren Vt — iVs ^^^
grossen Theil. — Durch Beurtheiluitg der Zeit, welche ein^seits die jun*
gen Pflanzen nach den jeweiligen StandortsrerhUtniasen brauchen werden^
um der* Unterdrück tmg durch die Unkräuter zu entwachsen, und andei^seltt
j^ner, iBDeriisIb wekher Me«e über iHe Pltttäii zusammeiifreiffen weHkn,
rat es Dicht so schwierig^, die richtige Grösse jeder Platie im Voraus su
ermittelfi. ^ Den Abraum der Platte zieht mifii am Besten an deren an*
terem Rande.
Unbedingt mnss die glänze Bodendecke (die Hnmussehielit) bis auf die
mineralische Erde von der Platte geräumt trerden. In regnerischen Vor-
sommern keimen z\rar die Samen auch im Überkohh'gen Hnmns, and aeltM
im reinen Holzmoder; im Hochsommer jedoch vertrocknen sie al^er siciMr
darin^ oder wenn ja einige derselben den Winter noch erleben, so zieht sie
dann ganz bestimmt der Frost aas. — Ich habe vielenorts eine grosse Za)d
von Platten gefunden, die bloss darum nicht «iigeschlagen hatten, weil die
Arbeiter dort einen Theil des überkohligen Burnus in der irrigen Meinung
zurückgelassen hatten , dass diese schwarze Brde das Wachsthum der jun-
gen Pflanzen bef&rdem werde*
Man hüte sich ancb Ja vor dem Lod^ern der Krame. In der lockeren
Erde vertrocknen wahrend des Sommers sehr viele Pflanzen, und die übri»
gen werden mehr oder weniger vom Froste avsgeasogen. — Ich vrill damit
nicht sagen, dass man nOthigenfalls nicht auch die Krume mengen solle,
aber man trete sie dann auch wieder sorgf<ig fest.
Die Plattensaaten kosten gewöhnlich zwischen 9 und 5 Gulden
aufs Joch«
Höchst zweckmässig sal man in den österreichischen Hoohbergen an
den zurückgebliebenen Batamstöcken oder um die Stöcke herwn, was vor-
trefflich anschlügt, ja hüufig das einzige Mittel war, um die Saat auf-
zubringen.
Die gleichen Dienste, wie die Stöcke leisten auch Felsen und Steine.
Manigfaltig sind die Vortbeile der Stocksaat Die Stöcke bewahren die
Pflanzen vor dem Ausziehen durch die Hartfröste — ein unschätzbarer 6e*
winn in allen Hochlagen — sie sichern sie dann sowohl gegen den Tritt, ak
insbesondere auch gegen den Biss des Viehes, was hier, wo alle Schlüge
schonungslos beweidet werden, gleichfalls von grosser Bedeutung ist; sie
bewahren die j«ngen Holzpflanzen vor dem Verdummen durch die Unkrin-
ter, indem diese selten bis ganz an die Stöcke herangehen, sie scMMzen
sie endlich zweifelsohne auch gegen jene atmosphärischen Unbilden» weldils
die Pflanzen zwar dicht tu tödteii, aber doch im Wüchse zurückzuhalten
vermöchten.
Ich muss hier bemerken, dass die Hauptwurztln der alten Fichten*
Stöcke stark über Tag wegstreichen, indem die Bodensehwarte (welche
sie im firüheren Hochhohe überdeckte) im Schlage bald verschwindet und
sie frei legt. Und gerade ier Winkel zwischen zwei ausstreichenden
HMiptwiffZeb ist der beste Saatplalz.
Bin anderer vortrefflicher Bantplatz ist auch das kurze Meos^ wel»
dies in vielen Schiigen von saafter 4bdachang eimehie sehr steitflge
Ba4eD8teilen bedeckt. — Abgesehen, dass diese» kurze MOO0 ein vor-
trefiüches Keimbett abj^ibt, leistet e« auch» den Viehtritt nicht anage«
nommen, in jeder Beziehung vortrefilicbe Dienste. — Auf diesen moosigen
Stellen habe ich überall eine viei grössere Pflanzenzahl in vortreffli(iheni
Wüchse gefunden.
Die Stocksaat empfiehlt sich f&r alle stark beweideten Schlage, ins-
besoiMlere j edoch fär die Hochlagen ; ihr allein verdankt man die Ver-
jüngung gar mancher Fläche. — Leider finden sich öfter an diesen Orten
nicht genug Stocke und Felsen» um die Saatplätze bloss an diese binden
zu können. Man versäume dann nmsoweniger» die dennoch vorhandene^
Stöcke und Steine aufs Achtsamste zu benützen«
Eiöcheriiaat
Manchenorts hat man die Fichte auch in Löcher gesät
Diese Saatweise empfahl sich aber im Allgemeinen durchaus nicht;
denn weil man denn doch die Bodendecke dabei bis auf die mineralische
Erdschicht wegnehmen muss , so fallen die Löcher meistens so tief aus»
dass die Keimlinge gewöhnlich verschüttet oder später wenigstens durch
das sich über das Loch völlig schliessende Unkraut erstickt werden.
Nur auf moosigen oder einzelnen Stellen mit sehr kurzem und dün-
nem Rasen hat sie gut angeschlagen.
Das sog^enannie %etmem des Bodens.
In unseren Hochbergen glaubten Viele, dass man die Holzsaat nicht
allsogleich nach dem Einschlage mit Erfolg vornehmen könne, dass man
stattdem einige Jahre warten müsse , bis sich der frisch entblösste Wald-
boden ^»gesetzt'' habe , was wohl ziemlich gleichbedeutend ist mit dem
Abwarten des schon oft erwähnten nach vorübergegangenem Kräuterwu-
cher erscheinenden kurzen Grases.
Diese Annahme hat zwar ihren guten Grund , ist aber demungeacbtet
nicht ganz richtig.
Gleich nach der Holzung ist nemlich der Boden nicht nur mit den
Humas aller Stadien, mit Nadeln und Laub, mit Moosen mid Heidelbeeren,
kurz mit jener Schwarte bedeckt^ welche im stehenden Holze vorkam,
sondern es kommen dann noch . die Unmasse von Rinden und Astwerk und
die vom letzteren abfallenden Nadeln hinzu.
Auf diese äusserst starke Decke hinauf zu säen, wäre nun freilich
nahezu widersinnig, und allerdings vermindert sich die Stärke dieses
Schwiels im Laufe weniger Jahre ; die Moose und die Heidelbeeren sterben
ab und vermodern, Rinden, Reiser und Nadeln brechen zusammen und ver-
modern gleichfalls, der daraus hervorgehende, so wie der ursprünglich
schon dagewesene Humus wird aufgezehrt durch die wuchernde Grasvege-
tazion, so wie durch Verflüchtigung, kurz der Boden ,,setzt sich'' allerdings
und wird dadurch in der Art geeigneter zur flolzsaal, dass die Abräuronng des
Sehwieles zum Behufe der Plattensaat nunmehr weit leichter und wohlfeiler ist*
Will man sich aber zu mühaamerer Abräumung der ursprünglichen
Schwarte herbeilassen^ so lässt sich die Holzsaat auch gleich nach dem
Einschlage mit Erfolg vollfuhren.
Häufig würde der dadurch gewonnene mehrjährige Holzzuwachs die
grössere Mühe des Abraumens vergüten, und die Brandung bfithe das Mit-
tel» die ganze Bodenschwarte mit unbedeutenden Kosten hin wegzubringen.
Aafforfiitpn§^ der höchsiten Iia|;en.
Wo immer in den österreichischen Alpen Saaten mit Beachtung der
angedeuteten Umstände gemacht worden sind, gelangen sie fast immer
nach Wunsch.
Bisher hat man sich aber auch fast immer nur an tiefer gelegene
Schläge gemacht, denn weil man überhaupt nur einen kleineren Theil
der abgeholzten Flächen künstlich verjüngte, so wählte man hiezu lieber
die Tiefregion, in welcher die baldige Aufforstung Cdes höheren Holz-
werthes wegen) mehr eintrug und auch viel leichter, bequemer und si-
cherer war.
Das Misslingen mancher Versuche, mit denen man sich an die obere
Fichtenwaldgrenze hinaufwagte, hat nur bewiesen, dass hier die künst-
liche Verjüngung ihre eigenen sehr grossen Schwierigkeiten habe, und
schreckte meist vor weitereu Schritten ab.
Geichwohl ist die Aufforstung in der obersten Waldregion keine
müssige sondern eine Frage von höchster Wichtigkeit. — Denn sollte
dort gleich der Wald nur geplentert werden, sich also von selbst erhal-
ten, so ist das doch bis jetzt nur zu häufig nicht geschehen, sondern man
erstreckte die Kahlschläge bis zur Baumgränze hinauf, und überlieferte
unserer Zeit dort zahlreiche Blossen, wo die sich selbst überlassene Na-
tur ein oder mehrere Jahrhundert zur Verjüngung brauchen würde« Es sind
das Blossen, welche um so gewisser aufgeforstet werden sollten, als der
Wald jener Region eine über den Holzwerth weit hinausreichende Be-
deutung fiir die gesammte Bodenkultur des Landes hat
Aber leider ist die sichere Aufforstung der obersten Waldregion noch
eine völlig offene Frage. Hohen Dank daher unserer Regierung, welche in
scharfer Auffassung ihrer volkswirthschaftlichen Wichtigkeit Ende 1852 auf
die vier gelungensten Aufforstungen dieser Art die glänzenden Preise von
tausend Dukaten aussetzte.
Diese sich den gewaltigen Aufmunterungen früherer grosser Monar-
chei^ würdig anreihende, in ihrer Art jedoch einzig dastehende Preisaus-
scbreibung wird zweifelsohne die rüstigsten Bestrebungen hervorrufen und
endlich zur Lösung des schwierigen Problems führen.
Bis dorthin ist jedoch diese Frage völlig unbeantwortbar , wesswe-
gen ich mich hier nur auf einige Andeutungen beschränke, welche ich
grösstentheils den bisherigen geglückten oder missglückten Versuchen
verdanke.
SS
838
Zwei Umstände scheinen es hauptsichiich zu sein, welche dem Em-
porbringen der Saaten in jenen Höhen gwr so sehr entgegenstehen, er-
stens die Fröste, dnrch das Ausziehen der Pflanzen, und zweitens die
mehrjährige Kleinheit dieser letzteren, welche sie auch sehr der Unter-
drückung durch Gras und Unkräuter (darunter Alpenrosen und Heidel-
beeren) aussetzt
Um die grosse Wirkung der Fröste in der Nähe der Baumgrenze
zu begreifen, wolle man sich ins Gedächtniss rufen, dass in jener Höhe
selbst die Sommermonate nicht mehr frostfrei sind , und dass diese Som-
merfröste sehr oft in Hartfröste ausarten (welche die ungeschützte Bo«
denkrume zum Gefrieren bringen)«
Die Kleinheit der Pflanzen möge man aus dem entnehmen, dass dort
die Fichten erst nach 10 — 15 Jahren dem Grase entwachsen, oder was
dasselbe ist, jene Höhe erreichen, welche in den besseren Tieflagen
schon 3 — 4jährige Pflanzen erlangen.
Der Frost nun verlangt für die Pflanzen unbedingt einen gewissen
dauernden Schutz; ohne diesen würde vielleicht nahezu keine aufkommen.
— Im Plenter- oder im Urwalde gibt der Wald selbst und die Moose
und die kurzen Gräser und Unkräuter« welche seinen Boden bedecken,
diesen Schutz. — Auf dem Kahlschlage kann man ihn gewöhnlich nur von
den Stöcken, Steinen und Felsen erwarten, nicht leicht aber vom Abräu-
me. Denn die Schälrinden und das Grass (benadeltes Reisig) würden die
Keimlinge vielfach ersticken, (letzteres durch die Masse seiner abfallenden
Nadeln) und das nadelfreie Reisig, welches allerdings zu schützen vermag,
bricht schon nach 3 — 5 Jahren völlig zusammen; so dass auf den Abraum
nur in so ferne gerechnet werden könnte, als man ihn eigens hiefur zu-
sammezöge und beisammen erhielte.
Auf den alten Schlägen sind aber oft die Stöcke schon verschwun-
den, und Steinblöcke und Felsen waren nie vorhanden. — Hier nun bleibt
vielleicht nichts übrig, als eben die Unkräuter als Schutzmittel zu benü-
tzen , die Saatplaten inmitten derselben anzulegen , die Unkräuter jedoch
(damit sie nicht verdammen) im Laufe des Sommers ein- oder zweimahl
abzuschneiden (zu welchem Behufe die Saatplatten mit Pflöcken bezeich-
net werden könnten, was sie auch vor dem Weideviehe schützen wür-
de). In grasreichen beweideten Schlägen dürfte das Weide vieh allein
schon das Gras kurz halten. — Auf wenig geneigten Flächen sollten dann
die Saatplatten immer auf den kleinen Erhöhungen angelegt werden, denn
in den Vertiefungen ist die Frostwirkung viel stärker, weil darin das
Regenwasser zusammenläuft und die Krume nässer erhält. Man erhalte
endlich den Boden fest, und benütze fleissig die moosigen Stellen zu
Auf den ersten Anblick schiene es, als wurden sich die Hochlagen
viel leichter mittels Pflanzung aufforsten lassen. Aber die Pflanzung stösst
hier auf Schwierigkeiten ganz eigener Art Denn mit Pflanzen, welche
man der Tiefe entnommen hat^ richtet man hier nichts, denn zar Zeit,
als an der WaldffrenM der Boden ao weit au^etbauet und ab|;etrocknet
iat, Qin daa Einpflanzen zu erlauben, sind die Setzlinge der Tiefe achon
viel zu weit in ihrer Entwicklung vorgeacbritten, um poch mit Si-
cherheit veraetzt werden zu können. -^ Und Pflaozschulen in der Na-
he der Hochwaldgrenze selber zu errichten geht nicht wohl an« denn
in dieser Region wohnt kein Forstangestellter, der ihre Pflege besor-
gen könnte, eine Pflege, die vermöge der gewaltigen Wirkungen der
Meteore hier viel umständlicher und nachhaltiger sein müsste, als in
der Tiefe.
Auf den wenigen Stazionen, auf welchen man demuiigeacbtef eine so
hochgelegene Pflanzscbule erhalten könnte, dürfte vielleicht die Büschel-
pflanzuBg dankbare Ergebnisse liefern.
Mir scheint dann endlich, dass man an der oberen Hochwaldgrenze
bei grösseren Blossen vor der Hand ganz auf die Narbzucht der Fichte
verzichten^ und stattdem lieber Holzarten anziehen sollte« welche in die-
sen schutzlosen Höhen leichter anschlagen. Ich habe da für den an die
Hochwaldgrenze zunächst anstossimden Streifen die Lerche und darüber
hinans die Legföhre im Auge«
131
Die SelbstverjUngimg der FichteiikahbckiEge gegesllbcr der
Änfforstnng.
Hätte man zur Zeit, als man in den grossen Alpenforsten nur so viel
Holz schlug, als man eben verwenden konnte, auch die Anflbrstung kunst-
licher Verjüngung der Schläge verstanden . so würde sie doch kein Ver-
nünftiger unternommen haben, denn wozu Geld hiefur ausgeben, da sich
die Schiiige doch auch selber verjüngten, und es sogar sehr vortheilhaft
war, wenn der Wiederwuchs lange ausblieb, indem man dann aus der
reichlichen Weide durch viele Jahre einen bedeutenden Ertrag bezog,
welcher jenen aus dem Holze entschieden überstieg.
Selbst als man schon den grössten Theil des in den Forsten zu-
wachsenden Holzes verwerthete, konnte man im Hinblicke auf dessen
sehr geringen Geldwerth kaum. in Zweifel sein über die überwie-
genden Vortheiie der Selbstverjüngung. — Man überliess daher die
Kahlschläge noch immer ganz unbedenklich der Natur — und that sehr
wohl daran.
Ganz andere Betrachtungen aber drängen sich heute auf Der Werth
des ungewonnenen Holzstoflos ist in neuester Zeit auf eine gegen früher
unglaubliche Höhe gestiegen, man vermöchte fast überall auch das Doppelte
des wirklich zu Markte gebrachten Holzes um gute Preise abzusetzen, und
im Weiteren ist auch die Möglichkeit sicherer Aufforstung zu annehmbaren
Preisen im Allgemeinen nicht mehr zu bezweifeln.
Es iiit nunmehr die Stunde g^ekommen, wo die Fragte: ob Selbstver-
jüng^ung oder (allsogleiche) Aufforatung die gründlichate Erörterung er-
heischt , denn sie ist nicht nur eine Frage für das Privatinteresse der
Waldbesitzer, sondern ein Problem von grosser volkswirthschaftlicher Be-
deutung.
Zwischen (allsogleicher) Aufforstung und Selbstverjüngung der gros-
sen Forste liegt (Absatz 1S9) ein durchschnittlicher Zeitraum von 25 Jah-
ren. Angenommen, dass man die Bestände dieser Hochberge zweckmas-
sigerweise im Mittel im hundertjährigen Alter holze, setzt die (allsoglei-
che) Aufforstung In die Lage, den grossen Forsten gegen jetzt nachhaltig
um ein Viertel mehr Holz entnehmen zu können ; welches Mehr den holz-
verbrauchenden Gewerken zur Verf&gung gestellt das Volkseinkonmien
um viele Millionen vermehren würde.
Da jedoch Niemand auch die allernützlichste volkswirthschaftliche
Massregel unternimmt, insolange sie auch nicht ihm selber einen Vortheil
bringt, so muss vor Allem untersucht werden, ob denn die (allsogleiche)
Aufforstung auch dem Waldbesitzer Gewinn bringt.
Den durchschnittlichen Abtriebsertrag eines Joches Fichtenwald mit
den gewöhnlichen 100 Klaftern angenommen, ergeben sich die Erträge
i&r den Turnus von 185 Jahren auf 100 Klaftern bei der Selbstverjüngung,
und auf 185 Kl. bei (allsogleicher) Aufforstung. Letztere erhöht daher
den Abtriebsertrag um 85 Kl. d. i. um ein Viertel.
Der Kern der Frage liegt also f&r den Waldbesitzer darin, ob der
Stockwerth dieser 85 Kl. den Mehraufwand und den Verlust an Weide-
ertrag übersteigt, welche mit der (allsogleichen) Aufforstung verbun-
den sind.
Folgender Ueberschlag mag das für die Mehrzahl der Falle ans
Licht stellen.
Mt
Von Jedem Joche Golden
gciiwMikanf Mittel
dewlBB bei der Aufferstnii^«
Werth des durch die allsogleiche Aufforstiing
erzielbaren Mehrertrages von 25 Klafter
Holzes. Der Stockwerth eioer Klafter
schwankt in den österreichischen Hoch-
bergen gewöhnlich zwischen 80 kr. —
6 Gl. und dürfte im grossen Durchschnitte
».,0 betragen H — 150 5t
Verlust bei der AnlTorstiinv«
Aufforstnngskosten ty« — 3V* ^
Verlust an Waldweideertrag. Bei der Auf-
forstung dauert die Weide um S5 Jahre
weniger« der jährliche Weidewerth ei-
nes Joches Kahlschlag schwankt ge-
wöhnlich zwischen 20 kr. — 1 Gl. und
dürfte im Durchschnitte 40 kr. betragen 5—15 10
9— 19 14
»aller Melurirewlim bei der AvIVerstlUfty 3 — 131 40
Diese Rechnung zeigt nun in schlagender Ziffer, wie äusserst vor-
theilhaftim Allgemeinen selbst Ar den Waldbesitzer jetzt schon die (allso-
gleiche) Aufforstung .der Schläge wäre ; wie diese Massregel den Reiner-
trag der Forste im grossen Durchschnitte um ein Fünftel erhöhe, und der
Nutzen, welchen sie dem Forsteigenthümer zufuhrt, viermahl so gross ist
als die daran geknüpften Ausgabe und Einnahmschmälerung.
Wer etwa gegen diese Rechnung einwenden wollte^ dass alle ein-
zelnen Posten mit Zinseszinsen berechnet, ganz andere Ergebnisse liefern
würden, dem entgegne ich, dass beim ersten Ansätze Zinseszinsen gar
nicht gerechnet werden dürfen^ denn es handelt sich um grosse nachhal-
tig zu betreibende Forste, in welchen die Verwirklichung der Aufforstung
augenblicklich auch die verhältnissmässige Erhöhung der jährlichen Hiebs-
menge gestattet.
Nun werden in unseren Hochbergen allerdings noch Fälle vorkom-
men, in welchen der Holzwerth unter dem obigen Minimum und der
Weidewerth oder die Aufforstungskosten hingegen über den hier ange-
setzten Ziffern stehen, so dass der Vortheil der allsogleichen Aufforstung
vielleicht ganz verschwindet; derlei Einzelßlle beweisen aber nur dasje-
nige, was Jedermann zugibt, dass nemlich auch die hier bewiesene Re-
gel gleich jeder anderen ihre Ausnahmen hat. -^ Ueberhaupt kann obige
Rechnung durchaus nicht auf fiidzelftlle angewandt werden , sie soll nur
die Thatsachen einander gegenüberstellen, wie sie jetzt im ^rosseq
Durchschnitte sind.
ENe besprochene Rechnung zeigt klar* dass der Gewinn der Auf-
forsUuif weit iJberwiegend vom Stockwerthe des mehrbeziehbaren Hol-
zes abhängt. Insolange dieser sehr gerin|[ ist, wäre ilie AufforaUiof^
baarer Verlust, wo er bereit« hoch steht, ist sie mit nahmhaftem Gre-
winne verbunden.
80 sehr wohl daher die Alten thaten, als sie ihre grossen Kahl-
schlage der Selbstverjüngaag überliessen, eben so sehr verkennt die Neu-
zeit ihren eigenen Vortheil, wenn sie nicht lieber zur Aufforstung
schreitet.
Iftid in dieser Beziehung bleibt noch das Meiste au wünschen übrig;
denn so zahlreich auch die kleinen Aufforstungen sind, denen man na-
mentlich in Steiermark , Unter- und Oberösterreich und in Karnthen schon
begegnet, so ist die künstliche Verjüngung der Kahlschlüge doch nur eine
ganz kleine Ausnahme: sie wird mehr versuchsweise geübt, während die
Ueberlassung zur Selbstverjfingung die weit überwiegende Regel bildet,
und zwar ebenso in den Forsten des Staates, wie in jenen der Privaten
und der Körperschaften.
Aus der obigen Rechuungsanlage ist aber ersichtlich, dass die Auf-
forstung erst anfangt vortheilhaft zu sein, wo und wann der Klafterpreis
des stockenden Holzes etwa 34 kr. überschritten hat.
Nun ist es aber gar nicht kinge her,, dass unsere Helnproise dieflie
Ziffer überhohlt haben; was nun leicht erklärt, warum die Aufforstung
noch nicht in Fleisch und Blut gedrungen ist
Aber auch von nun an wird sie nur Schritt für Schritt an die Stelle
der Selbstverjühgung treten, denn wären auch ihre Vortheile noch glän-
zender, als sie wirklich bereits sind, so stehen ihr noch immer gewaltige
Hindernisse entgegen, deren Hinwegräumung gutentheils gar nicht in der
Gewalt der Forsteigenthümer liegt.
Zuvörderst muss die Hegelegung der eben aufgeforsteten Flächen
ermöglicht werden. Die Staatsgewalt muss durch Gesetzgebung und Straf-
verfahren das Ihrige thun, nicht nur die freien Weideniesser sondern ins-
besondere die Weideberechtigten a^ur thatsächlichen Achtung des nöthigen
Weidebannes zu zwingen; denn so lange der Waldhesitzer des Erfolges
der Aufforstung nicht sicher ist, wird er auch nie die Kosten dazu auf-
wenden, und wie wäre dieser Erfolg ohne Weidebann gesichert?
In vielen Forsten müssen d^nn auch die jetzigen kulturfeindlichen
Rechtsverhältnisse gelöst werden, nach welchen Grund ujkI Beden sammt
den Neben^utzuugen Einen , und der Holzzuwachs wieder einen anderen
Eigerthümer hat; in vielen anderen muss erst die nicht minder kultur-
feindliche Unsicherheit des Grundeigenthumes beseitigt werden.
In den k* k. Montan- und Salineuforstea muss die begonnene Reinstel-
lung der Forstregie sammt der ricMigen Bewerthung der Forstwaaren
vollends. durchgeführt sein, damit sich die grossen Vortheile der Auffor-
stung auch im einzelnen Falle klar ans Licht stellen.
3ia
Die groAsen Forsibesitaer bedfirfen daun längerer Zeit um ihre Forst-
per«OBalbefltellimg überbaapt nach den Forderongen der Jetztzeit umziwtal-
ten ; ihr jetziger Betriebsbeamtenstand ist viel za schwach ffir die Auffor-
stung, wie überhaupt für den von der Jetztzeit geforderten intensiven Forst-
betrieb. Sie können jedoch in so lange nicht zu einer mit bedeutendem
Mehraufwande verbundenen Personaiumstaltung schreiten, bis sie nicht
die unumstossliche Ueberzeugung gewinnen, dass sich diese Mehranslage
unzweifelhaft verlohne. Dann brauchen auch die schon wohlbestellten Ver-
waltungen Zeit, für den intensiveren Betrieb die tanglichen Leute zusam-
menzubringen und einzuschulen.
Und endlieh mnss noch das Wie der Aufforstung vollends reingestellt
vrerden. So vollkommen sicher in der Tiefregion jeder tüchtige Alpenforst-
wirth bereits seine Schlage aufforsten würde, so ist doch die Aufforstungs-
weise der Hochregion ein noch ungelöstes Problem.
Die grossen Preise, welche unsere Regierung hiezu ausgeschrieben
hat, die ZasammeoscJiokung der Hochgebirgsforstwirthe in den Alpen-
forstverein, und das strebsame Leben, welches überhaupt im Forstwesen
unserer Hochberge sich zu regen beginnt, werden zwar unfehlbar das
Problem zur Lösung bringen; aber mittlerweile werden wir den Schnee
der Hochweiden noch sehr oft dem sommerlichen Blumenteppiche Platz
machen sehen.
Ganz Anders stellt sich die obige Vergleichsrechnung für die kleinen
Privat (Bauern) walder; welche in keinem nachhaltigen Betriebe stehen;
denn hier beschrankt sich der Vortheil der allsogleichen Aufforstung gegen
über der Selbstverjüngung bloss auf den früheren Bezug des Haubarkeitser-
träges, und alle Posten müssen hier auch geändert und mit Zinseszinsen an-
gesetzt werden.
Alles mit 4 prozentigen Zinseszinsen, wie billig auf den Zeitpunkt des
Abtriebes berechnet, ergibt sich dann was folgt
Bin Joch Gulden
Schwankung Mittel
Ciewten bei »lls^ifleieher Anftm^mtwämtg.
GoMrinn durch den um 10 Jahre früher eintre-
tenden Bezug des Abtriebsertrages , bei
SOjahrigem Betriebsalter. 1—8 Gl. im
Mittel 3 61. Haubarkeitoertrag 100 Kl. . * ty» — 8
ITerlust bei alis^i^leleliep AnlVerstunif«
Aufforstungskosten .......... 5 — 3 4
Verlust von 10 Jahren Waldweide ^ Jahres-
werth 60 kr. — « Gl. ...... . 7 — 16 1«
1« - 19 16
Der kleine Waldbesitzer thate also, selbst wenn er nur dem Reinertrage
nachtrachtete, im Allgemeinen noch nicht gut« zöge er die Aufforstung der
VA
Selbstverjüngung vor, denn er würde dabei offenbar am Reinertrage sei-
nes Waldes verlieren ; denn der erst in später Zukunft eintretende frühere
Bezug des Haubarkeitserlrages vergütete ihm in der Regel nicht den Ver-
lust, den er bei der Aufforstung durch den Entgang an Weide nahezu all-
sogleich erleiden würde*
Uebrigens stellt der Bauer derlei subtile Berechnungen gar nicht an.
Um den Stab über die Aufforstung zu brechen, genügt es ihm, dass der
Verlust an Waldweide ein ganz sicherer, sogleicher sei, der Gewinn der
früheren Haubarkeit hingegen ein sehr später, der im besten Falle erst
seinen Enkeln zu Gute kommt.
Wir finden daher, dass die Bauern ihre kleinen Kahlschläge fast
durchaus der Selbstverjüngung überlassen, und es ist nicht zu läugnen,
dass sie im Durchschnitt Recht dabei haben.
132
Wachsthnmsgang des gleichalterigen Fichtenwaldes.
Schon in den Absätzen 123 und tVk ist der Wachsthumsgang des
gleichalterigen Fichtenwaldes in mehreren Tafeln dargestellt und vieles
Andere im Abschnitte 121 angedeutet worden.
Ich glaube nur noch folgende Tafeln beifügen zu sollen, welche den
nördlichen Hochbergen entnommen worden sind.
Oberösterreichiüche Ralkalpen.
Saizkammergtttiscbe Reichafor ate des B ezirkes Ebenaee.
Bester Standort.
Holzalter
Jahre
Holsmuse
des Joches ^
MassenklaRer
Zuwachs vom Joche
in MassenfuaseD
zeitlicher
65
durchschnittlicher
10
1..
33
to
6..
1S3
6»
90
13
132
92
40
19
141
101
50
S6
149
110
60
• 33
160
119
70
41
173
125
80
49
179
132
90
57
173
138
100
65
139
139
HO
70
99
138
1X0
74
67
132
130
76
39
126
140
77
8
119
Nebenbestaiid Vk Prozente.
8U
Salzburg^iiicheii Vrg^ebirg^e.
Reichsforste des Bezirkes Taxenbach.
Thon- und GlimmerschieferbodeD. — Alle La^f^en , mit AasDahme der i/veatlicheD.
^
1 1
oo
jl
Znwtclu 11
Bestandes- 11
1
1
'
iBwadis 1
Ii 1^
MÜiiher
idiiitd.
fdükher
vom Joche |
1
vom Joche 1
Eeglo
Q um WMK Seehöhe*
RegloD von 2600 — 3600' Seehahe, 1
—
—
—
390
1560
77
39
78
10
20 '
O^s
11
llOOO
296
U86|
58
113
1 30
59
—
—
—
3360
205
96
30
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30
7000
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158
86
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1900
5670
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142
40
—
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192
109
—
—
8330
279
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73
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14070
283
201
70
—
—
—
11020
236
158
0.^
76
870
16S00
26^
210
HO
^^
^
—
13360
231
167
—
—
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120
Dichte de» lufttrockenen Fichtenholzes
Meniholz Tom
Getreldere^ion . . . .
Nähe der obereo Wald-
grenze
Rolhfaulea Holz « . .
Jahr- Dichte
rin^eauf in 1000
den Zoll Theilen
Aeste.
Jahr- Dichte
rin^e auf in 1000
den Zoll Theilen
20—30 340—400
4— 5 332—370 Getreidere^ion .
Nähe der oberen Wald-
S— 40 352—481 gr^enze 90 652—756
4—15 414—514 BtwaaharzigreAeatevoD
SchneiteUlänimep , 30 864—000
SM
133
Der Bickaihoeliw&ld.
Bloss swei Landstriche sind es» wo der Bachenhochwald in gros-
ser Aosdehnung^ vorkömmt:
In den nördlichen Vorberg;en der Alpen ^ und vorzugsweise in den
nordöstlichen d. i. im niederösterreichischen Wienerwalde.
Dann im sfidostlichen Alpenfusse und insonderheit in Milter* nnd
Unterkrain.
Die Buchenrarste des Wienerwaldes.
Die Bachenforste des Wienerwaldes gehören zu dem VorzQglichstent
was von dieser Holzart in Europa anzutreffen ist
Die fast durchaus mittels Selbstverjöngunf entstandenen Maisse wach-
sen im gedrängtesten Schlüsse auf« Als Stangenhölzer von 30 — SO Jah-
ren wird ihr Zuwachs bereits sehr betrachtlich und als Mittelhölzer von
80 — 70 Jahren fangen sie an reichlich Samen abzuwerfen.
Im dicht geschlossenen Walde f&llt das Alter des grössten Durch-
schnittszuwachses meistens in die lOO — ISO Jahre, und der Durchschnitts-
zuwachs selbst betragt gewöhnlich bei 100 Fuss; die einzelnen Stamme
haben dann eine Länge von 100 und mehr Fuss, und eine Brnststärke von
12-15 Zollen.
In den ausgezeichnetsten Lagen jedoch ergiebt sich der in das Alter
von 130 — ISO Jahre hinausrückende grösste Durchschnittsznwacks mAi
1 10— 130 Füssen in Stimmen von 120 Schuh Länge und 15— 18 Zollen
Stärke. Derlei Althölzer halten auch noch bis in das Alter von 160 — 180
Jahren in gutem Zuwachse aus.
Binzehie in den Schlägen übergehatlene gegen 900 Jahre ausdanernde
Stämme gelangen auch zu 180 — 150 Foss Länge und S — 4 Schuh Brust- .
stärke. — Ich selbst habe einen derlei riesigen Ueberständer von SC KIftnt.
Hoizgehalt gesehen.
In den Reichsforsteu ist das gewöhnliche Betriebsalter 120 — 140 Jah-
re; andere Wälder werden jedoch im 90 — 110 jährigen Alter abgetrieben.
Der hohe Umtrieb der Reichsforsta bringt die Forstwirthe auch rttck•ich^
lieh des Nachwuchses in Verlegenheit ; denn dieser erscheint oft schon im
angehend haubarem Holze und verlangt meistens schon lange vor dem Ab-
triebe die Freistellung.
Waclifltlraiiisiiaiis des Baehenhoeliwaldes
In den olederöslerreielilseken Reich«for«ten dsa Wls»#rwal4es.
Lehmboden des Wienersandsteines mit bemerkenswerthem Kalkge-
htlte. Wohlerhaltene durch Strenrechen kaum geschmälerte Humusdecke.
9»
GMchlossdoe aus dem Samenbiebe herrorgegaiig^ene erst ap&t durfbfor-
Stele Bestände. Seehdhe 1200 — 8M0 Fuss.
Waldsuwach* auf dem Joebe
BestaDdesailer
Jahre
Zeitlicher
Darchacbnittlicher
Gewöhnlich Selten
Gewfthnlich
SelUn
10
90
25
25
13
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77
34
39
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43
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133
51
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65
97
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133
187
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100
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168
121
85
102
90
157
123
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104
100
135
125
96
106
110
104
125
100
108
120
60
126
97
110
130
5
126
91
111
140 - 183 - II«
Die Durehforstan^sertr&ge ergeben sich bei dem hier üblichen min-
desten Licbtungsf rade im Durchschnitte wie folgt :
Im Alter von Jahren
Jedea Joch Elafter
1- 20
1.4
20- 40
4..
40- 60
5.,
60- 80
4.,
80—100
4.0
und im Ganzen erlanget man von den Bestanden einen Durchforstung^sertrag,
welcher bei dem dbiichen mindesten Lichtungsgrade dem Drittel deä Hau-
barkeitsertrages gleichkommt, bei weitgreifender Durchforstung jedoch
auf die Halbseheid gebracht werden kann, (wo dann aber der sehr seit*
lieh erscheinende Nachwuchs zum frühen Abtriebshaue im 80 — lOOj&hri«
gen Alter drängt.)
Einen sehr bedeutenden Ertrag liefert hier die Ausforstnng der fast
altenthalben eingesprengten Aspen» Birken (und auch Saalweiden). Diese
mengen sich zahlreich in die Maisse ein, überwachsen sehr bald die Bu«
chen ^ und werden bei Gelegenheit der Durchforstung des 80 — 40 jähri-
gen Bestandes als bereits haubare Bäume ausgezogen, wodann sie einen
Ertrag von 6 — SO Klaftern abwerfen. Der lichte Laubschlag dieser Holz-
arten und die grosse Lebenskraft der gedrückten Buchen mildern die
Nacbtheile der Ueberschirmung so sehr, dass derlei ausgeforstete Bestän-
de noch immer geschlossen erscheinen und in ihren Abtriebsertragen dep
St8
ursprünglich reinen nicht nachstehen» ja was den Längenwuchs betrifft ,
diese oft noch übertreffen. Den Birken und Aspen dankt man hier auch viel-
faltig den Aufzug herrlicher Buchen-, Mittel und Althölzer aus sehr verein-
zeltem Aufschlage« Für sich allein würde dieser gewöhnlich nur mittel-
wüchsige , kurzschäftige und minder holzreiche Bestände herstellen ;
die dazwischen stehenden weichen Hölzer jedoch treiben ihn in die Hö-
he, machen ihn astrein, und fordern durch Deckung des Bodens seinen
Massenwuchs.
Volle Saraenjahre treten hier durchschnittlich nach 7 — 8 Jahren ein.
Aber auch in der Zwischenzeit erfolgen 5 Sameniälle , von welchen t zur
Selbstbesaroung eines Schlages zureichen.
Im wohlgeschlossenen Holze — und es ist hier fast durchaus wohl
geschlossen — ist der Boden nahezu allenthalben der Selbstverjfingung of-
fen. Auf der mit dem Laube der letzten 2 Jahre bedeckten schwachen Hu-
musschichte , auf welcher nur sehr wenige vereinzelte Kräuter und Halme
sprossen, findet der fallende, später vom nachfolgenden neuen Laube be-
deckte Same ein vortreffliches Keimbett, daher denn schon in den Stangen-
hölzern jedem Samenjahre ein Aufschlag folgt. Dieser wird jedoch erst in
den Mittelhölzern zahlreich genug, um einen vollen Maiss herzustellen.
Im dicht geschlossenen Hochholze vermag jedoch der neue Aufschlag
nicht auszudauern; er vergeht bereits im ersten Jahre; wo jedoch der
Waldesschluss minder dicht, hält sich der Aufschlag. — Daher kommt es,
dass viele Alt-, ja selbst Mittelhölzer ohne menschliches Znthun bereits den
neuen Wald in völlig hinreichender Dichte unter sich haben ; dass die blosse
Durchforstung sehr häufig schon den Nachvmchs hervorruft; dass endlich
in den dichtgeschlossensten aufschlaglosen Beständen schon der Aushieb
von 10 — 15 Proz. Holzmasseden Samenschlag herstellt.
Die Buche hat hier eine solche Lebenskraft , dass der Nachwuchs un-
ter dem hohen Holze auch noch 90—30 Jahre ausdauert, und er mag bei
der endlichen Freistellung noch so kümmerlich aussehen , doch noch vor-
treffliche Maisse liefert
Auch Samenschläge , bei deren Einlegung 80 — 30 Prozente der Holz-
masse ausgehauen wurden, haben voUeq Erfolg gehabt, und selbst 30 -^tO
Prozent Lichtung führten vollkommen zum Zwecke, wann gerade ein Sa-
menjahr war.
Vor Kurzem und in den Reichsforsten grossentheils noch dermahlen
fährte man vor dem Abtriebshaue noch 9 — 4 Lichthiebe, und liess vom
Anhiebe bis zum Abtriebshaue oft 9 — 85 Jahre verfliessen; jetzt aber
fuhrt man mit noch besserem Erfolge auch bloss Einen Lichthieb y bei dem
man etwa die Halbscbeid der vorhandenen Holzmasse herausräumt und lässt
hierauf allsogleich den Abtriebshau folgen , so dass von der Besamung bis
zur endlichen Freistellung nur mehr 3 — 5 Jahre verfliessen.
Da in den vielen Altbeständen stellenweise schon Nachwuchs vorhan-
den ist, und auf den übrigen Stellen durch den ersten Samenhieb nicht
ä)>erall so|^leich erzeugt wird, so fuhrt man häufig auch den aUmählichen
SM
(sukzessiven) Hau, bei welchem man zweckmassig^erweise auf jeder Steile
nach dem jeweiligen örtlichen Bedfirfnisse haut
In den Reichsforsten riefen einerseits der hohe Umtrieb (ISO— 140
Jahre) und anderseits das Uebermass der in Verjfingnngshieb gebrachten
Flächen von selber den allmählichen Hau hervor; indem der in den Alt-
hölzern längst erschienene Nachwuchs allenthalben nach Lichtung schreit,
der niedere und feste Abgabesatz jedoch zwingt, den Abtriebshau meist
zu blossem Nachhau zu ermässigen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass mit Aufschlag versehene Bestände,
besonders auf der Schattenseile der Berge, ohne wesentlichen Nachtheil
allsogleich kahl gehauen werden können. Der Unterwuchs kränkelt zwar
öfter nach der plötzlichen Freistellung, er erholt sich jedoch wieder und
steht in der Folge den aus dem Lichthiebe hervorgegangenen Beständen
nicht nach. — Ueberschreitet jedoch der Aufschlag schon die Höhe von
4 — 6 Fuss, so treibt man, um den Nachwuchs durch die Aufarbeitung der
Hölzer nicht zu sehr zu verderben, lieber in zwei Hieben ab und haut
das erste Mal etwa 60 Klafter Holz. — Derlei Kahlhiebe sind in den hie-
sigen Reichsforsten zur Zeit der französischen Kriegsdrangsale, als die
Regierung um jeden Preis Geld schaffen musste, in grosser Ausdehnung
geftthrt worden und viele der herrlichsten jetzigen Mittelhölzer sind aus
ihnen hervorgegangen.
Nachweisbar haben sich die Maisse von derlei unvollständig nnter-
wachseiien Schlägen nach dem Hiebe durch Buchenstock- und Wurzelaus«
schlage zur Genüge ergänzt; manchmal aber ist diese Ergänzung wohl nur
dnrch Birkenanflug und Aspenwurzelausschläge erfolgt. — Eigentliche
Blossen sind noch nirgends verblieben.
Gleich günstige Ergebnisse haben die Kahlhiebe gehabt, welche man
durch Jahrzehende und bis in die neueste Zeit in den herrlichen f&rstl. Lam-
bergischen Buchenforsten bei Sleier in Oberösterreich geführt hat. Sie ha-
ben sich aufs allervollständigste und fast durchaus wieder rein mit Buche
zelbstverjüngt. Freilich war auch bei Einlegung des Kahlschlages Aufschlag
vorhanden und wahrscheinlich in reichlicherem Masse , indem diese Forste
frfiiher plenterweise benützt worden sind.
Jene wenigen Stellen^ welche in den Forsten des Wienerwaldes sich
nicht selbst verjüngen lassen^ pflanzt man gewöhnlich mit Buchungen aus,
welche man dem nächsten Aufschlage entnimmt. — Mit glänzendem Er-
folge erzieht die Mariabmnner Forstschule auch Buchenpfiänzlinge in ihrem
Forstgarten. Diese frei erwachsenen Bfichlinge (die bloss im ersten Früh-
jahre geschützt werden) zeichnen sich durch bewunderungswürdige mar-
kige Fülle ans und übertreffen bei Weitem die unter Beschirmung er*
wachsenen Pflanzen der Schläge.
Die Selbstverjüngung misslingt nur auf den wenigen Stellen« wo der
Boden mit einer Grasnarbe überzogen ist, wo der Wind das fallende
Laub entführt, oder wo der nemliche Wind das Laub in Unmasse zusam-
menträgl. Im ersteren und letzteren Falle vermodern » im zweiten Falle
SM
erfrieren gewöhnlich die Buchein bevor gie keimen oder werden von den Vdgeli
oder Mausen weggetragen. Hier ist aber leicht abzuhelfen im ersten Falle^ durch
Umhacken des Rasens vor dem Samenabfalle, im zweiten darch Einkacken der
bereits gefallenen Buchein und im dritten durch Hinwegriumung 4er dber-
flüssigen Laubma^sen.
Diese Stellen sind aber meist nur auf den sturmausgesetsten westli-
chen (Nordwest) Berglehnen von solcher Ausdehnung, dass derlei Vorar-
beiten zur Brzielung vollständiger Maisse nothwendig fallen.
Die sturmausgesetzten Westseiten eignen sich hier aber überhaupt
weniger f&r die Buche; Beweis an dem, dass diese hier sehr schfitter
und kurzschaftig und schiechtwüchsig verbleibt, ja auf den am meisten
sturmbewegten Stellen sogar das Fortkommen versagt. Hier wird dann
die Selbstverjüngung um so schwerer, als derlei Buchenbestande nur we-
nig guten Samen erzeugen» Darum sind auch solche Hänge vorherr-
schend mit Birken und schlechten Aspen bestockt, und in neuester Zeit
zieht man es mit Recht vor, sie lieber mit Fichte und Weissifthre kfimt-
lich zu bestellen, indem diese Holzarten und insbesondere die letztere die
Sturmwirkuug verglefchungsweise viel besser verträgt.
In sehr blattreichen windgeschützten Beständen ist die Laubsehicht
zwar nicht stark genug, um die Keimung der Ekern zu verhindern; sie
hat aber doch öfter die Verjüngung durch das sommerliche Zusamtmen-
sitzen vereitelt, in Folge dessen die Büchlinge mit dem Wnrzelkaoten in
der Luft blieben und vertrockneten. In solchen Fällen hilft man sich ganz
einfach durch Einlegung des Streurechens.
Die örtlichen Verhältnisse sind im Wienerwalde überhaupt der Buche
so hervorragend günstig, dass es weit mehr Scharfsinnes bedürfte sie aw-
zurotten, als sie natürlich nachzuziehen.
Die Kunst der Forstwirthe besteht also hier nicht darin, den Wald
überhaupt zu verjüngen , sondern vielmehr darin , den Maiss von grössler
Kraft in kürzester Zeit und mit geringster Umständlichkeit in den Ball-
ungen zu erzeugen.
Man hat die vorzügliche Bucfaentauglichkeit des Wienerwaldes in
der Tiefgründigkeit und Frische seines (aus dem Wiener Sandsteine «ojt-
standenen) Lehmbodens suchen wollen, und folgerte daraus, dass der Lehm-
boden uberhaupl die dieser Holzart am n»eisten entsprechende Krume sei.
— Nähere Untersuchungen stellten aber heraus, dass diese hervorragendate
Buchentauglichkeit nicht sowohl im Lehme an und für sichi sondern
eigentlich in dessen bedeutendem Kalkgehalte liegt (welch letzterer haij|>^
sächlich von den Kalkspathadern herrührt, welche den hiesigen Sand-
stein überall durchsetzen).
Treue Begleiter der Buche sind im Wienerwalde die Tanne und in
den Tieflagen: die Hainbuche, die Traubeneiche und die Zerreiche« dann
zuweilen auch die Stieleiche.
im Wienerwalde kommt der Bnchenhochwald auch auf dolomitischen
(seiGhtkrnmigen und steilen) Böden des Alpeakalkes vor^ zeigt aber dann
einen ganz anderen Wachsthumsgang.
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280 272
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82
64
—
Auf dieoeo Böden beoserer Gattiuig drängt sich die Buche auch in
die Schwarzfohrenwilder ein« and aus gar manchem Walde letzterer Art
ist schon ein Buchenhochwald hervorgegangen.
Der Bachenhocliwald in Krain.
Auch in Krain sind die Wachsthunisverhaltnisse der Buche fast allent-
halben ganz vorzflglich ; sie ist hier wahrhaftig unverwüstlich , denn wSre
sie ausrottbar, so mösste sie ob der barbarischen Behandlung^ welche sie
erfahr und noch erRhrt, an vielen Orten l&ngst verschwunden sein.
Wie sie den Unbilden der Menschen und ihrer Hausthiere widersteht*
wird aus dem Verlaufe dieser Darstellung hervorgehen; als Beweis von ihrem
Widerstände gegen klimatiache Unbill will ich nur anfuhren, dass sie an den
wenigen Hochbergen von Mitter- und Unterl^rain z. B. auf dein Velkigol-
iaJL zwar sehr gedrüclit, aber immer noch baumartig bis zum Krummholze
binanfiBteigt, dasa sie sehr oft auch noch jene Kuppen und Rücken krönt,
wali^he von der gewaltigen Bora (Nordoststurm) bestriehen werden, zwar
fast kriechend, wie die Legföhre« aber noch immer baumarlig«
Die vorzfigiiche Buclientaugiichkeit Inner* und Unterkrains fiegt zwar
auch in der hervorragenden Regenmenge^ hauptsichiich jadorii in der in-
sonderlich zusagenden BodenbeschaiTenheit Die Krume ist dort ein kalkigor
eisenschüssiger Lehm mit steinigem oder klüftigem Fols-Untergrunde , das
Ergebniss des dortigen Jurakalkes. — Wo atreifenweise Kalkschutt- (Do*
lomitische) Krumen auftreten, kommt die Buche zwar auch noch fort, aber
ihr Wuchs ist weit minder gut, sie widersteht mit viel geringerem Erfolge
den Unbilden der Menschen und des Klimas , wesswegen denn derlei Be-
stände schlechtwüchsig und lückig und im Boden mit krautartiger Heide und
tot
anderen Unkräutern so sehr überzogen sind, dass sie die vollständige Selbst-
verjuDgung Cvielleicht von jeher) versagen.
Die Buchenforste Krains wurden in früherer Zeit durchaus and wer-
den auch noch heutzutage meistens mittels Plenterung gehauen. Bei dieser
Hauungsweise ist ihre Erhaltung sowohl als ihre Erträglichkeit vollkommen
gesichert.
Vielenorts sind jedoch bedeutende Flächen auch kahl gehauen worden.
Die meisten dieser Schläge haben sich wieder sehr gut bemaisst; zum Theil
aus dem Aufschlage, welcher zur Zeit des Hiebes vorhanden war, grössten-
theils aber auch aus den Trieben der rückbleibenden Stdcke und Wurzeln.
Zwanzig bis fünfzigjähriger Unterwuchs wächst hier nach endlicher Frei*
Stellung noch vortreffUch fort und 60jährige Stöcke liefern noch brauchbare
Stock- und Wurzellohden« Sichtlich hilft aber auch die Steilheit der meisten
Berglehnen zur Besamung der Kahlschläge mit , denn Dank derselben ge-
langen die Buchein auf 10—30 Klaftern unter den Rand des stehenden Hol-
zes hinab , sei es durch Springen und Kollern , sei es mittels des abrinnen-
den Regenwassers, des Schneeschubes und der Schneeabrutschungen.
Aus den Kahlschlägen Innerkrains sind gleichzeitige Aufwüchse her-
vorgegangen, welche einen ähnlichen Wachsthumsgang, wie jene des
Wienerwaldes zeigen.
Leider konnten weder ich hoch Andere genügend reiche Erhebungen
anstellen « um den Wachsthumsgang des geschlossenen Buchenplenterwal-
des in genauer Ziffer darzustellen. So viel jedoch kann ich versichern, dass
die Buche bei dieser Betriebsform der Fichte sehr ähnelt. Auch i h r Wachs-
thum wird in der Jugend sehr zurückgehalten ; auch sie bewahrt die Fähig-
keit , nach endlicher Freistellung im höheren Alter das noch rüstig nachzu-
holen, was sie in der Jugend versäumen musste, auch s i e erreicht dann unter
steter und ansehnlicher Massenmehrung ein hohes ungewöhnlich kräftiges
Alter ; Beweis an dem, dass die hiebsreifen Stämme — noch immer wuchsig
— gewöhnlich 200 — S70 Jahre zählen. Auch die Buche zeigt im geschlos-
senen Plenterwalde eine (gegenüber dem gleichalterigem Hochwalde) stau^
henawerth gleichförmige Massenmehrung; wie bei der Fichte ist der Schaft
auffallend minder voHholzig, das Holz jedoch erheblich dichter.
Im lückigen verdorbenen Plenterwalde geht die Buche viie die Fichte
mehr oder weniger den Wachsthumsgang fireierwachsener Stämme und
Horste/
Die folgende Tafel stellt den Wachsthumsgang des gleichalterigen
Buchenhochwaldes aus den höheren Lagen Krains dar.
353
Waehsthamsgang des Buehenhoehisraldei» in den
idrianer Beichi^forsten MLitterlLraing.
Kalkthonboden mit 3'^ Humusdecke, 1—V/i* mineralischem Ober-
Grunde und zerklüftetem Fels oder Steinbrocken des Jurakalk zum Unter-
Grunde. — Es wurde nie Streu gerecht. — Die Bestände sind aus dem
Kahlschlage hervorgegangen, ganz geschlossen und sind auch nie durch-
forstet worden. — Sanfte geschützte Abdachung gegen Nordost
Stammzahl
Mittlere
Stammstarke
des
Haiipt-
best.
Stammgrund-
flachensumme
Mittlere
Stammhöhe
des
Haupt-
best.
Osrednick)
Durchschnitts -
Zuwachs
Alter
Haupt-
best.
Neben
best.
Zus.
In
Haupt- Neben-
best. best. Zus.
}he von 1800 Fuss (
Haupt-
best.
Neben-
best.
Zu
der Meereshi
•
40
' 2500
6500
8000
3.1
130 68 105
31
47
5
52
60
1500
3000
4690
*.4
160 57 220 '
47
67
9
76
SO
620
750
1370
7.g
205 45 250
64
88
12
100
100
306
225
622
19.3
225 32 270
70
97
13
110
120
220
100
320
13.0
203 18 220
72
73
5
78
In der Meereshöhe von 2600 Fuss
140
140
76
215
15.A
180 16 195
74
54
3
57
VoUholsigkeitsfaktor der Altstämme 1.3s~2*oa Mittel I.7
Ueberhaupt unterscheiden sich die gleichalterigen Buchenhochwälder der
höheren Lagen Krains nur wenig von jenen des nördlichen Alpenfusses.
Wesentlich jedoch die tief gelegenen Buchenforste Unterkrai6s. Das
wärmere Klima ändert hier sichtlich den Wachsthumsgang. — Wir haben
zwar auch hier noch die nemliche Ueppigkeit des Wuchses vor uns, aber
Bestände und Bäume schiiesseu irüher ihr Wachsthum ab , gelangen nir-
gends mehr zur gewaltigen Stärke der Hochlagen ; kurz es zeigt sich,
das« wir bereit« an der unteren Verbreitungsgrenze der Buch«« stehen.
Die stärksten Stämme haben hier äusserst selten über SO— S5 Zoll Stärke
und 100 Fuss Länge. Auch sind hier die Hochhölzer voll Unterholzes«
das nicht nur aus Sträuchern fast jeglicher Art, sondern abermals aus
Buchen, dann aus Eiche und Hainbuche besteht, und zwischen und über
welches sich Schlinggewächse (darunter Epheu und Waldrebe) hoch an
die Oberbäume hinaufziehen.
Treue Begleiter der Buche sind in den Hochlagen Krains der Ahorn
und die Tanne und in der Tiefe die Stieleiche, zuweilen auch Rüster,
Zerreiche und Kastanie.
83
364^
In den höheren Lagen Krains drängt sich die Boche sichtlich in die
Tannenbeatände ein und aus gar manchem Bestände letzterer Art geht
reiner Buchenwald hervor. Zu dieser Verdrängung der Tanne trägt of*
fenbar auch die in neuerer Zeit weit stärkere Lichtung der Tannenbe-
stände bei.
Schliesslich will ich noch eine Wachsthumstafel beifugen » welche
südtiroler Buchenhochwäldern des Jurakalkes angehört.
Waehsthamsgans des Baeheidiochwaldes in den
primörer Beiehsforsten Welschtirols.
Kalkthonboden aus dem Jurakalk hervorgegangen. — Geschlossene,
undurchforstete aus dem Plenterbetriebe hervorgegangene Bestände. See-
höhe 3000—4000 Fuss (Viderne).
Bestandes- Stammzahl Mittlere Stammf^rund Mittlere Durchachnlttasu-
alter des Joches Stammstarke FlSchensumme Stammhöhe wachs Tom Joche
so
6000
1 8
110
10
30
90
3100
a-o
150
18
33
40
1550
4.
170
S6
40
50
lOtS
5 ,
180
31
46
60
865
6,
SOO
35
53
70
740
7,
2S5
38
58
80
640
8-.
«50
41
61
Im Altholze dann noch 15 Prozente Ast- und Gipfelholz.
Dichte des InfUtroekenen Baehenbanmliolflseiil.
Jahrriai:« auf I Zoll Dichte in Taaseodthoilen
Kernholz des Schaftes .... 8—15 610 — 67« 640
Astholz 40 — 80 700 — 750 7C5
3S5
134
Der Bicheuiiederwald.
Der Bttchenniederwald , welcher zahlreiche Gehänge der südlichen
Kalkalpen überkleidet, bildet dort eine g^anz eigene Waldform.
Obwohl- man «eine Ausdehnung möglichst beschränkt, indem das Nadel-
holz dort weit mehr einträgt, so beüsst man ihn doch gerne auf den stei-
len felsigen Kalkhängen, woselbst der Nadelhochwald schwer aufsubringenu
minder ertragreich und kostspielig auszunutzen wäre. Hier ist er auch
so sehr an seinem Platze und entwickelt eine solche Lebenskraft, unü
Ausdauer, dass selbst die rücksichtsloseste Behandlung ihn nicht leicht
auszurotten vermag.
Uem Bnchniederwalde dieaer Gegenden mengen sich häufig der Boh-
nenbaum und tiefer unten, besonders an den Sonnenseiten, die Hopfen-
buche und die Eiche ein.
Auf den steilen Hängen der südlichen Kalkalpen sind sämmtliche
Stangen am Grunde säbelförmig ausgebogen und die Biegung %ergrössert
sich nach der Steilheit der Lage und nach der Meereshöhe (des stärkeren
Winterschnees und des mithin auch viel mächtigeren Schneeschubes wegen)
derart, dass die ersten 'A— r/t Fuss der Stämme öfter völlig niederliegen
und im Buge (von darüber hin wegfahrenden Lawinen) aufgespalten und
kernfaul geworden sind.
Gerade dieser Biegung verdankt man aber grossen theils die voll-
ständige Erhaltung dieser Niederwälder. Am Grunde des Buges nemKch
häuft sich das abfallende Laub an, bildet Humus und erhöht den Boden
derart, dass der Bug dann Wurzel schlägt und endlich ein selbstständiger
Stamm wird, dem das Abfaulen des Mutterstockes nichts mehr schadet
-- Wäre dieser glückliche Umstand nicht, so müssten die Buchennieder-
wälder der Südalpen, welche schon seit wenigstens einem Jahrtausende
ohne alle Rücksicht auf Wiederverjünguug abgeholzt werden, schon längst
ausgegangen sein.
Uebrigens vervollständigen sich diese Schlaghölzer auch gutentheils
aus Samenpflanzen (da das hohe Abtriebsalter die Besamung begünstigt)
und aus Wurzellohden (welche man besonders der zahlreichen Blossle-
gung der Wurzeln verdankt).
Man haut das Buchenschlagholz hier weder früher noch später, als
nachdem es zu zusagendem Prügelholze herangewachsen ist. Hiezu
braucht es in den Höhen auch 60—80 Jahre. Gleichwohl treiben dann
die Stöcke noch vortrefflich. Selbst die in jenen Gegenden allgemein üb-
liche Sommerfallung (Frühsommer) schadet der Verjüngung nicht, denn
die im Hochsommer erscheinenden Triebe verholzen sich vor Eintritt des
Winters noch genügend.
«3»
Ich kann mir nicht die Bemerkung versagen, daas ich in den Hoch-
lagen der italienischen Kalkalpen selbst 90 — 100 jährige Stöcke gefunden
habe, welche noch einen sehr guten Wiederwuchs gaben.
Die Sitte jener Gegeoden » den BudleDniederwald in höherem Alter
zu hauen, begünstigt sogar seine Erhaltung, denn sie giebt Veranlassung
zur Entstehung vieler Samenpflanzen.
Die Buchenniederwälder der Sudalpen geben in ihrer Jugend eine
vortreflniche Viehweide, denn ausser ihrem reichlichen Graswuchse bieten
auch das junge Laub und die Knospen besonders dem Kleinviehe gutes
Futter. Dieserwegen wird die Beweidung der Buchenniederwaldschläge
tmch allenthalben sehr geschätzt und geübt, leider aber überbürdet man
sie hänflg mit so viel Vieh oder betreibt sie schon so zeitlich (vor dem
AuGsprossen iler Gräser, wo dann das Vieh gänzlich auf die Knospenweide
angewiesen ist), dass viele Jungwüchse dadurch verdorben, ja sehr be-
Aeutencte Flachen gänzlich verödet worden sind. -- Diese rficbiiehtslose
Befw^iiung findet hauptsächlich in den Gemeiudevrildern statt» denn der
Landmann kennt zu gut ihre verderblichen Folgen, als dass er seinen
eigfine^ Wald denselben aussetzen würde.
Die in den italischen Alpen sehr ausgedehnte Ziegensenner ei ist
^röss^entbeils, und die Schafzucht zum Theil auf den Buchenniederwald
.gegründet. , — Die Beimengmig des Bohnenbaumes ist für die Weide sehr
günstig» denn sein Laub und seine Knospen Averdeu vom Viehe noch weit
mehr geschätzt, als jene der Buche und wirken auch günstiger auf die
Milcherzeugung.!
Im Folgenden theile ich Einiges über die gewöhnlichen Wachsthums-
verhältnisse des guten geschlossenen Buchenniederwaldes mit, was ich in
den italienischen Kalkalpen selbst erhoben habe.
In die Holzmasse sind alle Zweige bis auf 1 Zoll Stärke eingerechnet.
Dnrchfichnittszuwachs.
Meeres- Haubarl&eits-
stamm-
Stamm-
Holzmasae
liölie. alter.
länge.
> stärke.
vom Joche
Fusse Jahre
Fnaae
Zolle
in Füssen
107 \
69
3S00— 3100 30
3100—4000 40
1-7.
Os.
0»
0„
Auf feM«en, aeiebUru-
migen KalkUionJ>3den
'4000-4850 50
0,H
0-08
45
von gleicher Gfite.
Höher hinauf kommt die Buche nur mehr horstweise oder ganz ver-
einzelt vor.
Auf den Dolomitschuttböden sinkt der Durchschnittszuwachs auch bis
auf ein blosses Viertel der obigen für den guten Kalkthonboden geltenden
Zahlen, obgleich die Stangenzahl auffallend gröi^ser ist. Der Buchennieder-
wald des Dolomitbodens zeichnet sich überhaupt durch eine Ueberzahl von
Stangen aus, welche aber zum grössten Theil nur sehr gering zuwachsen,
und von denen auch nur wenige sich ein entschiedenes Vebergewicht über
die anderen erkämpfen; während auf den Kalkthonboden eine sehr bedeu-
tende Zahl von Stangen die Oberhand gewinnt und die übrigen auffallend
als Nebenbestand ausscheidet.
85r
Diese einfachen Angaben zeigen schon den nngeheuren Einfluss, wel-
chen die Seehöhe auch auf den Buchenniederwald übt , denn sie entscheidet
selbst in der Region des geschlossenen Waldes über das 2V2fsiche des Zu-
wachses. — Im übrigen hat die hfihere Lage aux!h eine geringere Stamm-
zahi und eine grössere Abholzigkeit der Schäfte zur Folge.
Höchst bemerkenswerth ist die besondere Dichte des Schlagholzes
dieser Gegenden; sie mag jene des Baumholzes um etwa SO Prozente
übertreffen.
Die steigende Seehöhe und der Dolomitboden, so auffallend sie den
Zuwachs herabdrüci^en, wirken entschieden günstig auf die Dichte des
Holzes und die Hochlagen der südlichen Kalkalpen liefern ein wahrhaft
eisernes Holz, welches an der Seite der edelsten Gattungen steht, wel-
che wir besitzen.
Der Buchenniederwald der italischen Alpen wird in den näheren La-
gen oder unweit der Triftbäche zu Brennholz aufgearbeitet, von dem man
ansehnliche Mengen weit in die Städte der grossen Italienischen Ebene zu
Floss und zu Schiff hinabbringt. — In allen minder günstigen Lagen yiranT
delt man ihn an Ort und Stelle zu Kohl um, indem diese Waare dort ei?
nen sehr wohlbezahlten Handelsartikel bildet, und mit viel geringeren Ko-
sten abgebracht werden kann, als das Holz. Auch viele Zeughölzer für den
Haus und Wirthschaftsgebrauch liefert der Buchenniederwald, darunter
die Klötze für die Holzschuhe, wozu sich besonders der dicke und weich-
faserige Bug ober dem Wurzelknoten eignet
Im Nord- so wie im Ostabfalle der Alpen kommt die- Buche nur
in geringerer Ausdehnung als Niederwald vor. Denn sie reicht hier nur
selten hinauf in die schroffen Kalkitänge, sondern bedeckt Böden, welche
dem Baum wüchse weit günstiger sind» daher sie denn hier um so no^ehr
als Hochwald gezogen wird, als der Mensch bisher' noch nicht der Ver*
suchung unterlag, die hiefur nöthigen grossen stockenden Hoh&vorräthe
flüssig zu machen.
Sehr bemerkenswerth, obgleich von keiner forstlichen Bedeutung
sind noch zwei Buchen-Niederwaldformen der fAtpen d. i. -fene auf den
hohen kraineri^cbw und küstenländiscben Bergköpfen, webühe dei*. Bora
(Nordoststurm) blossgestelit sind, dann die Buchenhorste a» der Wald»
grenze des Haaptalpenstockes. — Auf ersteren sinkt der ganze Schaft des
sonst so stattlichen Baumes auf einen 4 ~- 6 fussigen Kegel voa 8 ^ 14
Zoll unterem Durchmesser zusanm^a, welcher seine zahlreichen langen
Aeste fast kriechend wie die Krimmfobre von der Sturmseite ab auf jene
Berg- und Felsseiten hinübersendet , welche weniger der Wuth des Sturt
mes ausgesetzt sind. — In letzterer Form erscheint. die Buche zuweilen
auf Hochebenen (Tirol) ohne eigentlichen Schaß, die. kurzen Aeste mit
dichter aber kleiner Belaubung^ hart am Boden hinstreckend, dessen gan-
zer Wärme sie bedarf, um während der kurzen Vegetazionszeit dieser
Höhen ihre fast unmerklichen Jahrestriebe nof^h verholzen zu können.
358
135
Der Kriiiiiiiif5Iiraiwaid.
Di« Krummföhre, welche ober dem Fichten walde die meisten Hftn^e
der Hochberge , und in den südiichea Kaikaipen sogar in sehr grosser
Aasdehnung umsäumt, bildet einen Niederwald von höchst merkwürdigen
Eigenthilmlichkeiten.
Schon das Wachsthum des einzelnen Stammes ist gans besonders.
Allerdings treibt auch das Knieholz ganz wie andere Holzarten seine
neuen Triebe gerade empor , aber das alte Holz leg^ sich auf dem Boden
nieder, derart» dass nur immer das Erzeugniss der letzten 12 — 25 Jahre
ober der Erde steht, und das bildet, was man gewohnlich Wald nennt»
die altere Holzerzeugung hingegen halb oder ganz im Boden versenkt ist.
Ziemlich genau in dem Masse > als der Stamm und seine Verzweigungen
alUährlich neu emportreiben, legen sich die Schafttheile dort, wo sie zu-
letzt vom Boden herauskamen nieder, und vermehren die unterirdische
Holzmasse des Strauches.
Dieses fortschreitende Niederlegen, welches natürlich die Richtung
des ganzen Strauches bestimmt, erfolgt (auf den Berggehängen) im All-
gemeinen von Oben nach Unten, so dass alle KrummfShrenstämme im
Durchschnitte ziemlich parallel von den Bergeshöhen in die Tiefe steigen.
Um die sich niederlegenden Stammtheile sammelt sich alsbald der
reichliche Nadelabfall des oberirdischen Waldes; der aus diesem hervorge-
hende Humus und das Moos, welches sich darauf ansiedelt, erhöhen sich an
ihren Seiten immer mehr und mehr, und greifen endlich darüber zusammen,
so dass die Schäfte, welche vor einigen Jahren auf dem Boden bloss auf-
lagen f nunmehr im Boden begraben sind. Jetzt treiben die neu eiugeerde-
ten Schafttheile auch Wurzeln; merkmürdiger weise aber sterben bei den
alten Knieföhren die obersten unterirdischen Schaftenden etwa in dem Ver-
hältnisse ab und verfaulen, als die Krone unten fortwächst und sich
neue Schaftstücke zu Boden legen.
Dieses Verhältniss ist, wie der Krummfdhrenwald überhaupt noch viel
zu wenig untersucht, als dass sich genau angeben liesse, bei welchem Alter
dieses natürliche Absterben eintritt , ich selbst aber habe die absterbenden
Enden in den südlichen Kalkalpen 100— 200 jährig gefunden.
Die Kronen folgen natürlich in der Hauptsache der allgemeinen Rich-
tung des Stammes (d. i. von Oben nach Unten), sie verzweigen sich je-
doch auch nach beiden Seiten um so reichlicher , als der Abhang minder
steil ist; nur am Hange hinauf erstrecken sie sehr selten ihre Aeste. Die
Aeste sind säbelförmig aufwärts gebogen, mit dem Ausbuge nach Unten.
So entschieden auch die Steilheit der Hänge und der ungeheure Win-
terschnee (mittels des Schneeschubes und der Lawinen) Antheil nehmen
an dieser eigenthfimlichen Bildung des Strauches , so unzweifelhaft liegt
35»
diese nicht minder in der eigenen Natur desselben , und jedenfalls hat der
allmächtige Herr der Thaler und der Berge der Krummföhre schon von
vorne herein all die Eigenschaften verliehen, welche sie so unvergleich-
lich geschickt machen für die Bewaldung der unzähligen Alpenhöhen , auf
denen keine andere Holzart gedeihlich fortzukommen vermöchte*
Der ganz eigenthumliche Wachsthumsgang des Individuums macht
nun auch den Wald ganz eigen.
Ich kann hier leider nur dasjenige anfuhren, was m i r vorzüglich auf-
gefallen ist.
Im geschlossenen Knieholze ist es fast unmöglich, durch längere Zeit
aufwärts zu steigen. Bei jedem Schritte sieht man sich in den Achseln oder
Kreuzungen der entgegenstehenden Aeste verzwängt , deren Uebersteigung
selbst die jugendliche Manneskraft bald erschöpft.
Abwärts dagegen steigt sicbs viel leichter, denn man braucht in der
Regel nur die Verästelung vor sich mit den Armen auseinander zu theilen
um mit dem Körper durchzukommen ; aber der unsichere Tritt auf' die
schwanken Schäfte oder zwischen diese ist gleichwohl so ermüdend, dass
die Durchstreifung ungebahnter KrummfÖhrenbestände immer der beschwer-
lichste aller Waldgänge bleibt* — Um desto geschickter wird dadurch das
Krummholz für die Bergung des Wildes, dem sie auch wirklich oft die
einzige sichere Zufluchtsstätte sind.
Bei Weitem die Hanptholzmasse des KrummfShrenwaldes ist unter-
irdisch. Die oberirdische Verästelung würde dem Kohler der italienischen
Alpen oft gar nicht die Mühe der Aufarbeitung bezahlen, denn er gewinnt
aus ihr — wenn es gut geht — kaum 10 Klafter sperriges schwaches Ast-
holz (vom Joche) , dagegen belohnen die höchst ausgiebigen unterirdischen
Schäfte gewöhnlich reichlich seine Muhe, denn sie geben ihm nicht sel-
ten auch 30—50 Klafter 4 — 8 zölligen Wellenholzes.
Im Urwalde der Krummfohre bemerkt man nicht wie in den anderen
Holzarten zahlreiche abgestorbene Stämme und Lücken im Kronenschlusse,
sondern der ganze Wald erhält sich in der Regel ewig wohlgeschlossen ;
denn hier sterben nicht ganze Stämme, sondern nur die obersten unterirdi-
schen Schafttheile ab, und die wenigen Aeste, welche mit vertrocknen,
verschwinden in der üppigen schwarzgrünen Fülle der Nachbarkronen. —
Die abgestorbenen Stämme, welche man gleichwohl öfter im Krummholze
bemerkt, rühren meist von den Verwüstungen der Lawinen oder Felsen-
stürze her , oder gehören alten Sträuchern an , welche von dem Scheitel ei-
nes Felsens ausgehend , sich über dessen pralle Seitenwände herabbogen,
ohne sich hier lagern und Wurzel fassen zu können.
Die Krummföhre ist mehr wie jede andere Holzart geeignet nackte
Felsenriffe nnd Schutthalden in ertragreichen Waldboden zu verwandeln.
Ein kleiner Spalt im Felsen, oder eine unbedeutende Vertiefung im Schutt-
gehänge, sobald sich nur einige krümliche Erde in ihnen ansammelt, bie-
then dem Samenkorn dieser Holzart bereits genügendes Keimbett, und si-
chern die erste Jugend des entstehenden Strauches. Dieser breitet nun als-
960
bald seine Zweige aus, und schützt dadurch den darunterliegenden Schutt
oder Fels vor Abschwemmung. ihr Nadelabfall rufl dann eine Humusdecke
hervor y diese überzieht sich mit Moos und anderen Kräutern, und so bildet
sich durch Vermittlung dieser Föhre auf Stellen, welche sonst (der Ab-
schwemmung wegen) ewig nackt geblieben wären» ein förmlicher